Rabimmel, rabammel, rabum
Blümel bis Anschober: Das Wochenende war bildschön.

Am Wochenende war ich an der Front, einkaufen also in ein paar Geschäften, und ich kann berichten: Es ist noch ausreichend Ware da, sogar Hummerschwänze, Trüffel und Château Pétrus, was man unter der Woche halt so braucht für ein einfaches Leben, eventuell sogar in Quarantäne. In einer Hofer-Filiale waren die Einkaufswagen aus und in einigen Supermärkten fehlte die eine oder andere Dose aus dem Regal, ein paar Nudel- und Reissorten schienen knapp, aber nach einer unmittelbar bevorstehenden Hungersnot sah das nicht aus. Ob die Österreicher Tierhandlungen stürmten, um tatsächlich Hamster zu kaufen, weiß ich nicht.
Die Leute sind aber vorsichtig geworden. In einem Markt sah ich eine ältere Dame, die eine Serviette über den Holm des Einkaufswagens gebreitet hatte und als meine Frau und ich ein bisschen herumalberten und dabei das Wort „Medikament“ fallen ließen, rückte ein Ehepaar merkbar von uns ab. Das machte nichts, wir wollten sie ohnehin nicht einladen, die zwei sahen nicht so aus, als würden sie den Humor palettenweise ins Haus bringen.
In der U-Bahn ist es jetzt angenehm, ein Räusperer und man hat Beinfreiheit, ein paar Brocken Italienisch, also etwa „la lista delle bevande, per favore“ oder „il radiatore era troppo caldo“ und man kann sogar die Füße auf die Sitzbank gegenüber legen.
Uhrig

Parteitage der ÖVP Wien machten den Funktionäre bisher ähnlich viel Spaß wie Eltern die jährlichen Laterndlfeste im Kindergarten. Man ging hin, applaudierte frenetisch, auch beim 17. Mal, rabimmel, rabammel, rabum. Diesmal allerdings gab es Großes zu verkünden, die überraschende Kandidatur von Gernot Blümel als Spitzenkandidat bei der Wienwahl nämlich und deshalb wählte man als Meta-Veranstaltungsort die Meta-Hall in der Meta-Stadt in Wien-Donaustadt, 2.400 Quadratmeta groß, viel Beton, viel Eisen, hier wurden früher Lastwagen hergestellt. Es war als hätte man die Veranstaltung des Laterndlfestes heuer in die Hände einer hippen Agentur gelegt und die machte rabimmel, rabammel, rabum und das in Türkis.
Alle waren bestester Laune, der Kanzler war da und lachte und der Nationalratspräsident war da und lachte, vier türkise MinisterInnen ebenso, ich hoffe alle, die schwänzten, haben eine gute Ausrede. Auch Tänzer Willi Gabalier, Schauspielerin Elke Winkens, Opernsängerin Natalia Ushakova mischten sich unter die 800 Besucher, es können auch 1.000 gewesen sein oder auch nur 500. Sicher ist, Susanne Riess, Generaldirektorin von Wüstenrot, von 2000 bis 2003 Vizekanzlerin und FPÖ-Bundesparteiobfrau, ehe sie sich mit Haider überwarf, war eine davon.
Neben Riess saß Gery Keszler, der am Rathausplatz 26 Mal den Life Ball veranstaltet hatte, ehe er 2019 das Ende verkündete, oder auch nicht, er will falsch verstanden worden sein, sagt er jetzt. Nach dem Ausfall von Sponsorengeldern habe er die Stadt gebeten, mit „ein paar 100.000 Euro“ einzuspringen. Die Stadt, die zuletzt schon mit 800.000 Euro Förderung pro Jahr eingesprungen war und sich dafür von der Opposition birnen ließ, hatte diesmal keine Lust einzuspringen, das Ende ist bekannt.
Aufbrechen, lustig gell?

Jedenfalls wissen wir nun dank Keszler wie man in Österreich Teil einer politischen Bewegung wird, das Wort Partei hört ja keine Partei mehr gern – man wird angerufen. Einfach so. Da sitzt man zu Hause, denkt sich nichts, schaut vielleicht „Lindenstraße“ oder „Bergdoktor“ oder alte Auftritte von Sebastian Kurz auf YouTube nach, das Telefon läutet und flugs sitzt man in der ersten Reihe am ÖVP-Parteitag. Ist offenbar wirklich so. Als Keszler in der Meta-Stadt von Meta L. Eppinger nämlich gefragt wurde, warum er da sei, antwortete er: „Weil mich der Gernot angerufen hat“.
Soviel muss aber dazugesagt werden: Es war schon ein Fundament da mit dem Gernot, es war nicht Liebe auf den ersten Handycall. Er kenne Blümel seit einigen Jahren, sagte Keszler, die Freundschaft sei „stetig gewachsen“. Das haben die Roten, deren Stadt mit „ein paar 100.000 Euro“ zur Rettung des Life Balles einspringen“ sollte, gar nicht mitgekriegt. Oder sie haben nicht angerufen. „Es darf sich aber jeder entspannen“, sagt Keszler in seiner kurzen Rede, „es wird keine Abrechnung mit der Vergangenheit“. Zu gütig.
Auch ohne abzurechnen schaffte es der Life Ball Macher bis ganz nach vorne bei der Partei, die etwa die "Ehe für alle" vor Kurzem mit so viel Herzblut eingefordert hatte, dass es vielen Schwulen fast schon zuviel gewesen sein muss. Keszler trug VP-Dienstkleidung, dunkler Anzug, weißes Hemd, schien zuweilen wegzudösen hinter den verschränkten Armen.
Als aber Gernot Blümel von der Bühne herab sagte, „euch allen in dieser Runde, die so viel geleistet haben, danke, dass es uns gemeinsam gelungen ist, in den letzten Jahren die türkise Bewegung in Wien so stark werden zu lassen, vielen Dank“, da klatschte Keszler so heftig wie die anderen alle, obwohl er sich vielleicht nicht zu erklären wusste, was speziell er dazu beigetragen haben könnte, „die türkise Bewegung in den letzten Jahren so stark werden zu lassen“. Das wusste Blümel vielleicht auch nicht von sich, der Aufschwung der „letzten Jahre“ existiert momentan ja lediglich auf dem Papier und bei der Wahl 2015 hatte die ÖVP in Wien nicht einmal zehn Prozent erreicht. Das ist jetzt nicht gerade rabimmel, rabammel, rabum.
Call me maybe

Was Eva Glawischnig für Novomatic war, das ist nun Gery Keszler für die Wiener ÖVP – eine Trophäe, ein Zwölfender, den man stolz herzeigen kann, weil sie der andere nicht mehr hat. Vor allem die SPÖ nicht. Helmut Zilk hatte 1993 den Life Ball möglich gemacht, „ich bin ihm extrem dankbar“, sagte Keszler einmal dem „Kurier“, aber auch Dankbarkeit hat ein Haltbarkeitsdatum. Michael Häupl habe das „über zwei Jahrzehnte weitergetragen“.
Unter Michael Ludwig endet nun die Zuneigung, die wohl nie Liebe, sondern eher Ausdruck einer Zweckgemeinschaft war, wie die SPÖ nun feststellen muss. „Ich bin weder rechts noch links. Ich bin in der Mitte, in meiner Mitte“, sagte Keszler gestern auf der türkisen Bühne. So etwas Ähnliches hatte Michael Ludwig vor ein paar Tagen ebenfalls von sich gegeben. Er wollte allerdings nicht allein in der Mitte sein, nicht einmal in seiner eigenen, sondern bei den Menschen. Auch schön.
Auf dem Landesparteitag erhielt Gernot Blümel schließlich 96,8 Prozent, es kann nicht an seiner Rede gelegen sein. Nein, nein, er macht das nicht schlecht, er redet sehr solide, versemmelt einige Gags, aber nicht alle, nur die Masse mitreißen kann er nicht, nicht einmal, wenn diese Masse Türkis ist, es fehlt ihm einfach dieses rabimmel, rabammel, rabum.
Bei Kurz ist das anders. Er ist der Firmenchef, Blümel nur sein Filialleiter der Zweigstelle Wien. Ganz zu Beginn sitzen die beiden nebeneinander vor der Bühne. Beide dunkler Anzug, Kurz blau, Blümel dunkelgrau. Beide weiße Hemden, beide fast dieselbe Krawatte, beide fast dieselbe Frisur, beide fast dasselbe Lachen. Nur die Socken sind anders, Blümel trägt Türkis. Kurz springt auf die Bühne, sagt ein paar Sätze, dann übergibt er an seinen Filialleiter. Es fehlt nur das rote Band zum Durchschneiden.
„Zeit aufzubrechen“, steht auf einer der Wände der Halle, was oder wohin man aufbrechen will, erschließt sich an diesem Tag nicht ganz. Aber Blümel spult jetzt das Wahlprogramm ab, vieles ist wohlvertraut. Leistungswillige gegen Almosenbezieher, die Probleme der Zuwanderung, die langen Wartezeiten bei Ärzten, die Gebührensteigerung in Wien, die Fehler im Bildungssystem, Kinder, die zu wenig Deutsch können, Geschäfte in der City, die am Sonntag nicht öffnen dürfen. Er redet knapp eine Dreiviertelstunde, Taferln gehen hoch, „Aufbruch“ steht drauf, Blümel geht von der Bühne, küsst sich durch die erste Reihe, auch Keszler kommt dran. Der Anruf hat sich ausgezahlt.
Touchdown

„95 Prozent der Politik besteht aus Inszenierung“, hat Christian Kern 2017 gesagt, als er noch Kanzler und SPÖ-Chef war. An seiner Seite stand Reinhold Mitterlehner, ja, ja, der heutige Bestseller-Autor hat tatsächlich eine Vergangenheit als Politiker. Kern mahnte damals zur besseren Zusammenarbeit, sonst werde die nächste Koalition nicht mehr aus SPÖ und ÖVP bestehen. Er ahnte wohl nicht, dass auch die übernächste Koalition nicht aus SPÖ und ÖVP bestehen würde und Sebastian Kurz jetzt einmal alle Parteien durchprobiert, bis auf die SPÖ natürlich. Und bei den 95 Prozent Inszenierung ist man auch nicht steckengeblieben, das Leben geht schließlich weiter.
Die Grünen können das auch, Inszenierung nämlich und sie haben erstaunlich schnell ihren Kurz gelernt. Conny Bischofberger interviewte für die „Sonntag-Krone“ Gesundheitsminister Rudolf Anschober an seinem Amtssitz. Wir sehen schöne Bilder, am Tisch einen Korb mit Äpfeln, im Hintergrund die zwei obliganten Fahnen von Österreich und der EU. „Jetzt kommt die schöne Abendsonne rein“, lächelt Anschober. Der Minister sitzt da im weißen Hemd, die Ärmel hat er aufgekrempelt bis zu den Ellenbogen, obwohl es im Zimmer nicht übermäßig warm gewesen sein dürfte, denn Conny Bischofberger hat ein gelbes Jäckchen an, auch die Fahnen schwitzen nicht unter den Achseln. Nein, aufgekrempelte Ärmel bedeuten Tatkraft, bedeuten anpacken, bedeuten wir schaffen das. Werner Kogler ging im letzten Wahlkampf so in jede TV-Diskussion. Fünf Minuten vor Start – Ärmel rauf. Immer.
Ärmelschoner

Die Politik hat sich instagrammisiert, nicht nur in Österreich, aber auch. Da ist kein Platz für zweite Sieger. Am Wochenende postete Margarete Schramböck Bilder aus Schönbrunn, die herzallerliebst sind. Die Digitalministerin steht vor einer Glaswand und Eisbär-Mädchen Finja pratzerlt auf die Scheibe, streckt die Zunge raus, es sind Fotos, die Social Media Manager jauchzen lassen. Drei Stück stellte Schramböck auf ihren Insta-Account, zufällig einen Tag ehe der Wiener Bürgermeister heute die Patenschaft für Finja übernimmt. Ich glaube nicht, dass er das bärig findet.
Möge Ihr Montag bärig sein. Rabimmel, rabammel, rabum.
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Fotos: Blümel-Parteitag: APA, Georges Schneider Keszler: Jakob Glaser,
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Rudolf Anschober: "Kronen Zeitung", Peter Tomschi