Strache, „ich war dabei“

Ein bisschen was über Indiana Jones Kogler, etwas mehr über Strache, von dem ich nun eine streng limitierte Autogrammkarte besitze. Warum? Darum!

Es gibt Tage, an denen lernt man mehr als an anderen. Zum Beispiel gestern. Da war ich beim So-gut-wie-beinahe-fast-schon-sicher-Comeback von Heinz-Christian Strache, dem neuen politischen Racheengel Österreichs, in den Wiener Sofiensälen. Etwas mehr dazu später.

Schon am Vormittag erfuhr ich, dass es offenbar auch eine Version von Indiana Jones auf steirisch gibt. Als der Journalist Philipp Eitzinger nämlich jüngst den Dachboden seiner Schwiegereltern aufräumte, fiel im Geschirr in die Hände, das in eine „Krone“ vom 3. Februar 1983 eingewickelt war. Auf der Zeitungsseite befand sich ein Artikel, der mit „Die grünen Rebellen“ übertitelt war, als Foto wurde ein junger Mann mit einer Art Schnurrbart gezeigt, der Werner Kogler verblüffend ähnlich sah, was daran gelegen haben könnte, dass es sich tatsächlich um Werner Kogler handelte. Er war zu dieser Zeit 21 Jahre alt und Wahlkampfmanager der „Alternativen Liste Graz“.

"Du kriegst deine Fotzn"

Die Geschiche über ihn begann mit folgenden Worten: „Bei den etablierten Parteien hat das große Zittern begonnen“, die Alternativen seien „im Vormarsch“. Wenn Sebastian Kurz, der definitiv einer „etablierten Partei“ vorsteht, der Artikel bei den Koalitionsverhandlungen unter die Augen gekommen wäre, dann hätte er Kogler mit Sicherheit das Finanzministerium, wenn nicht sogar das Kanzleramt überlassen, bei all der Angst, die Kogler schon seit 37 Jahren verbreitet. So aber fürchtete sich Kurz, der 1983 noch minus drei Jahre alt war, im Stillen und nahm den Grünen tollkühn weitgehend alle Ämter ab und einiges dazu noch, aber lassen wir das.

Als Werner Kogler noch 21 und der Indiana Jones aus der Steiermark war, redete er noch in Sätzen, die auf Zeitungsseiten passten. Er verriet, dass die Partei nur 68.000 Schilling zur Verfügung gehabt hätte, eine grob fahrlässige Unterschreitung der Wahlkostenobergrenze, aber dass man mit einem Trick für mehr Aufmerksamkeit gesorgt hätte. Man ließ die Schrift auf den Plakatständern absichtlich klein drucken. „Bei uns haben sich die Leut´ sogar gebückt“, sagte Indy Kogler. Sowas fällt der SPÖ heutzutage natürlich nicht ein. Die Leute würden sich auf dem Boden wälzen, um die Botschaften von Pamela Rendi-Wagner entziffern und vor allem deuten zu können.

Politik war damals noch erdiger, nicht nur, aber auch in Hartberg. „Wennst dort sagst, dass du gegen die Südautobahn bist, weil sie die Landschaft zerstört, kriegst deine Fotzn“, sagte der junge Kogler. Deswegen also heißt das „gesunde Watschen“. Genutzt haben die Ohrfeigen nichts, die Autobahn wurde gebaut, Indiana Jones nahm das mit Gleichmut hin und blieb bescheiden. „Fir mi brauch i nix“, sagte er, „I leb mit 3.000 Schilling im Monat. Für mei Kellerwohnung zahl I tausend Schilling Miete. Und sonst fahr I mit der Straßenbahn. Da kann i lesen“. Ein Medien-Junkie war er damals schon. Und multitaskingfähig. „I tua beim Rasieren Radio hören, damit I nix versäum“.

Er ist wieder da

Heinz-Christian Strache ist so etwas wie die Klosterneuburger Version von Indiana Jones, immer irgendwie weg, aber dann doch wieder da. Vor 251 Tagen (höchstselbst ausgerechnet, wie er später auf der Bühne stolz verkünden sollte), hatte ihn Ibiza aus der Regierung gespült, vor 115 Tagen verkündete er seinen endgültigen Abschied aus der Politik. Aber dann kam Silvester, das Bleigießen und wer weiß…? Jedenfalls kündigte er gestern in den Wiener Sofiensälen zum wiederholten Male sein Comeback eben genau nicht an, diesmal allerdings vor 1.000 Leuten. Ich meine, ich war bei Putin und bei Trump und bei Chinas Xi, aber so eine Veranstaltung habe ich auch noch nicht erlebt.

Auf den ersten Blick schauten die Sofiensäle aus wie für einen Kindergeburtstag hergerichtet, rote und weiße Ballons hingen vorm Eingang und an den Wänden die Stufen hinauf, die auch gesäumt waren von allerlei muskulösen Gestalten mit Kabeln hinter den Ohren, ich nehme an, die hörten nicht Ö3. Vor dem Eingang bildeten sich rasch Menschentrauben, es gab erste Reibereien mit Fotoreportern, nicht jeder Trachtenhut wollte fotografiert werden, nicht einmal von hinten. Der Ballsaal selbst war in rötliches Licht getaucht, in seiner Rede später erwähnte Strache, dass früher unterm Boden ein Swimmingpool gewesen sei und „deshalb war die Akustik so gut“. Manchmal sagt er wirklich rätselhafte Sachen.

Der Saal war noch halbvoll als ich eintraf, aber Strache schon da, er gab auf einem der kleinen Balkone eine Etage höher erste Interviews, vermutlich verwendete der Moderator später deshalb das Wort „herabkommen“, als er den Auftritt des nun Hellblauen ankündigte. Dutzende Kamerateams und Fotoreporter huschten durch den Raum und suchten nach Menschen, die ulkig aussahen oder ulkig gekleidet waren, sie fanden einen Strache-Fan mit so weit aufgerissenen Augen als wäre er Teil der Ibiza-Partie gewesen, eine Frau, die rot-weiß-rotes Krepppapier am Hut trug, die Fraktion Wien-Landstraße hielt Strache-Fantaferln in die Kamera, diese ORF-Debatten haben den Alltag mittlerweile schon ganz schön durchdrungen.

Die Fankurve

Die Fanartikel

Auf den Stehtischen lag eine Getränkekarte (Bier, Weißer Spritzer, Apfelsaft, Orangensaft, alles gratis), auf jedem Sessel fand sich eine Autogrammkarte mit einem Foto von Strache und seinem Hund  Linda. „Ich war dabei,“ stand drauf, für seinen persönlichen Mondlandungsmoment konnte man sich die Karten danach in einem eigenen Selfiecorner von Strache unterschreiben lassen. Einer der Fans, der darauf bestand früher Grün gewählt zu haben („aber ein einziger Fehler wie Ibiza darf doch keine Todesstrafe sein“), hatte einen Button angesteckt, „Die beste Rache ist dein Kreuz bei HC Strache“ stand darauf, darunter Wien 2020. Kickl ist weg, die Reime blieben.

Aus Lautsprechern, die von der Decke hingen, wummerte jetzt „Nutbush City“ von Tina Turner, sie war nicht der einzige Star, der für diesen Abend herhalten musste. Wenig später folgte „Crazy Little thing Called Love“ von Queen und ehe sich Freddie Mercury im Grab umdrehen konnte, „Don’t Stop Me Now“. Manchmal hat man auch als Toter kein leichtes Leben.

Auf dem riesigen Monitor auf der Stirnseite des Ballsaales wurde nun ein Video abgespielt, in dem Wiens Wahrzeichen zu sehen waren, dann kam Bewegung in die Sache. Die drei Gründer der DAÖ („Die Allianz für Österreich“, hat jemand schon erwähnt, dass dies ein seltsamer Name ist?) traten in den Saal, aufgereiht wie drei der vier Daltons, Karl „Averell“ Baron, Klaus „Jack“ Handler, Dieter „Joe“ Kops. Und dann kam ER. Aber wie!

"Heute wird Geschichte geschrieben"

Zwischen Rolli und Rolex

Als Strache den Saal betritt, stürzen sich TV-Teams und Fotografen auf ihn, es ist kein Fortkommen. Er grinst wie ein Hutschpferd, nach den Monaten der Kränkung, ist das hier für ihn ein Erweckungserlebnis, er genießt es. Seine Fans stehen von den Sesseln auf, klatschen, jubeln, johlen. Zwei Bodyguards schieben ihm langsam den Weg frei. Strache ist deutlich erschlankt, er trägt Jeans, ein schwarzes Sakko, dazu einen schwarzen Rolli, ein Hauch von Steve Jobs weht durch den Raum, es ist wirklich nur ein Hauch. Zufall, oder Fingerzeig? An seinem Handgelenk sieht man deutlich eine Rolex Daytona, jene Uhr, die er von der Wiener FPÖ als Dankbarkeit für viele Jahre im Dienste der Partei geschenkt bekommen hatte.

Strache setzt sich in die erste Reihe, später stößt von der Seite her seine Ehefrau dazu, er begrüßt sie vom Rednerpult aus dann als „meine bessere Hälfte, Nationalratsabgeordnete Philippa Strache“. Sehr förmlich sind die geworden in Klosterneuburg.

Zunächst reden die Parteigründer der DAÖ. Karl Baron („wahre Freiheitliche haben ein Rückgrat und sind keine Gummipuppen“) ist am schärfsten. In manchen Wiener Bezirken, sagt er, „sieht es aus wie in Saudi-Arabien“. Lautes Gelächter. Und zu Ibiza: „Wer hat noch nie a bsoffene G’schicht g’habt?“ Zustimmung von vielen Plätzen. Schließlich gewagt: „Hier wird heute Geschichte geschrieben.“

Das literarische Quartett

Keine Sesselkleber

Dann ist Strache dran, „It‘s My Life“, von Bon Jovi brandet auf, als er auf die Bühne hopst. 52 Minuten lang redet er. Den Vizekanzler hat er ausgewaschen aus seiner Stimme, er ist jetzt wieder der Oppositionschef mit den natürlichen Feinden, die er schon mit der FPÖ hatte. Er schießt gegen Ausländer (viel Applaus), Einwanderung ins Sozialsystem (mehr Applaus), den politischen Islam (noch mehr Applaus), wirft sich für die Raucher ins Zeug (am meisten Applaus), wettert gegen „sogenannte ehemalige Freunde“, nennt Ibiza einen „feigen Anschlag“, das Keywort, es fällt häufig an diesem Abend, heißt „Strache-Bashing“.

Er sieht sich als Opfer („Ich habe mein Leben nichts Unrechtes getan“), als Verfolgter („Rolle des Dauersündenbocks“), als Hintergangener (Ibiza sei „Privatsphäre“ gewesen, das Video „manipulativ zusammengeschnitten“). Für Hofer und Kickl hat er nur mehr Spott übrig, sie seien bei der ÖVP betteln gewesen, „bitte, bitte, wer will mich?“

Strache wünscht sich eine „neue Bürgerpartei, die die Altparteien überwindet“, dazu zählt er nun wohl auch die FPÖ. Sein Antreten bei der Wien-Wahl sagt er nicht direkt an, aber irgendwie doch. Er nennt eine „Liste Strache“, es seien aber noch „Vorarbeiten“ zu leisten. Die nächste Chance, das Antreten nicht zu verkünden, gibt es am Aschermittwoch auf der Prateralm. Beim DAÖ-Treffen ist Strache der Starredner. What else?

Jedes Schriftl a Giftl

Wie sehr Strache im Moment nicht gebraucht wird, sah man gestern. Zwei Medien empörten sich darüber, dass mehrere Vereine in Schulen „Flüchtlingsrollenspiele“ angeboten hatten. Die Schüler sollten erleben, was es heißt, Migrant zu sein. Sie bekamen einen Fantasiepass für ein Fantasieland und durchliefen dann Stationen mit Grenzkontrollen, Warteschlangen und Befragungen durch Beamte, ein Spiel mit ernstem Hintergrund. Gestern stoppte der Bildungsminister dann das Projekt. Schüler zu „verängstigen“ sei kein pädagogisches Konzept, sagte er. Manche Kinder werden das mit Erstaunen zur Kenntnis genommen haben, denn bei ihnen überwog bisher der Eindruck, der übrige Unterricht, den sie genossen, sei genau darauf ausgerichtet, nämlich Schrecken zu verbreiten, ob mit oder ohne „pädagogischem Konzept“ ist ihnen mutmaßlich egal. Es sei „unverantwortlich und unverständlich“ gewesen solche Spiele abzuhalten und damit „Ängste bei Kindern“ auszulösen, schob die neue Integrationsministerin nach.

Am 3. April erscheint „Resident Evil 3“, von den bisherigen Teilen und spin-offs wurden weltweit 91 Millionen Stück verkauft. Im dem Game hüpfen keine Bambis herum, man fährt nicht putzige Traktoren spazieren, oder landet Flugzeuge sanft, da wird gestorben und das viel. Unsere lieben Kleinen werden also, traumatisiert durch ein Flüchtlingsrollenspiel, aus der Schule heimkommen, sich vor den PC oder die Playstation setzen und einmal so richtig losballern und zustechen, bis das Blut nur so spritzt. Das finden offenbar alle okay, aber Lebensrealitäten von Flüchtlingen kennenzulernen verstört. Was, bitte sehr, bleibt für Strache an Arbeit noch übrig, wenn die aktuelle Zuruf-Bundesregierung schon seinen Job macht? Er hat seit Ibiza wirklich keinen guten Lauf.

Haben Sie ein wunderbares Wochenende, dann können auch Sie Montag mit Recht sagen: „Ich war dabei“.

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