"Oasch", eine Annäherung
Krisper unverblümt, Blümel dornig, Tanner ficht nichts an.

Als ich ein Bub war, gab es in Klagenfurt in der Nähe vom Wörthersee zwei große Tennisklubs, einen beherrschte die SPÖ, einen die ÖVP, der Sport war in Österreich immer schon parteipolitischer als die Parteipolitik. Die Klubs waren mitten ins Sumpfgebiet hineingebaut worden, der Umweltschutz war damals noch nicht erfunden, die Umwelt war ja da, warum sollte man sie also schützen müssen und wovor? Im roten Verein gab es gleich nach dem Eingang eine hübsche Tafel, in der Gravur wurde dem Landeshauptmann für die Errichtung eben jenes Klubhauses gedankt. Ich ging davon aus, dass er die Rechnungen aus der eigenen Tasche bezahlt hat, denn von uns Steuerzahlern kann das Geld ja nicht gekommen sein, sonst wären wir auf der Tafel gestanden und nicht er. Ich war ziemlich naiv als Kind, vom Land halt und da war es nicht so Oasch wie in der Stadt.
Das wird jetzt keine Tourette-Kolumne, keine Sorge, aber Oasch wird vorkommen, jetzt wo das Wort im U-Ausschuss salonfähig gemacht wurde. Wenn Sie das verstört, dann bitte ich einerseits um Verzeihung, andererseits rate ich dazu, an den betreffenden Stellen die Augen zuzumachen, bis drei zu zählen und dann weiterzulesen, dann sind sie garantiert an der Unzumutbarkeit vorbei.
Aber zurück zu den Erinnerungen: Wenn den Landeshauptmann, der damals Leopold Wagner hieß, die Lust aufs Tennisspielen überkam, dann rief ein Sekretär beim Klub an und Platz 1 wurde leergeräumt, die Magnettafel wurde für alle anderen blockiert, egal zu welcher Tageszeit, niemand stellte das in Frage. Auf der Terrasse des Klubhauses nahmen in der ersten Reihe alle jene Platz, die irgendetwas vom Landeshauptmann benötigten, einen Job fürs Enkerl, etwas Schub bei einer Beförderung, einen Auftrag für ihr Unternehmen. Sie applaudierten frenetisch, wenn dem Landeshauptmann ein Zauberball gelang, die Hände aber waren oft zur Untätigkeit verdammt, denn Wagner war von kräftiger Statur, hatte den Aktionsradius eines Bierdeckels, jeder Ball, der nicht Richtung Körper ging, wurde als unerreichbar eingeordnet oder zur Sicherheit gleich out gegeben.
Wie durch ein Wunder gewann Wagner trotzdem häufig, er wurde heftig beglückwünscht, sobald er die Arena verlassen hatte, es kam richtig viel Bewegung in die ersten Reihen auf der Terrasse, einige boten sich an, den Erschöpften mit Getränken zu laben, sein Handtuch zu tragen oder stellten ihm einen Sessel hin, meist an ihren Tisch, es gab ja einiges zu bereden.
Ich kenne Postenschacher also von der Pike auf, früher hieß dieser Postenschacher noch eher Parteibuchwirtschaft, was irgendwie eleganter klingt, denn da steckt das Wort Wirtschaft drin und gegen Handel kann niemand ernsthaft etwas haben. Als Wagner nicht mehr im Amt war, übernahm Jörg Haider. Auch er spielte auf Platz 1, auch bei ihm saßen alle, die persönliche Hoffnungen in den Landeshauptmann setzten, in der ersten Reihe, es waren mehr oder weniger dieselben Leute, die schon Leopold Wagner applaudiert hatten und auch sie trugen Haider das Handtuch nach und erkundigten sich, ob ihn ein Durstgefühl plagte. Ein guter Tennisspieler, der Haider gern die Bälle zuschupfte, landete so in der Landesregierung, „wir schicken ihn halt Wurstsemmel holen“, wurden seine Kompetenzen von Leuten beschrieben, in dessen Abteilung die Nachwuchshoffnung gelandet war.
Als ich einige Jahre später, da lebte ich schon in Wien, Kärntner Zeitungen durchblätterte, stellte ich fest, dass es der Wurtstsemmelholer zu einem der höchsten Ämter des Landes gebracht hatte, nun holten die anderen die Wurstsemmeln für ihn. Hätte sich die politische Lage anders entwickelt und ein Phaeton eventuell eine etwas bessere Bodenhaftung gehabt, dann wäre für den Wurstsemmelholer in naher Zukunft vielleicht auch der Einserplatz reserviert worden im Tennisklub, der einst rot war, dann blau wurde, um später in Orange zu erstrahlen, vermutlich schimmert dieses Orange heute wieder eher rot, aber genau weiß ich das nicht. Nicht alle machten die Entwicklung mit, einige zogen weiter vom Tennisklub in den Golfklub, um das zu vollenden, was sie beim Tennis begonnen hatten, nun mit etwas kleineren Bällen halt.
86 Mal fraglos ohne Antwort

An diese Begebenheiten musste ich denken als ich gestern das „Morgenjournal“ hörte. Wolfgang Gerstl saß im Studio von Ö1, er ist Fraktionsführer der ÖVP im U-Ausschuss und damit nach Wolfgang Sobotka der zweite Schutzwall der Türkisen gegen unbotmäßige Fragen. Am Mittwoch hatte Sebastian Kurz im „Ibiza-Ausschuss“ mit seltener Offenheit den Segen des Postenschachers für Österreich erläutert. Er habe das System zwar „nicht erfunden“, sagte der Kanzler, es habe „Schwächen, aber wir kennen kein besseres“. Ich schloss daraus, dass das System keine Schwächen aufweisen würde, wenn es der Kanzler erfunden hätte, aber so trimmte er die ÖVP darauf, das Beste aus dem bestehenden „System“ herauszuholen, die Folgen davon sind nun auch Thema im U-Ausschuss.
Am Tag danach ritt Gerstl aus, um den Kanzler im Radio zu interpretieren. Es könnte kaum einen Profunderen dafür geben, der Verfassungssprecher der ÖVP ist seit 2017 Träger des Goldenen Ehrenzeichens um die Verdienste der Republik Österreich und das kann ja nicht grundlos passiert sein. Ob er über die Aussage von Kurz überrascht gewesen sei, wurde er von Ö1 gefragt. „Natürlich nicht“, hätte er jetzt antworten können, „wir von der ÖVP lehnen Postenschacher aus tiefstem Herzen ab, nur Bestqualifizierte kommen zum Zug, wir halten uns da raus, die Auswahl erfolgt durch unabhängige Experten“. Das hätte zwar niemand geglaubt, aber es hat auch niemand geglaubt, dass Harry Potter wirklich zaubern kann und trotzdem wurden Film und Buch ein Erfolg.
Nein, Gerstl entschied sich anders, nämlich dazu, die Parteibuchwirtschaft erst gar nicht abzustreiten. „Das macht jede Regierung“, sagte er, „das ist etwas total Übliches und man sollte diese Postenbesetzungen nicht generell in den Verruf bringen.“ „Qualitätskriterien“ seien wichtig und „Vertrauen in die Personen“ obendrein. Ich mutmaße, ein „Qualitätskriterium“ könnte das Vorhandensein eines Parteibuches sein, jedenfalls würde dies das „Vertrauen in Personen“ stärken, aber vielleicht irre ich mich, ich bin schließlich auch kein Harry Potter.
Wolfgang Gerstl schon eher, denn er zauberte den „Ibiza-Ausschuss“ von der ÖVP weg, einfach so. Die FPÖ trage an allem Schuld und sei gottlob aus der Regierung geschmissen worden. Die Casino-Affäre habe nichts mit Türkis zu tun, auf die Vorstandsbestellungen hätten sich die drei Eigentümer geeinigt, die Republik habe darauf „gar keinen Einfluss gehabt“, alles sei in Absprache zwischen Heinz-Christian Strache und der Novomatic passiert, übel sei dieses ganze „Ibiza-Netzwerk“ gewesen. Pfui!
Türkiser Personenschutz

Meine Erwartungen an den U-Ausschuss waren nicht sehr hoch, sie wurden bisher untertroffen. Gestern war Gernot Blümel geladen, wenn SPÖ-Mandatar Kai Jan Krainer richtig mitgezählt hat, dann entschlug sich der Finanzminister 86 Mal der Aussage, die SPÖ will nun eine Anzeige einbringen. Auch wenn Blümel antwortete, blieb der Erkenntnisgewinn dürr. „Sie dürfen fragen, wie Sie fragen, ich darf antworten, wie ich antworte“, sagte er, „wenn Sie damit nicht zufrieden sind, muss ich das zur Kenntnis nehmen“. Für Vorstandsbestellungen sei er nicht zuständig gewesen, vom Casino-Job für FPÖ-Mann Peter Sidlo habe er „erst aus den Medien erfahren“. Es wird sich noch herausstellen, dass Sidlo von niemandem berufen wurde, er ging einfach eines Tages ins Casino-Hauptquartier, stellte sich als neuer Vorstand vor, alle glaubten ihm und so blieb er es auch. Vielleicht ist es genau das, was sich Wolfgang Gerstl unter „Qualitätskriterien“ und „Vertrauen in die Personen“ vorstellt.
Als Kanzleramtsminister habe er über keinen Laptop verfügt, erzählte Blümel den erstaunten Abgeordneten, er führte sein Amt via Handy, „ich arbeite sehr effizient“. Natürlich habe er Strache SMS geschrieben und der ihm, dem U-Ausschuss liegen sie nicht vor, „vielleicht war nichts davon relevant“. Zu möglichen Novomatic-Spenden an die ÖVP könne er „ausschließen, dass ich dazu Erinnerungen habe“. Auch was das Ibiza-Video betrifft, gibt es Gedächtnislücken. Wann er von der Existenz erfahren habe? „Frühestens am Tag vor, spätestens am Tag nach der Veröffentlichung“. Habe ich schon erwähnt, dass die Befragung zäh verlief?
Erst verließ Blümel das Gedächtnis, dann wollte auch Wolfgang Sobotka gehen. Seltsam, seit Tagen möchten die SPÖ und die Neos, dass der Ausschuss-Vorsitzende abtritt, dann will er abtreten oder austreten und dann ist es auch nicht recht. Der Abbruch drohte, denn Sobotka wollte den ÖVP-Abgeordneten Wolfgang Hanger zu seinem Vertreter machen, das darf er aber nicht, was ihm anfangs wurscht war. Hektik, die SPÖ drohte mit dem Auszug. Laut Geschäftsordnung muss sich der Vorsitzende von jemandem aus dem Nationalratspräsidium vertreten lassen, Hofer fiel aus, er hatte sich zu Beginn des Ausschusses für befangen erklärt, blieb also Doris Bures. Nach langem hin und her wurde sie angerufen, sagte aber ab – keine Zeit, angeblich. Also konnten die Hanger-Games doch starten. Wenig später meldete sich die Zweite Nationalratspräsidentin via Aussendung. Es habe an sie „kein Ersuchen“ um Vertretung gegeben, sie wäre „selbstverständlich“ bereit gewesen, „diese Verantwortung verfahrensgemäß wahrzunehmen“. Was genau sollte in diesem „Ibiza-Ausschuss“ eigentlich untersucht werden?
Vielleicht ahnte Stephanie Krisper, was passieren würde. Die Fraktionsführerin der Neos verpasste dem Ausschuss gestern einen Stempel, den er wohl nicht mehr so schnell los wird. Mitten in der Befragung von Gernot Blümel hinein, entfuhr es ihr. Sie vergaß den Aus-Schalter des Mikros zu betätigen oder sie war zu spät dran damit oder hielt die Hand schlampig über das Mikro, jedenfalls, und das ist unbestritten, fluchte sie. „Die geht mir am Oasch“, habe sie gesagt, will Peter Pilz über Dritte erfahren haben und Krisper habe damit Verfahrensrichterin Ilse Huber gemeint, die immer wieder Befragungen unterbreche. „Nein“, stellte Krisper später richtig. „Ich habe, ´die gehen mir am Oasch´ gesagt. Mir ist die ganze Sache irrsinnig peinlich“. Sie hoffe, dass ihre „Kinder nichts mitbekommen“ hätten von dem „verbotenen Wort“. Wieder wäre es günstig, Harry Potter an der Hand zu haben.
Wo jetzt?

Es war nicht das einzige seltsame Erlebnis, das uns an diesem Tag widerfuhr. Ryanair-Chef Michael O´Leary bezeichnete in einer Aussendung „einige österreichische Minister“ als „verrückt“, weil sie bei der AUA einen Ticket-Mindestpreis von 40 Euro einführen wollen. Damit der Umweltschutz nicht zu früh frohlockt, flutet der Billig-Flieger vorab den Markt nun mit „Tausenden“ Tickets um 9,99 Euro, von Wien aus geht es in 64 Destinationen. Nur falls jemand wieder einmal behauptet, Corona hätte uns geerdet, einige sind das geblieben, was sie schon immer waren.
Und dann war da auch noch Klaudia Tanner, die das Bundesheer reformieren will, aber auch nicht, sehr schlau wurde man aus ihrem Interview in der ZiB 2 gestern Abend dazu nicht. Lou Lorenz-Dittlbacher stellte tapfer Fragen, die Verteidigungsministerin antwortete als würde es die Frage nicht gegeben haben. Am Montag hatte die militärische Führung ausgewählten Journalisten die Pläne für eine Heeresreform erzählt. Ob das ihren Segen gehabt habe, wollte Lorenz Dittlbacher wissen. „Die militärische Landesverteidigung bleibt die Kernaufgabe des österreichischen Bundesheeres,“ antwortete Tanner. Den Satz wiederholte sie. Mehrfach. Sie sagte auch, dass sie uns ins 21. Jahrhundert führen wolle, obwohl wir eigentlich schon eine Zeitlang drin sind in diesem 21. Jahrhundert, in dem es „neue Bedrohungsszenarien“ gäbe, die bekämpft werden müssten, jedenfalls bleibe „die militärische Landesverteidigung die Kernaufgabe des österreichischen Bundesheeres.“ Was genau ist jetzt die Kernaufgabe des österreichischen Bundesheeres?
Mir tun die ausländischen Geheimdienste leid, die jetzt die ganze Nacht dieses Interview analysieren mussten, in dem nichts zusammenpasste und man glauben konnte, die Tonspuren wären falsch zusammengeschnitten worden. Aber vielleicht war das schon alles Teil der Heeresreform, die Ministerin will die ausländischen Kräfte vergrämen. „Die greifen wir nicht an, diese Österreicher“, werden sie sagen, „die reden uns ja deppert und das wäre dann Oasch.“ Doch genial, dieser Plan!
Ich hoffe, Sie haben schon geeignete Pläne für ein wunderbares Wochenende. Wenn nicht, sollten sie Klaudia Tanner anrufen. Allein schon, um ihre Stimme zu hören.
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