23 Mal lautes
Schweigen

Ein Dienstag zwischen
U-Ausschuss, Strada del Sole
und Marillenpalatschinken.

Nun werden wir also doch früher ausgewildert. Seit gestern steht fest, dass wir diesen Sommer auch nach Italien, Kroatien oder Griechenland dürfen. Überrascht? Wohl kaum! Seit Wochen ist ohnehin den meisten klar, dass die Reisefreiheit raufgefahren wird, damit wir runterfahren können in den Süden. Die Regierung wollte uns nur noch ein bisschen am Schmäh halten, damit wir Österreich ausbuchen. Ich denke, das wird nur mittel funktionieren, aber ich sehe das pragmatisch: Ist das Angebot alles in allem gut, bleiben wir da, ist es nicht gut, fahren wir weg. Marktwirtschaft halt, können wir mitunter in Ansätzen auch. Für schwierig halte ich es, den Wienern ständig auszurichten, dass man sie nicht leiden kann und dass sie einem nur das Corona in die Gegend bringen, am Ende aber über leere Buden jammern. Dann schon überteuerte Pizza con alles in Jesolo. 

In der Nacht auf Dienstag öffnen die Grenzen, in rund 20 Länder wird man ab da, die Eigenverantwortung im Kofferraum, reisen können. Bosnien wird wohl auch dabei sein, für viele in Österreich Lebende eine wichtige Botschaft, sie haben Haus, Hof, Herz da. Eine kleine Heimtücke ist dabei, denn am kommenden verlängerten Wochenende bleiben die Grenzbalken noch unten, wer in den Süden will, muss einen Schleichweg finden. Oder man nimmt sich den Montag als Urlaubstag dazu. Beim Ausreisen wird man ohnehin nicht mehr kontrolliert, wer nach Montag Mitternacht über die Grenze nach Österreich zurückreist, muss nicht mehr in Quarantäne und benötigt auch keinen Covid-19-Test. Es wird fast wie früher, noch nicht neue Normalität, nicht mehr alte Normalität, am ehesten normale Normalität. Auch gut.

Wer nicht nach Caorle oder Crikvenica will, kann dieses Jahr gern in Österreich bleiben, die Regierung hat das ausdrücklich erlaubt, ich glaube daran wird sich auch nichts mehr ändern. Für junge Leute bietet sich der Aufenthalt in einem Sommercamp an, es gibt dort heuer eine ganze Reihe Abenteuer mehr zu erleben als sonst und auch daran ist Corona schuld, nicht direkt freilich, verantwortlich dafür ist genau genommen die Jugendministerin. Ja, es gibt eine Jugendministerin in Österreich, mir war das bis gestern auch nicht bewusst, aber jetzt weiß ich das, es handelt sich um Christine Aschbacher, die neben dem Bereich Arbeit und Familie auch die Jugend schupft und das offenbar nicht einmal so schlecht. Jüngst drückte ihr sogar ein Baby zwei Hunderter Trinkgeld in die Hand, die Szene rührte das ganze Land.

Die Bundesjugendvertretung zögert noch mit Zuwendungen, denn momentan ist man ein bisschen, ich will jetzt nicht sagen verärgert über die Ministerin, irritiert trifft es vielleicht besser. Aschbacher hat nämlich den Leitfaden für Sommerlager veröffentlicht und der bringt mit sich, dass sich die Buben und Mädchen heuer an gleich vier verschiedene Abstandsregeln halten müssen. Beim Essen können sie aufeinander kleben, denn da gelten die Verordnungen der Gastronomie. In der Freizeit ist zumindest ein Meter Abstand vorgeschrieben, in den Schlaflagern wiederum eineinhalb Meter und beim Sport oder anderen Aktivitäten sind es zwei Meter. Die Eltern werden schön schauen, wenn die lieben Kleinen mit einem Packen Strafzettel heimkommen aus St. Palawatsch an der Seltsam.

Der Babyelefant ist jetzt aber ohnehin eine Vase, genau genommen ein Blumenübertopf und das ist sehr viel praktischer, denn wer hat schon einen Babyelefanten daheim oder immer mit? Vor der nächsten Demo fährt man zum Großgrünmarkt oder geht in ein Gartencenter und holt sich eine Bambuspalme oder eine Bananenstaude und schon klappt das mit dem Abstand. Ich denke, Gesundheitsminister Rudolf Anschober hat das so gemeint, als er uns Montag feierlich die neuen Vorschriften in die Eigenverantwortung übergab. Gestern lud Alexander Van der Bellen Wolfgang Schüssel zum Mittagessen in die Hofburg, nicht weil der ehemalige Kanzler ein Buch geschrieben hatte und sich der Bundespräsident ein Gratisexemplar abstauben wollte, sondern weil Schüssel 75 Jahre alt wurde, am 7. Juni nämlich, um präzise zu sein. 

Das Wichtigste zuerst: Es gab Gekochten Tafelspitz mit Rösterdäpfeln, Apfelkren und Schnittlauchsauce, danach Marillenpalatschinken mit Schlagobers. Die Runde blieb klein, neun Personen alles in allem, darunter Ex-Vizekanzler Wilhelm Molterer  und Ex-Nationalratspräsident Andreas Khol, allesamt mit Ehefrauen. Man saß an einem Tisch, an dem für 24 Personen Platz gewesen wäre, noch einmal treibt der Bundespräsident keinen Schabernack mit den Corona-Vorschriften. Er setzte die Gesellschaft am Nachmittag auch rechtzeitig vor die Tür, damit es keine Anstände wegen der Sperrstunde gab.

Es existiert nur ein offizielles Foto der Zusammenkunft, es zeigt VdB und Schüssel, leider nicht in dem Moment, an dem ihnen die Marillenmarmelade eventuell aus den Palatschinken tropft. Die beiden stehen einfach da wie Oma und Opa fürs Erinnerungsfoto zum Achziger, kein Patzer ist auf den Krawatten zu sehen, ich mutmaße, Instagram-Poser werden die beiden in diesem Leben nicht mehr. Das Foto ist in einem Vorraum des Vorraumes zum Vorraum der Präsidentschaftskanzlei aufgenommen, die Hofburg ist ja recht geräumig. Wenn Frau Schmidauer Herrn Van der Bellen bittet, doch eine Dose Bohnen aus dem Keller zu holen, dann könnte in der Zeit, bis er zurück ist, der Dreißigjährige Krieg stattgefunden haben. 

Der Witz ist, dass Van der Bellen und Schüssel fotogebombt wurden und das von einer Vase, die nicht einmal eine Vase ist, sondern, wie gesagt, ein Blumenübertopf und der ist auch noch leer. Er hat sich genau zwischen die beiden Politiker gedrängt und winkt und lacht in die Kamera, er zieht die gesamte Aufmerksamkeit auf sich. Die Leider-Nein-Vase sieht aus als wäre sie aus der Ming-Dynastie und ich dachte im ersten Augenblick, Van der Bellen habe Schüssel ein großzügiges Geburtstagsgeschenk gemacht, also ein Schaustück aus dem Bestand der Hofburg an ihn abgetreten, es steht ja reichlich viel herum. Vielleicht hätte er ein paar Chrysanthemen reinstellen können in die Schüssel für den Schüssel, aber das muss ja nicht sein. Tatsächlich ist der Blumenübertopf das einzige, verbliebene Stück in der Hofburg aus der alten Bundespräsidentschaftskanzlei, die von 1920 bis 1938 im heutigen Bundeskanzleramt untergebracht war. Wenn Sebastian Kurz das liest, lässt er den Scherben gleich heute abholen.

Mehr Meer

23 Mal. 23 Mal verweigerte der frühere Novomatic-Vorstand Harald Neumann gestern die Aussage. Er entschlug sich, um sich nicht selbst in einem Gerichtsverfahren zu belasten. Der U-Ausschuss zur „Ibiza-Affäre“ hat gerade erst begonnen, aber eigentlich ist das Parlament die falsche Bühne dafür, das Burgtheater würde besser passen. Drei Stunden wurde Neumann befragt, er blieb einsilbig oder nullsilbig, um 13.30 Uhr wurde abgebrochen. Die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper hatte Neumann gefragt, ob er „eine Wahrnehmung“ darüber habe, ob es ein Naheverhältnis zwischen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Novomatic-Mann Bernhard K. gebe. Der Manager hätte nun antworten können: „No na, er war früher sein Pressesprecher“. Aber Neumann entschlug sich. Unterbrechung, Stehpräsidiale, wilde Wortgefechte, Verfahrensrichterin Ilse Huber, die den Ausschuss eigentlich lenken sollte, sagte ungelenk: „Ich habe nicht einmal mehr die Frage im Kopf, weil wir schon so lange darüber gesprochen haben“. „Kafkaesk“, entfuhr es Krisper. Also Ende. Neumann wird noch einmal geladen.

Es wird einem schwummrig, wenn Behörden aus ihrem Alltag erzählen. Wie viel Energie geht da im Kampf zwischen den Ermittlern, den Staatsanwälten, den Ressorts verloren! Matthias P., IT-Experte und Staatsanwalt bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft, schilderte die anfänglichen Qualitätsmängel der Untersuchungen, „Bauchweh“ habe er dabei bekommen. Etwa als bei einer Hausdurchsuchung das Smartphone von Heinz-Christian Strache sichergestellt werden konnte – unversperrt. Leider habe sich niemand darum gekümmert, also versperrte sich das Gerät automatisch, der frühere FP-Vizekanzler musste um den Handycode gebeten werden. Öbag-Chef Thomas Schmid entsperrte sein Handy nur gegen die Zusicherung, „private“ Inhalte vorher löschen zu dürfen.

Und so ging es munter weiter. Es stellte sich heraus, dass die Novomatic auch Geldsponsor des Alois-Mock-Institutes der ÖVP ist. Präsident dort: Wolfgang Sobotka, der gleichzeitig den „Ibiza-Ausschuss“ leitet. Matthias P. erzählte auch, dass die "Soko Tape“ des Bundeskriminalamtes der Staatsanwaltschaft unleserliche Scans von beschlagnahmten Unterlagen übermittelt haben soll. Als die „Schatten“ sichtbar gemacht worden waren, entdeckte man Termine von Kanzler Sebastian Kurz mit Casinos-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner und Casinos-Aufsichtsrat Josef Pröll. Der Eindruck verfestigt sich: Österreich ist wie eine Autodromfahrt. Nur ein beschränkter Personenkreis hat Einwurfmünzen, um mitspielen zu können. Die handelnden Personen sitzen in immer unterschiedlichen Wagerln, krachen ineinander, aber weil viel Gummi außenrum ist, geschieht keinem wirklich etwas. Man steht auf, streicht sich die Hose glatt, steigt ins nächste Wagerl, die Ansagerin ruft „zurücktreten bitte“ und die Runde beginnt von vorne.

Oh, eine Vase!

Man hätte es eigentlich wissen müssen, aber wen kümmern schon unsere Kinder. Gestern wurden die Ergebnisse der Zentralmatura 2020 bekannt und sie offenbaren eine Blamage. Jede(r) Fünfte in der AHS kassierte im Fach Mathematik einen „Fleck“. In jeder anderen Branche wäre dieses Faktum ein Anlass für sofortige Krisensitzungen, die Probleme würden klar angesprochen, die Verantwortlichen identifiziert, Lösungen für die Zukunft erarbeitet werden. Immerhin bereitet man Schülerinnen und Schüler acht Jahre lang auf ein Ereignis vor und dann fallen 17,2 Prozent der Buben und sogar 23,3 Prozent der Mädchen, jede Vierte also, bei der Prüfung durch. Da krankt es an allen Ecken und Enden, bei uns beendet man das Schuljahr als wäre nichts gewesen, dann sind Ferien und im Herbst beginnt alles wieder neu.

Wie kann das bitte sein? Wie ist es möglich, dass bei der Matura 2019 „nur“ 11,2 Prozent der KandidatInnen durchrasselten, ein Jahr später sind es doppelt so viele? Nur damit kein Missverständnis aufkommt: ich halte schon 11,2 Prozent für unmäßig viel, ich darf noch einmal daran erinnern, das geschieht alles nach acht Jahren Vorarbeit. Nur 6,9 Prozent der SchülerInnen schafften heuer ein „Sehr gut“, der niedrigste Wert seit Start der Zentralmatura. Lediglich 20,5 Prozent erreichten ein „Sehr gut“ oder ein „Gut“, ebenfalls so wenige wie noch nie. Im besten Jahrgang 2017 schafften das 41 Prozent. Hier hat man heuer vielen Jugendlichen die Chancen verbaut, auf eine internationale Uni zu gehen und das ohne Not. Auch im Bildungsministerium dürfte bekannt gewesen sein, dass es Corona gibt, die Tests, heuer unverhältnismäßig schwer, hätten natürlich angepasst gehört.

Jetzt pfuscht man halt herum. Weil das Jahreszeugnis in die Note einberechnet wird, schlossen „nur“ 10,1 Prozent Mathematik mit einem Fünfer ab, ab 22. Juni können sich die Betroffenen die Note im Rahmen einer Nachprüfung ausbessern. Vier Prozent werden auch das nicht schaffen. Die Matura soll die Reife bestätigen, sie selber ist es nicht.

Matte Mathematik

ORF-Hauspolitologe Peter Filzmaier trug gestern übrigens den ganzen Tag eine Winnie the Pooh-Krawatte, auch in einem ZDF-Interview, falls sie einen Blick in die Telethek werfen möchten. Seine Tochter hat die Matura geschafft. Gratulation unbekannterweise. 

Ich wünsche einen wunderbaren Mittwoch, der eigentlich ein Samstag ist, weil der Donnerstag ein Sonntag ist, was den Freitag zu einem Fenstertag macht. Der Samstag und der Sonntag bleiben ein Samstag und ein Sonntag, aber zusammen ergibt das ein verlängertes Wochenende, wenn Sie eine Chance dafür sehen. Ich melde mich eventuell zwischendurch am Freitag, wenn sich bis dahin etwas tut im Land. Bisher war auf Österreich freilich immer Verlass.

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Meer: iStock
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