Bildschön, oder?

Machen wir uns nichts vor, wir machen den Deutschen was vor.

Wir sind wieder wer. Endlich! Wir wissen zwar noch nicht was, aber vielleicht sehen wir bald Licht, viele Politiker entdecken diesbezüglich in sich derzeit eine Tunnelbegabung. Die nächsten 14 Tage werden jedenfalls über unser Schicksal entscheiden. Sind wir Superstars oder eine Lachnummer? Beides ist möglich. Wenn die Strategie unserer Bundesregierung aufgeht, dann wird Europa bald vor uns den Hut ziehen und sagen „Respekt, das habt ihr grandios gemacht“. Wenn die Strategie unserer Bundesregierung scheitert, wird Europa bald für uns den Hut hinhalten, damit Menschen ein paar Münzen hineinwerfen können, denn dann sind wir nämlich nicht nur alle krank, sondern auch pleite. 

So oder so, ich denke unser Kanzler wird in beiden Fällen ganz gut aus der Sache aussteigen. Bleiben die Erkrankungszahlen unten und die Wirtschaft springt an, dann waren alle seine Bemühungen richtig. Schnellen die Erkrankungszahlen wieder nach oben und wir müssen den Laden und die Läden erneut dichtmachen, dann hat sich der Kanzler zwar sehr bemüht, aber wir uns eben zu wenig. So eine Auferstehung zu managen ist keine einfache Angelegenheit, das kann nicht ein jeder. 

Mit 95 Jahren,
da fängt das Leben an

Vorerst einmal aber schaut Europa, was heißt Europa, die ganze Welt, mit einer Mischung aus milder Anerkennung und verhaltenem Jubel zu uns herüber oder herunter, je nach Sichtweise, und das ganz zurecht. Wir sind Wunderheiler, denn gestern konnte ein 95-jähriger Corona-Patient gesund das Innsbrucker Krankenhaus verlassen. Wir tun Wundersames, denn wir sperren ab nächster Woche zwar nicht die Unis und Schulen dafür aber alle Baumärkte auf. Wir versuchen, Wunderdinge zu vollbringen, gestern etwa, als die Ministerinnen Margarete Schramböck und Elisabeth Köstinger, verborgen hinter den Scheiben des Plexiglas-Papamobils im Kanzleramt, Amazon den Kampf ansagten. Ja, okay, wunderlich sind wir zuweilen auch ein bisschen, aber lassen wir das.

Unser „Coronexit“, der sanfte Ausstieg aus der Krise, fand nun Niederschlag in der „Washington Post“ und im britischen „Guardian“, die deutsche „Bild“ sieht uns sogar neidisch als Vorbild: „Ösis machen’s vor“ lautete gestern die Schlagzeile am Cover. Im Blatt findet sich ein Interview mit Sebastian Kurz, der Artikel dazu ist eine Huldigungsadresse an uns (oder genauer gesagt an den Kanzler, aber in der Krise passt kein "Krone"-Blatt zwischen uns). „Wir wollen auch so einen Plan“, steht da, zur besseren Lesbarkeit in Großbuchstaben.

Der deutschen Kanzlerin Angela Merkel wird recht unverblümt Zögerlichkeit und Zauderei vorgeworfen und das, ebenfalls großgeschrieben, so: „Kein Ausstiegsszenario für Deutschland.“ Merkel selbst sagt einen Satz, den wir am besten erst aus der Zeitung ausschneiden und dann aus dem Zusammenhang reißen sollten: „Österreich war uns immer ein Stück voraus in den Dingen“. Da schau her: Wenn wir die Deutschen einmal drei Wochen lang nicht auf Urlaub zu uns fahren lassen, werden sie richtig handzahm.

Die werden erst Augen machen, wenn wir mit unserer Corona-App einmal anfahren. „Silicon Valley“ von Europa werden sie uns nennen, wir werden alle nur mehr Rollkragenpullover tragen, auch im Sommer, auch am Ufer vom Wörthersee. Einmal im Jahr werden wir uns absichtlich schlecht anziehen, alle Nerds der Welt zu uns einladen und ihnen allerlei Technologie zeigen, die wir vorher den Südkoreanern geklaut, oder sagen wir besser, die wir uns temporär von ihnen ausgeborgt haben. Auch Angela Merkel werden wir zu uns bitten, sie in die erste Reihe setzen und ihr einen bestickten Polster schenken, auf dem steht: „Österreich war uns immer ein Stück voraus in den Dingen.“ Sie wird milde lächeln, da bin ich mir sicher, und weiterhin nach Südtirol auf Urlaub fahren.

So…

… oder so?

Um in den Dingen ein Stück voraus zu sein, müssen wir uns noch ein bisschen anstrengen. Eine Corona-App haben wir zwar schon, aber der Funke der Begeisterung will nicht so richtig auf die Bevölkerung überspringen, obwohl wir mit Wolfgang Sobotka einen unser charismatischsten Politiker als Werbeträger gewinnen konnten. Der Nationalratspräsident, der nebenbei eben erst die Ohrenmaske erfunden hat, sprach davon, die Corona-App verpflichtend machen zu wollen. Das war eine gute Idee, aber auch wieder nicht, Sebastian Kurz dachte ähnlich, aber dann auch wieder nicht. Die beiden sind aus demselben Holz geschnitzt, aber es stammt nicht vom selben Baum.

Jedenfalls haben wir nun eine App, die in der Corona-Krise nutzbringend sein könnte, die viele Datenschützer weitgehend unbedenklich finden, die uns medizinisch gute Dienste leisten könnte, die uns mitteilt, ob wir Kontakt zu Erkrankten hatten, die Genesene schneller in Job oder auf Reisen bringen könnte, die sicher scheint, einfach zu bedienen ist, von einer seriösen Organisation betrieben wird, dem Steuerzahler keine Lawine gekostet hat. Aber die wir jetzt schon in den Kübel schmeißen können, weil sie keiner mag. Ist einfach so.

Aber warum? Zunächst: Kein Mensch lädt sich eine App herunter, die von einem Politiker kommt oder von ihm in Auftrag gegeben wurde. Also es wird schon welche geben, die das tun, aber das sind dann halt Leute, die machen jedes Jahr auch mit Begeisterung die Türln vom ÖVP-Adventkalender auf, um ein Abendessen mit Gust Wöginger zu gewinnen. Da muss man schon sehr arg tief in einer türkisen Bodenwelle feststecken. Für alle anderen: No way. Auch nicht, wenn wir der App putzige Namen geben, also sie etwa iWerner, oder iRudolf, oder gar iShorty nennen. Nicht einmal wenn Sebastian Kurz persönlich dahintersteckt und selbst wenn jeder Hundertste, der die App runterlädt, den Kanzler hinter den Ohren kraulen darf. Macht niemand.

Keine Organisation in Österreich genießt solche Wertschätzung wie das Rote Kreuz. Laut APA-Index haben 86 Prozent der Österreicher Vertrauen in die Helfer, da muss uns Sebastian Kurz noch ein paar Mal einsperren, dass er solche Werte schafft. Trotzdem: Es ist eine mittelgute Idee, eine App über das Rote Kreuz verteilen zu wollen. Es ist einfach nicht cool. Oder vielleicht würde man heute sagen, es hat nicht den Swag, ist nicht fly genug, Yolo? Stellen Sie sich vor, Sie gehen in eine Bar, sagen wir ins „Kitzloch“. Wer wird dort einen Riss machen? Einer, der sagt, er hat das Wollhauberl von DJ Ötzi gestrickt? Einer, der erzählt, er ist mit der Vorgruppe von Capital Bra um die Häuser gezogen? Oder einer, der seinen Blutspenderausweis herzeigt? Eben.

Passt, sitzt, hat Luft

Also braucht man jemanden, den die Österreicher, warum auch immer, mögen, den sie kennen, dem sie zuhören. Armin Assinger zum Beispiel. Das kommt schon ganz anders daher, wenn er im ORF auftritt, sein Smartphone schwenkt und sagt: „So Leitln, jetztan lod ma uns olle dos Corona-Äppale oba, oba flotte Lotte“. Das funzt. Die Menschen werden downloaden, dass es nur so glüht, manche werden sich die App sogar zwei Mal installieren, so eine Gaudi werden sie damit haben. Wenn sie gefragt werden, welche persönlichen Daten sie freigeben wollen, dann werden sie „bitte alle“ anklicken, weil der Assinger ist immer so nett und so lustig und der lügt ja auch nicht, wenn er die Abfahrt in Kitzbühel kommentiert. Warum also sollte er sie jetzt beim Äppale anschmettern? Mankale, denk noch!

Gut, also Armin Assinger statt dem Roten Kreuz. Besser aber ist Armin Assinger mit dem Roten Kreuz, dazu die Sängerknaben, Kardinal Schönborn, Marcel Hirscher, Barbara Stöckl, Arnold Schwarzenegger, ein paar Mozartkugeln, herrlich. „Stopp Corona“ ist ein guter Name für eine App, die Corona stoppen soll, aber das muss viel patriotischer klingen, „Österreich gegen Corona“ zum Beispiel, das wäre ein Heuler. Die Polizei fährt durch die Straßen, spielt „I am from Austria“ und die Quarantänepatienten daheim laden sich die „Österreich gegen Corona“-App per Bluetooth aufs Smartphone. Zahlt mir die Regierung jetzt eigentlich Geld für meine Ideen?

Für die Jüngeren ist natürlich Armin Assinger nichts und die Polizei ist auch nicht so der Bringer. Für sie müsste man die App über Amazon verkaufen oder über die Apple Stores. Den Amerikanern geben wir unsere Daten ja gerne, also Facebook, oder Twitter oder Instagram oder WhatsApp, alles kein Problem. Aber wenn das Rote Kreuz daherkommt, dann gehen die Warnlampen an, wuuhuu, Achtung, gefährlich. Dann fragen wir Alexa am Wohnzimmertisch, ob unsere Daten auch sicher sind bei den Blutsaugern, also bei denen aus Österreich, nicht bei denen aus Kalifornien.

Und bitte, versucht uns nicht den Nutzen der App näherzubringen. Hat TikTok einen Sinn? Oder Snapchat? Oder Candy Crush? Kein Mensch lädt sich etwas herunter, weil er es braucht. Es muss Spaß machen, die anderen müssen es haben, keiner davon darf über 20 sein. Es geht ums Image. Es macht ja auch einen großen Unterschied, ob die Blutgruppe positiv ist oder der Corona-Test. Also von mir aus bietet eine englische Version von „Österreich gegen Corona“ an, holt Joko und Klaas statt Assinger und versteckt „Austria versus Corona“ dann auf einem russischen Server, aber fangt bitte endlich an.

Etwas früh,
ihr Hirsche

Weil das gestern hier ein Thema war, darf ich nachtragen: Alles wieder gut zwischen Kritzendorf und den Wienern, also fast. Die Gemeinde hatte den Zweitwohnbesitzern das Wasser verweigert, um, wie es der Bürgermeister ausdrückte, eine „Durchmischung der Leute“ zu verhindern. Man fürchtete, dass die Wiener Corona aufs Land bringen. Jetzt bekommen die Mundln ihr Wasser, allerdings erst nach Ostern, am 15. April, es ist ein bisschen so wie bei den Bundesgärten. In der Fachwelt wird diese Form der chinesischen Tröpferlfolter inzwischen schon „köstingern“ genannt, ich frage mich jetzt auch warum.

Weil wir gerade von verschlossenen Toren reden, also ich mehr als Sie: Gestern erfreute das Foto von zwei Junghirschen das Internet. Die Tiere marschierten durch das Designer Outlet Parndorf im Burgenland, das noch menschenleer ist, weil die Geschäfte ja erst nächste Woche aufsperren dürfen. Ein Security entdeckte die Hirsche, die in der Gegend eigentlich gar nicht vorkommen, bei einem morgendlichen Rundgang, als sie gerade durch die Scheiben des japanischen Edelrestaurants „wagamamma“ blickten und machte ein Foto. Es ist ziemlich lustig. Vielleicht kommen die Hirsche ja nächste Woche wieder, wenn unser Kanzler mit uns gemeinsam aufersteht. Das wäre eine ziemlich wilde Sache.

Wo immer Sie heute hinhirschen müssen, verbringen Sie einen wunderbaren Mittwoch. Morgen beginnt irgendwie Ostern, da lege ich ein paar neue Eier, wenn Sie mögen.

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