Mit ohne Strom
Ein Salat, ein Spagat, eine neue Kulturchefin für den Staat.

Am Dienstag wurde aus dem Humankapital plötzlich eine vieldimensionale Matrix. Österreich bekam eine neue Staatssekretärin, der Name überraschte viele etwa so wie alljährlich das Herannahen des eigenen Geburtstages.
Weil es sich um die Staatssekretärin für Kultur handelte, lag ihre Präsentation in den Händen oder besser im Mund von Werner Kogler mit all der damit verbundenen Problematik. Ich sage einmal so: Sollte ich einmal Staatssekretär für Kultur werden, wogegen sowohl die Kultur als auch ich gute Gründe vorbringen könnten, dann wäre Werner Kogler als Laudator nur meine zweite beste Wahl, ich will höflich sein. Er sagte gestern viele schöne Sachen über Andrea Mayer, daran lag es nicht, aber das Gesagte ging unter in einer Gerölllawine aus Sätzen und Ahs und Ähs, die vom Bergkogler ins Tal, ich will nicht sagen, rauschten, sie machten sich eher gemütlich auf den, Äh, Weg. Die Lawine fand kein Ende, zuweilen konnte man auch ihren Beginn nicht erkennen. Die Lawine, sie war einfach da.
Die Regierung und das Plexiglas, das ist mittlerweile eher so eine On-Off-Beziehung. Die Präsentation von Mayer fand im Kulturministerium statt, ohne durchsichtige Paravents, die Journalisten waren Kogler also ungeschützt ausgeliefert und er ihnen. Die Kulisse fiel vor allem dadurch auf, dass es sie nicht gab, der Vizekanzler und seine neue Kulturchefin stellten sich vor ein taubengraues Irgendwas mit ein paar Logos drauf, die SPÖ hätte das nicht schlechter hinbekommen, besser aber auch nicht. Nicht einmal die sonst obligaten Fahnen hatten sich hierherbemüht, vielleicht waren sie im Kaffeehaus und probierten aus wie das Hochfahren der Gastronomie so funktioniert. Ich hoffe die Fahnen hatten beim Betreten der Lokale Masken auf, Österreich ist ein Land der Leserreporter und man ist schneller verpfiffen als man glaubt.
Irgendwann zwischen der Lawine aus Sätzen ohne Anfang und Ende und oft auch ohne Mittelteil, sagte Kogler, er habe eine „große Freude, einen echten Profi gefunden zu haben“. Mayer sei seine „gute Favoritin“ gewesen. Ich weiß nicht wie groß die Gruppe der schlechten Favoritinnen gewesen ist und ob es eine solche überhaupt gab, die „gute Favoritin“ setzte sich jedenfalls durch. Die bisherige Kabinettschefin von Alexander van der Bellen sei „krisenfest, professionell, kompetent und engagiert“, sagte der Vizekanzler, es war nicht das letzte Mal an diesem Tag, dass Rosen gestreut wurden, die Dornen, auch das wird Mayer noch erkennen, sieht man in politischen Ämtern meistens erst später.
Dann ereignete sich etwas Epochales. Der Kulturminister erläuterte, warum Mayer seine „gute Favoritin“ gewesen sei: „Weil sie sich auskennt“. Er zog die Augenbrauen nach oben, schaute den Journalisten für einen kurzen Moment direkt in die Augen und ließ dann den Satz sich ausbreiten. „Auskennen“. Es wirkte, als wäre es Kogler in seinem Leben das erste Mal untergekommen, dass sich ein Politiker auskennt und zwar genau in jenem Metier, für das er oder sie nun tätig sein soll. Häufiger ist es ja so, dass Politiker sich in irgendwas auskennen, ihnen dann aber ein anderes Ressort zugeteilt wird, Kogler ist so ein Fall. Das mit ihm und der Kultur ist eher ein Theater.
Der Vizekanzler hätte sich jetzt auf den Schenkel klopfen und laut prustend loslachen können: „Dass ich das noch einmal erleben darf. Auskennen. Das glaubt mir daheim keiner. Wenn ich das in der Steiermark erzähle, muss ich einen ausgeben“. Rot anlaufen hätte er können vor lauter Kudern. Das sagte er natürlich nicht und er lief auch nicht Rot an, sondern er schob eine weitere Begründung nach, warum Andrea Mayer seine „gute Favoritin“ wurde. Sie sei gut vernetzt und das sei in der Kultur wichtig, denn die sei eine „vieldimensionale Matrix“. Dem Kulturminister bei der Präsentation einer Kultur-Staatssekretärin zuzuhören, ist auch schon eine Kunstform für sich, selbst wenn die Matrix dabei eindimensional bleibt.
Als Kogler dann über die Kultur sprach, da ging die „vieldimensionale Matrix“ flöten. Seit Corona herumteufelt, sind ja alle Spielstätten zu, Kogler versuchte das emotional einzufangen. Kein Kino, kein Theater, keine Oper, kein Kabarett, keine Blasmusik, keine Orgelpfeifen. Kulturschaffende weinen bittere Tränen, weil sie keine Kultur schaffen können, die Besucher der Spielstätten leiden mit und auch für sich, weil eine große Leere entstanden ist. Kogler fasste diese Gefühlswelt recht profan zusammen. „Es fehlt uns eben was“. Er bemüht sich für die Kultur zu brennen, das merkt man ihm an, aber es ist eher so als würde man versuchen Holzkohle zu entzünden, die feuchtelt. Man bläst, aber es entsteht höchstens viel Rauch.
Als Kogler beginnt Gemeinplätzen Raum zu geben, als er etwa die Kultur „Nahrung für die Seele“ nennt, taucht das Insert erstmals auf: „Entschuldigen sie die Bildstörung“. Das TV-Bild ruckelt und zuckelt und verschwimmt. Vielleicht sitzen Ulrike Lunacek und Eva Blimlinger im Keller des Ministeriums und versuchen wahllos ein paar Kabel durchzuschneiden. Kogler zitiert „Kulturschaffende und Künstler“, auch sie streuen der neuen Staatssekretärin Rosen, der Vizkanzler nennt das „sie haben in die Kerbe gehaut“. Wieder flimmert das Bild. Kogler erzählt noch etwas über Geldhilfen, die er „aufgleisen“ will, dann gibt er ermattet auf und wir auch.
Sehr hygienisch

„Einen wunderschönen Vormittag“, übernimmt Andrea Mayer und beschreibt ihren momentanen Gemütszustand so: „Life is what happens to you while your´re busy making other plans“, ein Zitat aus dem Song „Beautiful Boy“ von John Lennon, publiziert 1980, es stammt aus dem Album „Double Fantasy“, dem letzten vor seinem Tod. Die Bildstörung ist wieder da, die neue Staatssekretärin weiß natürlich nichts davon, sie spricht unbeirrt weiter und schnell wird klar: Sie war wohl zurecht die „gute Favoritin“ von Kogler, sie kann die Holzkohle entfachen und es glost und glimmt, wenn sie über die Kultur spricht. „Kunst und Kultur gehören zum Menschen“, sagt sie, „sie machen uns zu Menschen“.
Mayer wurde 1960 in Amstetten geboren, studierte Jus, Germanistik, Geschichte, engagierte sich im roten Studentenverband VSStÖ, der Mutter von Zwillingen eine Nähe zur SPÖ zu unterstellen ist keine Unterstellung. Die Grünen schicken eine Rote in die Türkise Regierung, Humor haben sie.
„Ich werde mein Bestes geben,“ verspricht Mayer, wieder flimmert das Bild. „Künstler und Künstlerinnen nehmen in ihren kreativen Prozessen...“. Weiter kommt sie nicht. Der Ton ist weg, es wird schlagartig finster, die hässliche Kulisse ist der einzige Gewinner der Situation. Mayer schaut nach oben, lächelt, sie spricht weiter, aber keiner kann sie hören. Fünf Minuten bleibt es zappenduster. Kogler nutzt die Phase, um mit den Reportern über die Eröffnung der Tiergärten und Gastgärten zu plaudern („nicht so geglückt, weil das Wetter mies war“). „Stellen sie mir keine Fußballfrage“, bittet er, dann macht er sich nützlich, kontrolliert das Kabel seines Mikros. „Vielleicht war ich schuld, weil ich zu heftig am Pult gerüttelt habe“. War er nicht, auch Lunacek und Blimlinger werden vom Tatverdacht rein gewaschen. Ein Kameramann war über ein Kabel gestolpert, der FI-Schalter flog raus.
Viel passierte danach nicht mehr, als das Licht wieder da war. Mayer versprach Hilfsmaßnahmen, die „rasch und unbürokratisch“ sein sollen. „Meine Tür ist ebenso offen wie mein Ohr“, sagte sie. Dann packten Kogler und sie ihre vieldimensionale Matrix zusammen und gingen ab.
Mit Äffchen drauf

Da hat Pröll den Salat

Das ist auch ein Häupl

Strom war auf einer zweiten Pressekonferenz gestern ein Thema. Karl Nehammer, der Kurz-Mann fürs Grobkörnige, präsentierte die Kriminalitätszahlen während der Coronazeit und verriet, wie viele Anzeigen (32.960) und Organmandate (6.182) gegen Virussünder verhängt wurden. Die bösen Buben und Mädchen machten es der Polizei dabei leicht, denn auch die Kriminellen bleiben lieber zu Hause, wenn es draußen brenzlig wird, wieder so eine Erkenntnis aus der Viruswelt. Zwischen 16. März und 3. Mai hat sich die Zahl der Straftaten fast halbiert, jene der Gewalttaten sank um über 37 Prozent, wir sollten es dieses Typen einfach nicht sagen, wenn es vorbei ist mit Corona.
Nach 14 Minuten beginnt der Innenminister damit, einen großen Bogen zu spannen, aber es wird nicht einmal ein kleiner daraus. „Wir müssen wachsam bleiben“, sagt Nehammer, aber dann sagt er gar nichts mehr, auch Franz Lang, der als Direktor des Bundeskriminalamtes neben ihm stand, schweigt. Dafür ist ein Mikrophon überdeutlich zu hören, es rauscht. Nehammer lächelt. „Haben Sie ein Problem?“, ruft er, es ist nicht böse gemeint. „Das werden wir sicher lösen, das technische Problem,“ sagt er, doch das technische Problem macht keine Anstalten gelöst werden zu wollen. „Deshalb bin ich froh, dass der Printjournalismus auch zahlreich vertreten ist“. Wieder ein breites Lächeln. „Test, Test, geht’s besser?“ Es geht besser. „Ab wann hat denn das Rauschen begonnen für sie?“ fragt der Innenminister nach eineinhalb Minuten und dann setzt er einfach dort fort, wo er unterbrochen wurde, so als wäre nichts passiert. Wie in Hollywood, jede Szene wird mehrfach gedreht, bis sie im Kasten ist. Lernen die Kurz-Leute ihre Pressetexte eigentlich auswendig?
Sesselkreis

Ich weiß nicht, wie lange der „ORF-Report“ an den Interviews mit Michael Häupl und Erwin Pröll gedreht hat, aber was herauskam, war schon sehr originell. Der frühere Wiener Bürgermeister, der im Herbst vergangenen Jahres an Krebs erkrankte, erzählte Ernst Johann Schwarz, der nebenbei bemerkt auch in der Pension die Haare sehr schön hat, über seine Quarantänezeit daheim. „Ich habe mir nicht vorstellen können wie anstrengend Staubsaugen sein kann“ lächelt er. Häupl steht in den Arkaden des Wiener Rathauses, in sicherer Entfernung zum ORF-Interviewer.
Erwin Pröll sitzt im Garten seines Hauses in Radlbrunn. Der frühere niederösterreichische Landeshauptmann zeigt stolz seine Schutzmaske her, mit Äffchen drauf, geschneidert von seiner Enkelin. Nach dem Polit-Abschied habe er begonnen, Salat anzubauen und Radieschen zu pflanzen, sagt er. Sein erster Blick in der Früh gelte den Radieschen. Er redet auch mit den Pflanzen. „Ich belobige sie, das eine oder andere Mal muss ich natürlich auch ein kritisches Wort sagen, wenn ich das Gefühl habe, sie entwickeln sich nicht so gut wie ich es will“. Ich gehe davon aus, Johanna Mikl-Leiter behandelt er ähnlich.
Autostoppen

Was gestern sonst noch so war: Sebastian Kurz wagte wieder einen Ausflug, der ihn diesmal nicht ins Kleinwalsertal führte, sondern nach Wiener Neudorf (NÖ), auch schön. Seit drei Wochen werden dort von der Hygiene Austria LP, einem Gemeinschaftsunternehmen von Lenzing und Palmers, Schutzmasken produziert. Nichts passierte, aufs Abstandhalten wurde peinlich genau geachtet, selbst die Journalisten blieben diszipliniert. Die schwächeln, diese Reporter.
FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl teilte im „Report“ gegen seinen früheren Parteifreund Heinz-Christian Strache aus. „Mit einem Jahr Abstand gesehen ist Strache fast noch blöder geworden“, sagte er. „Normalerweise wird man vernünftiger“. Das Ibiza-Video habe ihn „eiskalt überrascht“, Straches Entwicklung sei aber absehbar gewesen. Er habe die „Bodenhaftung verloren“, sei der „Großmannssucht verfallen“. Jeder seiner Sätze hätten mit „ich“ begonnen. Wir merken: Auch in der alten FPÖ war die Matrix schon recht vielschichtig.
Alexander Van der Bellen nutzte das schöne Wetter und setzte sich mit einer Gruppe Schülerinnen und Schüler des BRG14 Linzerstraße vor die Hofburg. Die Jugendlichen hatten ihn besucht und das ist immer gefährlich, denn man weiß nie, was der junge, alte Mann für Flausen im Kopf hat. In der Wiese nahm er den Jugendlichen dann die Beichte ab, übers Home-Schooling sagte einer der Schüler: „Es war schon gemütlich, ausschlafen zu können“. Darauf wären wir im Traum nicht gekommen.
Und ja, falls das jemand gedacht hat: das Auto ist noch nicht tot. Gestern tauchten Fotos und ein Video auf, die verstörende Szenen zeigen. Eine Drohne hatte die Tuning-Fans gefilmt, die am vergangenen Wochenende auf den Kahlenberg geströmt waren, so lange bis der Parkplatz voll war, über 300 Fahrzeuge sollen es gewesen sein. Das GTI-Treffen 2020 fand offenbar über Wien statt, für manche mag es ein einmaliges Erlebnis gewesen sein, mir reicht es, wenn es einmalig war.
Motzen Sie Ihren Mittwoch zu einem wunderbaren Tag auf. Morgen ist Feiertag, Freitag melde ich mich eventuell wieder, wenn sich in der Politik bis dahin etwas tut. Bisher wurde ich selten enttäuscht.
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