"Na, du Küken"

Eine Rede, eine Fehde und ist man ohne Blumenerde wirklich der Blede?

Historisches kommt in diesen Tagen aus den politischen Backöfen, aber nicht immer ist Corona die Germ dafür. Momentan dürfen die Deutschen noch nicht nach Österreich reisen, also müssen sie aus der Ferne über uns staunen. Dazu bieten wir reichlich Gelegenheit, es wäre gar kein Virus nötig gewesen, Straches Auftritt in der Ibiza-Edition von „Jurassic Park“ hätte genügt. Am Samstagabend gab das ZDF die Rateshow „Da kommst Du nie drauf!“ Das Konzept der Sendung ist recht schlicht: Mehrere Mehr-oder-weniger-Promis werden mit unglaublichen Aussagen konfrontiert und müssen dann aus drei Antworten eine auswählen. 

Die Sendung am Samstag plätscherte so dahin, strebte dann allerdings um 21.56 Uhr ihrem überraschenden Höhepunkt entgegen, falls man geneigt war einen solchen zu erkennen. Moderator Johannes B. Kerner, der Corona schon hinter sich hat, falls wenigstens das jemanden interessieren sollte, stellte folgende Frage: „Wer sich die Vereidigungszeremonie der österreichischen Regierung im Januar 2020 noch einmal in der Mediathek ansah, konnte erleben wie …?
Drei Möglichkeiten der Antwort wurden geboten:
Antwort A: Vizekanzler Kogler aus einer in seinem Sakko versteckten Bierdose trank.
Antwort B: Bundespräsident Van der Bellen den Bundeskanzler mit „Na, du Küken“ begrüßte.
Antwort C: Arbeitsministerin Aschbacher einem Saalbediensteten ein Bein stellte.

Neulich vor einem Jahr

Die Mehr-oder-weniger-Promis waren ratlos. Die Kombination Kogler und Bier wurde rasch und wie ich meine vorschnell verworfen. Blieben also Kurz und Aschbacher. Ich darf einwerfen, dass die Haxlstellerei bei der Arbeitsministerin die einzige Amtshandlung gewesen wäre, die sie bis heute getätigt hat, aber das konnte man zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen. „Van der Bellen, wer ist das?“, rätselte Sonja Zietlow, man muss dazusagen sie war lange im Dschungel. „Der österreichische Bundespräsident“, klärte Kerner (der Corona bereits überstanden hat, habe ich das schon erwähnt?) die RTL-Moderatorin und frühere Lufthansa-Pilotin geduldig auf, aber Zietlow war da schon gedanklich weitergezogen und glaubte sich der richtigen Antwort sicher, wenn auch aus falschem Grund: „Der Bundeskanzler Kurz“, sagte sie, „ist ja nun mal so ein Küken. Das ist ja keine Beleidigung“. 

Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob Kurz es für seinen Lebenslauf als schmückend empfindet, wenn dort als Berufserfahrung „Kanzler, ÖVP-Vorsitzender und Küken“ steht, aber Fakt ist, dass die Runde aus dem Bauch heraus auf ihn tippte und damit richtig lag. Leser dieser Kolumne erinnern sich, dass der ORF bei der Angelobung der Regierung am 7. Jänner darauf vergessen hatte, die Untertitel der ursprünglich geplanten Sendung zu tauschen. Also sah man in der Telethek den Bundespräsidenten dabei zu wie er dem Küken die Ernennungsurkunde überreichte, zu lesen war aber der Text aus „Alisa folge deinem Herzen“. Während Kurz also seinem Herzen folgte und aus der Hand von Alisa Van der Bellen die upgedatete Gebrauchsanweisung für die Kanzlerschaft übernahm, sagte Alisa van der Bellen zu ihm: „Na du Küken“. Zumindest laut Insert. 

Ganz aufgeklärt wurde das nie. Ich war vor Ort, aber man konnte bis zur Pressetribüne nicht hören, was die beiden miteinander sprachen. Alisa Van der Bellen könnte also zum Küken ohne weiteres auch gesagt haben: „Schöne Haare“. Oder: „Na, viele Parteien sind jetzt nicht mehr über zum Ausprobieren“. Oder: „Könnten Sie am Nachmittag mit der Juli äußerln gehen, ich habe es mit dem Kreuz?“ Der Kanzler und der Bundespräsident, muss man wissen, sind miteinander per Sie, obwohl sie sich recht häufig sehen, oft auch zu Angelobungen. Jedenfalls bin ich noch heute überzeugt, dass die Untertitel im ORF von einem Schlaucherl bewusst gesetzt wurden und nicht per Irrtum dort landeten, wo sie eben landeten, dafür passten sie einfach zu gut. Aber das muss man den Deutschen ja nicht sagen. Die haben jetzt selber Sorgen genug.

Neue Eiszeit

Das Kanzler-Küken, das ist bitte nicht von mir, sondern aus der TV-Show, hat heute einen geschichtsträchtigen Tag vor sich. Nein, er gibt nicht mit dem Vizekanzler, dem Gesundheitsminister und dem Innenminister eine dieser raren Pressekonferenzen (das tut er erst morgen), sondern er feiert 75 Jahre Zweite Republik. Um 9.15 Uhr marschiert Sebastian Kurz gemeinsam mit Werner Kogler und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (erneut richtig geschrieben, kriegt man dafür eigentlich jö-Punkte?) durch die Kastanienallee zum Äußeren Burgtor. Dort wird um 9.30 Uhr im Weiheraum ein Kranz niedergelegt. Falls Sie sich das heute im Fernsehen anschauen, sei Ihnen mitgegeben, dass hier nichts spontan passiert, sondern alles durch das Protokoll bis ins Kleinste festgelegt ist. Also auch „Kanzler und Vizekanzler richten jeweils eine der beiden Schleifen“ oder „Kurzes Verharren vor dem Kranz“.

Ich muss zugeben, dass es banale Sätze gibt, über die man banalerweise sagen muss, dass sie oft ins Schwarze treffen, auch wenn es um Türkise geht. Das bezieht sich jetzt gar nicht sehr auf Worthülsen in Politikerreden, ein bisschen schon natürlich, aber eigentlich meine ich so etwas wie: Unglaublich wie die Zeit vergeht. Als ich gestern für die Berichterstattung über die Gedenkveranstaltung im digitalen Archiv kramte, stieß ich auf Fotos, die wirkten wie aus einer lange vergangenen Zeit. Sebastian Kurz ist darauf zu sehen, daneben Heinz-Christian Strache, auch Finanzminister Hartwig Löger und Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein sind klein zu erkennen. Der Kanzler und der Vizekanzler legten am Heldenplatz einen Kranz nieder. Datum: 24. April 2019, drei Wochen vor Ibiza. Ziemlich genau ein Jahr ist das her. Lediglich ein einziges Jahr, man glaubt es kaum.

Nur mehr der Kanzler ist noch da und der hält heute eine große Rede. Die Österreichfahne und die Europafahne werden dafür extra ins Kreiskyzimmer geschleppt, ins Büro also von Sebastian Kurz, und um 11 Uhr tritt das Küken (es ist immer noch nicht von mir) vor die Kamera. Werner Kogler und den Rest der Combo lässt er diesmal daheim, dafür hat er vier Philharmoniker mit, also nicht mit, sie sitzen im nahen Kongresssaal im Kanzleramt. Die Musiker (1. Violine, 2. Violine, Viola, Cello) spielen den dritten Satz aus Ludwig van Beethovens Streichquartett Nr. 16 „Lento assai, cantante e tranquillo“, also langsam genug, singend und ruhig“. Wenn sie nicht hudeln, sind sie in sieben Minuten fertig. 

Beethoven hat sein letztes Streichquartett 1826 in einem Waldschlössel in Gneixendorf bei Krems in Niederösterreich vollendet. Der 55-Jährige war da schon taub, krank und notorisch übel gelaunt, was auch daran gelegen sein könnte, dass er seinen Neffen Karl im Schlepptau hatte, der sich zuvor wegen Spielschulden in Wien in den Kopf geschossen hatte, was einen gesellschaftlichen Skandal auslöste. Der Selbstmordversuch –damals als schweres Verbrechen klassifiziert – wurde schließlich als Unfall vertuscht. Nur falls sie glauben, nur heute passiert dauernd was.

Nach den Streichern hält Kurz seine Rede, wenn er „langsam genug, singend und ruhig“ spricht, kommt er in 15 Minuten zum Schluss. Was man so hört, will der Kanzler Optimismus versprühen, er möchte an die Aufbaugeneration, an die Großeltern, erinnern, ans Anpacken appellieren. Danach wird die Bundeshymne gespielt, alles in allem wird es sehr staatstragend, man muss dazusagen, die Veranstaltung war für 550 Gäste in der Hofburg geplant, dann lud man Corona ein und deshalb wollten die anderen nicht mehr kommen. Auch irgendwie undankbar.

Schulfreigeist

Anpacken wollen auch die Lehrer, ab dem 15. Mai werden in den Schulen wieder die Ärmel aufgekrempelt, aber ehe man die Ärmel richtig aufkrempelt, krempelt man sie wieder runter, ich glaube Werner Kogler hat das erfunden. Weil ein paar Wochen Präsenzunterricht ausfielen, dachte sich Heinz Faßmann es wäre eine gute Idee wenigstens die Fenstertage zu Christi Himmelfahrt und Fronleichnam ausfallen zu lassen. Er dachte ohne die Lehrergewerkschaft dafür um Erlaubnis gefragt zu haben, was in Österreich immer schon ein Fehler war, Corona ist da ein leichterer Gegner.

Die Lehrergewerkschaft kann die Begeisterung des Bildungsministers jedenfalls nicht teilen, eher im Gegenteil, sie eröffnete gestern Abend den Kampf um die zwei schulfreien Tage. „Irgendwann ist Schluss“, sagte Paul Kimberger, Vorsitzender der Gewerkschaft der PflichtschullehrerInnen. Das denken sich viele andere im Land vermutlich auch, aber sie meinen es anders.

Die Streichung der freien Tage nennt Kimberger einen „klassischen Gesetzesbruch, der im Parlament legitimiert werden soll. Man bestraft damit nun all jene, die in den letzten Wochen im Rahmen des Home-Schoolings und Distance Learnings Großartiges geleistet haben“. Er meint damit übrigens nicht die Kinder und Eltern. In einem Aufwaschen hält der Gewerkschafter den vom Bildungsminister vorgestellten Öffnungsplan für „weitgehend undurchführbar“. „Gleichzeitig Unterricht und Betreuung, wie soll das gehen?“

Die Diskussion ist eher akademisch. Wenn ein Kind, nennen wir ihn Karl, etwa in die Oberstufe eines Gymnasiums geht, dann schaut das bis Schulende so aus: Am 29. Mai werden die Schulen wieder geöffnet, aber da ist Lehrerkonferenz. Es folgt Pfingsten, Montag und Dienstag, die ersten beiden realen Schultage, sind also frei. Sagen wir einmal, Karl gehört zum Team A. Dann hat er Mittwoch 4. Juni den ersten wirklichen Schultag. Donnerstag, Freitag, Montag, Dienstag, Mittwoch muss Karl nicht die Schule gehen, da ist Team B dran. Am Donnerstag 11. Juni wäre er wieder dran, aber da ist Fronleichnam und am Freitag danach will die Lehrergewerkschaft einen schulautonomen Tag. Also hat Karl erst am 15. Juni wieder Schule, dann allerdings drei Tage am Stück. Bis zum Schulende kommen noch fünf Tage dazu. Macht gesamt neun Tage Präsenzunterricht in fünf Wochen. Ach ja, falls Sie fragen: Käme Karl in Team B, wären es nur zwei Tage mehr, den Zeugnistag schon mitgerechnet.

Nur damit mich keiner falsch versteht: Es gab tatsächlich nicht wenige Lehrer, die sich in den letzten Wochen sehr engagiert haben. Sie zahlen – wie üblich – jetzt die Zeche für die anderen, die abgetaucht waren, deren Unterricht darin bestand, den Kindern Seitenzahlen durchzugeben, die sie zu lernen hatten, die Malaufträge verteilten und sich dann für ein, zwei Wochen abmeldeten. Es gibt viel nachzuholen in den Schulen, technisch ist man am Digitalunterricht gescheitert, etwa weil es keine große Plattform für alles gibt, sondern viel kleines Stückwerk. Allein den Überblick zu behalten, war für Eltern und Kinder eine Managementaufgabe. Dumm nur, dass die meisten Erwachsenen im Home-Schooling, zum überwiegenden Teil Frauen, nebenbei auch noch einen Beruf zu schupfen haben. Aber was ich sagen wollte: Jetzt zwei schulautonome Tage einzufordern, erscheint mir etwas tollkühn.

Neue Normalität

Was sonst noch so war am Wochenende: 

Im „Standard“ sagte der Großgärtner Ludwig Starkl einen riskanten Satz: „Blumenerde ist das neue Klopapier“. Ich habe das noch nicht ausprobiert, aber ich glaube die Erde ist zu rau dafür.

Am Wochenende wunderte ich mich über die vielen komischen Vögel, die in der Wiener Innenstadt 20 Minuten und mehr vor Eisdielen anstanden. Was sind das für Leute, bitte? Ich zum Beispiel.

10 Monate vor dem Opernball 2021 sorgt sich Richard Lugner um seine Loge. Der neue Staatsoperndirektor Bogdan Roščić hatte am Sonntag in der „Krone“ in seine Richtung gesagt: "Der 'Bild'-Leser soll nicht länger glauben, dass der Opernball eine von ihm veranstaltete Show mit gemieteten Gästen ist“. „Unerhört“, findet Lugner diese Aussage. Schön wenn sich die alte Normalität auch in der neuen Normalität wiederfindet oder?

Noch zwei Bemerkungen zum gestrigen „Im Zentrum“. Ich liebe ja meinen Beruf, aber ich möchte einmal so dafür brennen wie Helga Rabl-Stadler für die Kultur. „Die Kunst ist ein Lebensmittel“, sagt sie, politisch behandelt wird sie derzeit wie ein Ramschartikel. Falls die Regierung nach dem Corona-Drama ein paar Profis holen will, eine Kulturministerin wüsste ich. Ach ja und Ulrike Lunacek gibt es offenbar doppelt. Gestern war sie unter dem Namen Eva Blimlinger im Fernsehen.

Eigentlich wollte ich ja was über Schulmief und den Arbeitskreis zur Innenraumluft schreiben, aber man kommt ja zu nichts, wenn dauernd was passiert. Vielleicht schaffe ich das morgen. Alle Küken da draußen mögen bis dahin einen wunderbaren Montag verbringen.

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