Post von Mutti

Hut ab! Erstaunlich was Corona alles zustande bringt.

Der gestrige Tag begann damit, dass der vorgestrige verschwand. Als die politische Opposition hierzulande noch nachdrücklich empfahl, Antonella Mei-Pochtler möge ihre Stärken besser außerhalb des Kanzleramtes zur Geltung bringen, wurden in London schon ein paar Buchstaben umgestellt. Die langfristige Kurz-Beraterin hatte der „Financial Times“ ein Interview gegeben, das in Österreich für einige, nennen wir es einmal, Irritationen sorgte. Mei-Pochtler dachte laut über eine App-Pflicht nach, wer ins Land wolle, müsse sich damit als gesund ausweisen, das befand sie zwar selbst „am Rande des demokratischen Modells“, aber irgendwie okay.

Die Regierung rückte gestern in Gestalt von Rudolf Anschober und Karl Nehammer aus und beschwichtigte. Von einer verpflichtenden App sei keine Rede, Mei-Pochtler habe nur ihre „Privatmeinung“ kundgetan. Privatmeinungen scheinen in der Zwei-Welten-Koalition beliebt zu sein, vielleicht gibt es ja ein zweites Regierungsprogramm, ein Schatten-Regierungsprogramm, von dem wir nichts wissen und in dem lauter Privatmeinungen gesammelt sind, nichts davon soll realisiert werden, aber alles ist wichtig. Werner Kogler zitiert manchmal aus diesem Schatten-Regierungsprogramm, im März etwa, als er empfahl, ein paar unbegleitete Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen, jüngst äußerte er sich wohlwollend über Vermögenssteuern. Kaum ausgesprochen, wanderte die eine wie die andere Idee zurück ins Schatten-Regierungsprogramm und tat das, was man im Schatten zu tun hat – unsichtbar werden.

Mit Antonella Mei-Pochtlers Privatmeinung geschah Ähnliches. Wie von Zauberhand verwandelten sich ihre Zitate in der „Financial Times“ in Wohlgefälligkeiten. Dem „Standard“ gegenüber sagte sie, dass ihre Aussagen von der Zeitung „nicht korrekt“ wiedergegeben worden wären, sie sei deshalb „extrem verärgert“. Der „Financial Times“ ging das nahe, sie änderte tatsächlich mehrere Zitierungen, das demokratische Randmodell verschwand, die App-Pflicht ebenso. Peinlich für eine Zeitung mit Weltruf. Ich dachte immer, die "FT" lege höchsten Wert auf Qualität, aber vielleicht schreiben die dort sogar die Aktienkurse mit der Hand und radieren dann ein bisschen herum.

"Risikogruppe"

Auch bei Martin Ho war alles anders, also nicht alles, er schlief tatsächlich ein, allerdings nicht um 20 Uhr, sondern erst um 20.15 Uhr und schuld daran war Corona, what else? Der Multi-Lokalbesitzer, in dessen Döblinger Expositur sich letzten Freitag einige Vergnügungssüchtige den Drogen hingaben, gab dem „Trend“ ein Interview. Er habe seit dem Shutdown seinen Arbeitsrhythmus umgestellt, sagte er, er nutze jetzt die üblichen Bürozeiten und komme dann zeitig nach Hause in seinen niederösterreichischen Wohnsitz. 

Dieses Corona hat schon irgendwie einen Vogel, zum Kuckuck, es macht aus Nachteulen im Flug komische Käuze. „Ich lege mich dann immer früh mit meiner Frau und meiner Tochter ins Bett“, sagte Ho, „und schaue ein oder zwei Folgen der Netflix-Serie ,Das Haus des Geldes‘. So war es auch am Freitag. Um 20.15 Uhr bin ich eingeschlafen“. Vielleicht hat ihm Tochter Ivy Kim in der Früh erzählt wie es ausging, sie ist jetzt ja auch schon zweieinhalb Jahre alt und im realen „Haus des Geldes“ eine verlässliche Größe.

Andererseits, am Morgen nach dem Netflix-Schlummertrunk hatte Ho andere Sorgen. Auf seinem Handy stapelten sich ein paar verpasste Anrufe. Die Coronaparty, Sie erinnern sich. Für die Aufarbeitung der Affäre sind die Details nicht wesentlich, es kommen ein Stammgast („gehört nicht zu meinem engeren Freundeskreis“) und ein Koch („bewährter Mitarbeiter“) vor, die Medien bekommen ihre üblichen Ohrfeigen, für die sei es nämlich „ein gefundenes Fressen, wenn es Photoshop-behandelte Bilder des Kanzlers und mir gibt“, behauptet Ho. Ich kenne den Gastronomen wie erwähnt kaum, aber für Kurz kann ich verbindlich zusichern, der schaut wirklich so aus. „Ich habe nichts damit zu tun“, sagte Ho, jetzt nicht zum Photoshop-Fail, sondern zur Affäre. „In Summe war es eine Aneinanderreihung von mehreren blöden Zufällen, von Unüberlegtheiten und Neid“. Wieder kann ein wichtiges Kapital im Land, in dem „blöde Zufälle, Unüberlegtheiten und Neid“ eine Rolle gespielt haben, getrost als geschlossen betrachtet werden.

Muttertag
Mikltag

Ein anderes Kapitel wird ständig geschlossen und dann wieder neu geöffnet, nicht immer wird dabei so höflich vorgegangen wie diesmal. Das Magazin „News“ interviewte jenen Mann, der im Herbst Bürgermeister von Wien werden will und am Ende wurde es fast barock. „Herr Strache“, sagte der Reporter, „gestatten Sie bitte eine letzte Frage: Was passiert mit dem tief ausgeschnittenen, slimfitten Ibiza-Leiberl“? Das „tief ausgeschnittene, slimfitte Ibiza-Leiberl“,  Österreichs Antwort auf das Grabtuch von Jesus aus dem Turiner Dom, trug Strache, als er in einer Ibiza-Villa die Republik, ihr Wasser und die Kronen Zeitung verscherbeln wollte, die heilige Dreifaltigkeit des Landes also. Das „tief ausgeschnittene, slimfitte Ibiza-Leiberl“ ist immer noch in seinem Besitz. Aber vielleicht nicht mehr lange. Kleider machen Beute.

„Herr Strache“ zeigte sich gnädig gegenüber „News“ und gestattete die Frage nach dem „tief ausgeschnittenen, slimfitten Ibiza-Leiberl“. Er „werde den geeigneten Zeitpunkt abwarten, um es mit einem Autogramm zu versehen und für einen guten Zweck zu versteigern“. Seit Strache bei dieser „Allianz für Österreich" ist, klingt er etwas gespreizt, muss ich anmerken. Der alte Strache hätte vermutlich über seine Pläne mit dem „tief ausgeschnittenen, slimfitten Ibiza-Leiberl“ gesagt: „Irgendwann bin i lustig, hau mei Kraxn drauf und ab die Kirsche“. Er war dem Volk näher und das Volk ihm.

Der neue Strache, der um die Augenpartie herum ein bisschen anders aussieht (schlecht geschlafen, Pollenallergie oder doch etwas anderes?) aber lässt wohlwollend Fragen zu, unterschreibt auf Leiberln nicht, sondern „versieht“ sie mit Autogrammen und lässt sich auch nicht provozieren. Ob er den Erlös der Auktion obdachlosen FPÖlern zukommen lassen wolle, fragte der Interviewer keck nach. Der alte Strache hätte ihm seinen Hund, Philippa oder einen seiner DAÖ-Daltons auf den Hals gehetzt, aber der neue Strache füllt die künftige Rolle als Wiener Bürgermeisters schon idealtypisch aus. „Nein“, antwortete er erregungslos, „aber für ein Sozialprojekt“.

Nun ist es fast schon beinahe ein Jahr her seit Ibiza. Nach dem 17. Mai 2019 hatte Heinz-Christian Strache kein Leiberl mehr, also er hatte schon ein Leiberl, aber nicht mehr in der Regierung. Sein Leben ist seither nun eben nicht leicht. Seine Frau lässt ihn wegen Corona nicht raus („Du rauchst, Du gehörst zur Risikogruppe“), er hadert mit der Vergangenheit („mein Rücktritt als Parteichef war die falsche Entscheidung und die Nichtannahme des EU-Mandates ebenso“), mit ehemaligen Weggefährten („welche Schlangen habe ich da an meiner Brust genährt?“), mit Hofer und Kickl („sie gierten danach, mich zu beerben und dann auf mich draufzusteigen wie auf eine Zigarette“). Wobei, ganz so rosig dürfte es früher auch nicht gewesen sein. Da „war ich Zahntechniker und habe von der Hand in den Mund gelebt,“ sagt Strache. Ich lasse das Bild einmal so stehen, aber grundsätzlich finde ich es nicht abwegig, wenn Zahntechniker von der Hand in den Mund leben.

Romantisch, oder?

Am kommenden Sonntag ist Muttertag, aber statt der lieben Kleinen kommt heuer Johanna Mikl-Leitner ins Haus, in Zeiten von Corona hat man sein Schicksal nur bedingt in der Hand. Die Landesmutti von Niederösterreich hatte eine Idee. Weil man ja seine sozialen Kontakte weiterhin auf ein Minimum reduzieren soll, verschickt sich die Landeshauptfrau diesmal der Einfachheit halber selber. Unter muttertag-niederoesterreich.at kann man eine Postkarte nach seinen Wünschen gestalten, ein Bild hochladen, einen Text verfassen (maximal 250 Zeichen) und die Karte dann per Post verschicken (lassen). Die Druck- und die Portokosten übernimmt die Volkspartei.

Bis spätestens Freitag werden die Muttertagskarten zugestellt, ein Foto und eine Widmung von Mikl-Leitner ist jedenfalls aufgedruckt, der dazugehörige Text geht ans Herz, sogar mir als Vater. „Die Mütter unseres Landes leisten großartiges für die Gesellschaft“, schreibt Mutti Mikl, „Auf sie ist immer Verlass – gerade in schwierigen Zeiten. Dafür ein herzliches Dankeschön und alles Liebe zum Muttertag“. Ehe man sich darauf verlässt, würde ich empfehlen, bei den Eltern vor Sonntag anzurufen und nachzufragen: „Reicht dir die Mikl-Postkarte eh, Mama, oder sollen wir vorbeikommen?“ Es haben Enterbungen schon aus gelinderen Gründen stattgefunden.

Der Muttertagsausflug fällt diesmal flach, die Lokale haben noch nicht geöffnet, auch das „Dots“ nicht, nicht einmal wenn der Sohn Koch ist, und Picknick als Alternative erscheint wenig prickelnd. Aber lange müssen wir uns nicht mehr gedulden. Noch diese Woche werden endgültig die Bedingungen fixiert, unter denen Restaurants und Hotels aufsperren dürfen. Auch Italien bereitet sich auf Öffnungen vor. In zwei römischen Lokalen wurden jetzt Plexiglasscheiben eingebaut, aber nicht zwischen den Tischen, sondern quer über die Tischplatten. Man sieht sich, kann sich zuprosten, aber nicht berühren. Seltsame neue Welt. Für Österreich wird das wohl kein Vorbild sein, Plexiglas hält aber auch hier Einzug in Restaurants. Morgen erzähle ich Ihnen vielleicht mehr dazu.

Babyelefanten?

.Am 29. Mai dürfen die Hotels wieder öffnen und selbst das wird sich etwas seltsam gestalten. Die Falkensteiner-Gruppe, die auch das Schlosshotel in Velden betreibt, legte gestern ihren Maßnahmenkatalog vor. Auch hier viel Plexiglas, Desinfektion und Mitarbeiter in Handschuhen, vor allem die Buffetgestaltung wird man nicht leicht verputzen. Man kann die Speisen nämlich nur anschauen, nicht entnehmen. Hinter Plexiglas werden Nahrungsmittelmuster ausgestellt, man kann auswählen, was man möchte, muss das dann aber beim Personal bestellen. Und es gibt Time-Slots wie beim Golfen. Also einfach am Frühstückstisch auftauchen ist nicht mehr. Sie bekommen eine Zeit zugeteilt. Schmeck`s!  

Verbringen Sie einen wunderbaren Mittwoch, er ist auch ein Schicksalstag für Pamela Rendi-Wagner, vielleicht aber auch nicht. Heute werden die Ergebnisse der Parteiumfrage präsentiert, alle Augen werden sich aber auf das Resultat der Vertrauensabstimmung richten. Da sich Rendi-Wagner keine Messlatte gesetzt hat, wird sie jede Höhe einfach überspringen, jedes Ergebnis ist also gut und schlecht gleichzeitig. Die alten Männer der Partei haben ihrer Vorsitzenden gestern schon gönnerhaft ausgerichtet, dass sie im Amt bleiben könne. Am elegantesten drückte das Hans-Peter Doskozil gestern im "Report" aus: Rendi-Wagner habe „allein die Interpretationshoheit über das Ergebnis“.

Insofern kann Ihr Mittwoch nur wunderbar werden, schließlich haben auch Sie „allein die Interpretationshoheit“ darüber. Schön oder?

Ach ja, falls Sie sich fragen, was es mit den beiden Schweinen am Bild oben auf sich hat: Das sind Arthur und Idefix, zwei "Teacup Pigs", die durch Eisenstadt spazieren. Es müssen ja nicht immer Babyelefanten sein.

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