Sie dürfen die Braut jetzt (nicht) küssen

Liebesg'schichten und Heiratssachen in der Krise.

Ich freue mich, dass Hubert Patterer wieder genesen ist. Ich bekenne dass der Chefredakteur der „Kleinen Zeitung“ einer meiner bevorzugten Schreiber im Land ist, es ist für einen Klagenfurter keine geringe Überwindung, das über einen Villacher zu sagen, aber es muss sein. Ich ersuche um Verständnis, dass ich von weiteren Lobhudeleien dieser Art in naher Zukunft Abstand nehmen möchte, übertreiben muss man es auch wieder nicht. 

Patterer litt letzte Woche nach dem Kleinwalsertal-Ausflug von Sebastian Kurz an Kanzlervid-19, einer aus Wien kommenden Viruserkrankung, gegen die es keine Impfung gibt, nicht einmal ein verlässlicher Test wird angeboten. Er erhielt mehrere Anrufe vom gegenwärtigen Regierungschef, wie er in seinem Newsletter erwähnte. Kurz war, sagen wir einmal, betrübt über die Berichterstattung der Zeitung über die Annäherungsversuche des Kanzlers an die Vorarlberger Bevölkerung, beziehungsweise die Annäherungsversuche der Vorarlberger Bevölkerung an den Kanzler.

Nun hat Patterer aber die Unpässlichkeit gottlob hinter sich gelassen, denn gestern langte wieder ein Newsletter von ihm ein und er wandte sich den angenehmeren Seiten des Lebens zu, die aber nunmehr auch die Tendenz entwickeln, nicht mehr zu den angenehmeren Seiten des Lebens gehören zu wollen, ich rede von Hochzeiten. An sich ein trivialer Vorgang, der aber auch schon in der Vergangenheit entarten konnte. Ich kannte ein Paar, das sich, aus welchen fadenscheinigen Gründen auch immer, zum Eintritt in den Aggregatszustand Ehe entschlossen hatte. Die Vorbereitungen sollten fast ein Jahr in Anspruch nehmen, den Großteil der Zeit verschlang die Platzierung der Gäste am Ehrentisch. 

Die Sache lag nämlich so wie in vielen Familien und im Bekanntenkreis, es können sich einige Leute ganz gut leiden, tendenziell aber mögen sich die meisten nicht, nicht alle tragen das offen zur Schau, bei einigen aber könnte man sogar von Hass sprechen, meistens weil sie das schon hinter sich haben, was hier geschlossen werden sollte, den Ehebund nämlich. Es ist also ratsam, solche Menschen nicht nebeneinander auf der Hochzeittafel zu platzieren, außer man schätzt es, wenn Messer nicht allein zur Weiterverarbeitung von Speisen benutzt werden. Also bastelte das Paar Tischkarten und simulierte die Anordnung. Das liest sich leichter als es sich in der Realität leben lässt, denn es ist wie beim Waschen von Socken. Man steckt diese paarweise in die Maschine, es gelangt dann aber eine ungleiche Anzahl zur Entnahme, vielleicht fressen Waschtrommeln Socken, was nicht zwingend für ihren guten Geschmack spricht.

Jedenfalls wurden in jeder freien Stunde Tischkarten aufgestellt und umgestellt, immer endete es so, dass zumindest zwei nebeneinander zu sitzen kamen, die sich auf den Tod nicht ausstehen konnten. Nach Monaten, ich übertreibe nicht, ging das Puzzle endlich auf. Ein Wunder war geschehen. Das Paar, das bald ein Ehepaar werden sollte, auf die Rätselhaftigkeit des Unterfangens habe ich schon hingewiesen, fiel sich in die Arme, anfangs ist das Glück ja noch recht unbeschwert. Dann folgte die Katastrophe: Zwei Eheleute, die nicht weit von Braut und Bräutigam gesetzt worden wären, trennten sich, nicht im Guten, leider. Das Platzkartenspiel begann von vorne. Ich mache es kurz: Alle überlebten die Hochzeit, einige aber traumatisiert. Ich war einer davon, obwohl ich abgesagt hatte.

Das ist übrigens einer der Gründe, warum meine Frau und ich im Rathaus von Stockholm geheiratet haben, unsere Familien erfuhren unmittelbar eine Woche danach davon, was wir beide bis heute ausreichend finden. Zwei Rathausbeamte fungierten als Trauzeugen, vor uns war ein schwules Paar dran, auch keine Selbstverständlichkeit in den neunziger Jahren. Danach waren wir bei Lisa Elmqvist in der Ostermalms Saluhall Mittagessen, ohne Tischkarten, ich glaube ich hatte Lachs. An das Hochzeitsdatum kann ich mich nicht mehr genau erinnern, es war jedenfalls August, ich bin jetzt nicht der ganz große Romantiker, ich denke Sie werden das vielleicht schon gemerkt haben.  

Weltweit Erste

Aber zurück zu Hubert Patterer. Ihm fielen die Vorschriften für Hochzeiten 2020 in die Hände, zwei Seiten, dem Grunde nach ersonnen im Gesundheitsministerium, in die Alltagssprache übersetzt von einen Veranstalter in der Steiermark. Ich müsste vollauf zufrieden damit sein, denn die Bedingungen, die hier diktiert werden, sind auch nicht gerade von großer Romantik getragen. Der Katalog liest sich so, dass der „Kleine“-Chef dem Text eine Warnung voranstellte. „Kommen Sie jetzt bitte ja nicht auf die Idee, es sei Satire“. Warum? Darum:

Betrifft: Allgemeines
- Bei der Hochzeit, insbesondere in der Zeit der gastronomischen Betreuung ist bei Bewegung immer ein Mund-Nasen-Schutz zu tragen (Personal, Organisation, Gäste)
- Das gilt insbesondere auch für das Brautpaar, hier ist mit vermehrtem Kontakt zu Gästen zu rechnen – obwohl diese in einem Naheverhältnis zueinander stehen 

Betrifft: Trauung 
- Aufteilen der Gäste in Bereiche (Standesamt, Gotteshaus, nachfolgende Feier, zusätzliche Flächen)
- Die Gäste bleiben in getrennten Gruppen, das Brautpaar wechselt zu den Gruppen unter Einhaltung der Covid-19-Maßnahmen (z.B. Geht nach dem Gottesdienst in den Garten zur Gruppe der Gäste) 
- Ansprache beim Empfang mit 1 Meter Abstand
- Hochzeitsspalier sollte gesteuert sein und betreut sein (1 m zwischen den Personen) 
- Steuerung der Bewegungen der Gäste (z.B. Zustrom zum/Abstrom aus dem Gotteshaus) in Gruppen (möglichst gleicher Haushalt) 
- Weiterreise zur Feier mit Gastronomie: Unterbinden spontaner Gruppenbildung 

Betrifft: Gemeinsame Feier mit Gastronomie
- Tischaufstellung unter Bedachtnahme der Gastronomieregeln
- Abweichung von vier Personen pro Tisch nur bei Personen in einem Haushalt 
- Strenge Tischordnung nötig (insbesondere für die Nachbearbeitung) 
- Keine Brauchtumsspiele oder Gruppenspiele, die einen Verstoß gegen Covid-19-Regeln nötig machen. Zum Beispiel: Tanz mit der Braut, Brautentführung
- Geschenketisch mit Betreuung, kontaktlose Übergabe (Desinfektion direkt dort ermöglichen)
- Keine Tanzfläche für Publikumstanz 
- Tischordnung mit Platzvergabe 
- Gastronomische Verpflegung unter Bedacht möglicher Emotionalisierung (eventuell Alkohol einschränken) 
- Die Zeitdauer der Feier wird eingeschränkt auf die Öffnungszeiten der Gastronomie
- Geordnete/geregelte Abreise der Gäste in Gruppen (möglichst gleicher Haushalt) 
- Bei der Feier ist ausreichend Reinigungspersonal anwesend, um insbesondere die WC-Anlagen zu betreuen 

Betrifft: Nach der Feier 
- Reinigen aller möglichen Kontaktflächen wie Autotüren, Geschenke, Kleidung, Mund-Nasen-Schutz 
- Kontrolle der Gästeliste auf Symtome nach 2 bis 6 Tagen, bei Covid-19-Symptomen unverzügliche Information an die Gesundheitsbehörde sowie Übermitteln der Gästeliste mit allen Kontakten.

Wenn Sie nach Lektüre dieses Textes noch Lust auf eine Hochzeit haben, dann sollten Sie heuer noch unbedingt heiraten, denn dann muss die Liebe groß sein. Oder sie haben es eilig. Oder es ist beides.

Zweiklassen-
Gesellschaft

"Matura abschaffen"

Bei Hochzeiten soll man ja nichts dem Zufall überlassen, in der Politik wiederum passieren so häufig Zufälle, dass es von Fall zu Fall fast nach zu viel Zufall ausschaut. Gestern zum Beispiel tauchte wie aus dem Nichts das Ibiza-Video auf. Ein Jahr lang null, jetzt alles. Der ganze Film plus Bonusmaterial, 12 Stunden Bewegtbild plötzlich in den Händen der Sonderermittler des Bundeskriminalamtes. Per Pressemeldung wurde der Fang eher lapidar bekannt gemacht, die Bilder waren der Einfachheit halber der Aussendung gleich beigefügt, hochauflösende Aufnahmen von Alyona Makarov, ich denke der Name ist nicht echt, die vermeintliche Oligarchennichte hatte Heinz-Christian Strache in die Ibiza-Falle gelockt. Von ihren schlecht manikürten Zehennägeln, die dem Damals-noch-nicht-Vizekanzler ins Auge gestochen waren, gibt es leider keine Lichtbildnisse.

Monatelang waren die Mitglieder der „Soko Ibiza“ oder „Soko Tape“ verschwiegen wie Trappistenmönche, nun konnte man alle gut am Telefon erreichen. Ihre Geschichten klingen wie eine Mischung aus James Bond in der Roger Moore-Ära und „Leberkäsjunkie“. Ganz versteckt sei das Video gewesen, Mauerwerk musste man bei einer Hausdurchsuchung einreißen, Knopflichkameras, Kameras in Krawattennadeln und Kaffeebechern, manipulierte Lichtschalter und TV-Fernbedienungen wurden hergezeigt und weckten Erinnerungen an Fotos aus der Stasi-Epoche. Donnerstag kommender Woche startet der „Ibiza-Ausschuss“ im Parlament, das Video ist plötzlich wieder das dominierende Thema, nicht der Postenschacher, die Casinos-Affäre, die Gesetzesbeschlüsse von Türkis-Blau. Lauter Zufälle, wie gesagt.

Nach Heidi Horten und Gaston Glock sagte gestern auch Novomatic-Gründer Johann Graf dem U-Ausschuss ab, wenn auch noch nicht offiziell. Sein Anwalt avisierte ein Schreiben, Graf gehöre zur Covid-19-Risikogruppe, könnte deshalb nicht zur Vernehmung erscheinen. Jetzt ist ein Tag im Ausschusskalender leer und noch mehr Fragezeichen tauchen auf. Die Ausschussmitglieder wollen vor Start das komplette Video sehen, es ist Teil des Justizaktes, wird nun angefordert. Ob sich das alles bis kommenden Donnerstag ausgeht?

Und die Regierung so? Kanzler Sebastian Kurz hatte Dienstag neue Lockerungen angekündigt, gestern kündigte er neue Lockerungen an, die er am Freitag locker ankündigen will. Finanzminister Gernot Blümel kündigte an, nun doch das Budget mit realen Zahlen füllen zu wollen. Mitten hinein in die laufende Finanzdebatte im Parlament schnürt er den Haushalt für 2020 noch einmal auf, das hat es in der Zweiten Republik noch nie gegeben. Eine Coronakrise allerdings auch noch nicht. 

Im Kanzleramt sah man hinter dem Papamobil-Paravent gestern ein neues Gesicht, also neu im Sinne von noch nie an dieser Stelle gewesen, Alexander Wrabetz nämlich, schicke, schwarze Schutzmaske nebenbei bemerkt. Gemeinsam mit Blümel, Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer fuhr der ORF-General die Filmbranche hoch, mir taugt der Ausdruck immer mehr. Ab nächster Woche darf wieder gedreht werden, es gibt 25 Millionen Euro von der Regierung, begonnen wird mit einer Folge „Tatort“. Weil Europa allein manchmal nicht reicht, musste diesmal eine größere Einheit fürs Lattenmessen herhalten. „Wir sind die Ersten auf der ganzen Welt mit so einer Ausfallshaftung“, jubelte John Lüftner, Präsident des Produzentenverbandes, „und auch die Ersten, die wieder beginnen zu drehen“. Kurz wird neidisch sein. Er muss sich mit Europa herumbalgen, die anderen drehen an der Weltachse.

Koch? Leider nein

Heute ist übrigens Mathematik-Matura. Vielleicht geben wieder ein paar Schüler ihren Zettel nur mit ihrem Namen und eventuell einem lustigen Spruch darauf ab. Bildungsminister Heinz Faßmann hat, wie ich es erwartet hatte, auf die kreative Arbeitsverweigerung einzelner Maturanten reagiert und will die Benotung im nächsten Jahr dann wieder anders gewichten. Immer mehr Direktoren finden, der Minister könnte sich die Mühe sparen und gleich die gesamte Reifeprüfung abschaffen, etwa Hubert Kopeszki, Leiter des Wiener Goethe-Gymnasiums. Ihm wäre lieber gewesen, die Corona-Matura hätte nicht stattgefunden. „Ich wäre das Risiko nicht eingegangen, drei Wochen lang Schüler herein zu zitieren und dann jeden Tag zu hoffen, dass sich keiner infiziert“. Der Direktor ist für ein komplettes Aus der Matura. „Das Abschlusszeugnis reicht“.

Die jungen Leute habe es heute ohnehin nicht leicht. Benjamin Z. ist Koch eines Fünfsternehotels in Wien und suchte eine neue Bleibe. In einem Inserat wurde eine „wunderschöne Wohnung im Szeneviertel“ beim Augarten angeboten. Vor einer Besichtigung kam die Absage per Mail. „Die Tourismusbranche wird sich wahrscheinlich bis 2021 nicht erholen. Sorry, kein AMS, keine Künstler und keine Gastro“, schrieb der Vermieter. Wohnung futsch, trotz eines Jobs, der 25-Jährige kocht und steht dabei nicht einmal vor dem Herd.

Lassen Sie sich von einem wunderbaren Donnerstag anbraten. Heute gibt es endlich ein paar Pressekonferenzen. So viele, dass die Austria Presse Agentur sogar umschwenken musste. Nun wird live übertragen, was Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck zur „Investitionskontrolle“ einfällt. Ursprünglich wollte man den gemeinsamen Auftritt von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und Vizebürgermeisterin Birgit Hebein zum Thema „Kinder- und Jugendstrategie 2020 bis 2025“ zeigen. Pech gehabt. Die beiden werden es sportlich nehmen. Oder? Oder?

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Mit ohne Strom

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Die Leeren aus Ibiza

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"Nein, das machen wir nicht mehr"

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... - .-. .- -.-. .... .
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"
"No words needed"
 
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Fotos:
Hochzeit: iStock
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