Ho ho ho
Eine Einladung, eine Ausladung und warum wir jetzt Söderbrennen haben.

Corona ist offiziell beendet. Das muss man jetzt nicht gut finden, aber es ist halt so, das hat das vergangene Wochenende gezeigt. Die Österreicher hängen eben an den Lippen ihrer Regierung und die hatte ihnen zunächst Angst gemacht, dann aber schließlich gesagt, dass es jetzt auf die „Eigenverantwortung“ ankäme. Nun denn. Diese „Eigenverantwortung“ hat entschieden, dass wir wieder in Rudeln rausgehen, uns in die Arme fallen, abbusseln, auf der Straße in alle hineinrennen, uns vor Möbelhäusern ohne Babyelefanten anstellen, Party machen, Mundschutz nur tragen, wenn es passt, Oma und Opa ins Haus holen, es ist fast wie früher. Ich hoffe, diese „Eigenverantwortung“ übernimmt dann auch die Fremdverantwortung dafür, wenn uns eine zweite Welle trifft.
Der Bundespräsident erschien gestern überraschend im Fernsehen. Er hielt in der ZiB 1 eine Ansprache, die Mut machen sollte. „Wir kriegen das hin“, sagte er und „so sind wir“. Vor einem Jahr hatte er nach Auftauchen des Ibiza-Videos gemeint „so sind wir nicht“. Ich glaube ja, die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen, manchmal sind wir so, dann wieder so. Im Rückblick werde man sehen, sagte Alexander Van der Bellen, dass in dieser Zeit „populistische Führerfiguren ihren Glanz verloren haben, weil ihre simplen Rezepte nicht geeignet sind für die komplexe Wirklichkeit“. Im Rückblick werde man erkennen, dass „Europa die Zeit genutzt hat“. Man werde zurück zum Wert der politischen Gemeinschaft finden.
Mit Verlaub, Herr Bundespräsident, aber ich bin genau gegensätzlicher Meinung. Europa stand selten zuvor auf so wackeligen Beinen, von Solidarität und gemeinsamen Werten sehe ich kaum Spurenelemente. Und ja, es mag stimmen, dass die Populisten für den Augenblick den „Glanz“ verloren haben, wenn sie denn je einen hatten. Aber sie werden zurückkommen, mit vielleicht anderen Gesichtern und vermeintlich neuen Ideen. Problemfelder wie hohe Arbeitslosigkeit sind der perfekte Nährboden für Populisten. Sie werden bald wieder stark da sein und sie werden auf ein wirtschaftlich angeschlagenes Europa treffen. Ich denke, man sollte das vernünftigerweise nüchtern sehen, bei allem Verständnis für Mutmacherei.
Game over

Corona hin oder her, etwas überlebt in Österreich alle Zeit und immer – die Einladung. Es ist einerlei, ob etwas stattfinden kann oder nicht, eingeladen wird immer. Ich glaube, uns könnte ein Meteorit treffen und am nächsten Tag hätten wir im Postkasten ein Schreiben mit ungefähr diesem Wortlaut: „Herr und Frau Sowieso würden sich freuen, Sie (hier Name, vor allem aber Titel jedweder Art einsetzen) zur Veranstaltung Irgendwas einzuladen. Die Einladung ist dem Österreicher heilig, sie symbolisiert Teilhabe, auch den Nichteingeladenen gegenüber. Der immer derselbe Personenkreis lädt den immer selben Personenkreis zu den immer selben Veranstaltungen ein. Weil die immer selben Medien darüber immer dasselbe berichten, kann es nicht falsch sein. Religionen funktionieren ähnlich.
Morgen jährt sich die Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen zum 75. Mal. Das Parlament begeht den Tag mit einer Sondersitzung, ich bin dazu „herzlich eingeladen“, erfuhr ich per Post. Mag. Wolfgang Sobotka, Präsident des Nationalrates, und Robert Seeber, Präsident des Bundesrates, schreiben mir auf edlem Papier: „Trotz Corona-Pandemie ist es uns ein Anliegen, auch heuer dieses Gedenken zu begehen“. Der ORF überträgt ab 11.30 Uhr live.
Damit kein Missverständnis entsteht: Ich halte diese Feier für richtig, wichtig und notwendig, gerade in Zeiten wie diesen soll sie unter allen Umständen stattfinden. Aber trotzdem klingt seltsam, wenn man dann liest: „Wir laden Sie herzlich dazu ein, die gemeinsame Sondersitzung der Präsidialkonferenz des Nationalrates und des Bundesrates anlässlich des Gedenktags an den Bildschirmen zu Hause zu verfolgen“. Ich wurde noch nie zum Fernschauen eingeladen, schon gar nicht schriftlich.
Im alten Ambros-Schlager „Die Blume aus dem Gemeindebau“ gibt es die Textzeilen „And're hab'n bei mir ka Chance, auch wenn sie immer sog'n: Kummen's fernseh'n, Herr Franz. I mecht von dir nur amoi a Lächeln kriagn, du schönste Frau von der Vierer-Stiag'n“. Ohne auch nur im Ansatz die "schönste Frau von der Vierer-Stiag'n“ zu sein, werde ich mich also morgen vielleicht etwas festlicher kleiden, ORF 2 einschalten, mich daheim im Wohnzimmer in die erste Reihe setzen, mich mit meiner Einladung gegenüber dem Bildschirm ausweisen, wenn die Veranstaltung beginnt, ein paarmal hüsteln (in die Armbeuge natürlich), dann die Augen zumachen und daran denken wie es wäre, wenn dieses depperte Virus nicht von uns Besitz ergriffen hätte.
"Eine Handvoll"

Ich bin allerdings nicht überall gern gesehen, ich verstehe das gut. Gesundheitsminister Rudolf Anschober lud dieser Tage zum Hintergrundgespräch. Nein, eigentlich nicht zu einem Hintergrundgespräch, wie sein Büro betont, weil man Hintergrundgespräche ihrer Art wegen nicht leiden könne, aber auch nicht zu einer Pressekonferenz oder einem Medientermin oder einem Pressegespräch, sondern man bat einfach ein paar ausgewählte Medien zu sich, eine „Handvoll Journalisten“, schrieb die „Kleine Zeitung“, ein paar andere eben nicht.
Man habe sich auf Zeitungen beschränkt, die eine gedruckte Sonntagsausgabe haben, hieß es. Die „Presse“ hat auch eine gedruckte Sonntagausgabe, wurde aber ebenfalls nicht berücksichtigt. Vielleicht wurden auch nur Medien bedacht, die eine gedruckte Sonntagsausgabe und Sonntagshängetaschen haben und, sagen wir einmal, mit dem Buchstaben K beginnen. Ich höre, dass es mittlerweile sogar Medien in diesem Land geben soll, die Internetseiten betreiben, die auch am Sonntag erscheinen, sie aber waren ebenfalls nicht eingeladen. Vielleicht sollten wir alle unsere Internetseiten ausdrucken, sie in Sonntagshängetaschen stecken, hilfreich wäre ein Zeitungstitel mit K am Anfang, „Keute“ ginge etwa.
Anschober stellte einen Teil seines Beratungsstabes in der Coronakrise vor. Das klingt interessant, da es zuletzt Debatten darüber gab, auf welcher Basis eigentlich Entscheidungen in diesem Land gefällt werden. Ich bin mir ja nicht sicher, ob ich das wissen will, aber nichts wissen ist auch keine Lösung. Man sieht auf der öffentlichen Bühne mehr oder weniger immer dieselben Politiker, aber wer sie im Hintergrund berät, liegt im Dunklen. Anschober wollte etwas Licht in dieses Dunkel bringen, wofür er auserkoren erscheint, da er ja schon als Erster das Licht am Ende des Tunnels der Pandemie gesehen hatte. Weil er sich aber wohl um die Gesundheit der Reporter sorgte, holte er eben nur „eine Handvoll“ zu sich, ließ vier Berater im Babyelefantenabstand Aufstellung nehmen und sie dann höflich erzählen wie super die Zusammenarbeit mit dem Minister klappe.
Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde der „Falter“ nicht zu einem Hintergrundgespräch von Sebastian Kurz gebeten. Die offizielle Begründung lautete, dass man keine Wochentitel eingeladen habe, aber ich dachte damals schon, dass dies ein Ausrede sei. Der „Falter“ hatte kritisch über die „Datenaffäre“ der ÖVP berichtet, es könnte eine Retourkutsche gewesen sein. Der Vorfall schlug hohe Wellen, es hagelte Proteste in den bruttosozialen Medien, die anderen Parteien erregten sich, auch natürlich die Grünen, der Presseklub Concordia sprach von einem „demokratiepolitisch höchst bedenklichen Akt“. Ich habe damals meine Teilnahme am ÖVP-Hintergrundgespräch abgesagt und meinem Team empfohlen, das auch so zu halten. Das roch.
Ich warte, ob heute auch ein Aufruhr losbricht, weil nunmehr ein grüner Minister Zeitungen aussperrt und das mit seltsamen Begründungen und ich werde verfolgen, wer sich aller zu Wort meldet und vor dem Niedergang der Pressefreiheit warnt und einen „demokratiepolitisch höchst bedenklichen Akt“ ortet. Ich denke, ich werde umsonst warten.
Mit Abstand
am besten gelöst

Ich glaube ich habe zu Martin Ho einmal „Hallo“ gesagt, aber sicher bin ich mir nicht. Es könnte auf einem dieser Maroni-Empfänge gewesen sein, die Österreichs Kanzler jedes Jahr im Advent gibt. Ich habe dieses Bild im Kopf, Ho steht ganz in der Nähe von Sebastian Kurz, der jedem die Hand schüttelt (damals durfte man das noch) und fragt, wie es einem geht und Glühwein anbietet und es wird gedrängt und gestoßen, weil jeder will, dass einem der Kanzler die Hand gibt, fragt, wie es einem geht und Glühwein anbietet und an der Seite von Kurz steht Martin Ho und zeigt keine Regung. Vielleicht gibt es ein geheimes Clubbesitzer-Handbuch, in dem steht, dass man immer einen coolen Blick aufsetzen muss als Clubbesitzer, jedenfalls wirkte Ho in der Menge der schnatternden Maronigäste wie ein Eisblock. Gut eingesetzt könnte er die Erderwärmung um ein, zwei Grad nach unten drücken. Vielleicht hatte ihn Kurz deshalb eingeladen.
Martin Ho betreibt zehn Lokale, die meisten in Wien, alle sollen ziemlich cool sein, ich war aber noch in keinem, deshalb muss ich mich auf Expertise von außen verlassen. Ich bin eher nicht so der Clubtyp, ich mag nicht einmal Tennisclubs, von Golf gar nicht zu reden, Club-Sandwich geht, hilft hier aber nicht. Für mich also stimmt nicht, was Ho vor nicht ganz zwei Jahren in einem Interview mit dem „Standard“ sagte, nämlich dass es in dieser Stadt „praktisch niemanden“ gäbe, „der nicht mindestens einmal im Jahr in eines meiner Häuser kommt. Egal welches Alter, egal welche gesellschaftliche Schicht, egal welcher Herkunft“. Diesmal war es halt die Polizei, die in eines seiner Häuser kam. Und ein paar Hunde, aber die gehörten zur Truppe.
Das „Dots“ in Wien-Döbling ist einer dieser coolen Ho-Schuppen. Ich kenne die Lokalität noch als der Heurige Diem drin war, die Decke leuchtete da noch nicht rot und es gab keine Spiegel, es war ganz nett in diesen Klostermauern, aber eben nicht cool. Am Freitag passierten ein paar Ungeschicklichkeiten. Es kam zu einer Verwechslung im Kalender, man dachte es sei schon der 15. Mai, der Tag, an dem Lokale öffnen dürfen. Man brachte ein paar Sachen durcheinander, dann kam auch noch Pech mit der Einladungsliste dazu. Martin Ho hätte das regeln können, aber er lag schon daheim im Bett. Ich glaube Wien hat den einzigen Nachtklubbesitzer der Welt, der um 20 Uhr schlafen geht. Ho ho ho.
Ein 37-jähriger Millionenerbe verspürte jedenfalls den Drang, seinen fast runden Geburtstag zu feiern. Für 5.000 Euro servierte ihm ein Koch das „Dots“, der Millionenerbe lud zehn Habschis ein, die blöderweise nicht allein kamen und flugs waren 20 Leute beisammen. Auch nicht schlimm, dachte man sich, es sind ja 30 erlaubt, allerdings nur bei Beerdigungen und das war mitnichten eine. „Ich wollte nicht unhöflich sein und Leute wieder heimschicken“, sagte der Millionenerbe später ernsthaft im Polizeiverhör. Es wird eben tatsächlich nirgends so viel gelogen wie auf Beerdigungen und Verabschiedungen.
Die Sushis standen noch nicht einmal am Tisch, als die Polizei schon im Lokal stand, die Wega ebenso und eine Hundestaffel hatten sie zur Sicherheit dabei, man weiß auf Beerdigungen ja nie. Um die Trauer besser bewältigen zu können, hatte man Kokain, MDMA und Marihuana bereitgestellt, die Beamten aber missinterpretierten das. Der Millionenerbe wurde mitgenommen, später auf freiem Fuß angezeigt. Ich wage die kühne Prognose, dass Martin Ho in der Affäre kein Ohr gekrümmt wird, weil er doch schon um 20 Uhr im Bett lag. Das erstaunt, denn im britischen Magazin „GQ“ war 2018 über den Barbesitzer und seine Hood noch zu lesen: „Wien, die Stadt, die so wie er und wegen ihm niemals schläft“. Bis 20 Uhr diesmal halt, dann war das Traumännlein da. Kurz nannte „GQ“ in dem Artikel übrigens „Alpine Donald Trump“. Nicht nett, diese Briten. Gut, dass wir sie aus der EU rausgeschmissen haben.
In der Wachau betreibt Ho seit zwei Jahren ein Boutiquehotel namens „La Petite Ivy“, nachgetauft seiner Tochter, die er gemeinsam mit Modelfrau Ivana hat. Bei der Eröffnung war die Promidichte an „langjährigen Freunden und Wegbegleitern“ hoch. „Martin Ho verbindet Unternehmergeist mit sozialem und gesellschaftlichem Engagement“, lobte Kanzler Sebastian Kurz. Und der heutige Finanzminister Gernot Blümel assistierte: Ho habe einen „Spürsinn für neue Trends“. Wohl deshalb ging er Freitag früh schlafen.
Bettruhe 20 Uhr

Und in so einem unterhaltsames Land sollen die Deutschen nicht mehr Urlaub machen dürfen? Na geh! Mit den Bayern kennt man sich dieser Tage ja nicht mehr richtig gut aus. Da stellt sich der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hin und sagt: „Wer Österreich genießen will, der kann das auch in Bayern tun“. Hä? Was soll das heißen? Die Bayern spielen den Norddeutschen vor, dass sie jetzt Tirol sind? Na, dann schaut´s einmal, dass ein zweites Ischgl zustandebringt´s. „Solange das Virus keinen Urlaub macht, müssen wir uns mit unseren Reiseplänen beschränken“, sagte Deutschlands Innenminister Horst Seehofer. Wenn jeder jetzt daheim Urlaub macht, ist das dann dieses Europa, von dem Van der Bellen gesprochen hat? Das „die Zeit genutzt hat“. Das „zurück zum Wert der politischen Gemeinschaft“ gefunden hat?
Aber man muss noch nicht alle Hoffnung fahren lassen, immerhin unsere Kulinarik wird in Deutschland noch geschätzt. Die Fußballer von Bayern München verteilen nun an Bewohner und Pflegekräfte von Altersheimen, die besonders schwer von Corona getroffen wurden, Spenden – 800 Sachertorten.
Machen Sie sich einen wunderbaren Montag. Die Maturanten kehren in die Schulen zurück, die Kleinkinder in den Kindergarten und in Wien soll es jetzt weniger schneien. Auch gut.
Alle bisherigen Blogs finden Sie gesammelt unter dieser Adresse
Bisher erschienen:
TikTok Taktik
Alles Isidisi
Die 4 Maskarmoniker
"Na, du Küken"
Ätsch Bätsch
Die Herbeischaffung
Tischlein deck dich
Frittösterreich
Rambo VI.
Corona wegflexen
Aussicht auf Sport
Anno Baumarkti
Erst Messe, dann Baumarkt
Ein Bild von einem Kanzler
Meer oder weniger
Bildschön, oder?
Koste es, was es wolle
Neuer Kurzbefehl
In Frühlingshaft
Situation Room
Im Namen der Maske
Die Maskenbildner
Verkehrte Welt
Klobuli
Bettman
Das virologische Quartett
Das Leben ist ein Hit
Im Bett mit Kurz
Park mas an!
Unser Retter?
Danke!
Neulich in Balkonien
30 Beobachtungen
Das Ende der Party
Im Teufelskreis
"Happy birthday"
Das Virus und wir
Sternderl schauen
Streicheleinheiten
Ganz große Oper
That's Life
Patsch Handi zam
Rabimmel, rabammel, rabum
Wir sind Virus
Na dann Prost!
Küssen verboten
Unterm Glassturz
Achtung, s´Vogerl!
Olles Woiza, heast oida!
Oblenepp und Stadlerix
Der tut nix
Im Krapfenwaldl
Wohin des Weges?
Es fliegt, es fliegt
Lieber Christian
Ein Leben am Limit
Kurzer Prozess
Hexenjagd am Klo
Ein Land im Fieber
Eine Frage der Ehre
Frühstücken mit Kurz
Von der Lust gepackt
Ein Ball, viele Bälle
Blabla und Wulli Wulli
"Warum steigt's nicht ein?"
"Servas die Buam"
Die Teufelsaustreibung
Romeo und Julia
Strache, "ich war dabei"
Brot und Spiele
It´s my lei lei life!
Der Zug der Zeit
Der Hauch des Todes
... - .-. .- -.-. .... .
Inselbegabungen
Big Bang für einen Big Mac
Auf einen Apfelputz beim Minister
Von Brüssel ins Fitness-Studio
"Es ist alles so real"
"No words needed"
"So wahr mir Gott helfe"
Jedem Anfang wohnt ein Zauberer inne
Fotos:
Markus Söder: DPA, Sven Hoppe
Ikea außen: APA, Helmut Fohringer
Ikea innen: Leserreporter
Rudolf Anschober: APA, Roland Schlager
Konditorei: Facebook
Martin Ho: Starpix, Alexander Tuma