Ungeschminkt

Die Wahl, meine Schlusskundgebung und was Christbäume damit zu tun haben.

Am Sonntag wählt Wien und ich muss an Michael Häupl denken. Es ist fast auf den Tag genau fünf Jahre her. Am 11. Oktober 2015 holte die SPÖ fast 40 Prozent, beinahe 10 Prozentpunkte mehr als die Freiheitlichen, statt zu einem Duell wurde der Wahltag zu einem roten Sololauf. Am späteren Abend kam Häupl ins Festzelt vor der Parteizentrale in der Löwelstraße, er wurde mit tosendem Applaus empfangen. Von der Bühne herab rief er Richtung Heinz-Christian Strache: „Jetzt kann er wieder nach Ibiza, vamos a la playa.“ Selten noch hat einer Blauer die Anweisung eines Roten so pflichtbewusst ausgeführt. Auf die Idee ist der THC-Drogist in all den TV-Duellen nicht gekommen, wie er seinen Ausflug in die Ibiza-Villa am einfachsten erklären könnte: „Der Häupl hot mi gschickt“.

Nicht immer sind Zurufe freilich so stimmig. Die Mutter eines Schülers aus einem Wiener Gymnasium erzählte mir, dass sie am Freitag ein E-Mail des Direktors erhalten habe. Viele Schulen haben sich seit dem Frühjahr weiterentwickelt, elektronisch hat sich einiges verbessert kann man sagen, man merkt vielerorts das Bemühen. Es hilft ja auch nichts, man ist im Schulalltag momentan doch sehr auf sich allein gestellt, egal ob man Elternteil, Lehrer, Schüler oder irgendetwas dazwischen ist. Wenn man es positiv sehen will, dann holt sich die Gesellschaft gerade mehr und mehr Kompetenzen von der Politik zurück. Die Regierung hätte uns allerdings auch direkt sagen können, dass wir uns um unseren Kram jetzt selber kümmern sollen, wir hätten Corona als Ausrede dafür gar nicht gebraucht.

Jedenfalls melden sich jetzt einige Schulleiter in regelmäßigen Abständen bei den Eltern und berichten, was es Neues gibt. Es sind jetzt immer wieder Klassen in Quarantäne, für sie gibt es „Distance Learning“, wenn einzelne Schüler fehlen, dann wird von Lehrerinnen und Lehrern mitunter der Unterricht via Notebook in die Kinder- oder Jugendzimmer der betroffenen Schüler übertragen. Dabei aber gibt es Hindernisse, mit denen man nicht rechnen konnte, die Erwachsenen nämlich. Die sind ziemlich im Weg.

„Hie und da sitzen auch Eltern bei diesen Videocalls; das ist nichts Schlimmes und geht auch in Ordnung“, schreibt der Direktor des Wiener Gymnasiums. „Allerdings soll es schon vorgekommen sein, dass Eltern ihre Kinder aus dem Hintergrund dahingehend „unterstützen“ wollten, indem sie ihnen „eingesagt“ haben – und das auch noch falsch“. Also, liebe Eltern, die Hauptstadt von Spanien ist nicht Mailand, eine Konfusion gibt nicht darüber Auskunft, welcher Religionsgemeinschaft man angehört, ein Body Bag ist kein Rucksack, sondern darin werden Leichen gelagert, man verschenkt keine Hydranten zum Muttertag, mit dem Wasser aus Hyazinthen kann man keinen Brand löschen, fürs Bruchrechnen braucht man keinen Hammer und die Brösel, die dabei entstehen mögen, kann man auch nicht verkochen. Es ist schön, wenn ihr eure Kinder mögt, aber irgendwann werden sie wieder in die Schule gehen, allein hoffentlich. Ihr könnt sie natürlich auch begleiten, euch auf den Nebenplatz setzen und aufzeigen, wenn ihr was wisst. Oft wird die Hand nicht oben sein, mutmaße ich jetzt einmal.

Auch Rudolf Anschober lernt wissbegierig. Der Gesundheitsminister hat sich für viele Haushalte zu einem treuen Gefährten entwickelt, er begleitet uns durch den ganzen Tag, ist unser erster Hahnenschrei, unsere Mittagsglocke, unser Abendgebet. Egal, ob man Radio hört, die Zeitung aufschlägt oder fernsieht, überall und allerorten stößt man auf den Mann, den das Virus als Botschafter zu uns geschickt hat, weil Corona es im Herzen doch gut mit uns meint. Gestern war Anschober zunächst am Vormittag in seiner Pressekonferenz zu sehen, dem Rest des virologischen Quartetts hatte er freigegeben. Den Herrschaften war das ganz recht, sie kommen bei gemeinsamen Terminen ohnehin kaum mehr zu Wort. Der Gesundheitsminister nahm sich für seinen ersten groben Überblick knapp 25 Minuten Zeit. Er sprach in gütigen Worten zu uns, der Volksschullehrer schimmerte durch, als er zwischendrin einmal zu uns Schülern sagte: „Wir haben im Frühling miteinander gelernt“.

Weil wir auch im Herbst miteinander lernen sollen, gab er uns ein paar gute Ratschläge mit auf den Weg, den „Bewohnern dieses schönen Landes“. Er empfahl uns also, am Wochenende lieber im Freien herumzutollen als in Innenräumen. „Man kann mit Freunden genauso gut einen Spaziergang machen, man muss sich nicht in ein eng besiedeltes Kaffeehaus setzen,“ sagte der Virus-Botschafter. Später empfahl er auch gemeinsames Joggen oder Radfahren. Wenn wir aber partout drinnen bleiben müssten, dann „auf das Lüften nicht vergessen“. Ich finde diese Fürsorge, die uns die Regierung angedeihen lässt, wirklich nett. Man könnte auch sagen, dieser neue Politiker-Typus ist von Empathie eng besiedelt.

Der Volksschullehrer im Minister hielt aber auch Tadel für uns bereit. „Ich bin zwar nicht gefragt worden, aber manchmal sage ich einfach das, was ich nicht gefragt werde,“ verblüffte uns Anschober. Meiner bescheidenen Meinung nach ist es manchmal besser, beides passiert nicht, man wird nicht gefragt und man sagt nichts, denn das sorgt nur für weitere Verunsicherung, diesbezüglich wurden wir von der Regierung schon ausreichend gut versorgt. Statt also nicht gefragt zu werden und nichts zu sagen, verriet Anschober, dass er „verschiedene Maßnahmen in der Schublade“ habe, wenn sich die Infektionszahlen dramatisch verschlechtern würden.

Nun weiß man seit Kindheit, dass nicht jene Schubladen interessant erscheinen, die offen stehen, sondern solche, die geschlossen und vielleicht sogar versperrt sind, denn dahinter vermutet man die interessantesten Geheimnisse. Der Minister, der nichts gefragt wurde und nichts sagen wollte, verweigerte jede weitere Erläuterung zu seiner Schublade, was ebendiese Schublade zu einem magischen Ort werden ließ, in ihr könnten sich eventuell die Formeln für ein Perpetuum mobile oder Teile des Bernsteinzimmers finden. Es könne jedenfalls sein, dass „es im bundesweiten Bereich in den nächsten zwei bis drei Wochen ein Nachschärfen geben könnte,“ sagte Anschober. Die geschlossene Schublade mit den neuen, geheimen Grauslichkeiten drin, dieses Bild wird sich einprägen. Oder sagen wir, es wird unser Gehirn eng besiedeln.

Ich hege die Vermutung, es wird keine „zwei bis drei Wochen dauern“, ehe die Schublade aufgeht, sondern der Zeitraum ist eher in Tagen oder Stunden zu bemessen. Sobald die Wiener Wahl vorbei ist, wird man sich dem Virus auf neue Weise nähern. Auch Schulschließungen scheinen nicht mehr undenkbar. Die „Krone“ berichtete von Plänen, die Herbstferien auf zwei Wochen auszudehnen. Wie die Eltern das schaffen sollen, ist ungeklärt. Offenbar geht die Politik davon aus, dass Mamas und Papas keiner geregelten Arbeit nachgehen, sondern daheim vor dem Fernseher warten, bis sie die lieben Kleinen wieder in die Arme schließen können, wenn die Zwutschkerln dazwischen nicht in der Schule waren, ist das auch okay. Um es einmal etwas deutlicher auszudrücken: Wenn die Regierung uns in einen zweiten Lockdown schickt oder alle Schulen schließt, dann erwarte ich mir einen Auftritt des virologischen Quartetts, und zwar des gesamten, und jeder stellt sich nacheinander hin und sagt diese zwei Sätze: „Wir sind gescheitert. Wir haben uns bemüht, aber es hat nicht gereicht.“

Momentan beginnt die Regierung nämlich, uns elegant den Schwarzen Peter zuzuschieben. Anschober erzählte gestern, er habe kürzlich seinen deutschen Amtskollegen Jens Spahn gefragt, warum die Infektionszahlen in Deutschland nur moderat steigen würden. „Was ist euer Geheimnis?“ Spahn habe darauf geantwortet „das Mitmachen der Bevölkerung ist sensationell gut“. Die Deutschen also sind super diszipliniert, wir Lausebengel aber folgen der Regierung nicht. „Man kann in der Politik sehr viele Maßnahmen beschließen, aber sie müssen gelebt und umgesetzt werden“, fügte der Gesundheitsminister an. Auf die Idee, dass vielleicht zu viel beschlossen wurde und bei dem Durcheinander keiner mehr weiß, was „umgesetzt“ werden sollte, kam er leider nicht.

Prinzenrolle

Sprayer

Mit Prognosen kann man sich ziemlich lächerlich machen, aber diese Kolumne ist ja ein Narrenturm und zum Glück bin ich sein einziger Bewohner. Jedenfalls habe ich beim Wahltoto der „Heute“-Redaktion mitgespielt, beim letzten Mal war ich recht nahe am Resultat dran, was mehr an der Politik gelegen sein dürfte als an mir. Diesmal bin ich es jetzt etwas forscher angegangen, die jugendlichen Hitzen, Sie verstehen. Meinen Tipp reiche ich beizeiten hier nach, er liegt gut verwahrt und für mich unerreichbar in einer Schublade, die ich nicht vor Montag öffnen lasse, sonst kommt wieder jemand auf die Idee, die Wahl anzufechten und das muss ich nun auch wieder nicht haben.

Ich lehne mich jetzt ganz, ganz, ganz weit aus dem Fenster und sage: Michael Ludwig wird die Wahl gewinnen. Seltsamerweise hat das nie jemand in Frage gestellt, zu keiner Zeit, vor allem die anderen Kandidaten nicht. Sie haben sich vom ersten Tag an als Verlierer eingestuft, manche haben gehofft, eine gute Nummer zwei oder drei zu werden, mehr nicht. Ich kann mich an keinen Wahlkampf erinnern, bei dem so war. Ich meine, geht Dominic Thiem auf den Platz und sagt, ich will mit Nadal oder Djokovic ein paar schöne Bälle schlagen, Chance habe ich ohnehin keine, aber vielleicht gewinne ich ein paar Games, wenn ich Glück habe? Wohl kaum. In Wien haben sich alle Kandidaten ihrem Schicksal gefügt und sich erst gar nicht erst um den ersten Platz bemüht. Sie haben dem Gewinner vorab gratuliert und gesagt es wäre schön, wenn er sie nach der Wahl nicht ganz vergessen würde, sie stünden als Koalitionspartner zur Verfügung, die SPÖ solle nur ihre Bedingungen schicken, sie würden allesamt erfüllt werden.

Das brachte Michael Ludwig in eine komfortable Lage, er musste nämlich gar keinen Wahlkampf mehr führen. Also er nahm schon daran teil, aber etwa in den TV-Duellen als eine Art dritter Moderator, wenn der Sender zwei stellte. Der aktuelle Wiener Bürgermeister brauchte sich gar nichts erst die Mühe zu machen, ein Thema einzubringen oder zu setzen, es reichte, wenn er erschien und sagte, hier machen wir in Zukunft in der Stadt ein bisserl mehr und dort ein bisserl weniger, alles mit sicherer, ruhiger Hand, in der Krise sind Experimente nicht gefragt, Visionen schon gar nicht. Im Fernsehen stand Ludwig da wie ein Pfeiler der Reichsbrücke, ließ sich auf keine Debatten ein, sondern erzählte den Anwesenden ein bisschen was über die Stadt, sein Leben, seine Erfahrungen, es war sehr nett. Das bringt ihm keine Absolute, aber solide über 40 Prozent.

Statt an der Nummer eins, arbeiteten sich alle an der Nummer vier ab, an Gernot Blümel, den die ÖVP aus nach wie vor rätselhaften Gründen nach Wien entsandt hatte, um für sie die Ohrfeigen zu kassieren. Der Finanzminister nahm sie in der von ihm gewohnten Blässe zur Kenntnis, er tat wenig für seine Verteidigung, wenn man vom Grinsen einmal absieht. Er wird für die ÖVP am Sonntag ein gutes schlechtes Ergebnis einfahren, das die Türkisen wie einen Triumph begießen werden. Die ÖVP wird weit unter ihren Möglichkeiten bleiben. Um die Themenfelder Sicherheit, Kriminalität, Zuwanderung, Integration erfolgreich rechts argumentieren zu können, fehlte es Blümel an der Glaubwürdigkeit, Karl Nehammer hätte das besser hingekriegt.

Der Neue

Die Neue

Birgit Hebein fühlt sich überall anders besser aufgehoben als im Fernsehen, das ist auch so eine Erkenntnis der letzten Wochen. Die Spitzenkandidatin der Grünen fremdelt mit der Kamera. Sie wirkt authentisch, wenn sie natürlich bleibt, auch wenn sie in die Verteidigerrolle gerät. Oft aber scheint sie übercoacht, dann verwendet sie die immer gleichen Begriffe und Stehsätze, nennt die ÖVP „türkise Partei“, und beharrt darauf, dass „Unmenschlichkeit nicht im Koalitionspakt“ stehe, sie hat ihn selbst mitverhandelt. Wie schon oft ging den Grünen auf den letzten Kilometern die Luft aus, ihre Geschichten waren im August auserzählt, es kam kaum mehr etwas und das Wenige verstörte viele. Autofreier Ring, Sprit "empfindlich teurer"*, Klimasteuern, eine Polizei ohne Waffen, die Bevorzugung von Migranten bei öffentlichen Jobs, neue Pop-up-Radwege, das kann man alles fordern, aber es nicht für die breite Masse ausgelegt, passt eher zu einer Nischenpartei. Hebein wird unter ihren eigenen Erwartungen bleiben.

Das größere Problem aber folgt: Die Grünen haben sich in den letzten Monaten auf Kosten der SPÖ profiliert, sind in ihrem Programm nach links abgedriftet und haben sich damit möglicherweise aus der nächsten Regierung geschossen. Wir haben den Parteien einen Liste mit 50 Fragen übermittelt, die nur mit Ja oder Nein zu beantworten waren. SPÖ und Grüne, die bisherigen Koalitionspartner also, stimmten nur in 25 Antworten überein, die Überdeckung zwischen Roten und Pinken (31 von 50) und zwischen Roten und Türkisen (32 von 50) war wesentlich ausgeprägter.

Christoph Wiederkehr nutzte die TV-Duelle, um sich bekannt zu machen, wofür er steht und wofür nicht weiß man aber immer noch nicht so richtig. Die Neos haben kein Leitthema, also sie haben schon eines, weniger Staat mehr privat, aber das ist in Zeiten wie diesen nicht etwas, was man auf ein Plakat schreibt. Der Staat erlebt momentan eine Renaissance, Traumberuf für Jugendliche ist es nicht mehr Raumfahrer, Fußballer oder Popstar, sondern Beamter in einer Magistratsabteilung zu werden, mit sicherem Job, Kurzarbeitsverbot und solider Pension.

Ehe die TV-Duelle starteten, galt Dominik Nepp als blauer Halbstarker, dem das Amt zugefallen war, weil nach Ibiza kein anderer mehr in der FPÖ da war, der es wollte. Dem Großteil der Wählerschaft aber war der blaue Spitzenkandidat überhaupt gänzlich unbekannt. Ein Halbstarker blieb Nepp in den Fernseh-Auftritten, aber er positionierte sich geschickt als goscherter Rechtsaußen ganz in FPÖ-Manier, er ähnelte dem jungen Strache. Er versammelte die vermeintlichen oder tatsächlichen Corona-Verlierer und die Corona-Leugner hinter sich, pfiff auf Regeln und oft auch auf Fakten, auch das ist nicht neu. Die FPÖ wird die Wahl krachend verlieren, aber besser abschneiden als man zu Beginn vermuten konnte, jedenfalls zweistellig werden, nicht so weit von den Grünen entfernt.

Für Heinz-Christian Strache waren die Fernseh-Auftritte ein unverhofftes Geschenk, er war nicht daheim als es zugestellt wurde. Der Profi unter den Antretenden, der Einzige, der nicht neu ist bei dieser Wahl, wirkte seltsam ältlich in den Konfrontationen. Tatsächlich bewegte ihn vor allem ein Schicksal, sein eigenes nämlich, seine Opferrolle breitete er in aller Langatmigkeit und Unverständlichkeit auf, er wirkte wie ein Eintänzer kurz vor Sperrstunde in einem Lokal, das seinen letzten Abend erlebt. Ich tippe, dass er es nicht schaffen wird, vielleicht muss er sich mit der Bierpartei um den sechsten Platz streiten.

Noch ein Wort zum Wahlkampf an sich. Ich habe noch nie in meinem Leben so viel Post von Parteien an meine Privatadresse bekommen wie in den letzten Wochen. Ich darf mich dafür herzlich bedanken und gehe davon aus, dass wir alle weiter in Brieffreundschaft miteinander verbunden bleiben.

Eintänzer

Ein Tänzer

Ich will Sie zum Schluss nicht pflanzen, aber ich muss. Am Sonntag wählt Wien, aber der eigentlich wichtige Termin findet in 75 Tagen statt, da ist Weihnachten. Ich befasse mich mit dem Gedanken, das hier alles hinzuschmeißen, denn ich habe eine grandiose Geschäftsidee – coronafreie Weihnachtsbäume. Das klingt vielleicht auf den ersten Blick etwas verrückt, aber ich glaube ich werde reich damit. Es ist ja so, dass uns das Virus noch Monate beschäftigen wird, jedenfalls über den Winter hinaus. Vielleicht stellt sich die Regierung in ein paar Tagen hin und sagt: „Wir wissen, wir haben das im Frühjahr ein bisschen zu kompliziert gestaltet und deshalb machen wir es ganz einfach. Ab jetzt gibt es gar keinen Grund mehr rauszugehen“.

In einer solchen Situation holt man sich keine Fremden ins Haus oder in die Wohnung. Die meisten Christbäume aber lernt man erst kurz vorher kennen, ehe man sie abschleppt. Bei One-Night-Stands mag das angehen, aber über den Lebenswandel der Bäume weiß man halt recht wenig. Vielleicht haben die davor bei Martin Ho Party gemacht, eng an eng. Oder sie sind mit einem Bus in die Slowakei gefahren, um dort die ganze Nacht abzutanzen. Jetzt stehen sie da wie die Unschuld vom Land und lächeln einen an. Wenn man die Tannen dann daheim aufstellt, dann bekommen die vielleicht einen schlimmen Husten oder sogar Auswurf, die Nadeln werden vor Fieber ganz rot.

Was wir jetzt brauchen ist Sicherheit. Auf unsere Weihnachtsbäume muss Verlass sein. Deswegen kommen meine Nordmanntannen zehn Tage lang in Quarantäne, ehe sie verkauft werden. Ich lasse auch einen PCR-Test durchführen. Es werden natürlich ein paar Gscheiterln auftauchen und sagen: „Da ist alles Schwindel. Wie soll denn ein Baum einen Covid-Test machen, hä?“ Ich werde sie ganz ruhig anschauen, sie dann bei den Ohren packen und sie zu meinen Bäumen zerren. Dann werde ich auf das Harz zeigen und sagen: „Und was ist das? Das kann man nicht testen? Da kann man keinen Abstrich machen?“ Ich werde sogar ein eigenes Gütesiegel anfertigen und eine Banderole am Stamm befestigen, beides werde ich selber herstellen müssen, jetzt wo es keine Gründe mehr gibt, rauszugehen, außer natürlich sich einen Baum zu kaufen.

Ich mag die Augen der Städter, die aufs Land kommen oder der Einfachheit halber gleich ganz aufs Land gezogen sind. Wenn es dunkel wird, dann steigen sie in ihre SUVs und fahren zu den Höfen der Gegend, die Weihnachtsbäume verkaufen. Den Kofferraum haben sie mit Decken ausgelegt, die mehr kosten als bei anderen Leuten die Bettwäsche, aber dem Alcantara-Bezug soll es an nichts fehlen, vor allem soll er nicht durch Tannennadeln gepiekst werden. Sie spazieren also die paar Meter bis zum Hof, schnaufen als hätten sie einen Berggipfel erklommen, die Wangen sind ganz rot und die Bäume leuchten sie so schön grün an.

Auf der Tafel am Eingang steht „Ab- Hof-Verkauf“ und die SUV-Fahrer mit den roten Wangen glauben, der Bauer ist in den Stunden davor in den Wald spaziert und hat mit der Axt die schönsten Bäume geschlagen. Das gibt es, ohne Zweifel. Es ist aber oft so, dass in den Wochen vor Weihnachten am Land Lastwagen aus dem Osten vorfahren und Bäume ausladen, die aus der Ukraine sind oder aus Rumänien oder Polen. Weil sie aber „ab Hof“ verkauft werden, glauben alle, die Nordmanntannen sind tatsächlich vom Hof oder von gleich dahinter und die Manager aus der ersten oder zweiten oder dritten Ebene schieben den „Ab-Hof-Baum“ mit seligen Gesichtern in den Kofferraum des SUV, wickeln ihn ganz sachte in die Decke ein, damit er es wohlig warm hat, passen auf, dass kein Harz auf das Autokunstleder tropft, und dann fahren sie heim und stellen sich die heimische Ukraine-Bombe im Wohnzimmer auf und leuchten mit ihr um die Wette.

Ich schwindle also nicht, also nicht mehr als andere, wenn ich heuer eine coronafreie Tanne verkaufe, denn Covid-19 haben meine Bäume garantiert nicht. Das kann ich mit Brief und Siegel bestätigen.

Ich wünsche ein wunderbares Wochenende. Gehen Sie wählen, wenn sie das noch nicht getan haben. Und dann schauen wir einmal, was der Sonntag für uns so alles in der Schublade hat.

*Zur Präzisierung: In einer früheren Version war von einem Spritpreis von 4 Euro die Rede. Die korrekte Frage im "Heute"-Fragebogen lautete: "Um die Klimaziele zu erreichen, müssten die Spritpreise auf 4 Euro ansteigen. Sind Sie für eine empfindliche Erhöhung?" Die Antwort der Grünen lautete "Ja". Das war missverständlich verkürzt.

Alle Fotos: "Heute", Sabine Hertel

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