Romeo und Julia
Das Burgenland entdeckte seine Liebe zum Roten neu, der Präsident eine Figur von Donald Duck. Es war ein Sonntag der Erkenntnisse.

Manchmal ist nicht wichtig, was jemand von sich gibt, sondern wer es von sich gibt. „Wir haben, bevor das alles begonnen hat, gesagt, wir probieren’s, und wenn es nicht passt, dann wird das wieder beendet. Und so war es dann auch.“ Nein, nein, dieser Satz stammt nicht aus dem Redeentwurf von Werner Kogler für die Regierungsklausur ab Mitte diese Woche, sondern so servierte Dominic Thiem am Wochenende Thomas Muster ab. Der Vorgang war von ähnlich viel Empathie und Wertschätzung getragen wie weiland die Verabschiedung von Reinhold Mitterlehner durch Sebastian Kurz. Vielleicht schreibt Muster jetzt auch ein Buch. „Haltung“ wäre als Titel ein Ass.
Was tatsächlich grob untergegangen ist: Um den 7. Jänner herum hatte Österreich Historisches erlebt, ohne dass es viele mitbekamen. Es wurden gleich zwei Koalitionen an- und ausgelobt, jene von Kurz mit Kogler und jene von Thiem mit Muster. Eine davon hielt nur 17 Tage, bei der anderen ist die Dauer noch reichlich unklar. Aber ohne jetzt Werner Kogler vorgreifen zu wollen, was er sagen könnte, wenn Kurz bei ihm den Mitterlehner, oder den Kern, oder den Strache macht. „Es gibt halt Häuser mit schönen Fassaden, ganz wunderbaren Fassaden, aber man weiß halt sehr selten, wer drinnen wohnt“. So reagierte Muster auf den Rauswurf und ich glaube, er hat den Satz irgendwo in einem Buch von Hermann Hesse gefunden, eventuell eines, in das er früher als Bub Frühlingsblumen gepresst hat, vielleicht wollte aber auch nur andere Saiten aufziehen.
Kogler macht Tanz

Natürlich wird Werner Kogler am Mittwoch nicht das Ende der Koalition verkünden, auch nicht in einem zweistündigen Kurzstatement, warum auch? Ich habe eher den Eindruck, die Grünen fühlen sich in der Regierung pudelwohl, wieso genau ist Außenstehenden, aber auch manchen Innenstehenden nicht ganz klar. Es ist ja doch, um es mit Thomas Siddhartha Muster zu sagen, auch unter Türkis-Grün vieles nur „wunderbare Fassade“ und bei den meisten Ministerien weiß man nicht „wer drinnen wohnt“, außer natürlich im Kanzleramt, aber das hilft auch nicht wirklich weiter.
Seine „wunderbare Fassade“ gestaltet Werner Kogler derzeit häufig neu, er wird aber dabei geradezu vom Pech verfolgt, oder das Pech von ihm, so genau weiß man auch das nie. Zur Angelobung trug er einen schicken Anzug, alle anderen Männer aber Krawatte. Dann band er sich am Samstag zur Grazer Opernredoute extra eine Krawatte um und dann herrschte Smoking- oder Frackpflicht. Wahrscheinlich kommt er zur Regierungsklausur in Hawaiihemd und Bermudas, Krems soll einen sehr schönen Strand haben, da kann man schon was missverstehen.
Auch wenn es ihm zuweilen vielleicht länger vorkommt, Kogler ist erst 21 Tage im Amt, Alexander Van der Bellen schon drei Jahre. Zur Halbzeit seiner Dienstzeit postete der Bundespräsident, der immer Krawatte trägt, auch wenn er zum Handball (oder eventuell nach Krems) fährt, auf Twitter ein feinsinniges, rund drei Minuten langes Video, mit so etwas hat man in Österreich gute Erfahrungen gemacht. Der Clip nahm jedenfalls „maschek“ die Butter vom Brot. Denn was redet man drüber, wenn schon das Original den ersten Mann im Staat zeigt, der seinen Hund tätschelt und zu ihm sagt: „Lang nicht gesehen, ungefähr zwei Minuten?"
Ziemlich viel Glumpert

Der (links) schaut aber bös

Van der Bellen führt die Zuseher in dem Film hinter die Tapetentür der Hofburg, hinein in sein Büro und Österreichs gesammelte Schülerschaft darf aufjubeln. Wenn Mama oder Papa wieder einmal bei der Tür hereinschaut und darüber lästert, dass man nicht genau weiß, wo das Zimmer aufhört und der Müll anfängt, dann kann das präsidiale Video gut helfen. Um es klar zu sagen: VdB hat einen ziemlichen Sauhaufen am Schreibtisch. Unterm Hofer hätte es das sicher nicht gegeben.
Aber es ist auch schön dort. Am Tisch, unter dem Habsburgerbild, saßen schon Präsident Putin und Prinz Charles, erzählt der Präsident, verrät nur leider nicht, was dabei gesprochen wurde. Unsere Hoffnungen liegen also auf dem Hund, aber der ist eine ziemliche Enttäuschung: „Die Juli hört meistens alles mit und ist sehr diskret“, sagt Van der Bellen. „maschek“ kippt die nächste Pointe weg. Vielleicht könnte die „diskrete“ Hündin dem Herrl einmal verraten, etwa bei einer Pinkelpause im Hof – also von ihr, nicht von ihm – wie man einen Schreibtisch ordentlich hält. Der Präsident ist sich seiner Sünde ohnehin bewusst. „Völlig überladen, derzeit nicht aufgeräumt“, beschreibt er seinen Arbeitsplatz. Seinem Beraterteam ist beim Wort „derzeit“ vermutlich das Mohnkipferl aus der Hand gefallen.
Im Rahmen einer Inventur auf dem kurzen Dienstweg, findet der Van der Bellen aber dann doch allerlei. „Das sind Papiere, die ich unmittelbar brauche“, gibt er einem Stapel neuen Sinn im Leben, fast schon triumphal fügt er an: „Das ist für die kommenden Reisen, das weiß ich“. Schließlich holt er von der Seite, durch all die herumliegenden Zettel, Aktenordner, Mappen und Bücher hindurch, eine etwa 15 Zentimeter große Figur von Donald Duck aus der Ablage, der rechtschaffen böse dreinschaut. „Also wenn`s wirklich hart auf hart geht, wehrt er sich schon, unser Donald“. Wer damit gemeint ist, will der Präsident nicht verraten. Und der „diskrete“ Hund hält natürlich auch wieder die Schnauze.
Wer hat das gewonnen?

Ah, ja, der Doskozil

Aber es gab auch viel Liebe an diesem Sonntag. Der pannonische Buddha Hans Peter Doskozil hatte seine erste Wahl zu schlagen und das machte er ordentlich, um es mit dem typischen, burgenländischen Gleichmut zu sagen. Vermutlich damit die Bundes-SPÖ einmal hinter eine „wunderbare Fassade“ schauen kann, in der Erfolg „drinnen wohnt“, hatte Doskozil höflicherweise auch Parteichefin Pamela Rendi-Wagner nach Eisenstadt gebeten. Okay, auch Georg Dornauer, verhaltensorigineller Parteichef aus Tirol, kam. Ihm war bekanntermaßen der Waffenschein abgenommen worden, weil er seine Jagdgewehre am Flughafen Innsbruck im Porsche zur freien Entnahme angeboten hatte. Unklar, womit er sich nun den Weg auf der Westautobahn freigeschossen hat, da in Niederösterreich ja auch so eine Art Wahl (oder war das eine Volksabstimmung?) stattgefunden hat, ging die Klärung der Frage unter.
Um es kurz zu machen: Doskozil holte die absolute Mehrheit, jede(r) Zweite, der oder die gestern wählen ging, entschied sich für Buddha. Als dann am Abend die Wahlsendung im ORF begann, wussten die meisten allerdings nicht mehr, ob sie sich nicht vielleicht vertan hatten. In der ersten Reihe stand nämlich nicht der Landeshauptmann, sondern Rendi-Wagner im quietschgelben Sakko auch vom Plattensee aus leicht ausnehmbar. Erst hinter dieser "wunderbaren Fassade" konnte man den eigentlichen Wahlsieger erkennen, aber der hielt es auch da mit Buddha: „Verweile nicht in der Vergangenheit, träume nicht von der Zukunft. Konzentriere dich auf den gegenwärtigen Moment“.
Als dann klar war, dass die SPÖ im Burgenland wieder absolutistisch regieren kann, zeigte sich Doskozil gerührt ruhig, seine Lebensgefährtin Julia nebem ihm in der zweiten Reihe, um das Paar ging es ja an diesem Tag bekanntlich nur am Rande, schwankte ob sie weinen oder lachen sollte, irgendwas mit Tränen musste es jedenfalls sein. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig zeigte den Schumi-Daumen und rang sich ein Lächeln ab, was für ihn keine geringe Leistung ist, Rendi-Wagner aber war außer sich. Sie riss die Hände in die Höhe, jubelte, versuchte zu umarmen, was im Weg stand, fand aber Doskozil nicht gleich, denn der stand ja hinter ihr und wer rechnet denn mit so was?
Als sie ihn schließlich fand und herzte, ließ das Doskozil weitgehend ungerührt über sich ergehen. Man muss dazusagen, dass sich die beiden tatsächlich nicht so schlecht verstehen wie es Feinde der SPÖ, also die eigenen Parteifunktionäre, immer nach außen, vor allem aber nach innen tragen. Als vor wenigen Wochen einige in der Partei nach dem Kaiser riefen, hielt er nicht den Schnabel. Ich mag ja Witze mit Namen eigentlich nicht, aber manchmal muss man eben über seinen Schatten springen.
Einkehr vor der Einkehr

Buddha Doskozil war gestern schneller als sein Schatten. Als viele glaubten, er würde in einer losen Kneipe in Eisenstadt den Zapfenstreich gehörig überziehen, tauchte er überraschend im ZiB2-Studio in Wien auf, um fast schon ohne Stimme, aber hörbar genug, zu verkünden, dass er mit der absoluten Mehrheit im Rücken nun absolut allein regieren möchte. Das kann ihm keiner ankreiden, nicht einmal die SPÖ, die im Bund nun vor einem Dilemma steht: War das im Burgenland jetzt eine regionale Spezialität, oder ist das eventuell besser als das, was wir sonst landesweit anbieten? Obacht, die Analyse könnte weh tun.
Haben Sie einen wunderbaren Montag!
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