Wir sind Virus
Der Tag, an dem ich Harald Mahrer war. Andere Herr Golf und Herr Pilzmaier.

Österreich braucht nicht zwingend einen Virus, wir können uns auch anders lahmlegen. Vor gut einem Jahr sperrten in Wien mehrere „Wuträume“ auf. Nein, das sind keine Büros, in denen Herbert Kickl seine Reden schreibt, sondern in der Regel Lagerhallen, in denen man sich abreagieren kann, aus Spaß. Da stehen dann alte Computer herum, oder Teller oder Möbel und mit einem Vorschlaghammer oder einem Baseballschläger kann man alles kurz und klein hauen. Damit sich niemand verletzt, liegen Helm, Protektoren für Arme, Beine und Oberkörper parat, dazu Ohrenschützer. Irgendwann in naher Zukunft werden wir uns nur mehr mit einem Schild und in Ritterrüstung aufs Klo wagen, da bin ich mir sicher.
Einer dieser „Wuträume“ in Wien-Floridsdorf musste jetzt zusperren, berichtete der „Kurier“. Nicht wegen Corona, sondern wegen der MA 22, der Umweltschutzabteilung der Stadt. Sie befand, dass eine spezielle Bewilligung für „Wuträume“ nötig wäre. Für das Zerschlagen wird, oder besser wurde, nämlich alter Hausrat gesammelt und meist unsanft behandelt und das fällt unter das österreichische Abfallwirtschaftsgesetz, jedenfalls erfordert es eine Genehmigung des Landeshauptmannes. „Wutraum, powered by Ludwig“, das hat was. Der Abfall darf sowieso nicht überall „behandelt“ werden, egal ob „by Ludwig“ oder ohne, sondern nur in behördlich bewilligten Anlagen und von Fachpersonal. Die Herrschaften, die für 39 Euro einmal so richtig die Sau rauslassen wollten, gehörten eindeutig nicht in diese Kategorie.
Die Betreiber machten also den „Wutraum“ zu, was sie ärgerte, aber nicht zornig machte, denn sie waren in guter Gesellschaft. Das Volkstheater nämlich führte im Vorjahr das Stück „Die Merowinger“ auf und bewarb es, indem es im Hof des MQ einen mobilen „Wutraum“ aufstellte. So schnell konnten die „Merowinger“ gar nicht schauen und schon hatten sie eine Verwaltungsstrafe im Postkasten. Wer wütend sein darf in diesem Land, entscheidet immer noch eine Amtsperson, Ausmaß und Ausgestaltung des Zornes ist in jedem Fall genehmigungspflichtig.
Wutbürgerin

Das Regierungsprogramm ist noch nicht einmal zwei Monate alt, aber schon von gestern. Auf über 60 Seiten ist von Klimaschutz und Umweltschutz und Naturschutz die Rede, aber keine Silbe findet sich darin über das Virus. Wo ist das Klima jetzt bitte, wo wir Corona sind, was macht es so beruflich? Es gab zwar keinen Winter, in Wien weder im Dezember noch im Jänner nennenswert Schnee, dafür Temperaturen wie im Mai. Die ersten Bäume schlagen aus, Forsythien blühen, Krokusse kämpfen sich an die Oberfläche, der Schani trägt den Garten hinaus, dabei haben wir erst Februar. Wenn das depperte Virus nicht wäre, würden wir uns über die Klimakrise Sorgen machen, jetzt macht uns das Virus Angst, wir haben so eine Art Panik-Grundrauschen in diesem Land.
Deshalb trifft sich die Regierung nun häufig zu Krisensitzungen, gestern in unterschiedlichen Konstellationen gleich mehrmals. Was auffiel: Man dreht sich weiter um. Am 8. Jänner absolvierte die neue Koalition ihren ersten Ministerrat. Der Kanzler, der Vizekanzler, die Minister und die Staatssekretäre, alle saßen sie um den riesigen Tisch mit dem grünen Filz drauf und bekundeten, „sofort mit der Arbeit starten“ zu wollen. Das Problem solcher Großveranstaltungen ist, dass Hunderte Fotos geschossen werden, in den Zeitungen am nächsten Tag aber sind alle Beteiligten nur stecknadelkopfgroß zu sehen, weil sich so viele Leute im Raum befunden hatten.
Deshalb überkam Sebastian Kurz vor einiger Zeit eine Idee: „Wir drehen uns um“, sein damaliger Spezl Heinz-Christian Strache machte begeistert mit. Seither gibt es von unzähligen Konferenzen jetzt Bilder, auf denen sich der Kanzler und der Vizekanzler und meinetwegen ein, zwei Minister, die daneben sitzen, ganz spontan umdrehen zu den Fotografen, wenn sich die von hinten anpirschen. Es entstehen also Fotos, auf denen der Kanzler und von mir aus auch der Vizekanzler gut zu sehen sind, der Rest am Tisch ist ohnehin wurscht. Kurz und Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Innenminister Karl Nehammer drehten sich auch gestern spontan zu den Fotografen um, Werner Kogler ist im Moment nicht präsent, vielleicht sitzt er daheim und passt auf das Klima auf, eventuell gibt es für so etwas auch einen Papamonat.
Zum Wohl!

Die Regierung hat jetzt endlich das Heft bei der Bekämpfung des Coronavirus in die Hand genommen, eigentlich der Kanzler persönlich, wer sonst? Er macht ab sofort alles selber in diesem Land, vielleicht fährt er im Juni zur Euro, spielt Tiki-Taka mit Arnautovic und tritt danach bei den Olympischen Spielen in Japan im Bodenturnen für Österreich an. Warum ein Kanzler selber den Krisenchefmanager gibt, erschließt sich mir nicht ganz, eigentlich sollte er ja eine kompetente Person einsetzen, die über allen steht, bei der alle Fäden zusammenlaufen, die das Gesicht der Krisenbekämpfung wird und zu der die Österreicher vertrauen fassen. Darauf wird es nämlich noch ziemlich ankommen. Vielleicht hat Kurz genau so eine Person im Auge gehabt und es war dann er selber.
Vielleicht deshalb saß er gestern Abend in der ZiB 2, sagte artig „Grüß Gott“ zu Lou Lorenz-Dittlbacher und redete dann, als hätte er nicht nur ein Jusstudium fast so gut wie mehr oder weniger abgeschlossen, sondern auch eine Medizin-Ausbildung. Kurz warnte vor „panischen Hamsterkäufen“, vor klassischen Hamsterkäufen riet er dagegen nicht ab. Man sollte nicht „mit Schutzmasken herumlaufen, die einen gar nicht schützen“, sagte er. Reisewarnungen müsse man ernst nehmen. Wer in einer Region war, für die eine Reisewarnung erlassen worden war, sollte „seine sozialen Kontakte“ einschränken. Gegen Ende hin wurde es noch medizinischer. „Ich werde das auch oft gefragt, mit der Grippe, was ist jetzt schlimmer, die Grippe und ist Corona nicht etwas ähnliches wie die Grippe?“, sagte Kurz. „Ich glaube, die wichtigste Antwort ist da nicht entweder oder. Corona gibt es nicht statt der Grippe, sondern es kommt zusätzlich hinzu“. Und schon wieder war es da, das Beste aus beiden Welten, diesmal die dunkle Seite davon.
Die Tafelrunde

Falls Sie sich gestern gewundert haben, warum ich fast zeitgleich in zwei unterschiedlichen Fernsehsendern zu sehen war, ich also einen Abend lang Harald Mahrer war, ohne viel Mineralwasser und Opernballloge halt, so muss ich Ihnen gestehen: Ich verstehe das auch nicht. Also kapieren schon, aber verstehen nicht. Am Nachmittag war ich bei der Aufzeichnung von „Bussi Fussi“. Der PR-Berater Rudi Fussi hat seit gestern einmal in der Woche, jeweils am Donnerstag, eine neue Late-Night-Show, die sich auf Puls 24 gut versteckt hält. Puls 24, sie fragen sich, was das ist? Nun, die Intellektuellen-Ausgabe von oe24-tv, die diesbezügliche Latte liegt da allerdings nicht sehr hoch, mit einer vergleichbaren Zuschauerzahl. Aber wir haben alle einmal klein angefangen, manche hören auch so auf.
„Late Night“, das heißt in Österreich 21.20 Uhr, warum weiß ich nicht, vielleicht geht da am Lagerhaus die Nachtbeleuchtung an, es ist aber nur eine Vermutung. Um 21.20 Uhr trifft man sich in England und in den USA zum Brunchen, in Österreich heißt das Spätabend, soll sein. Fussi hat neun Kilo abgenommen, ein Virus, aber nicht Corona, er ist da nicht ganz up-to-date. Die Gewichtsreduktion brachte es mit sich, dass er nicht mehr gut in seinen Anzug passt oder dieser nicht mehr gut um ihn herum, eigentlich bräuchte er nur mehr die linke Hosenröhre, die rechte könnte er untervermieten. Aber er trug sogar eine Krawatte, die zwar nicht zum Stecktuch passte, das Stecktuch aber dafür zu den Socken, beides Türkis, sicher Zufall.
Die Sendung begann damit, dass sie nicht begann. Am Eingang standen einige Mitarbeiter des Senders mit Wunderkerzen in der Hand, die sie aber zu früh ansteckten, es war wie wenn am Traumschiff die Generalprobe daneben geht. Wenig später kam Fussi wirklich, die Wunderkerzen waren ein zweites Mal angesteckt worden, die Pyro geriet fast so imposant wie die von der grünen Wand im Block West bei Rapid. Zu Beginn haute Fussi ungefähr drei Stunden lang, es könnte aber auch etwas kürzer gewesen sein, eine Unzahl an Wuchteln raus, dann kam sein Studiogast, in diesem Fall war es Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Bussi, Bussi, dann redeten die beiden zehn Minuten, schließlich waren wir dran.
Wir, das waren in diesem Fall Kommunikationsberaterin Karin Strobl, Profil-Aufdecker Michael Nikbakhsh und ich. Es war eigentlich ganz lustig, obwohl ich beim Smalltalk normalerweise etwas schmalpickt bin, ging soweit alles gut. Meinen Blog nannte Fussi „Kopfstücke“ statt „Kopfnüsse“, obwohl wir das vorher lange geprobt hatten. Ich fühlte mich geehrt, denn „Kopfstücke“, so hieß eine herrliche „Kurier“-Kolumne des viel zu früh verstorbenen Herbert Hufnagl, den ich die Ehre hatte zu kennen und mit dem ich im Winter einmal in der Woche Tennis spielte, eh nur Doppel. Ohne jetzt ehrenrührig zu sein, Schreiben konnte er besser, das dafür sehr gut.
Bussi Nussi

Ich war dieser Tag nicht der Einzige, dem etwas Falsches untergeschoben wurde. In der ZiB 2 am Mittwochabend überraschte Armin Wolf sein Publikum mit einem neuen Politik-Analysten, Professor Pilzmaier. „Herr Professor Pilzmaier“, sagte Wolf in Minute 15.13, „Heinz-Christian Strache tritt an, er möchte in die Zweistelligkeit kommen, sagt er, und Bürgermeister werden“. Professor Pilzmaier, der früher Peter Filzmaier hieß, ging nicht weiter darauf ein, dass ihn Wolf zum Schwammerl machte, es waren noch einige Buchstaben unterzubringen und die Zeit knapp.
Tatsächlich war es ihm nicht aufgefallen, sehr wohl aber seiner 17-jährigen Tochter, die daheim vor dem Fernseher saß und ihren Papa unmittelbar nach der Sendung auf den Irrtum aufmerksam machte. „Sie war begeistert“, schrieb Pilzmaier als Filzmaier auf Twitter. Vor allem deshalb, weil ihm Wolf zugestand, er dürfe ihn nun einmal „Herr Golf“ nennen. In der „Zeit im Wild 2“?
Ach ja: Abends war ich dann noch live auf ORF III, um darüber zu diskutieren, ob die Medien angemessen mit dem Coronavirus umgehen und es mit uns. Es war eine gesittete Debatte bei Ingrid Thurnher, fast schon pastoral, „Bussi Fussi“ lief im Anschluss, das war heavy metal dagegen.
Möge Ihr Wochenende auch zum Abbusseln wunderbar sein.
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