Die Teufelsaustreibung
Die FPÖ schickt ihrem Ex-Chef einen Exorzisten vorbei. Besser wird der Fasching nicht mehr.

Vor einem Jahr, da waren der Herbert und der Norbert und der Manfred und der HC noch richtig, richtig gute Freunde. Also so in der Definition von Michael Ludwig halt. Der Wiener Bürgermeister sortierte das politische Feld nach dem Wahlsieg von Hans Peter Doskozil neu. „Ich freue mich sehr für meinen politischen und persönlichen Freund“, bekannte Ludwig in der „Krone“. Endlich sagt das einmal jemand, dass es da feine Unterschiede gibt. Ein „politischer Freund“ ist jemand, den man nicht gut leiden können muss, der einem aber zunutze ist. Umgekehrt ist ein „persönlicher Freund“ jemand, den man gut leiden kann, der aber zu sonst nichts taugt. Beides zusammen ist selten.
Rar ist das vor allem in der FPÖ, aber das wusste man eben genau vor einem Jahr noch nicht. Da war der Strache Heinz-Christian noch Sportminister und in dieser Funktion in Kitzbühel bei der „Rosi“ auf der Sonnbergalm, Philippa war auch dabei, und gemeinsam saßen sie dann am nächsten Tag auf der Ehrentribüne bei der Abfahrt und freuten sich wie die SchneekönigInnen, denn man war viel schneller hingelangt nach Tirol, weil der Hofer Norbert, der blaue Spezi und Verkehrsminister, auf der Westautobahn gleich zweimal Tempo 140 erlaubt hatte.
Gute Zeiten

Schlechte Zeiten

Während Strache Ende Jänner 2019 den Abfahrern zujubelte, postete „Mr. 140 km/h“ Fotos aus dem Flieger mit seiner Tochter, Herbert Kickl schickte Bilder von einer Tiefschneeabfahrt in die Welt hinaus, Manfred Haimbuchner, der FPÖ-Chef von Oberösterreich, vor dessen Machthunger Strache intern oft warnte, freute sich auf Instagram, dass er zum ersten Mal Papa geworden war. Strache nannte Kickl „den besten Innenminister der Zweiten Republik“. Er sollte auch einer der kürzesten werden, also einer der am kürzesten dienenden, aber das sagte Strache, der Schalk, natürlich nicht dazu. Es war eine schöne Zeit damals. Blaue Stunde, den ganzen Tag lang.
Der Unterschied zwischen „persönlichen Freunden“ und „politischen Freunden“ besteht auch darin, dass man die „politischen Freunde“ nicht paarweise verliert, sondern meist im Rudel, und dass man sich darüber nicht freut, die Parship-Werbung führt da etwas in die Irre. Gut zu sehen war das in der Nacht auf Montag, als feststand, dass die FPÖ im Burgenland keine Berge versetzen wird, was auch gar nicht so einfach ist, weil es schlicht keine gibt. Just zu diesem Zeitpunkt war dem Norbert und dem HC und noch ein paar anderen langweilig oder im Fernsehen liefen keine „Weißblauen Geschichten“. Jedenfalls schrieben sich die aktuellen Blauen und die früheren Blauen über Twitter gegenseitig ein paar flotte Nachrichten und ich bin seither noch felsenfester davon überzeugt, dass es im Leben kein härteres Material als ein Männerego gibt. Wer es zerstört, sorgt nicht nur für ein paar Trümmer, er reißt ganze Felsen um.
„Die Burgenland-Wahl zeigt“, schrieb Strache zunächst, „unter Norbert Hofer und Co. nimmt die FPÖ Kurs in Richtung Irrelevanz und verliert, was ich einst hinzugewinnen konnte. Was geht zuerst aus? Die Wähler oder die Ausreden?“
Hahnenkämme

Der angesprochene Hofer Norbert ging auf die Frage nicht weiter ein, sondern konterte mit einem eher unvorteilhaften Foto von Strache aus der Ibiza-Villa. Es ist eines aus jener Sorte Bilder, mit denen für eine bestimmte Art von T-Shirts eben genau nicht Reklame gemacht wird. Strache sieht aus, als wäre er eben noch unter einem VW Golf gelegen, um etwas an den Auspuff anzuflanschen, damit der Wagen fit wird für das GTI-Treffen in Reifnitz. Der Nachteil von enganliegenden Klamotten ist, dass sie eng anliegen und so ist es auch hier. Bei Strache zeichnet sich ein Sportminister-Wohlstandbauch ab, der die Dehnbarkeit des Leiberlstoffes austestet. Der Kragen kann schon nicht mehr als halsfern, sondern eher als schon bauchnabelnahe beschrieben werden. Sein Blick sieht sediert aus, in der Hand trägt er ein Whiskyglas. Hofer hätte vieles zu dem Foto schreiben können, er beließ es bei „besten Dank…“ Endlich honoriert jemand die Leistung, die auf Ibiza vollbracht wurde.
Strache aber bekam das in die falsche Kehle. Er schlug zurück, fand aber in der Hektik kein unvorteilhaftes Foto von Hofer, also musste Text reichen. „Kein Funktionär, kein Mitglied und kein Wähler“ verdient sich das. Völlig richtig, lieber Norbert Hofer“, schrieb er. „Exakt für diese Wähler, Mitglieder, und Funktionäre überlege ich wieder aktiv zu werden und um deren Unterstützung zu kämpfen. Mein Problem ist die Führung, nicht die Basis“. Immerhin, er nannte den lieben Norbert Hofer noch „lieber Norbert Hofer“, es ist noch ein Funke Hoffnung im blauen Ofen.
Gestern Vormittag erreichte Twitter dann auch Tirol. Der dortige FP-Landeschef las das Strache-Posting und bekam einen Blutrausch. „Eine Staatskrise mitverursachen. Auf Parteikosten leben, wie Gott in Frankreich. Sich an anderen Personen abputzen. Reue, Einsicht, Fehlanzeige. Im Gegenteil. Psychiater oder Exorzist, weniger hilft da nicht mehr“. Dass die Tiroler immer so übertreiben müssen.
Bergauf bergab

Man vergesse nicht: Hier tauschen sich keine zwei seit Jahrzehnten verfehdeten Lager aus. Bis Mai 2019 hätte der Hofer Norbert den Strache HC um 4 Uhr früh aufwecken können (wenn der da schon geschlafen hätte), um ihn zu fragen, ob er mitfährt aufs GTI-Treffen, auch Richtung Süden wären ja ein paar 140er-Zonen aufgemacht worden. Jetzt aber tun die beiden so als hätten sie tatsächlich gravierend unterschiedliche, politische Standpunkte. Die ganze Streiterei nur weil sie eine Regierung in die Luft gejagt haben, mein Gott, kann passieren!
Während sich Hofer und Strache beharken, verfügt sich Herbert Kickl heute nach Deutschland, um Exorzismus zu betreiben oder selber den Teufel ausgetrieben zu bekommen, vielleicht geht es auch unentschieden aus. Er besucht im Rahmen eines „interparlamentarischen Austausches“ die rechtsextreme, oder putziger beschrieben, rechtspopulistische AfD in Berlin, gibt gemeinsam mit den Fraktionschefs Alice Weidel und Alexander Gauland eine Pressekonferenz und hält dann am Abend auf Einladung der „Desiderius Stiftung“, die passenderweise der AfD zugerechnet wird, in der „Bibliothek des Konservatismus“ (die heißt wirklich so) eine Rede zum Thema „Europa ohne Grenzen“. Was das Austesten von Grenzen betrifft, ist Kickl ein Profi von internationalem Zuschnitt.
Man darf erwarten, dass Kanzler Sebastian Kurz diesmal seinen Schutzmantel nicht über den ehemals „besten Innenminister der Zweiten Republik“ ausbreiten wird. Noch im Oktober 2018 hatte er die Blauen bei einem Auftritt in Bayern verteidigt. Man könne die AfD und die FPÖ nicht miteinander vergleichen sagte er. „Gewisse Dinge“, die bei der AfD stattfänden, „wären bei uns undenkbar“. Sieben Monate später waren „gewisse Dinge“ nicht nur „denkbar“, sondern sie lagen sogar auf Video vor und das Parlament musste eine Art Exorzismus anregen, damit "gewisse" Teufeleien nicht weiter im Rahmen einer Regierungsbeteiligung abgewickelt werden konnten. Vielleicht ist das mit der Teufelsaustreiberei doch gar nicht so eine schlechte Idee.
Schnitzel? Auch wurscht

Und im Burgenland? Schon wieder im Winterschlaf oder doch noch unter Adrenalin? Wahlsieger Hans Peter Doskozil weiß wenigstens, was sich gehört. In der Parteizentrale ließ er gestern zur Feier des Tages Schnitzelsemmeln auffahren. Der Kanzler wird sich in den Allerwertesten gebissen haben, dass er so früh nach Wiener Neustadt musste, um den dortigen Wahlsieger Klaus Schneeberger gegen Johanna Mikl-Leitner beizustehen. Im italienischen „Corriere della Sera“ hatte Kurz vor kurzem gesagt, dass er für den Klimaschutz „nie auf Schnitzel verzichten“ würde. Für die Verkündigung von Grunsatzprogrammatik darf einem Politiker halt kein Weg zu weit sein.
Und dann fährt der Doskozil hinter seinem Rücken mit Schnitzelsemmeln auf. Diese essage control funktioniert auch nicht mehr überall.
Genießen wenigstens Sie einen wunderbaren Dienstag!
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