„Es ist alles so real“
Ein Dienstantritt und ein Besuch bei Werner Kogler im hässlichsten Ministerbüro im hässlichsten Büroblock hoch über der Stadt.

In der Luft haben wir bald keine Flieger mehr, aber am Boden sind wir bald ziemlich gut beinander, hollodero. Das verdanken wir eventuell auch und vor allem Ferdinand Habsburg, der nun als Grundwehrdiener in die Kaserne Korneuburg einrückte. Wie es der Zufall wollte, war die „Krone“ am selben Tag in der Gegend und dokumentierte den Antritt des Vaterlanddienstes in Wort und Bild. Der Kaiser-Urenkel zeigte sich bewegt und drückte das in der ihm angemessenen Form aus. Ihn überkam „ein patriotisches Gefühl.“
Habsburg, der dem Land bisher als Rennfahrer in der DTM diente, steht beim Heer offenkundig vor einer steilen Karriere. Schon am ersten Tag wurde er befördert, zum Zimmerkommandanten nämlich. Eile ist geboten. Zwar stellte der Kommandant der Dabschkaserne klar, dass es für den inoffiziell Blaublütigen keine Sonderbehandlungen gäbe. Allerdings ist Habsburg nach einem Monat Grundausbildung auch schon wieder Geschichte, womit die Familie ja einigermaßen viel Erfahrung hat. Er wechselt zum Heeressportverband, damit er „Test- und Trainingstermine für sein Aston-Martin-DTM-Team absolvieren kann“, so die „Krone.“
Sollte irgendein Land in der Zeit, in der Habsburg „Test- und Trainingstermine für sein Aston-Martin-DTM-Team“ absolviert, auf die verwegene Idee kommen Österreich anzugreifen, käme uns das also sehr ungelegen, zumal der 22-Jährige wild entschlossen scheint, seiner Heimat im engeren Sinn von Nutzen zu sein. „Es ist ein sehr schönes Gefühl, etwas für unser Land tun zu können“, sagt er. Das erstaunt, zumal seine Bundesheer-Bilanz „nach den ersten paar Stunden“ wenig prunkvoll ausfiel. „Es ist alles so real."
Das grüne Blaublut

„Alles so real“ ist auch vieles im neuen Leben von Werner Kogler, der tief in seiner Seele etwas Selbstdestruktives verborgen halten muss. In seinem neuen Job als Vizekanzler zog er nämlich nicht in ein schickes Innenstadtpalais, sondern in das mutmaßlich hässlichste Büro im mutmaßlich hässlichsten Zweckgebäude von Wien. „Der „Minoritenplatz war mir zu barock“, sagt er, ohne den Minoritenplatz als solchen dafür verantwortlich zu machen. „Wohin du auch gehst, geh mit deinem ganzen Herzen“, wusste schon Konfuzius.
Wer den grünen Konfuzius in seinem neuen, hässlichen Büro im Haus Radetzkystraße 2 besuchen will, tut gut daran, an Proviant zu denken. In den achten Stock zu kommen dauert nämlich, bei Trump war ich schneller drin. Es beginnt damit, dass der Portier den neuen Vizekanzler nicht ausreichend gut kennt. „Ich komme zu Herrn Kogler“, sage ich. Der Sicherheitsmann schaut verdutzt, fragt nach, wer das sein könnte, rollt mit dem Sessel dann zu seinem Computer und startet die Suche. Nach einigen Momenten ruft er durch die Glasscheibe: „Kogler? Werner? Magister?“ Mein „Ja“ könnte ihn erleichtern, ansehen tut man ihm das nicht.
Es dauert ein paar Minuten, dann ist mein Besuch auch schon im PC protokolliert und die Besucherkarte ausgehändigt. Dann geht es durch eine Doppelschleuse, theoretisch, denn nicht alle runden Glasscheiben fahren tatsächlich zur Seite. Gottlob gibt es mehrere Schleusen. Eine Tür geht zu, eine andere auf, wie im echten Leben halt.
"Bring´ uns hier raus!"

Danach befinde ich mich in der Aula des hässlichen Gebäudes und das Abenteuer beginnt erst richtig. Der Portier erklärt den Weg nämlich so: „Links, den Gang entlang, dann nach rechts, wieder nach links, den Einserlift links liegen lassen, aber trotzdem nach links gehen, am Turnsaal vorbei, durch eine Tür durch und schon ist man beim Zehnerlift.“ Mit dem Zehnerlift, den ich tatsächlich irgendwann finde, geht es in den achten Stock. Dort landet man vor einer Tür, sie ähnelt jenen in der Strafanstalt Josefstadt, bei denen durch Schlitze das Essen durchgeschoben wird.
Wer jetzt denkt, das Schlimmste überstanden zu haben, weiß nicht, dass ihm das Schlimmste noch bevorsteht. Vom achten Stock aus hat man zwar einen wunderbaren Blick auf die Stadt, das Riesenrad, den Stephansdom, aber wer kann schon davon leben, den ganzen Tag aus dem Fenster zu schauen? Der Konfuzius von der Radetzkystraße jedenfalls nicht. Kogler taucht auf, er trägt diesmal dunkelblau, die Ärmel selbstredend aufgekrempelt, und bittet mich in sein Büro. Weil kein Nitsch an der Wand hängt, erkenne ich das nicht gleich als solches. Mitten in dem langen Schlurf stehen als Raumtrenner ein paar Grünpflanzen einer Hydrokultur, die mir verzweifelt etwas sagen wollen, was ich nicht gleich verstehe, eventuell „bring´ uns hier raus!“ Der Kleiderständer davor wäre vermutlich sofort mitgegangen. Die Wandvertäfelung aus Holz (?) mit den Spiegeleinlagen halte ich zunächst für einen Einbauschrank, vielleicht ist er auch wirklich einer, alles in allem ist das hier mehr eine Garderobe als ein Arbeitszimmer.
Kogler hurtelt zunächst rastlos auf und ab wie ein Eisbär in Zoohaltung, dann setzt er sich an den Schreibtisch mit den zwei Mistkübeln darunter, dem Computer, einem Wasserglas und ein paar Unterlagen darauf. Bis auf ein grünes Stoffsackerl hat er nichts verändert an dem Büro als er einzog. Es hätte nicht geschadet.
Eine Krawatte trägt Kogler auch diesmal nicht, er habe schon lange keine mehr angehabt, sicher zehn bis fünfzehn Jahre nicht, sagt er. „Warum auch bei der Angelobung nicht?“ „Ich wollte es nicht anders tun als sonst.“
"Wenig prickelnd" war nur das Mineral

Gemeinsam mit Kollegen anderer Medien führe ich danach ein Interview in einem hässlichen Nebenraum des hässlichen Büros. Kogler ist auch das wurscht, er ist kein Mann der Äußerlichkeiten. Auch mit dem Titel Vizekanzler fremdelt er noch. „Die Bezeichnung kommt mir komisch vor“, sagt er und „es gab Phasen während der Sondierung, da dachte ich mir, ich bleibe im Parlament und gehe nicht in die Regierung.“ Kurz aber habe ihn nicht überredet, doch Vizekanzler zu werden, obwohl die beiden schon im Sommer zwei Stunden beisammensaßen. "Wenig prickelnd", nannte Kogler das Gespräch damals. „Das hat sich nur auf das stille Mineralwasser bezogen“, sagt er jetzt und wieder weder rot noch grün dabei. Kurz ist in manchem eine gute Schule.
Wer ein Interview mit Kogler führen will, muss nicht viele Fragen vorbereiten, eine reicht, auch die könnte man eventuell weglassen. Er spricht in Schachtelsätzen, gestikuliert wild, ein Konfuzius der vielen Worte. Über Kurz und die ÖVP verliert Kogler kein böses Wort. Die Grünen wurden bei den Verhandlungen „nicht über den Tisch gezogen“, das Vertrauen in Kurz sei „ausreichend“, bei den Anwürfen gegen Alma Zadic „habe ich von der ÖVP ausreichend Signale zu ihrer Verteidigung vernommen.“
Dann ist Schluss, schließlich hat Kogler gut zu tun in seinem Doppeljob als Vizekanzler und Regierungskoordinator. „Der Strache hat halt nicht soviel gearbeitet“, seufzt er. Wenig später fahre ich mit dem Zehnelift nach unten, gehe durch die Tür durch, am Turnsaal vorbei, nach rechts, lasse den Einserlift links liegen, den Gang entlang und lande in der Aula des hässlichen Gebäudes. „Wir werden das Land, wenn die Regierung drei, vier, fünf Jahre hält, nicht mehr wiedererkennen. Nehmt mich beim Wort“, hatte Kogler zum Abschluss gesagt. Für dieses Gebäude wäre das ein Segen.
Haben Sie einen wunderbaren Tag.
Fotos: Sabine Hertel, picturedesk, iStock