„No words needed“

Harry und Meghan traten ab, Gernot und Werner traten an. Das Beste aus beiden Welten erlebte einen royalen Traumtag.

Ich glaube nicht, dass Sebastian Kurz ein Mann der Kunst ist. Er gehört für mich eher zu jenen Menschen, die den Wert von Gemälden in Quadratmetern bemessen. Wenn man mit so jemandem ein Gespräch zum Beispiel über Anselm Kiefer beginnt (von dem übrigens gestern in einem Lager in China sechs verschollene Werke entdeckt wurden), kann es passieren, dass man schnell merkt: Der wundert sich, dass Bäume jetzt Vornamen haben. Vielleicht tue ich Kurz aber bitter Unrecht, er liebt Kunst im Verborgenen und hat daheim in seinem Zimmer-Kuchl-Kabinett in Meidling eine formidable Sammlung zeitgenössischer Kunst hängen, Bilder von Oma und Opa gelten nicht.

Was ich mit Sicherheit weiß ist, dass Kurz viel für Türkis übrig hat, die Farbe nämlich. Die Welt kann ihm gar nicht Türkis genug sein. In seinem neuen, alten Büro in Kanzleramt hat er nun sogar einen Buttonautomaten stehen, der mit jedem kurzen Hebelzug türkise Anstecker ausspuckt, im Wahlkampf war er schon sehr erfolgreich im Einsatz. Es wird schon nicht so sein, aber die Vorstellung, dass Kurz hinter dem Stehschreibtisch steht und Buttons mit sich selbst darauf ausdruckt, hat etwas royal Erheiterndes.

Das Kreiskyzimmer, in dem der Buttonautomat steht, ist eigentlich eine bessere Schuhschachtel, 70 Quadratmeter groß, düster, nussholzgetäfelt bis zur Decke, wer ohne Depressionen hineingeht, hat gute Chancen, mit welchen herauszukommen. Nach Bruno Kreisky nutzten nur „rote“ Kanzler den Raum, ehe Kurz 2017 als erster „Schwarzer“ einzog. Warum, ist nicht ganz klar, denn nicht einmal Kreisky mochte den Salon, wie Georg Markus einmal ausführte. „Zigarrenkistl“ nannte der „Sonnenkönig“ ihn abschätzig.

Besuch bei „MZM_046_09“

Wie auch immer, jetzt sitzt Kurz drin und weil der neue, alte Kanzler Türkis eben so gerne hat, hängt nun bei ihm im Kreiskyzimmer ein türkises Schüttbild von Hermann Nitsch, ich hatte das gestern angedeutet. Es handelt sich um eine Leihgabe, die drei Mal zwei Meter groß ist und einen eher sperrigen Titel trägt: „MZM_046_09“. Der Meister hatte das Gemälde 2013 dem Belvedere geschenkt, Kunstkenner schätzen den Wert auf 100.000 Euro. Was Nitsch davon hält, dass nun ein Nitsch im Kanzleramt hängt, war gestern nicht zu erfragen. Der Meister male, wurde uns beschieden, da kann er nicht gestört werden. Das kann Wochen so gehen.

Kurz dürfte „MZM_046_09“ schon recht liebgewonnen haben, aber eher auf eine distanzierte Art. Als er mir das Werk zeigte, hüpfte er dabei nicht begeistert auf und ab wie ein junges Reh, sondern er blieb ehrfürchtig in zwei Metern Entfernung stehen. So haben, dachte ich mir, früher Halbstarke den halbstarken Kumpels ihre neue Zündapp vorgestellt.

Kurz sagte auch nicht: „Grandioses Werk, abstrakt, ungegenständlich“. Sondern: „Nitsch ist ein bedeutender, österreichischer Maler, der normal eher für rote Bilder bekannt ist, aber es gibt auch wenige andere, unter anderem dieses türkise. Insofern passt es sehr gut her“. „MZM_046_09“ war mit Sicherheit gerührt.

„Hat jemand Schnapskarten da?“

Einen Tag später hatte Kurz schon wieder eine Art Türkis im Blickfeld, diesmal mit einem starken Stich ins Grüne, passt auch irgendwie. Der erste Ministerrat der noch immer sehr fröhlichen Regierung stand an und man versammelte sich im Kanzleramt um einen riesigen, ovalen Tisch mit – eben Türkisgrünem – Filz, 26 Leute, inklusive Beraterteams, 10 davon Frauen, die Quote kippt. Gut, dass dem neuen, alten Kanzler Quoten nicht wichtig sind, wie er selber sagt.

Kurz und sein ihm zugewachsener Spezi, der Kogler Werner, drehten die Köpfe nach links und nach rechts und nach vorne und nach hinten, damit die Kameraleute und Fotografen zeitlos schöne Foto- und Filmdokumente herstellen konnten, die übrigen Regierungsmitglieder fanden das natürlich weiterhin sehr lustig. Als das Geklicke und Herumgeschiebe vorbei war, hätte August Wöginger die Chance seines Lebens nutzen und den Satz des Tages sagen können: „Hat jemand Schnapskarten da?“ Tat er aber nicht. Ich bin überzeugt, Claudia Tanner hätte welche eingesteckt gehabt.

Muss Kogler zum Gentest?

Die neue, fröhliche Regierung unterhielt sich aber auch so gut, wie das Beste aus beiden Welten, diesmal repräsentiert durch die beiden Regierungskoordinatoren Werner Kogler und Gernot Blümel, anschließend beim Pressefoyer kundtat. „Ausgezeichnet“ sei die Stimmung gewesen. Statt 30 Minuten dauerte die erste Regierungssitzung eineinhalb Stunden, 90 Minuten davon nahm mutmaßlich die Rede von Kogler ins Anspruch, der wohl argumentieren musste, warum er diesmal ein schwarzes Hemd zum dunklen Anzug trug.

Blümel liebt seine neue Rolle, das bemerkten sogar die beiden, Journalisten längst gut vertrauten, Fahnen der EU und von Österreich, die wieder im Hintergrund aufgestellt worden waren. Über deren 12-Stunden-Tag macht sich natürlich keiner Gedanken. Als Finanzminister, Regierungskoordinator, Wien-Wahlkämpfer und werdender Vater ist Blümel ein zweiter Harald Mahrer, vielleicht sind das sogar ein- und dieselbe Person, spekuliere ich jetzt einmal wild, ohne mir einen Aluhut aufsetzen zu wollen.

Blümel (oder Mahrer) jedenfalls setzte beim Pressefoyer zu einem Redeschwall an, der jeden Gemeinplatz mitreißen sollte. Man müsse den „Regierungsmotor gemeinsam am Laufen halten“ und wolle „sofort mit der Arbeit für Österreich starten“. So sehe es die Schöpfung vor, fügte er zwar nicht an, aber Kogler war auch so einigermaßen tief beeindruckt, denn er sagte einen Satz, den er wohl noch nie verwendet hatte: „No words needed“, es bedarf keiner Worte. Die Grünen bestellten umgehend einen Gentest.

Ein royaler Fingerzeig

Es war aber noch nicht genug der royalen Gesten an diesem Tag. Am Abend traten “The Duke and Duchess of Sussex”, geläufiger unter ihren Künstlernamen Harry und Meghan, von ihren Ämtern im Königshaus zurück, man machte es nicht auf Büttenpapier, sondern zeitgemäßer per Instagram-Post kund. Das Paar will „arbeiten, um finanziell unabhängig zu werden“, vor allem aber einen Teil des Jahres in Nordamerika und den anderen Teil in Großbritannien verbringen.
Das Beste aus beiden Welten, da war es wieder.

Einen wunderbaren Tag Ihnen allen.

Fotos: Helmut Graf, Denise Auer, Sabine Hertel, iStock, picturesdesk

"Kopfnüsse" abonnieren

* indicates required

Mit dem Anklicken von "Subscribe" stimme ich zu, dass die angegebenen Daten und meine IP Adresse zum Zweck der Zusendung der ausgewählten Newsletter per E-Mail verwendet werden. Diese Zustimmung kann jederzeit widerrufen werden.

Mehr Informationen unter Datenschutzerklärung: http://php.heute.at/Datenschutz/Datenschutzerkl%C3%A4rung.pdf

We use Mailchimp as our marketing platform. By clicking below to subscribe, you acknowledge that your information will be transferred to Mailchimp for processing. Learn more about Mailchimp's privacy practices here.