Alles Isidisi

Plexiglaserer, Schmusepolizist, Beckenmanager – überall entstehen neue Jobs.

Die wirklich wichtigen Fragen wurden natürlich wieder einmal nicht beantwortet. Etwa: Wann gibt es endlich das Update von Covid-19 auf Covid-20 und ist das dann sofort für alle Plattformen verfügbar? Oder: Gilt Social Distancing auch am Griller, müssen also Koteletts heuer einen Babyelefanten voneinander entfernt auf den Rost gelegt werden? Oder: Wann dürfen wir uns beim Reden endlich wieder ganz normal anspucken wie früher? Auch das ist ja eine Erkenntnis aus den vergangenen Wochen: Wir haben jahrzehntelang offenbar gelebt wie die Saubattln. Wir sind einander gegenübergestanden, haben uns unterhalten und in der Zeit sind die Viren und die Bakterien und allerlei sonstiges Zeug nur so aus unserem Mund herausgeflogen. Eigentlich unvorstellbar, dass wir die Masken jemals wieder abnehmen.

Morgenstund´ hat Regierung im Mund. Die obligate Pressekonferenz fand gestern bereits um 8 Uhr früh statt, oder um es gemäß der neuen Normalität zu sagen, die Koalition wurde um 8 Uhr hochgefahren. Dieses Hochfahren sah diesmal etwas anders aus. Rudolf Anschober stand am Platz von Sebastian Kurz, vielleicht wollte er für die Zeit nach der nächsten Wahl üben. Der Kanzler, der unentschuldigt fernblieb, sollte mögliche Ambitionen dieser Art vielleicht nicht ganz aus den Augen verlieren, aber das muss man wohl seiner Eigenverantwortung überlassen. Im Papamobil von Anschober nahm Margarete Schramböck Aufstellung, die Wirtschaftsministerin musste dann aber mitten in der Pressekonferenz weg, das Parlament rief. Vielleicht wollte sie einfach nur der Herbeischaffung entgehen.

Karl Nehammer gab diesmal den Werner Kogler mit Krawatte, hatte aber eine erheblich größere Anzahl an Satzzeichen ausgefasst und kam so schneller zu einem Ende. Am Platz von Nehammer fand sich Elisabeth Köstinger ein, sie stand also, je nach Sichtweise, ganz links oder ganz rechts außen. Bei den Türkisen kommt man neuerdings ja ein bisschen durcheinander, wo doch der Chef plötzlich ein alter Linker ist und den Sozialkurz gibt. Ich habe absichtlich Sozialkurz und nicht Sozialkurs geschrieben, nur um das klarzustellen.

"Nicht übermütig werden"

Die Morgenpressekonferenz der Zweiergarnitur wurde live auf ORF III übertragen und verdrängte dort „Heimat, fremde Heimat“, keine „Weißblauen Geschichten“, aber auch nicht unoriginell. Bei den Untertiteln passte man diesmal besser auf. Sebastian Anschober oder Rudolf Kurz, je nachdem was man lieber hat, sprach als Erster und das alles in allem 27 Minuten lang, für die anderen drei blieben gesamt nur 33 Minuten. Auch das ist vielleicht ein Vorgeplänkel auf Österreich 2024 (oder 2021, was weiß man schon?). Der Gesundheitsminister hatte wieder ein Taferl mit, das diesmal allerdings Balkendiagramme zeigte und keine Kurven, so geriet auch nichts auf die schiefe Bahn. 

Was auffiel: Der „Reproduktionsfaktor“ hat eine ziemlich steile Karriere hingelegt, finden Sie nicht auch? Zu Beginn der Coronakrise verfolgte man noch die Zahl der Ansteckungen. Jeden Tag schaute man in der Früh, sobald man munter wurde, auf den Onlineseiten oder am Teletext nach, wie viele neue Fälle in der Nacht dazugekommen waren, schon vor dem ersten Kaffee kam das Gruseln. Über 40 Prozent pro Tag betrug die Steigerungsrate im März, dann sank sie ab, erst langsam, dann flotter, schließlich unter die angepeilten 10 Prozent und eines Tages, als das virologische Quartett wieder einmal eine Pressekonferenz gab, da warteten alle auf Sebastian Kurz, damit er sagt: „Cool, einstellig, jetzt sperren wir den Laden wieder auf“. Stattdessen hörten wir: „Replikationsfaktor“, einfach „Replikationsfaktor“, und alles begann von vorne.  

Der „Replikationsfaktor“ hielt sich nicht lang. Vielleicht war er bei der Gage unmäßig oder die Zahlen, die er lieferte, gerieten zu langweilig, jedenfalls wurde er recht zügig vom „Reproduktionsfaktor“ ersetzt. Wenn ich das halbwegs richtig verstanden habe, meint beides ungefähr dasselbe, der Begriff „Reproduktionsfaktor“ hat halt einfach mehr Sex. Ich weiß nicht warum, aber „Reproduktionsfaktor“ erinnert mich an Pantoffeltierchen. Ich habe noch nie eines gesehen, aber ich habe Pantoffeltierchen schon in der Schule gemocht. Pantoffeltierchen haben übrigens tatsächlich Sex, ich erspare ihnen die Erläuterung der Methode, es geht um Mundfelder, diploide Kleinkerne, haploide Tochterkerne und Mitosen. Der Sex der Pantoffeltierchen heißt Konjugation, nur damit Sie das auch wissen.

Heuer eher vielleicht

Heuer eher nicht

Als Sebastian Anschober gestern über den „Reproduktionsfaktor“ sprach, war er stolz. Der „Reproduktionsfaktor“ liegt in Österreich momentan bei 0,59, ein Erkrankter steckt also 0,59 andere Menschen an, was ich mir gar nicht so leicht vorstelle, denn wie infiziert man eine halbe Person? Oder Portion? Aber weil der Gesundheitsminister schon so im Schwärmen war, überreichte er den Österreicherinnen und Österreichern und allen, die im Land leben, virtuell einen „großen Blumenstrauß“, weil wir uns, ohne zu murren, so lange einsperren haben lassen. Eine schöne Geste dreizehn Tage vorm Muttertag. Kurz wird sich in den Hintern gebissen haben, dass er die Idee nicht hatte.

Tatsächlich nahm Anschober dann aber keinen Blumenstrauß in die Hand, sondern eine Broschüre, ich weiß nicht, ob Mamas am Muttertag mit so etwas eine Freude haben. Das sei der Prognosebericht der „Isidisi“ bis 20. Mai, sagte er, die Reporter im Raum signalisierten Wiedererkennung und Wertschätzung, obwohl ich die Vermutung hege, dass keiner wusste, was „Isidisi“ sein soll, ich auch nicht nebenbei bemerkt. Aber ich dachte mir, endlich kommt Bewegung in die Sache, wenn sich der Minister Berichte von AC/DC schreiben lässt. Ich konnte nicht entziffern, was auf der Broschüre stand, die Anschober in die Kamera hielt, vielleicht ja „Highway to hell“ oder „Back in black“, das Cover schien mir aber etwas bieder gestaltet.

„Isidisi“ habe ermittelt, wie sich Corona in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU in den nächsten Wochen entwickeln wird, sagte Anschober und ich dachte mir, es ist doch erstaunlich, was Musiker zustande bringen, wenn man sie einmal in Hausarrest steckt. Für Österreich schaue die Prognose von „Isidisi“ sehr gut aus, fügte der Gesundheitsminister an, wieder war er stolz, wieder gab es keinen Blumenstrauß, nicht einmal für sich selbst, obwohl er das offenbar für angemessen hielt. „Wir haben die richtigen Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt gesetzt“, sagte er und mit „wir“ meinte er sich und seine Kumpels vom virologischen Quartett. Aber immerhin gestand er ein, dass auch wir brav waren, denn die von der Regierung verordneten „richtigen Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt“ habe „die Bevölkerung umgesetzt“. Na bitte!

Inzwischen hatte ich „Isidisi“ gegoogelt, ich hantelte mich also langsam wieder zum Virologen hoch. Tatsächlich meint „Isidisi“ nämlich „ECDC,“ das „European Centre for Disease Prevention und Control“. Das sei die „Umweltkontrollbehörde der EU-Kommission“, sagte Anschober und deren Zahlen würden es erlauben, dass man „grünes Licht für die nächsten Öffnungsschritte“ geben könne. Die Ausgangsbeschränkungen, die er selber erlassen hatte, nannte er „rigoros“, er machte sich deswegen aber keine schweren Vorwürfe, sondern meinte, dass man sie nun auslaufen lassen könne, die Ausgangsbeschränkungen, nicht die Vorwürfe. „Es kommt jetzt auf jeden Einzelnen an, dass wir nicht übermütig werden“. Manchmal vermitteln die Mitglieder der Regierung auf diesen Pressekonferenzen wirklich den Eindruck, sie würden eine Hortgruppe führen. Folgerichtig sagt Anschober auch: „Wir werden Versammlung bis 10 Personen akzeptieren“. Na dann schauen wir einmal, dass wir im Zehnerrudel nicht zu übermütig werden, um halbwegs akzeptabel zu sein.

Pizza con Helm

Das wird gar nicht so einfach, denn die neuen Bestimmungen verwirren fast noch mehr als die alten. Gestern verriet die Regierung, wie die Gastronomie (mit Plexiglashelm, Sitzplatzierungen und Zugangskontrollen) und die Hotellerie aufsperren sollen und wie wir uns ab sofort im Freien bewegen dürfen. Also: Man kann sich mit Freunden jetzt auf der Straße treffen. Sie umarmen oder ihnen gar ein Bussi geben ist allerdings unter Strafe verboten (in den Kerker können wir nicht mehr kommen, denn da sind wir ja schon). Es gilt der Mindestabstand von einem Babyelefanten. Wenn ich die Freunde aber jetzt zusammenpacke und in ein Lokal gehe (in dem ich vorher reserviert haben muss), dann kann ich sie dort umarmen und abbusseln, so viel und sooft ich will (und es die Sittlichkeit nicht gefährdet), denn in Innenräumen gilt die Abstandsregel nicht. Vielleicht haben wir im öffentlichen Raum bald eine Schmusepolizei, die mit dem Gummiknüppel einschreitet, wenn geschnäbelt wird.

Auch in Privaträumen kann ich jetzt tun und lassen, was ich will, ich konnte allerdings schon bisher tun und lassen, was ich wollte, die Regierung hatte das nur anders dargestellt. Die diesbezügliche Diskussion darüber nannte Anschober gestern „bizarr“. Es sei „formalrechtlich richtig, dass es kein Verbot von Besuchen von Verwandten und Bekannten gegeben hat“, sagte er, „aber allein die Bestimmung, dass es nur unter bestimmten Rahmenbedingungen die Ausgangsmöglichkeit gibt, und dazu wurde eben der Besuch bei Verwandten, Bekannten nicht inkludiert, zeigt auf, dass es keine Möglichkeit gegeben hat, formalrechtlich, dorthin zu kommen“. Wenn mich das nächste Mal ein Polizist wegen Schnellfahrens anhält (was ich natürlich nie tue), dann werde ich ihm sagen, dass er formalrechtlich zwar recht hat, dass es aber trotzdem ziemlich geil war.

Was Anschober tatsächlich meinte: Corona-Partys waren nie verboten, aber das Hingelangen, Hingehen, Hinlaufen, Hinspazieren, Hinfahren zu diesen Corona-Partys schon. Jetzt ist es Verliebten ausdrücklich erlaubt, dass sie in seine Wohnung mitkommt und er in ihre. Verboten war das bisher zwar auch nicht, aber nicht gern gesehen, einigen wir uns auf nicht gern gesehen. Die Regierung empfiehlt übrigens Menschen, die sich in fremden Wohnungen aufhalten, weiterhin den Abstand von einem Babyelefanten einzuhalten, was bei Paaren, die sich zwar keinen Babyelefanten, aber zumindest ein Baby wünschen, gar nicht so einfach zu bewerkstelligen sein dürfte.

Diese „Ausgangsbeschränkungen“ seien nun sehr klar formuliert, sagte Anschober gestern bei der Pressekonferenz und schob ein Beispiel nach: „Ich kann den gemeinsamen Yogakurs im Grünen realisieren". Seltsam, was Grüne zuweilen als gröbste Mangelescheinung von Menschen definieren, die sieben Wochen lang eingesperrt waren. Einen herabschauenden Hund für diesen Vorschlag.

Plombastisch

Wien geht es da etwas profaner an, statt Yoga im Grünen gibt es Schwimmen light, das aber immerhin schon ab 29. Mai. Auch hierfür ist ein kleines Upgrade nötig, statt dem klassischen Badewaschl kommt nun zusätzlich ein Beckenmanager zum Einsatz, besser gesagt der Badewaschl wird zum Beckenmanager hochgefahren. Der Beckenmanager soll verhindern, dass sich zu viele Menschen im Becken tummeln. Wie er das machen soll, ist noch offen, Schwimmer neigen ja dazu, sich im Becken zu bewegen, was die Zählung nicht immer einfach macht. Aber ich gehe davon aus, dass es bis Ende Mai noch einen Einsteigerkurs „Beckenmanager I.“ geben wird, an den sich dann eine Ausbildung zum „Becken-Bachelor“ oder gar „Becken-Master“ anschließen lässt.

In den Bädern gibt es keinen Vollbetrieb, die Saunalandschaften bleiben zu, bei den Wasserrutschten und Wellenbädern schaut es eher kritisch aus, dafür wird alles billiger. Nach dem System 1-2-3, also ein Euro für Kinder, zwei Euro für Jugendliche und drei Euro für Erwachsene, werden die Eintrittspreise im Schnitt halbiert. Wir kriegen also einen ganzen Sommer mit dem viertelten Vergnügen zum halben Preis, es gibt schlimmere Deals. 

Ach ja: Falls Sie dieser Tage zum Zahnarzt müssen, wundern Sie sich nicht, dass Sie ein „Ghostbuster“ empfängt. Die Ärzte tragen Schutzschirm, FFP3-Maske, Lupenbrille, Schutzanzug, Schutzhaube, Patienten bekommen eine Schutzbrille aufgesetzt. Wenn Außerirdische bei uns landen, werden sie sofort wieder den Abflug machen, wenn sie feststellen, dass wir nicht wesentlich anders aussehen wie sie. Vielleicht aber waren die Außerirdischen ohnehin schon da. Das Pentagon gab gestern drei Videos frei, die unbekannte Flugobjekte zeigen sollen. Am besten ich halte Sie hier auf dem Laufenden.

Möge Ihr Mittwoch kein Sprung ins kalte Wasser sein, sie nicht baden gehen oder ins Schwimmen kommen, um alle Badetüden gleich einmal in einem Aufwaschen zu erledigen. Heute treten Sebastian Kurz und Werner Kogler um 13 Uhr allein, aber doch gemeinsam, vor die Kamera. Sie wollen ein paar Maßnahmen verraten, die Österreichs Wirtschaft wieder flotter machen sollen. Es wird Überraschungen geben. Mehr dazu eventuell morgen. Wasser marsch!

Alle bisherigen Blogs finden Sie gesammelt unter dieser Adresse

Bisher erschienen:
Die 4 Maskarmoniker
"Na, du Küken"
Ätsch Bätsch
Die Herbeischaffung
Tischlein deck dich
Frittösterreich

Rambo VI.

Corona wegflexen
Aussicht auf Sport
Anno Baumarkti
Erst Messe, dann Baumarkt

Ein Bild von einem Kanzler

Meer oder weniger
Bildschön, oder?
Koste es, was es wolle

Neuer Kurzbefehl

In Frühlingshaft

Situation Room
Im Namen der Maske
Die Maskenbildner

Verkehrte Welt
Klobuli
Bettman

Das virologische Quartett
Das Leben ist ein Hit
Im Bett mit Kurz
Park mas an!
Unser Retter?
Danke!

Neulich in Balkonien
30 Beobachtungen

Das Ende der Party

Im Teufelskreis

"Happy birthday"

Das Virus und wir

Sternderl schauen

Streicheleinheiten

Ganz große Oper

That's Life

Patsch Handi zam

Rabimmel, rabammel, rabum

Wir sind Virus

Na dann Prost!

Küssen verboten

Unterm Glassturz

Achtung, s´Vogerl!

Olles Woiza, heast oida!

Oblenepp und Stadlerix

Der tut nix

Im Krapfenwaldl
Wohin des Weges?

Es fliegt, es fliegt

Lieber Christian

Ein Leben am Limit

Kurzer Prozess

Hexenjagd am Klo
Ein Land im Fieber

Eine Frage der Ehre

Frühstücken mit Kurz

Von der Lust gepackt

Ein Ball, viele Bälle

Blabla und Wulli Wulli

"Warum steigt's nicht ein?
"
"Servas die Buam"

Die Teufelsaustreibung

Romeo und Julia

Strache, "ich war dabei"

Brot und Spiele

It´s my lei lei life!

Der Zug der Zeit

Der Hauch des Todes

... - .-. .- -.-. .... .
Inselbegabungen
 
Big Bang für einen Big Mac

Auf einen Apfelputz beim Minister

Von Brüssel ins Fitness-Studio

"Es ist alles so real
"
"No words needed"
 
"So wahr mir Gott helfe"

Jedem Anfang wohnt ein Zauberer inne

Fotos:
Restaurant: "Heute", Sabine Hertel
Regierung: APA, Georg Hochmuth
Wasserrutsche: "Heute", Helmut Graf
Strand: "Heute", Helmut Graf
Pizzeria: "Heute", Sabine Hertel
Zahnarzt: Carmen Trappenberg

"Kopfnüsse" abonnieren

* indicates required

Mit Anklicken der Checkbox stimme ich zu, dass die angegebenen Daten und meine IP Adresse zum Zweck der Zusendung der ausgewählten Newsletter per E-Mail verwendet werden. Diese Zustimmung kann jederzeit widerrufen werden. Mehr Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

We use Mailchimp as our marketing platform. By clicking below to subscribe, you acknowledge that your information will be transferred to Mailchimp for processing. Learn more about Mailchimp's privacy practices here.