Anno Baumarkti

Eine neue Zeitrechnung hat begonnen. Wo waren Sie, als die Baumärkte aufsperrten?

Ich denke, ich habe das Rätsel gelöst. Ich weiß jetzt, warum gestern alle im Baumarkt waren. Sie glaubten, es gäbe dort Babyelefanten zu kaufen. Die braucht man jetzt nämlich offenbar, um abzumessen wie weit man sich von anderen fernhalten muss und das sagt nicht irgendwer, sondern die Bundesregierung (Sie dürfen ruhig sitzenbleiben). Vielleicht läuft der Werbespot schon länger, ich jedenfalls habe ihn gestern das erste Mal gesehen, irgendwann im Vorabendprogramm von ORF 2. Eine Frau im schwarzen Kleid und in einem beigen Mantel tritt auf, sie ist ganz euphorisch und wirkt ein bisschen wie auf Türkis, als sie folgendes sagt: „Ich halte durch und halte weiter Abstand. Mindestens einen Meter zu anderen, also so viel wie ein Babyelefant“. Fürwahr, das sagt sie!

Ja, ja, ich weiß schon wie Werbung funktioniert. Menschen sollen darüber reden, was gezeigt und was gesagt wird soll im Gedächtnis haften bleiben. Babyelefant merkt man sich natürlich besser als, sagen wir einmal, die Höhe der grünen Fläche einer Schultafel. Oder zehn Rollen Klopapier nebeneinandergelegt. Misst auch beides einen Meter. Elefanten sind auch sympathischer, die lachen irgendwie immer. Man weiß zwar wie bei den Menschen oft nicht, ob Babyelefanten einen anlachen oder auslachen, aber bei beiden nimmt man es meist billigend in Kauf. Mit der Zeit bekommen wir ja doch alle eine dicke Haut.

Trotzdem: Was sagen Sie heute zu jemandem in der U4, der Ihnen zu nahe kommt? „Würden Sie bitte einen Babyelefanten von mir wegrücken?“ Trompeten Sie beim Joggen laut „töröö“, damit alle Platz machen? Steigen Sie in Schönbrunn über den Zaun, messen das Stockmaß von Kibali nach, schneiden sich einen Babyelefanten aus Pappendeckel zurecht und reiten dann auf ihm durch die neue Begegnungszone in der Schopenhauerstraße? Vorsicht, die Rettung kann auch kommen, wenn man kein Covid-19 hat.

Nebenbei bemerkt, die beiden Sätze aus der Reklame verwirren mich ein bisschen: „Ich halte durch und halte weiter Abstand. Mindestens einen Meter zu anderen, also so viel wie ein Babyelefant“. Heißt das jetzt, dass der Babyelefant so klug ist und weiß, dass er von mir einen Meter Abstand halten soll? Das würde den Sachverhalt erleichtern, denn wenn man mit Öffis unterwegs ist und ein Babyelefant steigt ein, dann weiß der Babyelefant sofort, was er zu tun hat, nämlich sich zu verrüsseln. Oder heißt das, der Babyelefant hält „zu anderen“ mindestens einen Meter Abstand und ich soll mich dann ebenfalls einen Meter wegstellen, weil es der Babyelefant auch so macht? Hoffentlich landen demnächst keine Außerirdischen auf der Erde, sie würden keinen guten Eindruck von uns haben.

Kann dauern

Wollt ihr uns pflanzen?

Darf man das überhaupt noch Krise nennen, was wir haben, jetzt wo wieder alle Baumärkte offen haben? Und die Bundesgärten. Und die Waschstraßen. Ein sauberes Auto, Pelargonien am Balkon und ein Bankerl zum Draufsitzen mitten in Wien, es ist uns schon schlechter gegangen. Besser auch, das stimmt, aber schon auch schlechter. Vom ganz großen Glück sind wir vielleicht nur mehr einen Babyelefanten entfernt. 

Das Interessante an dieser Vielleicht-nicht-mehr-Coronakrise ist, dass man ganz neue Wirtschaftskreisläufe kennenlernt, auch im Medienbereich. Gestern früh gelang „Heute“-Fotografin Denise Auer ein pfiffiges Video. Sie ging die Warteschlange ab, die sich vor dem „Hornbach“ in Wien-Stadlau gebildet hatte, sie war ungefähr 200 Meter lang, also die Schlange, nicht die Fotografin. Wir stellten den Clip auf heute.at, jemand klaute ihn runter, der Film landete schließlich auf Twitter. Text dazu: „Irgendwo in Österreich. Ein Baumarkt sperrt auf. Quelle unbekannt“. Ist übrigens oft so bei geklauten Sachen, dass die Quelle unbekannt ist. 

Das geklaute Video mit „Quelle unbekannt“ verbreitete sich höllisch schnell. Alle möglichen Menschen teilten es und schrieben launige Sprüche dazu. Das Filmchen mit „Quelle unbekannt“ tauchte auf Webseiten auf und so geschah es, dass uns, zwei Stunden nachdem wir das Video hochgeladen hatten, das eigene Video von jemandem, der es geklaut haben musste, zum Kauf angeboten wurde. Wir sollten für unser eigenes Video ein finanzielles Angebot legen. Das ist weniger als einen Babyelefanten von einer Frechheit entfernt.

Wenig später kam der Hinweis aus dem eigenen Haus, es gäbe da ein lustiges Video im Internet, das im Moment alle teilen würden und wir sollten vielleicht klären, ob wir das auch verwenden dürften. Ja, dürften wir, denn wir haben es sogar selber gedreht. Diesen Schwank erzähle ich, weil wir irgendwann vielleicht wieder weiter rausdürfen als bis zum nächsten Baumarkt und dann könnte man anhand dieses Beispiels ganz gut beschreiben, wie der Medienmarkt heute so funktioniert.

Sehr brav

Vielleicht empfinde das nur ich so, weil ich eine empfindsame Seele bin, aber seit wir in der Krise sind (wenn es denn noch eine Krise ist), redet die Regierung ein bisschen mit uns wie mit Depperln. Sie macht das vermutlich nicht aus Absicht, wie sie ja vielleicht vieles nicht aus Absicht macht, aber mich erinnert das immer an die Ärzte, die früher zu meiner Omi ans Krankenbett gekommen sind und gefragt haben: „Na, wie geht es uns denn heute?“ Ich wollte dann immer sagen, keine Ahnung wie es ihnen geht, aber meiner Omi eher mittelprächtig, sonst wäre sie nicht im Spital, sondern säße daheim in ihrer Hollywoodschaukel im Garten und würde mit ihren Fußsohlen die Kleeblätter im Gras abrasieren. Aber ich wollte, dass es Omi gut geht, also schwieg ich.

Der Kanzler zum Beispiel hat begonnen, uns jetzt immer mit „wir“ anzureden. Dieses „wir“ ist das „uns“ der Ärzte von früher bei meiner Omi. Also Kurz sagt nicht, „bitte bleiben Sie daheim“, sondern er sagte vor Ostern „wir bleiben daheim und verlassen das Haus nur für Einkäufe, um zur Arbeit zu gehen, jene zu unterstützen, die Hilfe benötigen oder zum Sport.“ Am Ostersonntag schrieb er uns dann einen netten Brief, er wollte sich vermutlich entschuldigen, dass er uns eingesperrt hat. In dem Schreiben stand unter anderem: „Wir wollen nächstes Jahr zu Ostern gemeinsam zurückblicken und sagen können: Gut, dass wir das Corona-Virus besiegt haben“. Bei aller Liebe, ist nichts Persönliches, aber nächste Ostern wäre ich gern allein, ohne Kanzler auf dem Schoß, der mir sagt wohin ich blicken und was ich dabei empfinden soll.

Gestern trat der Kanzler erstmals nach Ostern wieder gemeinsam mit dem Vizekanzler, dem Gesundheitsminister und dem Innenminister öffentlich auf. Man hat sich an die Szenerie schon so gewöhnt, dass sie einem abgehen wird, wenn wir die Coronakrise einmal einen Babyelefanten hinter uns gelassen haben. Die Seitentür geht auf und erst Rudolf Anschober, dann Sebastian Kurz, dann Werner Kogler, schließlich Karl Nehammer kommen herein. Anschober hat immer irgendwelche Taferln mit, die er später so schief und schräg in die Kamera hält, dass die Kurven, die nach oben gehen sollen, nach unten zeigen und umgekehrt. Das virologische Quartett parkte sich auch diesmal hinter der Windschutzscheibe des Papamobils ein. Mittlerweile tragen drei der vier Coronatoren blauen Anzug, weißes Hemd und blaue Krawatte, nur Werner Kogler hatte wieder niemand etwas von der Kleiderordnung gesagt. Er kam im blitzblauen Hemd, vielleicht hat er es zu Ostern geschenkt bekommen. Er kann damit in der Nacht mit dem Auto ohne Licht über den Wechsel fahren, er wird auch so gut gesehen. Die Krawatte hatte wieder einmal frei oder ist gegenwärtig in Quarantäne, eventuell weil sie positiv getestet wurde, man erfuhr es nicht.

Leider ausverkauft, ...

Man erfuhr überhaupt wenig Neues an diesem Vormittag, aber man kann dem Virus jetzt auch nicht vorwerfen, dass er sich nicht jeden Tag etwas Frisches einfallen lässt. Der Kanzler hatte viel Lob für uns übrig, aber er stellte uns auch die Rute ins Fenster, oder besser er zeigte uns, wo der Nothammer hängt, nicht der Nehammer wohlgemerkt, der Nothammer. Weil wir über Ostern tapfer gewesen waren und nicht viel geweint hatten, gebe es nun „einen ersten Schritt der Öffnung“, sagte der Kanzler, aber: „Sollten sich die Zahlen in die falsche Richtung entwickeln, werden wir selbstverständlich die Notbremse ziehen“. Er hätte natürlich auch sagen können, „wenn Ihr euch deppert aufführt, ihr Gfraster, dann sperre ich euch wieder ein“, aber wenn er so sprechen würde, dann wäre er nicht der Kanzler der Herzen geworden und das ist er ja jetzt, Umfragen lügen nicht und wenn doch erfährt es keiner.

Das Problem ist, dass Medien beginnen, diese neue Art der Konversation zu übernehmen. Über Ostern wurden 2.246 Anzeigen und 380 Organstrafverfügungen ausgestellt, weil „wir“ uns nicht oder nur unzureichend an die Befehle der Regierung gehalten hatten. „Sehr brav“, nannte eine Zeitung daraufhin im Titel die Österreicher. Ich warte darauf, dass sich Karl Nehammer, wenn diese Krise einmal vorbei ist, auf die Kärntner Straße stellt und uns lobend über den Kopf streicht, weil wir alle brav mitgemacht haben als es ernst wurde. Rudolf Anschober könnte uns die Wangen tätscheln und vielleicht schenkt er uns auch eines der Taferln mit den bunten Kurven drauf, als Autogrammkarte wäre das gut zum Tauschen. Sie merken es eventuell, ich beginne mich in diese „neue Normalität“ zu verlieben.

Wenn man ein Kanzler der Herzen ist, dann muss man es auch einmal salopper angehen, das Volk versteht das und liebt einen auch so. Sehr unverblümt sagte Kurz gestern, dass einige der „eilig beschlossenen Covid-19-Gesetze möglicherweise nicht verfassungskonform“ seien. Die Regierung werde sie trotzdem nicht ändern. „Ob alles auf Punkt und Beistrich in Ordnung ist, wird am Ende des Tages der Verfassungsgerichtshof entscheiden“. Eigentlich ist das aber wurscht. Zu diesem Zeitpunkt würden die Maßnahmen ohnehin nicht mehr in Kraft sein, sagte der Kanzler. Sollte Kurz noch an der Fernuni Linz für Jus inskribiert sein, wird er das nächste Mal, wenn er dort anruft, eventuell nur mehr „tütütüt“ hören.

In der ZiB 2 widersprach Anschober dann dem Kanzler. Er habe schon am Dienstag „eine Expertengruppe“ ins Ministerium gebeten, die über „allfällige Unschärfen in Gesetzen, Verordnungen und Erlässen beraten solle. Sollte etwas nicht rechtskonform sein, werde es „selbstverständlich“ bereinigt. In der „Expertengruppe“ befänden sich laut Anschober auch „Chefjuristen aus den Ministerien“. Ich verstehe ja die Eile, aber warum gibt man den „Chefjuristen aus den Ministerien“ Gesetzestexte nicht vorher zum Lesen? Oder umgekehrt gefragt: Was machen die sonst so?

... aber sie hat
noch Klopapier

So jetzt habe ich so viel geschwafelt, dass ich fast auf die Baumärkte vergessen hätte. Ich mache es kurz: Es kam wie erwartet. In Wien-Stadlau war der zweite Kunde in der Reihe übrigens 83 Jahre alt, das mit Risikogruppe und Corona müssen wir noch ein bisschen üben. Er kaufte Holz für ein Hochbeet, andere kamen, um eine Zypresse zu hamstern, man weiß ja nicht, ob Zypressen nicht doch einmal knapp werden. Auch seltene Erden für Blumen waren natürlich gefragt, ebenso Werkzeug, Gartengerätschaften und natürlich Rindenmulch. Vielleicht wird es einmal Aufkleber geben wie beim GTI-Treffen, „ich war dabei, als die Baumärkte öffneten“, wir werden uns fragen, wo wir waren als Hornbach und Bauhaus aufsperrten, vielleicht wird es statt Anno Domini bald die Zeitrechnung Anno Baumarkti geben, wer weiß.

Wie immer es auch kommen wird, Susanne Raab wird gerüstet sein. Im Interview in Zahlen mit dem Magazin „Biber“ bekannte die Frauen- und Integrationsministerin, zehn Rollen Klopapier daheim zu haben, ob das jetzt viel oder wenig ist, müssen Sie selbst entscheiden. Vielleicht hilft ein Blick in die Schneekugel. Ach, blöd, die sind ja ausverkauft, zumindest die Versionen mit Klopapier drin. Die Wiener Schneekugelmanufaktur hatte sich einen Spaß gemacht und bot eine Version an, in der sich nicht das Riesenrad oder ein Lipizzaner befand, sondern eine Rolle Klopapier. Allein gestern trudelten 1.400 Bestellungen ein, sogar aus den USA, der Webshop musste schließen, „um mit der Produktion hinterher zu kommen“, wie es auf der Webseite heißt. „Auch uns ist das Klopapier ausgegangen“.

Zwischen Corona und Klopapier passt wirklich kein Babyelefant. Möge Ihr Mittwoch in allen Lagen wunderbar sein und nicht aus der Rolle fallen, das wische ich Ihnen. 

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Dame mit Pflanze: "Heute"; Denise Auer
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Susanne Raab: Andreas Wenzel, BKA

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