Auf nach Österreich!

Urlaub daheim: Alpentraum oder Albtraum? Eine Alternative oder nur etwas für alte Naive? Wir werden säen.

Urlaub 2020 – es wird einfach geil. Muss auch einmal gesagt werden. Ich glaube ja, dass sich Alexander Van der Bellen versprochen hat. Der Bundespräsident wollte nicht sagen „so sind wir nicht“, sondern „wo sind wir nicht?“ Die Antwort kann ihm gegeben werden: Überall, außer dort, wo wir hinwollen. Aber, wie gesagt, geil wird es trotzdem.

Maskenpflicht – lästig, aber geil. Mit Einweghandschuhen zum Frühstücksbuffet und das nach Stundenplan – ungewohnt, aber geil. Jeden Tag Blutabnahme, ob man Corona hat, gehabt hat oder noch bekommen wird – schmerzhaft, aber geil. Pop-up-Länder, in die man kurzfristig doch reisen kann – unplanbar, aber geil. Urlaubsorte, aus denen man wieder heimreisen darf, heimgeschickt wird, krank oder gesund, oder in denen man zumindest 14 Tage eingesperrt wird – unkalkulierbar, aber geil. Grenzübertritte mit Pass, Corona-App, Gesundheitszeugnis, im Stau unseres Lebens – zeitintensiv, aber geil. Zwei Meter Pflichtabstand am Strand, Servicepersonal in Marsmännchen-Uniform, Desinfektionsmittel am Eisstanitzel, Nervenzusammenbrüche bei jedem Huster, die Reiseapotheke platzraubender als der Gewandkoffer – mühsam, aber geil.

Elisabeth Köstinger war dieser Tage offenbar bei Ikea. Nein, sie redet ihr Publikum jetzt nicht mit Hej an und nennt uns nicht Billy, Malm oder Brunkrissla, aber Spuren dürfte der Besuch doch hinterlassen haben. „Auf dich wartet ein guter Sommer“, schrieb sie gestern auf Twitter und das wird viele gleich doppelt verwirrt haben. Einerseits wussten sie gar nicht, dass sie mit der Heuer-bleiben-wir-aber-schön-daheim-gell-Ministerin per du sind, andererseits ist für viele derzeit unklar, ob dieser Sommer gut wird oder wenigstens annehmbar, vom Herbst einmal gar nicht zu reden, denn sie haben keinen Job, bald vielleicht keinen Job, wissen nicht, ob sie bald einen oder keinen Job haben oder sie sind in Kurzarbeit, was nicht ausschließt, dass sie bald einen oder keinen Job mehr haben, aber auch das ist nicht wirklich klar. Urlaubsplanung 2020 ist für sie also mehr mäh, aber ich will jetzt kein Spielverderber sein, wirklich nicht. Tourismus ist wichtig.

„Auf dich wartet ein guter Sommer“, erfuhr ich gestern zu Mittag, ist der neue Werbespruch, der Lust auf Urlaub in Österreich machen soll. Das Plakatbild mit einem Mann, der mit seinem Sohn im Wasser plantscht, ist hübsch, der Spruch zieht wohl, aber wir waren in der Vergangenheit schon einmal euphorischer, was die warmen Empfehlungen für die heiße Jahreszeit betrifft. „Der Sommer deines Lebens“, hieß es da und ebenjener Sommer wurde „super“ genannt oder „traumhaft“ oder „genial“, aber das ist vermutlich heuer alles unangemessen.

Gemeinsam mit Kanzler Sebastian Kurz und Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer gab Köstinger gestern eine Pressekonferenz. Die ÖVP und die Grünen sind immer noch gemeinsam in einer Regierung, also zumindest Stand gestern Abend, aber in der Öffentlichkeit werden sie jetzt immer öfter lieber unter sich sein, die Anfänge davon sahen wir schon. Vizekanzler Werner Kogler stellte die neue Staatssekretärin Andrea Mayer am Dienstag allein der Öffentlichkeit vor, was man als Signal interpretieren konnte, dass Österreich in diesem Jahrhundert kein eigenes Kulturministerium mehr bekommen wird, vielleicht klappt es ab 2100. Gestern riet eine Abordnung des türkisen Teiles der Koalition dringend zum Sommerurlaub im eigenen Land, ein Tourismusministerium haben wir nämlich schon, die Ferienkultur liegt uns eben sehr am Herzen.

Kurz wirkte gestern unter seinesgleichen gelöster als die letzten Wochen, er dankte Köstinger und Mahrer gleich zwei Mal für ihre Anwesenheit und ihre Mitarbeit am Projekt Rudelbildung, das darauf ausgelegt ist, die Österreicher im Sommer im eigenen Land zusammenzutreiben. Der guten Ordnung halber sei erwähnt, dass sich Kurz auch beim Gesundheitsminister bedankte, zusätzlich erinnerte er an dessen Abwesenheit. Rudolf Anschober verbrachte den Feiertag wohl in seiner Heimat, wo er aber auch nicht mehr überall wohlgelitten ist. Ein Linzer Wirt verwehrte ihm unlängst den Eintritt, als Anschober einen Tisch haben wollte, schickte er ihn weg. Der ungastliche Gastgeber verhängte sogar über die gesamte Bundesregierung ein Hausverbot, weil er ihre Corona-Maßnahmen für überzogen hält. Riskant in Zeiten, in denen ganze Lokale halb leer stehen.

Maximum an Freude

Der Kanzler wusste nicht, dass er bei einem etwaigen Besuch in Linz nicht mehr überall einkehren darf. „Es ist ein guter Pressetermin“, sagte er gestern, da hatte der „gute Pressetermin“ eben erst begonnen und wusste noch gar nichts davon, dass er gut werden würde. Aber damit bei den Journalisten nichts aus dem Ruder läuft, gebietet es sich, dass man recht rasch eine publizistische Linie vorgibt, sonst muss man wieder anrufen und sich erklären und das taugt auch nicht jedem, wo jetzt doch so ein guter Sommer wartet.

Der Tourismus werde jetzt hochgefahren, sagte Kurz, viele sind jetzt nicht mehr unten, die jetzt noch hochgefahren werden könnten, ein paar Bühnen und Kinos vielleicht. „Die Gastfreundschaft ist ein Teil unserer Identität“, schob der Kanzler nach und gab dann die Losung für den Sommer aus. Ein „Maximum an Sicherheit, ein Maximum an Freude“ gelte es zu erreichen. Ich finde das kühn. Natürlich, Sicherheit kann man vorschreiben, aber dass wir jetzt auf Knopfdruck alle Freude empfinden müssen, das ist schon sehr DDR.

Linksseitig stand beim Kanzler diesmal ein kleines Büschel Haare ab, ganz wenige und man merkte es nur, wenn er den Kopf zur Seite drehte. Man sah dann nicht gerade einen Wuschelkopf, aber es war das erste Mal, seit der Kanzler in unser Leben trat – und da war er noch gar nicht Kanzler, sondern saß noch auf der Motorhaube des Geilomobils – jedenfalls es war das erste Mal, dass die Frisur nicht perfekt saß und die Haare nicht anlagen wie ein Catsuit am Catkörper. Weil sie keiner hochfuhr, fuhren sich die Haare offenbar selber hoch.

Sein eigenes Konzept, das der Kanzler, seine Heuer-bleiben-wir-aber-schön-daheim-gell-Ministerin und der Hilfsfond I- und Hilfsfond II-Präsident gemeinsam mit dem abwesenden Gesundheitsminister ersonnen hatten, unterzog Kurz dann einer ersten Bewertung und nannte es „herausragend“. Nicht mehr und nicht weniger als „herausragend.“ Wie Trump. „Als Österreicher, aber auch als Gast aus dem Ausland wird man in Österreich so sicher Urlaub machen können wie in kaum einem anderen Land der Welt“, sagte Donald Kurz, Sebastian Trump hätte das „kaum“ auch noch weggelassen. „Wohlverdient“ wird unser Urlaub heuer übrigens auch sein, in unserem „wunderschönen Land“. Wenn Anschober den Kanzler später einmal aus der Regierung kickt, dann kann Kurz in der Sekunde als Tourismuskeiler anfangen und beispielsweise Thermenurlaube um 99 Euro die Woche verklopfen, die Benutzung von Schwimmnudeln inklusive. Die Frisur müsste er halt noch in den Griff kriegen.

Blaues Kleinwalsertal

Tag der Fahne

Gates fehlt

Elisabeth Köstinger hat ihre Frisur im Griff, sehr sogar. Sie kam als Nächste dran und es war der Zeitpunkt gekommen, an dem das Wort „entsprechend“ Teil der neuen Normalität wurde. Wenn ich richtig gezählt habe, dann kam in ihrem sechsminütigen Vortrag „entsprechend“ sechszehn Mal vor, was entsprechend viel ist, vor allem für ein Wort ohne entsprechend vorzuweisendem Nutzwert. Es wurden „entsprechend die Maßnahmen vorgestellt“, um „entsprechend Urlaub zu machen“ und „entsprechend auch im Land unterwegs“ zu sein.“ „Entsprechend öffnen auch die Freizeitbetriebe“, es gebe die Möglichkeit „entsprechend im Betrieb zu testen“, „entsprechend zum Schutz der Gäste und der Mitarbeiter“, um „entsprechend auch das Aufsperren möglich zu machen“. Wir können uns darauf freuen, „entsprechend das Land zu entdecken“. Damit wir das nicht allein tun müssen, sollten auch Gäste aus dem Ausland kommen, es wurde deshalb „entsprechend mit Deutschland eine Einigung“ erzielt.

Gegen das was Köstinger an Werbesprüchen raushaut, ist der Kanzler ein Österreich-Agnostiker. Wir sollen „wohlverdienten Urlaub in unserem wunderschönen Land“ machen, empfiehlt die Heuer-bleiben-wir-aber-schön-daheim-gell-Ministerin. Weil das aber nicht reicht, sollten wir die Ferien am besten bei einem österreichischen Reisebüro buchen. Wenn das einmal mit der Politik vorbei ist, könnte Köstinger mit Kurz eine Frühstückspension aufmachen, irgendwo auf einer Kärntner Alm. Gernot Blümel könnte den Senner geben, Heinz Faßmann müsste man in Wien zurücklassen, der haut sich sonst bei jedem Türbalken den Schädel an.

Ich finde es gut, dass für Österreich geworben wird, aber das allein wird nicht reichen. Man müsste dem Urlaub daheim einfach mehr Flair geben, mehr Pepp, vielleicht ein paar Sachen neu benennen, damit den Leuten nicht auffällt, dass sie doppelt so viel dafür bezahlen, dass sie halb so weit wegkommen. Also man fährt zum Beispiel nicht nach Kärnten, sondern an den Lago di Wörther oder an den Moonlake nach Oberösterreich. Städtetourismus gibt es nach Saltcastle oder Innsbridge. Kein Mensch will ins Gesäuse, aber in die Ennstaler Rocky Mountains vielleicht schon, ebenso nach Bambibühl statt Kitzbühel oder auf Österreichs höchsten Berg, den Greatbell. Selbst wer daheimbleibt, kann sich das schönreden. „Ich mache heuer Urlaub in Planschorle oder Poolorca“. Das macht doch was her, oder?

Dialogbereit

Vielleicht ist das aber ohnehin alles Humbug. Wenn das Virus kein kompletter Trottel ist, dann kapiert es schnell, dass sich viele im Moment um gar nichts mehr scheren. In der Nacht auf Donnerstag machten knapp 50 Menschen am Wiener Donaukanal die Nacht zur Nacht. Sie feierten eng an eng, ohne Masken, sangen, tanzten, aus einem Lautsprecher, den eine Frau in einem Rucksack mit sich trug, wummerte „Schlechtes Vorbild“ von Sido, selten war Musik so sehr Programm. Seltsam: Wenn man in der Kärntner Straße spazieren geht, dann kommt einem alle paar Meter ein Polizeibus entgegen. Der Donaukanal dürfte so entlegen sein, dass er auf keiner Fahrroute der Exekutive liegt.

Seltsam auch: Nach dem missratenen Auftritt von Sebastian  Kurz im Kleinwalsertal war die FPÖ auf den Kanzler losgegangen. Klubobmann Herbert Kickl nannte ihn einen „Lebensgefährder“, sprach von „Heuchelei“ und „Doppelmoral“. Mittwoch lud Dominik Nepp, Wiener Parteichef der Blauen, zur Demo auf den Wiener Heldenplatz, um den „Corona-Wahnsinn“ zu stoppen. In seiner 15 Minuten langen Rede nannte er Schutzmasken „Regierungsburka“, den Kanzler „Totengräber“, der Rechtsstaat werde mit Füßen getreten, worin die FPÖ entsprechend natürlich keinerlei Expertise hat. Es passte, dass sich Johann Gudenus, einer der beiden Hauptdarsteller aus dem Director´s Cut des Ibiza-Videos, unter die Leute mischte.

Den Anwesenden gefiel es wie es war, die Menge skandierte „Kurz muss weg“. 500 Menschen (und 150 Gegendemonstranten) hatten sich eingefunden. Auf dem Boden waren Babyelefanten aufgezeichnet, damit ja alle den Abstand einhalten. Als sich aber Nepp unter die Leute mischte, da wurde er schnell zum Kurz und der Heldenplatz sein Kleinwalsertal, die Babyelefanten waren wohl schon einen heben. Der „Corona-Wahnsinn“ macht eben auch vor der eigenen Tür nicht Halt, selbst wenn der Heldenplatz keine Tür hat.

Möge auch ihr verlängertes Wochenende feuchtfröhlich werden und nicht der Regen daran schuld sein, dass es nicht wunderbar gerät. Sollten Sie in der Natur unterwegs sein, dann denken Sie vielleicht daran, dass die Pandemie nicht unser einziges Problem ist, das wir zu schultern haben. Schnell, spätestens in einem Monat, wird der Klimaschutz wieder ein Thema sein, die Erderwärmung gefährdet auch viele Tierarten. Umweltministerin Leonore Gewessler unternahm Mittwoch einen zarten Versuch, das Thema ins Blickfeld zu rücken. Sie besuchte den Nationalpark Donau-Auen, unterhielt sich dort mit einer Europäischen Sumpfschildkröte und gab 1,5 Millionen Euro Hilfsgelder für die Nationalparks frei. Einen oder mehrere im Sommer zu besuchen, Nationalparks, nicht Schildkröten, wäre übrigens eine entsprechend gute Idee.

Ach ja: Das Titelbild zeigt nicht Wiener, die auf der Südautobahn unterwegs Richtung Lago di Wörther sind, sondern das Dodger Stadium in Los Angeles. Weil die Baseball-Saison unterbrochen ist, wird der Parkplatz dazu benutzt, Leihautos dort abzustellen. Die braucht nämlich momentan keiner und es wartet nicht einmal ein guter Sommer auf sie.

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