Aussicht
auf Sport

Radeln, joggen, Tennisspielen
– alles einfach kompliziert.

Am besten wäre es so: Werner Kogler lädt heute noch einmal zur Pressekonferenz. Er zieht sich diesmal nicht die Schutzmaske über die Augen, sondern nur über Mund und Nase, das soll auch reichen, hört man. Er positioniert sich in seinem Plexiglas-Papamobil so, dass er mit den Händen ausreichend gut nach links und nach rechts wacheln kann, ohne Karl Nehammer dabei zu ohrfeigen. Von mir aus soll er auch wieder ein rosa Hemd anziehen. Dann sagt er ungefähr das: „Liebe Österreicherinnen und Österreicher und alle Menschen, denen nach meinem Vortrag gestern der Schädel gebrummt hat. Mein Kanarienvogel hatte in der Nacht zuvor mein Redemanuskript gefressen, ich musste auf den Entwurf von letzter Woche zurückgreifen und als ich hier vor Ihnen stand, da bin ich draufgekommen, dass ich mir versehentlich das Backrezept für die Osterpinze aufs Rednerpult gelegt hatte. Also, ich sage Ihnen jetzt, wie das wirklich ist beim Joggen und beim Radeln und beim Tennisspielen und beim Kicken und zwar genau, das ist erlaubt, das verboten, Ende Gelände. Sorry, auch Steirer sind nur Menschen“. Eigene halt, aber Menschen.

Das wird nicht passieren, leider muss ich sagen, denn selten hat mich eine Pressekonferenz ratloser zurückgelassen als der Auftritt des Vizekanzlers gestern. Beim Laufen soll man jetzt sechs Meter, pardon sechs Babyelefanten, Abstand voneinander halten, beim Radfahren sollten es gleich zwanzig Babyelefanten sein, in die Berge darf man plötzlich und das ganz ohne Babyelefanten, weil der Firn lockt, aber bitte nicht alle gleichzeitig, oder wie war das jetzt gemeint? Irgendwann im Laufe der Pressekonferenz sagte Kogler, wir sollten „uns das nicht jetzt sozusagen aus den Fingern lutschen“. Was immer er damit auch gemeint haben könnte, es klang halt wie aus den Fingern gelutscht.

Das Dilemma nahm seinen Lauf damit, dass der Sportminister im Fernsehen verräumt wurde. Wenn Sebastian Kurz drei Mal mit den Ohren wackelt, wird er im ORF live durchgeschalten bis hin zum Sportkanal, tritt in allen Sendungen des Tages exklusive „Barbara Karlich Show“ auf – das folgt vermutlich aber noch – und er bekommt eine ZiB Spezial im Hauptabendprogramm, Thema Ohrenwackeln im Wandel der Zeit. Wenn Werner Kogler etwas bekannt gibt, das Millionen Österreicher interessiert, nämlich wie sie in den kommenden Wochen herumkoglern werden oder eben nicht, dann läuft auf ORF 1 Schülerprogramm und in ORF 2 wird der Strudengau „Aufgetischt“. Landschaftlich schön, aber auch zwei Stunden später wäre in der Donau noch genug Wasser gewesen.

Damit mich keiner falsch versteht, ich liebe ORF III, vor allem seit sie dort bessere Sitzmöbel haben. Das Team macht mit wenig Budget viel Gutes, bei manchen Sendern ist es ja genau umgekehrt, aber wenn der Vizekanzler zum Thema Amateursport spricht und den Fans verrät, ob sie ihrem Lieblingsverein in absehbarer Zeit einmal wieder in einem Stadion zujubeln dürfen, dann gehört das in einen der beiden Hauptsender und nicht woanders hin oder in die Telethek und man überträgt von Beginn an und nicht erst mitten in die ersten Sätze hinein, so war das nämlich gestern. 

Sitzt hier der
"Hausverstand?"

Vielleicht hat die Regierung ja eine neue Taktik, sie will uns beschäftigen in unserem Home-Office. Wenn das zweite Frühstück verputzt ist, wir in der „Krone“ sogar die Geburtstagsreime an uns vollkommen fremde Omas und Opas gelesen haben und alle Sudokus gelöst sind, dann bestünde vielleicht die Gefahr, dass uns in unseren 40 Quadratmetern warm vielleicht die Langeweile übermannt oder überfraut und es sind schon größere Rebellionen rein aus Fadesse heraus entstanden, man denke nur an den Sturm auf die Bundesgärten, die österreichische Version der Bastille. Also stellt uns die Regierung jetzt jeden Tag offenbar eine Aufgabe, sie gibt uns etwas zum Spekulieren und Nachdenken mit auf den Weg, auf den wir uns wegen der Ausgangsbeschränkungen nicht machen dürfen, und das war gestern die Stunde des Werner Kogler. Er hat sie gut genutzt finde ich. 

Der Vizekanzler ist ein pfiffiger Kerl, aber er ist nicht der Mann der einfachen Sätze, beileibe nicht, auch wenn es um etwas recht Simples wie Sport geht. Dessen Bedeutung in Zeiten von Corona hätte er mit wenigen Worten umreißen können, also etwa „Bewegung ist wichtig“ oder „nur kein Workout ist ein schlechter Workout“. Kogler aber sagte: „Es ist nützlich darauf hinzuweisen was für eine Bedeutung das Bedürfnis nach Bewegung hat und der Stellenwert der Gesundheit und des Sports an sich gerade in Zeiten wie diesen einerseits durch die Ausgangsbeschränkungen steigt natürlich das Bedürfnis nach Bewegung und zwar vor allem außerhalb der vier Wände“. Bei den Journalisten vor Ort, die sich innerhalb der vier Wände des Kanzleramts, aber außerhalb der eigenen vier Wände befanden, kam der Satz an wie ein Wasserstoß aus dem Rüssel eines Babyelefanten. 

Zum Glück wurde Kogler bald konkreter, es fiel das Wort, das diesen Vormittag bestimmen sollte, es lautete „Hausverstand“. Die Regierung hat offenbar aufgegeben, Sachverhalte in Gesetze oder Verordnungen oder Erlässe zu verpacken, das ist ja doch nur Wegwerfware. Sie setzt jetzt auf Schwarmintelligenz. „Wir gehen vom Hausverstand aus und von der Logik,“ sagte Kogler und betrat dann gefährliches Terrain in diesem Land. Wir werden als Bundesregierung nicht jeden Quadratzentimeter regeln,“ sagte er, „Fachverbände sollen das machen“. An die neun Millionen Funktionäre, vom Kegelklub bis zum SC Pfitschigogerl Unterstinkenbrunn, erhoben sich in der Sekunde von ihren Obmann- und Obmannstellvertreter- und Kassier- und Kassierstellvertretersesseln, holten die Vereinsstatuten aus der Schreibtischschublade und begann mit heißen Ohren an der Zukunft des Breitensportes in Österreich zu arbeiten bzw. sie maßgeblich mitzugestalten. Auftrag ist Auftrag.

"Wie ist das
mit dem Ball?"

Kogler widmete sich unterdessen den Sportstätten, die er in die neue Freiheit entlassen will, namentlich „Leichthletikanlagen, Tennisplätze, Golfplätze, Pferdesportanlagen, Bogenschießen, Schießstätten überhaupt“, auch Segelfliegen soll möglich werden. Da ist wirklich für jeden etwas dabei, für Ross und Reiter quasi. Ich finde es gut, dass die Schießstätten vor den Schulen öffnen, dass man jetzt wieder ein bisschen in der Gegend herumsegeln kann, auch unsere Pidging Wedges hatten zuletzt schon etwas Rost angesetzt, weil wir ja eher Löcher in den Himmel gestarrt haben als es uns gestattet war, Golfbälle in Löcher zu versenken.

Beim Tennis aber wurde es dann heikel. Ich gebe zu, mich an Wochenenden des öfteren der einschlägigen Ballbelästigung hinzugeben, deswegen war dieses Kapitel in Koglers gestrigem Frühwerk für mich von gehobenem Interesse. Der Vizekanzler leitete es so ein: „Wie ist das mit dem Ball?“ Das frage ich mich auch oft, aber anders als Kogler, der eher nur eine Grundahnung vom Spielablauf haben dürfte. Er hatte sich deshalb die Expertise von Alexander Antonitsch geholt, ebenfalls ein pfiffiger Kerl, aber da hat er sich wohl einen Spaß mit dem Minister erlaubt. „Jeder Spieler“, sagte Kogler nämlich bezugnehmend auf Antonitsch, „hat seine eigenen Bälle, der andere greift sie nicht an“.

Nur Einzel, keine Doppel, Sitzbänke weit auseinander, kein Handshake am Beginn, alles okay. Kogler forderte auch ein „anderes Verhalten am Netz“ ein. Soll sein. Aber jeder Spieler soll seine Bälle verwenden, sie markieren und der andere darf sie nicht berühren? Wie soll das gehen? Muss ich dann nach einem Ballwechsel auf die Seite meines Gegners gehen und meinen Ball aufklauben und der Gegner muss beim nächsten Mal auf meine Seite wechseln, um sich seinen Ball dann bei mir zu holen? Ich stelle mir das, nun ja, etwas mühsam vor. Dann lieber Bogenschießen. Oder Segelfliegen.

In die Details will sich Kogler aber sowieso nicht einmengen. „Das ist nicht mehr Aufgabe der Bundesregierung“. Der Rest obliege „Fachverbänden“, die „dann in bester zivilgesellschaftlicher Tradition weitere Aufgaben übernehmen können“. Bälle mit Filzstiften anmalen, zum Beispiel, da wird man einige brauchen. Immer wieder appellierte der Sportminister an den „Hausverstand“. Wenn der so wichtig ist, der „Hausverstand“, dann sollte man ihn in die Verfassung schreiben, deren vom Bundespräsidenten gepriesene „Eleganz und Schönheit“ wird deswegen schon nicht zum Teufel gehen.

Vollbetrieb

„Hausverstand“ werden wir in Hinkunft auch beim Joggen bitter nötig haben und das verdanken wir dem Wirken der Technischen Universität Eindhoven und der Königlichen Universität Leuven, aus deren Studie Kogler schlussfolgerte: „Wir müssen, was Empfehlungen betrifft, ein bisschen nachschärfen“. Ein kleines Lächeln nahm Besitz von seinem Gesicht, vielleicht hatte er imaginiert wie sich diese „Nachschärfung“ auf unsere Laufwege auswirken wird. Ostern ist vorbei und wir beginnen Haken zu schlagen wie die Hasen. "Beim Laufen wäre ein wesentlich größerer Abstand zu halten“, sagte Kogler. „Bei Schnellgehen kommen Studien auf vier bis fünf Meter Abstand. Beim Laufen auf zehn Meter Abstand. Beim Fahrradfahren im Windschatten mit bei 30 km/h würden diese Empfehlungen auf 20 Meter lauten." 

Man sollte auch diagonal versetzt rennen und nicht hintereinander, empfahl der Sportminister, weil der Vordere habe ein anderes Ausatemverhalten, der Hintere ein anderes Einatemverhalten. Hoffentlich wechseln die sich ab, sonst liegen demnächst auf den Joggingstrecken lauter Bewusstlose herum. Jedenfalls empfahl der Vizekanzler "rechzeitig auzuscheren, wenn sie einen anderen überholen, damit man wieder auf einen diagonalen Abstand kommt". Der „Hausverstand“, sie erinnern sich.

Von meinem Bürofenster aus schaue ich auf den Donaukanal. Dort teilen sich Jogger und Radfahrer zu beiden Seiten einen jeweils etwa zwei Meter breiten Asphaltstreifen. Am Wochenende laufen und radeln und spazieren viele, es wird manchmal sehr eng, zuweilen auch zu eng. Wenn jetzt das Jagdgeschwader Kogler in diagonaler Aufstellung von, sagen wir einmal, der Friedensbrücke aus losläuft, und ein paar Radler, die 20 Babyelefanten Abstand einhalten sollen, kommen mit 30 km/h und Windschatten von hinten, dann müssen entweder die Radler oder die Jogger, wenn sie wie empfohlen „rechtzeitig ausscheren“, in den Donaukanal springen oder auf die Donaukanal Straße wechseln und sich dort überfahren lassen, damit sie nicht gegen den Rat des Ministeriums verstoßen. Gestraft wird aber glücklicherweise ohnehin nicht.

Gänzlich ungeklärt blieb die Frage, was passiert, wenn dem Jogging-Geschwader und den Windschattenradlern, andere Jogger oder Radler oder Spaziergänger entgegenkommen. Haben die dann ebenfalls die Wahl zwischen Donaukanal und Donaukanalstraße, wenn sie „rechtzeitig ausscheren“. Es sei denn, man erklärt den Asphaltweg zur Einbahn und alle dürfen nur bis Tulln hinaus und meinetwegen dann am Wochenende darauf wieder zurück nach Wien. Man wird sehen. Der „Hausverstand“ und die „Fachverbände“ haben in den nächsten Tagen jedenfalls einiges zu tun.

Ciao, ihr Wiener

Auch die Wiener haben derzeit einen Lauf. Jetzt dürfen sie nicht einmal mehr an den Neusiedler See. Hans Peter Doskozil will das nicht. Burgenlands Landeshauptmann verfügt heute, dass nur noch Burgenländer an den See können, die in einem Umkreis von 15 Kilometern wohnen, was sich auch bei großzügigster Schätzung mit Wien nicht ausgeht. Doskozil begründet seine Verordnung damit, dass er „die Gesundheit der Bevölkerung bestmöglich zu schützen“ habe. Bis Ende des Monats dürfen „Mobilwohnheime und Seebäder“ von inländischen Ausländern nicht mehr betreten werden. Subtil nennt Doskozil auch die „Sperre der Bundesgärten in Wien“ als Grund für sein Einschreiten. Das habe die Menschen „während der Coronavirus-Krise“ aus der Stadt an den Neusiedler See getrieben.

Wir sehen: In Österreich hat in diesen Tagen alles irgendwie mit den Bundesgärten zu tun, sie sind quasi der Patient 0 der Krise. Lassen Sie sich heute nicht pflanzen und verbringen Sie einen wunderbaren Donnerstag. In den Bundesgärten oder an einem See, irgendwo wird man Sie schon mögen.

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Fotos:
Werner Kogler unter Maske: APA, Roland Schlager
Geist: Gepa, Mario Kneisl
Werner Kogler: APA, Roland Schlager
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Hans Peter Doskozil: "Heute", Sabine Hertel

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