Bettman

Die Schlafstatt von Armin Wolf. Wollten wir immer sehen oder?

Um mit dem Wichtigsten zu beginnen: Armin Wolf hat natürlich keine Tattoos, wie gestern hier listig angedeutet, aber eine sehr schöne Bettwäsche, zumindest momentan. Sie sieht aus als stamme sie von jemandem, der in Schimpf und Schande aus Downton Abbey verjagt worden war und dem man ein paar Stoffreste nachgeschmissen hatte, die dann zu einer Tuchent geklöppelt wurden. Auch der Kopfpolster ist schön bespannt, ich vermute Leopardenfell, echt natürlich, es lag möglicherweise bisher vor dem Stehpult im Büro von Generaldirektor Alexander Wrabetz und wurde nun für die gute Sache geopfert. Am Fußende des Bettes haben die ORF-Verantwortlichen zwei Handtücher rausgelegt, die auch sehr ansprechend aussehen. In der Therma Oberlaa trocknen sich ältere Damen nach dem Fußbad gern mit ähnlichen Stoffstücken die unteren Extremitäten ab.

Warum ich das alles weiß? Weil Armin Wolf über seine erste Nacht in der neuen „Corona-WG“ am Küniglberg einen Blogbeitrag verfasst und einige Bilder beigestellt hat (zu lesen und zu sehen unter arminwolf.at). Vier ZiB-Moderatoren plus Crew sind seit gestern für zwei Wochen kaserniert, es ist wie ein Pfadfinderausflug ohne Wald und Lagerfeuer und natürlich ohne Ausflug und Pfadfinder. Man wohnt bescheiden. Wolf beschreibt das eher kindgerecht gezimmerte Holzbett als „etwa 25 cm hoch und 80 breit“, es erweist sich halt in der Krise als sehr vorausblickend, wenn man im Marschgepäck einen Zollstab mitführt. Das Design der Bettwäsche nennt er „mutig“, die Herkunft schätzt er als aus „unverkäuflichen Lagerbeständen“ stammend ein, das Bett beleidigt er als „Brett“. Er dürfte nicht gut geschlafen haben.

Das Bett-Brett steht im zweiten Stock des ORF-Zentrums, der Sektor ist abgeriegelt durch Gitter und Stellwände, vom Schlafgemach bis zu den Gemeinschaftsduschen – hier lasse ich sie kurz mit den Bildern allein – sind es 600 Meter, bis zum Klo 100 Meter, hoffentlich irrt sich keiner in der Richtung. Um Mitternacht lustwandelte Wolf durch den Newsroom, der „menschenleer“ war, danach ging es zum „Zähneputzen am Gemeinschafts-WC“. Nach einer halben Stunde Lesen am „gut bestückten E-Reader“, schloss er gegen 1 Uhr die Augen, um sie schon um 5 Uhr wieder zu öffnen, er gab dem „nigelnagelneuen ORF-Kopfpolster“ die Schuld daran. Vielleicht hätte auch ein Poster auf der kahlen Wand über dem Bett für geruhsameren Schlaf gesorgt. Die„Bay City Rollers“ hätten sich angeboten. Die hatten, glaube ich, auch keine Tattoos.

Sendungskritischer
Tätigkeitsbereich

Ein Netz würde
dem Spiel guttun

Nicht nur im ORF auch sonst überall gerät unser Leben derzeit irgendwie aus den Fugen. Witzig, dass sich „Presse“-Herausgeber Rainer Nowak, der jetzt auch newslettert, und ich gestern beide nicht sicher waren, ob tatsächlich Mittwoch ist. Das Virus hat auch unser Zeitgefühl angegriffen, wir sind Chronometer positiv. Alles, was unserem Leben bisher Halt und Ordnung gab, ist über Nacht weg. Früher orientierten wir uns am Stundenplan der Kinder, an der fixen Tennisstunde jede Woche, am Tratsch mit der Freundin im Kaffeehaus immer am selben Tag, immer zu selben Stunde, an Skirennen, der deutschen Bundesliga am Wochenende, dass die Queen und ihr Bub, der Thronfolger, immer gesund sind, eben an allem, was da war, um unserer Welt einen Rahmen zu geben. Das Virus hat diesen Rahmen gesprengt. Sogar Charles hat jetzt Corona.

In unserem neuen Leben ist es vollkommen wurscht, ob Montag, Mittwoch oder Freitag ist. Die meisten dürfen ohnehin nicht raus, außer zum Einkaufen, was sich heutzutage irgendwie auch entwürdigend gestaltet. Alle beäugen sich, damit ja keiner den Mindestabend unterschreitet, Hofratswitwen kreischen auf, wenn man sich ihnen weiter als einen Meter nähert, selbst die Orangen schauen böse drein, wenn man sie zu hart anfasst, die Kiwis quietschen, wenn man sie ganz lieb drückt und die Bananen krümmen sich vor Schmerz, wenn man sie auf die Waage legt. Einkaufen wird nach diesem Corona-Kauderwelsch auch nicht mehr so sein wie früher. Die Supermarktbetreiber können schon mit dem Umplanen anfangen, es geht in Richtung keimfreies Labor.

Diese Zeitlosigkeit verschont auch die Politik nicht. Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig gab der „Presse“ ein Interview, in dem er sich, sagen wir einmal, unglücklich über die Schließung der Bundesgärten äußerte. Fünf Anlagen in Wien, etwa der Volksgarten oder Schönbrunn, sind ja seit mehr als einer Woche geschlossen, die 1.000 Parks der Stadt Wien allerdings geöffnet, ich habe die diesbezügliche Entscheidung bereits vor wenigen Tagen einer Würdigung unterzogen. 

Ludwig sagte, er dränge „bei der Bundesregierung weiter darauf, dass die Bundesgärten in Wien, also im dicht verbauten Gebiet, wieder geöffnet werden. Denn je mehr man in einer Großstadt abschließt, desto mehr werden sich bei schönem Wetter dann auf den verbleibenden Freiflächen drängen. Das ist kontraproduktiv“. Die Austria Presse Agentur fasste die wesentlichen Passagen des Gesprächs zusammen und verwies dann auf das in der Zeitung am „Donnerstag erscheinende Interview“. Falls Sie es heute suchen, es war gestern drin. Am Mittwoch. Ich habe Sie gewarnt.

Der Coronfolger

Heute ist übrigens tatsächlich Donnerstag, ich habe extra im Kalender nachgeschaut. Aber ich tue mir bereits schwer zu sagen, wie lange wir jetzt schon Ausgangssperre haben, ist es erst eine Woche oder sind es schon zwei? Sie werden sehen, wir werden an einem Montag draufkommen, dass gestern Ostersonntag war, die ganzen Schokohasen werden ziemlich blöd dreinschauen. Aber es ist Rettung in Sicht, Sebastian Kurz würde vielleicht eher sagen, die Auferstehung naht. Der erste Promi des Landes tritt offen gegen die Ausgangsbeschränkungen der Regierung auf, es ist nicht mehr lange hin bis weitere Mitglieder der gehobenen Gesellschaft auf die Barrikaden steigen.

In einem emotionalen Posting auf Facebook fuhr Marie-Christine Giuliani mit den bisherigen Maßnahmen der Koalition Schlitten. Falls Ihnen der Name Giuliani nicht gleich geläufig ist, es handelt sich um eine ehemalige Radio- und Fernseh-Präsentatorin, die sich etwa als Ansagerin der aktuellen „Bingozahlen“ im ORF verdient gemacht hat. Nun wirkt sie als Psychotherapeutin und Life Coach, wobei ich nicht genau sagen kann, was ein Life Coach genau macht, vor allem einer, der gleich auszuckt, wenn er ein paar Tage nicht vor die Tür kann. „Wut-Marie“ hätten wir Giuliani früher getauft als wir noch ein Leben hatten, auch wenn es nicht gecoacht war.

Die „Wut-Marie“ begann ihr emotionales Statement mit einer Feststellung: „Liebe Leute, uns wird gerade unsere Freiheit genommen“. Da ist nichts Falsches dran, die nächsten Sätze lassen aber vielleicht etwas Empathie vermissen, eventuell würde „Wut-Marie“ ein Life Coach guttun. „Es sterben Jahr für Jahr tausende Menschen an Grippe und allem möglichen, das wisst ihr doch! – das hat bisher niemanden dazu bewogen uns einzusperren“. Vielleicht sollte sie Sebastian Kurz nicht auf blöde Ideen bringen, sonst treibt er uns in Zukunft bei jeder sich bietenden Gelegenheit ins Haus zurück, da man doch an „allem möglichen“ sterben kann, „das wisst ihr doch“.

Für die Älteren in unserer Mitte hat Marie-Christine Giuliani viel Mitgefühl übrig, aber auch wieder nicht. Zunächst will sie Oma und Opa wegsperren, eleganter gesagt „diese vulnerablen Gruppen in Quarantäne schicken“, später dann wünscht sie sich die große, melodramatische Familienzusammenführung. „Was ist mit alten Menschen, die nun sterben müssen, nicht in den Armen ihrer Kinder und Kindeskinder? Ich denke nicht, dass sich Großeltern wünschen, ihre Enkelkinder nicht mehr zu sehen, sie sind der Sinn ihres Lebens! was für ein Leben soll das sein? Wem nützt das alles?“ Fürwahr, das  frage ich mich auch.

"Das wisst ihr doch"

Wenn ein Life Coach einmal in Fahrt ist, dann bremst ihn live so schnell nichts. Corona sei nur „der Tropfen der das Fass an Gier“ zum Überlaufen bringe, schreibt Giuliani. „Die Spitäler sind überlaufen? Ja, all diese Angstmacherei Panik fördern das doch“. Das scheint kein alleiniges österreichisches Problem zu sein. „Deutschland steht davor den Ausnahmezustand zu prolongieren, die Schweitzer sind mehr oder weniger einsatzbereit, der französische Präsident redet dauernd von Krieg, Ja, geht es hier um Krieg und um einen Shutdown damit die Neuverteilung ermöglicht wird? Worum geht es hier?“ Gute Frage.

Ich überrasche Sie vermutlich nicht mit der Information, dass Marie-Christine Giuliani noch ein bisschen weiter eintaucht in die Welt der spirituellen Aluhutträgerschaft. Die Politik erzeuge Panik, „es entsteht ein Schockzustand im Gehirn, wir fühlen uns machtlos und sind daher in einem Zustand, in dem wir Dinge durchwinken und akzeptieren, die wir niemals akzeptieren würden, wären wir in unserem normalen Denkmodus“. Ich gebe zu, ich fürchte mich ein bisschen vor diesem "normalen Denkmodus", vor allem wenn er von einem Life Coach dieses Kalibers ausgeführt wird. Dabei ist das alles umsonst, schließt "Wut-Marie" ihre öffentliche Eigentherapie ab. „Wir können den Tod doch gar nicht aufhalten, er ist für uns alle gewiss, ich würde lieber in Freiheit sterben dürfen“. Der ORF wird sich schon in den Hintern beißen, dass es eine so wertvolle Kraft einfach ziehen ließ. Aber ich denke, in ein paar Tagen wird „Wut-Marie“ ohnehin irgendwo im Fernsehen auf der Couch einer Talkshow sitzen und über Corona philosophieren. Dann haben wir vielleicht alle auch einen „Schockzustand im Gehirn“.

Zaungäste

Schön, dass es auch andere Seite des Virus gibt. Der deutsche Burda-Verlag hat die Aktion „Corona Care“ ins Leben gerufen, Nachbarschaftshilfe könnte man einfacher dazu sagen. „Bleib zuhause“ ist ja als Plan gut, aber das setzt voraus, dass man ein Zuhause hat. In Berlin werden deshalb jetzt an Zäunen von Parks in verschiedenen Stadtteilen Sackerln aufgehängt. Sie enthalten Lebensmittel, Hygieneartikel, Kleidung, einige sogar Hundefutter. Obdachlose können sich die Sackerln einfach vom Zaun nehmen, ohne zu fragen, ohne sich irgendwo anstellen zu müssen. Der Inhalt kann Leben retten oder zumindest das Leben erträglicher machen. Es ist eine wunderbare Idee, nicht nur in virulenten Zeiten.

Ich wünsche einen wunderbaren Freitag. Ätsch, reingelegt!

Alle bisherigen Blogs finden Sie gesammelt unter dieser Adresse

Bisher erschienen
Das virologische Quartett
Das Leben ist ein Hit
Im Bett mit Kurz
Park mas an!
Unser Retter?
Danke!

Neulich in Balkonien
30 Beobachtungen

Das Ende der Party

Im Teufelskreis

"Happy birthday"

Das Virus und wir

Sternderl schauen

Streicheleinheiten

Ganz große Oper

That's Life

Patsch Handi zam

Rabimmel, rabammel, rabum

Wir sind Virus

Na dann Prost!

Küssen verboten

Unterm Glassturz

Achtung, s´Vogerl!

Olles Woiza, heast oida!

Oblenepp und Stadlerix

Der tut nix

Im Krapfenwaldl
Wohin des Weges?

Es fliegt, es fliegt

Lieber Christian

Ein Leben am Limit

Kurzer Prozess

Hexenjagd am Klo
Ein Land im Fieber

Eine Frage der Ehre

Frühstücken mit Kurz

Von der Lust gepackt

Ein Ball, viele Bälle

Blabla und Wulli Wulli

"Warum steigt's nicht ein?
"
"Servas die Buam"

Die Teufelsaustreibung

Romeo und Julia

Strache, "ich war dabei"

Brot und Spiele

It´s my lei lei life!

Der Zug der Zeit

Der Hauch des Todes

... - .-. .- -.-. .... .
Inselbegabungen
 
Big Bang für einen Big Mac

Auf einen Apfelputz beim Minister

Von Brüssel ins Fitness-Studio

"Es ist alles so real
"
"No words needed"
 
"So wahr mir Gott helfe"

Jedem Anfang wohnt ein Zauberer inne

Fotos:
Bett, Isolierstation, Tischtennis: Armin Wolf
Prinz Charles: Reuters, Jeff Spicer
Marie Christine Giuliani-Sterrer: Andreas Tischler
Essens-Spenden: Reuters, Fabrizio Bensch

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