Big Bang für einen Big Mac
Ein Politiker isst in einem Fast-Food-Lokal. "Na und?", fragen Sie? Haaallo, wir sind in Österreich.

Wir müssen jetzt alle ein kleines Stück stark sein. Die Regierung ist kaum eine Woche im Amt und das erste Mitglied nimmt tatsächlich schon feste Nahrung zu sich. Das Elaborat eines Verlegers, dessen öffentliches Gewicht sich auch in Kilos messen lässt, veröffentlichte das Foto eines grünen Politikers, der einen Big Mac mampft. Wahrhaftig! Ein grüner Politiker bei McDonald's? Und dann isst der auch noch Pommes, keinen Lauch, trinkt Cola, keinen "Reinen Nervensachetee", den sich ein Doppelkammerbeutel entsteißt hat.
Damit wir hier nicht herumlabern: Natürlich stehen Grüne nicht unter Welpenschutz, über sie kann und muss berichtet werden wie über alle anderen Politiker auch. Selbstverständlich kann man einwenden, dass selbst Obama im Fast-Food-Lokal abgelichtet wurde, Merkel am Skilift, Sarkozy beim Baden. Aber was folgt als Nächstes? Kurz in der Business Class? Undenkbar, in der Nähe der Gotteslästerung.
Man könnte jetzt sagen „wurscht“. In Österreich geht das aber so: Auf Twitter empören sich die Ersten über das Foto und verbreiten es weiter. Diese Empörung empört wiederum andere und auch die verbreiten es weiter. Dann melden sich alle, die andere Politiker und/oder Promis in kompromittierenden Situationen gesehen haben wollen und verbreiten das Foto noch weiter. Dann schwappt „der Wirbel um das Bild“ auf Facebook über, auf Internetseiten, es gibt ein bisschen Aktionismus, erste Memes, ein paar spielen die Situation nach und posten witzige Fotos von sich samt Laberl.
Die ersten, energischen Chefredakteure tauchen in den Onlineredaktionen auf und fragen ungeduldig, warum diese Geschichte, die vermeintlich das ganze Land bewegt, sich nicht auf der eigenen Seite befände. Auf den Einwand der Relevanz, folgt das Argument am Ende des Monats zählten die Klicks und die Visits und die Unique Clients und die Usetime und die Google-Performance und es gäbe kein Schulterklopfen für Verweigerung. Flugs ist aus dem simplen Umstand, dass ein Politiker isst, die „Big Mac-Affäre“ geworden.
Da kriegen alle Appetit

Diese „Big Mac-Affäre“ gerät nun aber erst so richtig unter Feuer. Jetzt wollen auch die Politiker lustig sein und posten Bilder von sich mit Big Macs. Das bringt andere Politiker wiederum auf die Idee, sich auch beim Essen zu zeigen, eventuell mit einem launigen Text dazu. Am Ende haben der Vizekanzler und die Vizebürgermeisterin, eine Oppositionschefin, ein paar Abgeordnete, dazu Anwälte, Ärzte, Journalisten, Künstler, Österreich halt, ihre Meinung „zur Geschichte des Tages“ abgegeben. Erste Reportagen auf Webseiten entstehen, nein, nicht im „Hintertupfinger Tagesspiegel“, sondern von Medien, die ihre Seriosität ansonsten wie eine Monstranz zum Altar nach vorne tragen. Ganz hinten, von den Kirchenbänken aus, rufen ein paar, „macht da nicht mit“, aber wer hört schon auf die ewigen Suderanten?
Jetzt wird es tiefschürfend. „Darf ein grüner Politiker Fastfood essen?“, forscht ein Onlineportal mehr bei sich selbst nach als bei der geneigten Leserschaft. Ein Rechtsanwalt tritt auf und klärt die nicht gestellte Frage, ob es rechtliche Konsequenzen dafür setzen könnte, wenn man einen Promi beim Essen knipst. Inzwischen gibt es einen Hashtag, #mäcigate, und „koglern“ wird zum geflügelten Wort. Webmedien orten eine „Aufregung“ über das Bild, der „Fotograf“, der es postete, wird politisch einschlägig verortet, Sammelgeschichten, „so reagiert das Netz auf das Fast-Food-Foto“, ziehen ihre Runden.
Das ist ziemlich Banane

Auf einer Webseite finden sich unter der Story nach wenigen Stunden 300 Postings, in aller Empathie wird die Frage erörtert, ob ein grüner Politiker, der Fast Food zu sich nimmt, moralisch in der Lage sein kann, ein Land mitzuregieren. Edelfedern beginnen an Zeitungskommentaren für die Printausgabe des nächsten Tages zu feilen.
In jedem Interview fortan wird der Politiker gefragt werden, ob er seinen Lebenswandel mit seinem Lebensentwurf in Einklang bringen könne. Es könnte Talkrunden geben und Dokus, wie gefährlich Fast Food doch sei und wie viel Müll das alles verursache und der grüne Politiker könnte als Testimonial dafür herhalten. Es könnte Umfragen hageln, was die Österreicher denken über die neue Scheinheiligkeit in der Politik, Wasser predigen und Big Mac essen und das alles, weil ein Politiker dabei fotografiert wurde wie er ein McMenü verschlingt.
Wer nicht mitmacht, ist der Depp des Tages. Was, das Foto gibt es hier nicht? Aufregung weg, User weg, Klicks weg, Drama, Baby. Zugegeben, wir sind diese Deppen auch manchmal, die mitmachen und auch wir blasen Furzkissen zuweilen zu Luftballons auf. Diesmal nicht. Ich mag es nicht, wenn Politiker beim Essen fotografiert werden, ich kann jetzt nicht einmal genau sagen warum, aber glücklicherweise sehen das alle hier in diesem Laden so. What's next? Steigt einer der vermeintlichen Leserreporter einem Vizekanzler aufs Klo nach und knipst ihn und sein Zumpferl dabei, wie der"Reine Nervensachetee" aus dem Doppelkammerbeutel ins Freie drängt? Diesmal sind wir eben Deppen, die Konsequenzen ertragen wir mit Demut.
Die neuen Öffi-Bekenntnisse

Das mit der Bekanntheit ist natürlich tatsächlich ein Hund. Nicht jeder bekommt von der Öffentlichkeit mehrere Wahlkämpfe spendiert wie Norbert Hofer. Bekannt zu werden ist das Bearbeiten von zähem Leder. In den 17 Monaten der verblichenen Regierung schafften es manche Mitglieder nicht, einem erweiterten Personenkreis geläufig zu werden. Einige davon nehmen jetzt einen zweiten Anlauf.
Einer davon ist Heinz Faßmann, den natürlich viele kennen, allein deshalb weil der neue, alte Unterrichtsminister 2,03 Meter groß ist und jeder neben ihm aussieht als würde er als Hosensack aus dem Politikerbeinkleid raushängen. Wir waren gestern mit ihm in der U3 und in der Straßenbahn unterwegs. Unsere „Öffi-Talks“ mit den Mitgliedern der neuen Regierung erfreuen sich ja allgemeiner Beliebtheit, der neue Finanzminister Gernot Blümel etwa erläuterte seine Kontobewegungen, die neue Integrations- und Frauenministerin überraschte damit, am Arbeitsplatz noch nie Sexismus wahrgenommen zu haben.
Vielleicht schreibe ich morgen ein paar Zeilen darüber, in welche lichte Höhen uns Faßmann entführte. Bis dahin: Haben Sie einen wunderbaren Mittwoch.
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Fotos: Helmut Graf, Sabine Hertel, Denise Auer, iStock