Auf Teufel kommt raus
Philosophen, Kickls Strophen, der Frauentag als Schuss in den Ofen.

In letzter Zeit beschäftige ich mich häufiger mit der Zukunft und das hat zwei Gründe. Einerseits ist die Gegenwart momentan nicht jemand, in den ich mich beim ersten Treffen auf der Straße spontan verlieben würde. Andererseits frage ich mich, was bleiben wird, wenn diese Pandemie einmal vorbei ist.
Ich hoffe zuallererst, dass das Wort Pandemie verschwindet, dass es ausradiert, vielleicht sogar verboten wird, ich kann es schlicht nicht mehr hören. Pandemie ist das, was früher in Interviews das „ähem“, das „äh“, oder das Räuspern war, ein Zeitgewinnler also. Jeder Politiker, der etwas zur Pandemie gefragt wird, beginnt seine Antwort damit, uns mitzuteilen, dass wir uns mitten in einer Pandemie befinden. Meist schmückt er das Tatsachensubstrat aus, indem er von einer „weltweiten Pandemie“ spricht, oder von „der schlimmsten Pandemie seit 100 Jahren“. Gesundheitsminister Rudolf Anschober warnte am Wochenende wegen der „Briten-Mutante“ sogar vor einer „Pandemie in der Pandemie“. Das Virus lässt Gedanken sprudeln, was nicht zwingend heißt, dass es sich bei allem, was sprudelt, um Gedanken handeln muss.
Ich glaube nicht an große Umwälzungen, an den besseren, durch die Krise geläuterten Menschen, der den Müll vom Nachbarn mittrennt. Der auf die Straße geht, um Autoabgase weg zu atmen, weil er den Job nicht mehr der notleidenden Natur allein überlassen möchte, die ohnehin mit dem Klimawandel alle Hände voll zu tun hat. Der sich vor einem Geschäft einfach so anstellt, obwohl gar keiner im Laden ist. Der freiwillig spazieren geht. Nein, ich glaube irgendwann wird die Pandemie einfach vorbei sein und wir werden es gar nicht richtig mitkriegen.
Vielleicht weil wir alle bis zum Hals im Ketchup stecken. Der Kanzler hatte dieses Bild verwendet, es ist eigentlich geklaut aus Dänemark, unseren neuen, roten Freunden im Norden, aber sie haben es sicher gern hergeborgt. Sebastian Kurz wollte uns damit das Wesen der Impfungen näherbringen, die anfangs eher tröpferlweise kamen, dann tröpferlweise und schließlich tröpferlweise. Bald aber werden sie sich wie ein Schwall aus der Flasche über uns ergießen. „Bis zum Sommer sind alle geimpft“, versprach der Kanzler am Sonntag in der „Krone“. Er hat leider nicht gesagt, in welchem Jahr und ob wir gegen Zecken, Pocken oder doch gegen Corona geimpft sein werden, wenn für das Licht am Ende des Tunnel die entscheidende Phase anbricht.
„Ich möchte nicht täglich philosophieren, wie es weitergeht“, sagte Sebastian Kurz schon am Freitag, einen Tag später wollte er dann doch wieder philosophieren, in jedem Mitglied der Regierung steckt offenbar ein kleiner Ovid. 6.000 Neuninfektionen am Tag scheinen nun die neue Obergrenze zu sein, ab da ist mit Verschärfungen zu rechnen. Am 18. Oktober 2020 hatte Kurz die Lage in einem Facebook-Video noch als „extrem ernst“ bezeichnet und vor 6.000 Neuinfektionen pro Tag im Dezember gewarnt. Wir schafften es dann bis 4. November. Jetzt ist es 6.000 unsere neue Zielgröße. Ohne dass wir viel davon bemerkt haben, sind wir auf den schwedischen Weg umgeschwenkt.
Ringlinie

Am Samstag kam es in Wien wieder zu Demos. Der Unmut der Teilnehmenden richtete sich im Groben und Ganzen gegen die Corona-Maßnahmen und ihre Urheber, ich denke aber, die Demos werden auch noch stattfinden, wenn es keine Einschränkungen mehr gibt, einfach der Folklore wegen. Außerdem, wann kommt man aus den Bundesländern schon mit gutem Grund nach Wien? Österreichs Kapitol ist die Landeszentrale einer Versicherung in der Leopoldstadt, die von Aktivisten gestürmt wurde, die dann nicht so recht wussten, was sie im Gebäude machen sollten. Es war keiner da, mit dem sie über Pensions-Ansparpläne reden konnten, das Auto hatte man nicht dabei, um den Kaskoschaden besichtigen zu lassen, Joe Biden tauchte auch nicht auf. Nach eineinhalb Stunden kam die Polizei und erlöste die Verwirrten.
Die FPÖ hat eine Marktlücke entdeckt. Sie stellte sich an die Spitze dieser Melange aus Österreich, auch kleine Braune finden sich darunter. Vor drei Jahren bettelte das Team um Heinz-Christian Strache noch darum, von Israel die Absolution zu erhalten, nun zogen am Sabbat auch Neonazis selbst durch das jüdische Viertel, zeigten den Hitlergruß, schwenkten Reichsflaggen, riefen „Heil Hitler“. Beileibe nicht jeder, der Samstag auf der Demo mitging, war ein Rechtsradikaler, es gibt schon viele im Land, die sich berechtigt Sorgen um Geld, Job, Familie, Zukunft machen. Aber wer glaubt, dass sich ein einschlägig normierter Personenkreis tatsächlich um sie schert, wird ein böses Erwachen erleben. Sich um den kleinen Mann zu kümmern, endet oft damit, dass man sich um keinen Mann kümmert, außer man ist es selbst.
Der frühere blaue Innenminister Herbert Kickl hielt im Prater eine Brandrede auch gegen Israel. Es sei „kein Gesundheitsparadies“, sondern „ein Land der Unfreiheit. Was dort in Israel läuft, das ist ein Massenexperiment der Pharmaindustrie und auf der anderen Seite ein System der Gesundheitsapartheid“. Das Publikum johlte. „Kurz muss weg“, stand auf Transparenten, die Demonstranten klebten aneinander, viele waren ohne Maske unterwegs und wenn sie eine auf hatten, dann reichte der Stoff nicht, um auch noch die Nase zu bedecken. Seltsam: Kinder dürfen in ihren Vereinen nicht kicken, wenn sich Freundinnen auf eine Parkbank näher als zwei Meter kommen, schießt die Polizei herbei, wenn zwischen Tausenden nicht einmal ein Kolibri Abstand eingehalten wird, dann scheint das gottgegeben und als solches schwer sanktionierbar.
Ex-Polizeiminister Kickl wurde von der Polizei angezeigt, oder auch nicht, er will es erst aus der Zeitung erfahren haben. „Es gab keine Amtshandlung und keinen Kontakt zu Polizisten“, sagte er „Heute“. „Herr Kickl ist der Polizei als Ex-Minister durchaus bekannt, die Kollegen mussten ihn daher nicht nach dem Ausweis fragen“, konterte das Ministerium. Er bekommt nun angeblich eine Anzeige nach Hause zugestellt, 1.450 Euro beträgt die maximale Strafhöhe, ich hege die Vermutung, er wird keinen Cents bezahlen müssen. Shalom!
Blauderstunde

Zum Weinen

Heute ist Weltfrauentag, also eine Art Muttertag light, ohne Blumen und Frühstück ans Bett. Es gibt für Frauen gegebenenfalls schon Frühstück im Bett, sie müssen es sich halt selber zubereiten. Der Weltfrauentag läuft seit Jahrzehnten ähnlich ab. Vorab kommen ein paar Studien, in denen ausgeschildert wird, dass Frauen für mindestens gleich viel Arbeit deutlich weniger verdienen, schicker ausgedrückt, dass da ein bisschen ein „gap“ besteht. Dann klären Männer auf, was es mit diesem „gap“ wirklich so auf sich hat, aber dass es sich nicht um so arg viel Geld handelt, wenn man genau schaut, man darf da nicht hysterisch werden.
Am Weltfrauentag werden Frauen dann sichtbar gemacht, sie treten aus ihrem Hologramm hervor, man nimmt sie kurzfristig wahr, wie Sternschnuppen Es folgen viele wohlmeinende Berichte über Frauen, die es geschafft haben, es sind jedes Jahr mehr oder weniger dieselben. Dazu gibt es Aufstellungen, wie viele Frauen in Führungspositionen sind, weil es sich nicht um sehr viele handelt, wird der feste Entschluss gefasst, es im nächsten Jahr besser zu machen. Wenn man es nicht schafft, dann halt in den darauffolgenden Jahren oder Jahrzehnten oder nie, jetzt, wo Corona ist, herrscht auch bei Ausreden eine Pandemie.
Nach dem Weltfrauentag, manchmal auch schon mittendrin, verschwinden die Frauen wieder, sie werden wieder unsichtbar, was kein Versäumnis der Männer ist, sie folgen nur ihrem Schutzinstinkt. Sie wollen nicht, dass sich die Frauen verausgaben in der Zeit, bis sie wirklich die Macht antreten können, deshalb übernehmen die Männer bis dahin weiter die Verantwortung, ersatzhalber, sie wollen nicht einmal einen Dank dafür. Sie machen es einfach so, ohne Blumen und Frühstück ans Bett, schlicht weil sie gute Kerle sind.
Nicht jede Frau leidet unter der gegenwärtigen Situation, es gibt auch solche, die sich der Emanzipation von der anderen Seite her nähern, von einer, die für manche Männern leichter fasslich ist. Nina Proll, Ikone der Corona-Debattenkultur auf Servus TV, gab der „Krone“ ein Interview. Sie stand mit ihrer Vespa 300 GTS vor einem der Tore von Schloss Schönbrunn, wie man den beigestellen Fotos entnehmen kann, und beklagte sich am Vorabend des Weltfrauentages darüber, dass sie kein Mann mehr anbaggert. „Werden Sie oft blöd angemacht?“, fragte der Reporter. „Leider nein!“, antwortete sie.
Damit hatte der „Krone“-Chronist offenbar nicht gerechnet, denn er bohrte ungläubig nach. „Wie bitte!“ Worauf Proll zur Erläuterung schritt: „Na, ich würde mich freuen, wenn mir an der roten Ampel jemand zuzwinkert oder wenn jemand sagt: ,Na, wie geht´s?' Also mich würde das überhaupt nicht stören, es ist aber leider total aus der Mode gekommen. Ich finde, es gehört viel mehr geflirtet.“
"Es gehört viel mehr geflirtet!"

Das ist die gute Nachricht am Frauentag für die Männer, gleichzeitig aber auch die schlechte. Die Emanzipation ist nicht nur schon vollzogen, sie ist auch längst ins Gegenteil gekippt. Frauen haben es jetzt leichter, zum Beispiel beim Film. „Ich habe das Gefühl, dass du jetzt als Frau sogar einen gewissen Vorteil in gewissen Branchen hast“, sagt Nina Proll. „Eine Filmidee mit einer Frau in der Hauptrolle hat jetzt zehnmal mehr Chancen als mit einem Mann, denn in den Filmkommissionen und Redaktionen wird viel Wert auf Frauenquoten und Gleichstellung gelegt“.
Da sieht man wieder, dass man es als Mann auch nicht leicht hat. In einer „Filmkommissionen und Redaktion“ muss man mühevoll darüber befinden, ob Frauen etwas taugen, obwohl sie es jetzt eh schon „zehnmal“ besser haben als Männer. Der Männertag 2021 wird eine toughe Nummer, Ladies. Da werden wir uns mit Blumen und Frühstück ans Bett nicht zufrieden geben.
Ich wünsche einen wunderbaren Wochenstart, er möge gedeihlicher sein als jener der Queen. In der Nacht auf heute wurde das Interview ausgestrahlt, das Prinz Harry und Meghan Markle Star-Talkerin Oprah Winfrey gegeben haben. Was man vorab so hörte, ist Meghan eher so „mäh“ auf die Urli zu sprechen. Vielleicht schaue ich mir den Schmachtfetzen an. Ich glaube der Titel der morgigen Kolumne steht: Adel vernichtet.
Fotos:
Herbert Kickl: Picturedesk, Michael Gruber
Demo am Ring: Video, zVg
Herbert Kickl: Picturedesk, Isabelle Ouvrard, Sepa Media
Tränengas: Picturedesk, Alex Halada
Nina Proll: Picturedesk, Thomas Jantzen, First Look
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Ein Ball, viele Bälle
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"Warum steigt's nicht ein?"
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Die Teufelsaustreibung
Romeo und Julia
Strache, "ich war dabei"
Brot und Spiele
It´s my lei lei life!
Der Zug der Zeit
Der Hauch des Todes
... - .-. .- -.-. .... .
Inselbegabungen
Big Bang für einen Big Mac
Auf einen Apfelputz beim Minister
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"Es ist alles so real"
"No words needed"
"So wahr mir Gott helfe"
Jedem Anfang wohnt ein Zauberer inne