Corona wegflexen

Das Virus, die Polizei und
Topfengolatschen zum Nageln. Schmecks!

Der frühe Vogel fängt das Virus. Oder geht das umgekehrt und das frühe Virus hat einen Vogel? Wie auch immer: Wir sind jedenfalls nun nicht mehr nur dabei, sondern mittendrin. Wir sind Corona. Andere sind Papst, wir Corona. Ich könnte das jetzt ein bisschen ausschlachten, also „exklusiv“ herschreiben, oder „,Heute' hat das Virus als Erster", oder „keiner ist so Corona wie wir“, die Mitbewerber würden blass werden, also nicht alle, ein paar, okay einer, und der würde wütend fragen: „Warum wurden wir nicht als Erste exklusiv infiziert?“ Weil wir von "Heute" eben „nicht über das Virus reden, sondern mit ihm“, denn man muss "dem Virus mehr zuhören“. Sonst wird er grantig. Will keiner.

Das Virus jedenfalls hat zu „Heute“-Herausgeberin Eva Dichand gefunden, vielleicht auch sie ein bisschen zu ihm, sie erkrankte vor einigen Wochen. Es gefiel dem Virus dort, wo er war, er blieb, zumindest für eine kurze Zeit, dann ging er, ohne sich zu verabschieden, ein ziemlicher Rüpel halt. Bevor sich jetzt alle Sorgen machen – oder Hoffnungen: Nein, wir müssen nicht in Quarantäne. Nein, wir sind und waren nicht in Gefahr, alle Isolations-Vorgaben wurden eingehalten. Nein, wir sind auch nicht krank. Also ein bisschen schon natürlich, aber normal krank, berufsbedingt eben, nicht wegen Corona speziell. Eva Dichand hat Covid-19 hinter sich, sie hat sich das schriftlich geben lassen. Wir hätten sie auch so ins Haus gelassen (wäre auch heikel geworden, der Laden gehört ihr ja zu einem guten Teil), aber mit Amtssiegel ist es uns natürlich lieber.

Die „Heute“-Herausgeberin hat sich im Skiurlaub angesteckt, nicht in Ischgl, das Virus war überraschenderweise auch anderswo zu beziehen, in diesem Fall in der Schweiz. Es begann mit leichtem Fieber, Schnupfen, vor allem – das ist interessant, aber offenbar häufig – mit starken Rückenschmerzen. Am hartnäckigsten blieb der Husten, dem taugte es in der Lunge von Dichand so richtig. Sie war mit Kindern und Hund auf einem Waldspaziergang, als der Anruf aus dem Labor kam: „Sie wurden positiv auf Covid-19 getestet“. Wenig später auch ihr Mann übrigens, „Krone“-Herausgeber Christoph Dichand. Es geht eben nichts über Familie.

Eva Dichand blieb drei Wochen daheim, seit kurzem ist sie wieder im „Heute“-Newsroom, aber jetzt sind die anderen weg. Blöd gelaufen. Sie würde so gern ein paar knuddeln, sagt sie zumindest, ich bin da nicht ganz sicher, aber hier sind wir jetzt nur ein paar Hansln und Gretln, der Rest macht Home-Office und das schon seit Ewigkeiten. Dichand probierte in der Isolation Home-Schooling aus, nicht jede Erfahrung muss man zwingend selber machen, sagt sie. Wer sie darauf anspricht, sollte sich den Nachmittag freinehmen es ist allerdings gut investierte Zeit. Sagen wir einmal so: Sie nennt das „Albtraum“, sieht sich nicht in dieser Lebensrolle, zumindest nicht ausschließlich und kann das auch recht schlüssig erklären, mit Frauen wieder zurück an den Herd und so, bei der Begründung nimmt sie dann eher die Route Werner Kogler, die führt über viele Almen und Bergseen und kann dauern, der Albtraum im Alpenraum bewegt sie sichtlich.

Wer noch Lust auf eine Extratour hat, kann mit Dichand auch über Blockwarte reden, die es neuerdings in Österreich zu einiger Popularität gebracht haben. „Wir brauchen keine Stasi und keine Überwachungs-App“, sagt sie, „keine Polizei vor jedem Park, sondern mehr Eigenverantwortung“. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob sie Home-Schooling mehr auf die Palme bringt oder doch eher diese neue Gendarmen-Mentalität im Land, aber es soll ja auch Berge geben, die mehr als einen Gipfel haben, die für Thrill sorgen. Wird hier auch so sein.

Containment 2.0

Ich will meine Herausgeberin nicht schrecken, jetzt wo sie gerade wieder glücklich gesundet ist, aber ein bisschen mehr Überwachung werden wir schon noch kriegen. Die Polizei erweitert nämlich ihr Betätigungsfeld, sie fratschelt nun Corona-Kranke aus, erfuhren wir gestern zu unserer Überraschung. Der Gesundheitsminister und der Innenminister pfiffen ausnahmsweise auf den Kanzler und den Vize und erschienen allein bei der täglichen Regierungsshow am Ballhausplatz. Es ging wohl auch darum, Österreich ein paar neue Begrifflichkeiten ins Jausensackerl für die Fahrt ins Wochenendhaus mitzugeben. Rudolf Anschober sprach von „Containment 2.0“, dabei hatten wir uns noch nicht einmal „Containment 1.0“ aufs Smartphone geladen. Dieses „Containment 2.0“ beschäftigt sich mit „Kontaktpersonenmanagement“. Bei den Erkrankten zeigt unsere Kurve recht steil nach unten, der sprachliche Replikationsfaktor aber hebt derzeit ab, hollodero.

Der Gesundheitsminister freute sich, dass er den Innenminister für das „Kontaktpersonenmanagement“ im „Containment 2.0“ gewinnen konnte und der Innenminister freute sich, dass er dem Gesundheitsminister für das „Kontaktpersonenmanagement“ im „Containment 2.0“ ein Angebot hatte machen dürfen. Wir waren weniger verblüfft, denn schließlich sitzen die beiden in derselben Regierung und eine Regierung ist ja nichts anderes als ein „Containment“, in dem „Kontaktpersonenmanagement“ betrieben wird, oder irre ich mich? 

Aber da ist inzwischen mehr, es knistert zwischen den beiden, das merkt man. Ich will nicht sagen es ist Liebe, die da lodert, aber zumindest eine Freundschaft, eine politische Freundschaft. Die beiden, der Innenminister und der Gesundheitsminister, lobten einander mehrfach und ausdrücklich, fanden wertschätzende Worte für die Zusammenarbeit beim Kontaktpersonenmanagement“ im „Containment 2.0“, dazwischen warfen sie sich neckische Blicke zu wie die Seerobben in Schönbrunn. 

Es gehe darum, sagte Anschober, innerhalb von 24 Stunden zu klären, mit wem eine erkrankte Person Kontakt hatte. Ich stelle mir das grundsätzlich schwierig vor, überhaupt herauszufinden, an wem man im „Billa“ alles unbekannterweise vorbeigegangen ist, aber bitte. Bisher hätten sich die Gesundheitsbehörden darum gekümmert, die seien aber „extrem belastet“, die Exekutive wiederum sei „extrem gut und erfahren“, eins kam zum anderen und deshalb klopft in Hinkunft nicht mehr das Gesundheitsamt bei Elfi Wondratschek an, wenn sie hustet und schnupft, sondern ein Rudel Polizisten im Schutzanzug. Vielleicht finde nur ich das verstörend, aber ich kann halt aus meinem „Containment 2.0“ nicht so ohne weiteres heraus.

„Schrauben Sie sich einen Kürbiskernspitz hinein!“

Dann übernahm Karl Nehammer, dem die Ehegattin über Ostern offenbar wieder die Haare gekürzt hatte. Rechts vorne hat sie ein bisschen viel erwischt, ich sage es nur fürs nächste Mal, falls für Anfang Mai noch kein Friseurtermin vereinbart wurde – wird eng jetzt. Der Innenminister erläutert das Kontaktpersonenmanagement“ im „Containment 2.0“ etwas näher, er sprach davon, dass die Polizei ein Sicherungshebel sein könne, „der umgelegt wird“. Bei diesem Satz verpasste er dem Mikro mit dem Handrücken eine satte Watschen, es gab einen Brummton von sich, der klang wie ein Rülpser. Das hatte nicht einmal Werner Kogler am Tag zuvor geschafft und das will was heißen.

Das Mikro aber war nicht weiter nachtragend und so hörten wir, wie sich Nehammer den Polizeieinsatz vorstellt: „Eine Person ist erkrankt, die Gesundheitsbehörde stellt das Coronavirus fest, daraufhin gibt es die Verständigung an die Polizei. Die Polizei nimmt dann in erster Linie telefonisch Kontakt auf mit der betroffenen Person, sofern das möglich ist, damit man auch da keine neue Infektionsrisiken erzeugt. Sollte das nicht möglich sein, dann begibt sich die Polizei in der entsprechenden Schutzausrüstung zu der infizierten Person und fängt dann mit der Befragung an“. Nehammer stellte sich dann trickreich selbst eine Frage, die er spontan beantworten konnte. „Was ist das Ziel der Befragung? Alle Kontakte der Person herauszufinden, die Wege nachzuvollziehen, die in der letzten Zeit gegangen worden sind“. 

Leider fügte er ein Sprachbild an, das so ging: „Wir sind sozusagen die Flex, die Trennscheibe für die Gesundheitsbehörden, um die Infektionskette rasch zu durchbrechen“. Was heißt das jetzt? Die Polizei läutet an und wenn wir nicht gleich öffnen, flext sie die Wohnungstür auf? Sie sammelt Daten ein, die sie nichts angehen, Krankeninformationen nämlich? Nein, nein, versicherten die beiden Seerobben treuherzig, die Daten würden nur von den Gesundheitsbehörden erhoben. Und die Polizei hält sich bei ihren Einsätzen die Ohren zu? Lehnt dankend ab, wenn man ihr einen Ausweis zeigt? Fragt nicht nach Namen? Schreibt sich nichts auf? Macht die Augen zu? Hier ist die nächste Grenze gefallen, ihr könnt uns das ruhig so sagen, wir sind inzwischen einiges gewohnt.

Samy Kern

Das Unglück nahm aber jetzt erst so richtig seinen Lauf. „Was will die Polizei?“, fragte mich mein Jüngster, er ist 16, erstaunt, als er den Innenminister hörte, „sie wollen flexen? Echt?“ „Flexen“, das ist für die Jungen nicht das Arbeiten mit einem Winkelschleifer. „Flexen“, das heißt auf Instagram angeben, seine Klamotten oder neuen Treter oder Tattoos herzeigen oder mit Muskeln protzen. „Flexen“ ist auch Rappersprache, „Flex“ steht für Koks, jemanden „wegflexen“ heißt mit ihm oder ihr Geschlechtsverkehr zu haben. Das wird noch lustig für unsere Flex-Polizei, wenn sie an der Tür läutet und die Leute wissen nicht, ob die Beamten jetzt beim Heimwerken helfen, mit ihrer Uniform angeben, etwas Koks verkaufen oder einfach Sex haben wollen. Vielleicht rücken die Kranken einfach ihren Coronatest raus, damit eine Ruhe ist.

Mit der Sprache ist es ja so eine Sache. Das weiß nun auch Doris Felber, Besitzerin der gleichnamigen Wiener Bäckereikette. Sie machte sich am Wochenende einen Spaß und produzierte auf eigene Faust ein Werbevideo. Text: „Liebe Heimwerker! Hot eich da Osterhase nix brocht? Der kommt erst am Dienstag zu euch. Weil da sperren die Baumärkte auf. Und die Felber-Filialen im Obi und im Bauhaus“. So weit, so logisch. Dann aber führte Felber ihre Erzeugnisse und die Produkte der Baummärkte sprachlich zusammen und ab da war richtig Feuer im Ofen:
„Verdrücken Sie eine Aromasemmel mit einem Leberkäääs!“
„Häckseln Sie ein Weckerl nach dem anderen hinein!“
„Nageln Sie sich in der Pause eine Topfengolatsche!“
„Schrauben Sie sich einen Kürbiskernspitz hinein!“

55.000 Menschen sahen den Clip auf Youtube, 80.000 auf Twitter, sogar in der „Wendy Williams Show“ im US-TV wurden Ausschnitte gezeigt. In Österreich aber wurde Felber übel beschimpft, so übel, dass sie den Clip sogar von der Facebookseite nahm. Gestern aber schlug sie zurück und das war kein Topfen. Ebenfalls auf Facebook las sie ein paar der bösesten Postings vor, die gegen sie gerichtet waren. Etwa, dass sie ihr Unternehmen geerbt habe (stimmt nicht, sie hat es aufgebaut). Oder, dass sie zu deppert sei, Leberkäse richtig auszusprechen. „Vielleicht bin ich zu deppert,“ sagt sie und fordert User jetzt auf, ihr depperte Leserkäse-Videos zu schicken. Coole Reaktion, coole Aktion.

Der Millionenmann

Für Wiener wird es jetzt wirklich eng. Gestern machte Landeshauptmann Hans Peter Doskozil seine Ankündigung wahr und verhängte ein „Betretungsverbot“ für den Neusiedler See. Wer weiter als 15 Kilometer entfernt wohnt, darf das Naherholungsgebiet nicht mehr aufsuchen, außer man hat eine Seehütte, ist Berufsfischer oder flext sich für eine Blaulichtorganisation durchs Leben. In der Nähe von Judenburg wurde Eveline Steinberger, Managerin und Ehefrau von Ex-Kanzler Christian Kern, von der Polizei gestoppt. „Wir müssen aufpassen, dass die Wiener uns das Virus nicht einschleppen“, begründete der Polizist die Amtshandlung. Steinberger hat einen Zweitwohnsitz in Kärnten und durfte weiterfahren. 

Ich zeigen Ihnen hier irgendwo in der Gegend ein Foto von Samy, dem Hund der Kerns, also wie er noch vor einem Jahr ausgesehen hat. Das hat zwar keinen tieferen Sinn, aber in jede gute Reportage gehört ein Tier hinein, bestenfalls ein Hund. Es kann auch eine Katze sein, Vögel sind schon sehr speziell, Krokodile gehen gar nicht. Aber ich wollte eigentlich etwas anderes sagen, nämlich, dass wir Wiener (ich zähle mich da jetzt einfach frech dazu) es noch lustig im Sommer haben werden, wenn ab Vösendorf alle paar Kilometer die Grenzbalken runtergehen.

Vielleicht enden wir alle so wie Tom Moore. Der bald 100-jährige britische Weltkriegs-Veteran wollte in der Corona-Krise etwas Gutes für die Ärzte und das Pflegepersonal seines Landes tun. Also beschloss er, in seinem Garten bei Cambridge mit seinem Rollator 100 Runden zu drehen und mit der Aktion 1.000 Pfund (1.150 Euro) an Spenden einzusammeln. Gestern wurde er fertig, die letzten Meter wurden live im Fernsehen übertragen, ein Bataillon marschierte an seiner Seite. Gesammelte Summe: Knapp 19 Millionen Euro. Schön oder?

Lassen Sie solche wunderbaren Geschichten das Leuchtfeuer für ihr Wochenende sein. Das Leben ist viel zu kurz, als dass wir es uns wegflexen lassen sollten.

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Jedem Anfang wohnt ein Zauberer inne

Fotos:
Eva Dichand: "Heute", Denise Auer
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Doris Felber: "Heute", Helmut Graf
Kern-Hund: Instagram
Veteran: Reuters, Peter Cziborra

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