Wenn alle
Masken fallen
Ein raabenschwarzer Tag
für eine Ministerin, ein
dunkelbunter für Tirol.

Man kennt sich ja nicht mehr so recht aus in diesem Land. Schon Ibiza hatte uns recht verwirrt, aber dann dachte sich Corona, die sind einigermaßen lustig in Österreich, da schaue ich einmal vorbei und das hat uns den Rest gegeben. Plötzlich ist alles anders, irgendwie verkehrt herum, die Schuhe, die gestern noch wie angegossen saßen, sind nun zu klein oder zu groß oder beides. Wir blättern durch Zeitungen und denken uns, dieser oder jener Artikel passt da gar nicht hinein. Also er passt schon hinein, aber früher hätten wir ihn nicht hier vermutet, sondern woanders.
Die Integrationsministerin und ihr Team hatten wohl eine Idee. Das Virus ist mittlerweile ein bisschen brustschwach, also könnte man den Leuten mit ein paar älteren Mittelchen aus dem ÖVP-Medizinschrank den Blutdruck wieder nach oben treiben. Nun ist es so, dass es ohne Zweifel Probleme mit den Deutschkenntnissen mancher Schülerinnen und Schüler gibt, vor allem in Wien, ich will das gar nicht kleinreden. Nach Corona und später dann nach den Sommerferien, die viele Kinder mit Migrationshintergrund wie gewohnt im Ausland verbringen werden, wird es einiges aufzuholen geben. Alles, was einer diesbezüglichen Verbesserung dient, ist mir hochwillkommen, es gibt da eine Holschuld und eine Bringschuld und nicht immer kommt man mit gut gemeintem, bloßem Zureden zum gewünschten Ziel.
52,5 Prozent der Schüler in Wien haben eine nichtdeutsche Umgangssprache, in Favoriten sind es 72,7 Prozent, in der Innenstadt 25,3 Prozent. Diese Zahlen wird der „Österreichische Integrationsfonds“ im Juni veröffentlichen und die zuständige Ministerin dachte sich, thematisch wäre das wie angerichtet für die „Kronen Zeitung“, aber am Ende blieb das Buffet kalt. Susanne Raab stellte sich dem Interview und Redakteurin Maida Dedagic begann artig. „Frau Ministerin“, fragte sie, „Sie haben ganz neue Zahlen für Wien vorliegen. Wie schauen die denn genau aus?“ Raab pfiff zunächst auf die „ganz neuen Zahlen“, sondern steckte das Feld ab. „Mir ist es wichtig, dass wir faktenbasiert Politik machen. Integration wird dort schwierig, wo Parallelgesellschaften entstehen und eine Interaktion mit der österreichischen Gesellschaft nicht stattfindet“.
In solchen Phasen eines Interviews steige ich gerne aus, denn der nachfolgende Erkenntnisgewinn ist meist gering, wenn überhaupt vorhanden. Diesmal ist das anders. Raab bringt vor, dass „mehr als die Hälfte“ der Schüler „zu Hause nicht Deutsch spricht“. Die Reporterin könnte jetzt sagen „Wahnsinn“ oder „da müssen wir dringend was tun, haben Sie vielleicht eine Idee, Frau Ministerin?“ Aber das macht sie nicht, sie bleibt nicht artig. Sie wendet vielmehr ein, dass „nichtdeutsche Umgangssprache“ ja nicht bedeutet, dass die Kinder nicht Deutsch könnten. Ich kann das an einem harmlosen Beispiel verdeutlichen. Ein mir gut bekannter Jugendlicher hat drei Jahre in England studiert. Seine Muttersprache – und nebenbei bemerkt auch seine Vatersprache – ist Deutsch. Er kann halt daneben auch gut Englisch. In der Logik der Ministerin wäre er ein Loser.
Es muss für Raab seltsam gewesen sein. Sie trägt ihr neues Datenmaterial exklusiv zur „Krone“, erwartet sich eine Berichterstattung, die von der früheren „Krone“ erwartet werden konnte, aber das Interview entgleitet. Die Ministerin versucht ihre Botschaften anzubringen, aber zwischendrin sagt Degadic: „Bei ihnen klingt Mehrsprachigkeit immer so, als wäre sie ein Problem. Man könnte sie als Integrationsministerin auch als Qualifikation sehen“. Zu diesem Zeitpunkt habe ich die „Krone“ in die Hand genommen und durchgeblättert und geschaut, ob ich nicht doch im „Falter“ gelandet bin, aber ich fand keinen Klenk und keinen Thurnher, auch das Logo war das alte und Jeannée noch da. Ich habe das Leben schon bisher nicht verstanden, jetzt ist es mir endgültig weggekippt.
Aus Georg Dornauer könnte man auch was Neues machen, er könnte etwa den Bergdoktor spielen, wenn Hans Sigl nichts mehr einfällt, was er heilen könnte, oder vielleicht findet sich eine Rolle im fünften Teil der „Piefke Saga“, an der Felix Mitterer gerade schreibt. Es sollte halt vielleicht ein Job außerhalb der Politik sein, das passt besser, möglicherweise ist aber Dornauer auch genau jener Typ, den die Politik jetzt braucht, ich weiß jetzt auch nicht. Der Tiroler SPÖ-Chef überraschte sein Publikum jedenfalls auf Instagram gestern mit einem Foto. Es zeigt ihn in einem roten Kastenwagen, er trägt eine Schilehrersonnenbrille, hat ein Schilehrerlächeln aufgesetzt und schaut schilehrermäßig aus dem geöffneten Seitenfenster. Der Kastenwagen, die rote Rache am türkisen Geilomobil, trägt die Aufschrift „Die neue SPÖ Tirol“ und ich frage mich in solchen Augenblicken des Lebens, in denen sich Parteien „neu“ nennen, immer, was eigentlich aus den alten Parteien wurde. Wo ist also die alte Tiroler SPÖ, wenn die neue Tiroler SPÖ in einem roten Kastenwagen durch die Landschaft fährt? Musste die vorher aussteigen und zu Fuß heimgehen, wo immer das ist?
Es gibt noch einen zweiten Aufdruck auf dem Fahrzeug und er lautet: „Mr. Nice rocks Nice“. Ich weiß jetzt nicht, ob Dornauer sich als „Mr. Nice“ sieht und er unterwegs nach Nizza ist, um die Stadt zu rocken, was man aber sagen kann: „Mr. Nice“ war der Spitzname von Howard Marks, der ein Physikstudium in Oxford absolvierte, aber eigentlich dann doch lieber als größter britischer Drogenhändler aller Zeiten berühmt werden wollte. Er soll in den siebziger Jahren zehn Prozent des gesamten Welthandels von Haschisch und Marihuana kontrolliert haben. Neben „Mr. Nice“ war auch „Elvis Presley“ einer seiner Tarnnamen, unter denen der Multimillionär durch die Welt reiste, sie ahnen, dass die Autobiographie von Marks ein Weltbestseller werden musste. Sie hieß übrigens „Mr. Nice“, Elvis Presley hätte vermutlich für Verwirrung gesorgt.
Ich dachte zunächst, vielleicht wäre es sinnvoll, Dornauer nach den Waffen auch den Führerschein wegzunehmen, aber dann fiel mir ein, dass die Episode ja in Tirol spielt und mein Gesicht entspannte sich – in der altersgerecht bestmöglichen Form halt. Jetzt wo die Kinos nur zaghaft öffnen, ist Tirol unser Hollywood, fast jeden Tag bereichert das Land unser Leben mit unterhaltsamen Schwänken. Die Grünen und die ÖVP haben ihren Disput beigelegt, wie meistens in solchen Fällen hat das Opfer den schwarzen Peter, in diesem Fall den schwarzen Josef. Der schwarze Josef Geisler hatte bekanntlich die WWF-Aktivistin Marianne Götsch als „widerwärtiges Luder“ bezeichnet, was für so viel Erregung sorgte, dass schließlich sogar die Frauenorganisation der Tiroler ÖVP ihren Pepi in Schutz nehmen musste.
Der Schorsch
liebt es forsch

In Tirol bekamen die Grünen auch gleich einen kleinen Vorgeschmack, was mit ihnen passiert, wenn sie aufmucken. Landeshauptmann Günther Platter berief den Koalitionsausschuss ein und drohte unverhohlen mit Neuwahlen. Ich erwähne das nur, weil die Bundesgrünen mit den Bundesschwarzen ja ab Montag in Wien in Klausur gehen. Also wenn Werner Kogler und Rudolf Anschober von Sebastian Kurz mehr fordern als dass „Müsli“ als immaterielles Weltkulturerbe in die Bundesverfassung geschrieben wird, können sie sich gleich ihre Papiere holen.
In Tirol lief das anders, da blieben die Grünen knallhart, aber mit einem weichen Herz natürlich. Geisler darf bleiben, man muss auch verzeihen können, auch als Feministin. „Aus Verantwortung für Tirol in einer schwierigen Zeit haben wir uns auf die Fortführung der Koalition verständigt“, sagte Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe. Aus ihrer „feministischen Perspektive“ sei den „grünen Kernanliegen“ Frauengleichstellung und Umweltschutz damit besser gedient. „Feministische Perspektive“, das wird in den Tiroler Google-Rankings ziemlich nach oben geschossen sein seit vorgestern.
Dabei blieb es aber nicht, es wurde auch eine „Gemeinsame Erklärung“ abgegeben, die vier Punkte umfasst. Darin heißt es, dass die Koalitionsparteien „die aktuelle besondere Dringlichkeit für die Bereiche Frauen, Gleichstellung und Antidiskrimierung“ anerkennen und deshalb werde das gleich nächstes Jahr angegangen. Heuer ist offenbar keine Zeit mehr, es ist doch schon Juni. Frauen wird es freuen, dass sie ein „Bereich“ sind, ein „Bereich“, der aber immerhin, so steht es geschrieben, „besonders den Grünen Tirol wichtig“ ist“, denn für sie ist „Feminismus einer ihrer Grundwerte“. Das heißt im Umkehrschluss, dass der Tiroler ÖVP der Feminismus ziemlich wurscht ist, jedenfalls ist er keiner „ihrer Grundwerte“, die werden momentan ja eher im U-Ausschuss in Wien debattiert. Das kann sich natürlich rasch radikal ändern, denn es gibt eine „Herbst-Klausur“ in Innsbruck und in dieser werden „Umsetzungsschritte festgelegt“. Ich werde versuchen, mit meinem Erwartungsdruck hauszuhalten.
Hier probt ein Chor

Es ist ohnehin viel Geduld gefragt derzeit. Am Rande der AUA-Rettung hatte die Regierung ein „Öko-Paket“ für den Flugverkehr präsentiert. Tickets müssen in Zukunft mindestens 40 Euro kosten, der AUA werden Flüge unter 350 Kilometer, die auch per Bahn erledigt werden können, verboten. Das kann aber ein bisschen dauern, die Umwelt wird schon Geduld haben, Klagenfurt etwa darf noch bis 2027 angeflogen werden. Ich lege meine Hand nicht ins Feuer, dass dann noch alle gegenwärtigen Regierungsmitglieder im Amt sind, nicht jeder will als Minister oder Ministerin unter einem Kanzler Rudolf Anschober dienen.
Der Billig-Carrier „Wizz Air“, auch hier muss man bei der Namensschreibung Obacht geben, reagierte auf seine Weise auf die Pläne. Er bot gestern 200.000 Flugtickets um 9,90 Euro an und zwar für Flüge nach und von Österreich. Die Fluglinie schrieb, sie wolle jeden ermutigen, „das Beste aus dieser Gelegenheit zu machen und eine Reise für die ganze Familie für knapp 40 Euro zu buchen“. Ich glaube nicht, dass Umweltministerin Leonore Gewessler das genauso im Sinne hatte, aber wenn es das Angebot schon gibt, dann könnten ja die Minister zur Regierungsklausur fliegen, Fahrräder haben ja doch einen recht beschränkten Unterhaltungsfaktor.
Unterhaltung wird jetzt dafür leichter, also die Unterhaltung untereinander. Ab kommendem Montag können wir die Maskenpflicht weitgehend als historische Anekdote betrachten. Nur mehr in den Öffis, im Gesundheitsbereich, also Apotheken, bei Ärzten und im Spital, und bei Dienstleistungen, bei denen der Mindestabstand von einem Meter unterschritten wird, also etwa bei Friseuren und Masseuren, müssen wir unsere Mund- und Nasepartie noch bedecken. Gestern Nachmittag fiel auch die Maskenpflicht für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Supermärkten. Zunächst wollte man nur das Kassenpersonal hinter Plexisglas ausnehmen, nun dürfen alle ohne Mundschutz arbeiten. In Lokalen muss „nur“ mehr das Personal Maske oder Visier tragen. In der Kirche fallen alle Abstandsregeln, im Flugzeug auch, die Sperrstunde wird auf 1 Uhr verlegt, Tankstellen-Shops dürfen länger offenhalten.
In den Theatern wird zart mit Probenarbeiten begonnen. In der Volksoper nahm der Chor den Babyelefanten nun besonders ernst, gut so. Die Sänger setzten sich in die Logen. Geprobt wird für „Sweet Charity“, „Kiss me Kate“ und „Die lustige Witwe“, die allesamt im September zur Aufführung gelangen sollen, so Corona will. Bis dahin beschränkt sich das Haus auf Konzerte am Wochenende mit maximal hundert Besuchern. Diese Eigenverantwortung, das muss man schon auch einmal anmerken, ist ganz schön anstrengend.
Foto mit Mama

Vor uns liegt ein wunderbares Wochenende, voller kleiner und großer Opern. Heute haut die Regierung wieder ein paar Ideen raus, wie man Gastronomie, Tourismus und Kultur unter die Arme greifen könnte, erstmals tritt eine neue Formation auf, Finanzminister Gernot Blümel mit Tourismusministerin Elisabeth Köstinger und Kultur-Staatssekretärin Andrea Mayer. Ich gestehe, ich habe den Überblick über die Hilfsmaßnahmen verloren, mir könnte das Trio auch was Altes neu aufpoliert als frisch glänzend verkaufen, ich würde trotzdem mit den Ohren applaudieren.
Wenn Sie mit etwas Sex ins Wochenende starten wollen, dann kann ich Ihnen „Beate Uhse – Das Recht auf Liebe“, heute auf 3Sat empfehlen, die Geschichte jener Frau, die in Flensburg, Deutschland, den weltweit ersten Sexshop gründete. Ich habe keine Ahnung, ob der Film was taugt, aber ich fand das Foto, das sie hier oben sehen, grandios. Beate Uhse 1973 mit ihren Söhnen Klaus, Ulrich und Dirk. Manchmal bin ich sehr schlicht. Bis Montag, wenn Sie mögen!
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