Die Maskenbildner
Coronator Kurz und seine Replikationsfaktoren. Eine Montage.

Dialoge im Coronajahr 2020:
„Deine Gesichtszüge wirken heute etwas maskenhaft.“
„Danke, lieb dass du das sagtst“.
Alles ändert sich momentan in Echtzeit. Es ist als hielte man einen Filmstreifen in der Hand und blicke damit in die Vergangenheit zurück, schaue dann wieder auf die Gegenwart, hin und her und her und hin. Keine drei Jahre ist es jetzt her, dass die damalige Türkis-Blaue Regierung ein Vermummungsverbot beschloss, „auf den Weg brachte“ nannte man das im neuen ÖVP-Marketingdeutsch. Gestern verordnete die Türkis-Grüne Regierung Österreich ein Vermummungsgebot. Erst durfte man keine Gesichtsverhüllung tragen, jetzt muss man, wir kommen gar nicht mehr nach mit dem Runterreißen und Raufknüpfen. Vielleicht ist es auch schon egal und wir ziehen uns jetzt alle eine Burka an und ersparen uns die ganze Streiterei in der Zukunft.
Ab morgen werden wir alle eine Schutzmaske tragen müssen, wenn wir einkaufen gehen, aber es geht auch ein Schal oder ein Tuch. Weil der Weltmarkt nicht mehr hergibt, sind noch bei weitem nicht genug Masken im Land, deshalb wird es eine Verordnung geben, in der nur von einer „Bedeckung von Mund und Nase“ die Rede ist. Europa kauft derzeit die Weltbestände leer und das zu astronomischen Preisen, zu Apothekerpreisen hätte man früher gesagt, aber Armin Wolf hat sich damit bei den Apothekern ziemlich in die Nesseln gesetzt, also lassen wir das bleiben.
Das hätte sich vor ein paar Monaten auch keiner gedacht, dass wir uns 2020 um einen Fetzen Papier raufen werden. Unsere Muttis werden Tränen in den Augen haben, wenn wir am heurigen Muttertag keine Blumen mitbringen, sondern ein Packerl Schutzmasken auf den Tisch legen und statt der Torte ein paar Einweghandschuhen servieren, es wird ein inniges Fest, küssen verboten. Ostern hat sich das Virus sowieso schon unter den Nagel gerissen.
Coronatest im Osternest

Ab morgen schauen wir dann alle ziemlich gleich aus, gleich gut oder gleich schlecht, es gibt also von der Optik her Gewinner und Verlierer der Krise, so viel kann man jetzt schon sagen. Im Fernsehen wurde „The Masked Singer“ vorübergehend eingestellt, jetzt spielen wir die Show auf der Straße nach, alle machen mit. Wer steckt unter der Schutzmaske? Die Nachbarin? Die Verkäuferin aus dem Supermarkt? Jemand Wildfremder? Auf unseren Alltag hat die Maskerade jedenfalls sofort gravierende Auswirkungen, nicht an alle denkt man sofort.
Die Konversation zwischen Verkäufer und Kunde etwa ändert sich nun grundlegend. Wenn Sie zum Beispiel noch vor ein paar Wochen mit einer Gesichtsverhüllung in eine Bank marschiert wären, dann hätte jemand dort umgehend den Alarmknopf gedrückt, alle wären in Deckung gegangen, ein tolldreister Angestellter hätte ihnen vielleicht einen Farbbeutel zwischen die Geldscheine geschummelt. Wenn Sie ab morgen am Schalter stehen und sagen „ich hätte gerne 300 Euro“, dann fragt sie der Kassier mutmaßlich höflich: „Sind sie privat da oder beruflich als Bankräuber?" Es ist dann zwar ziemlich einerlei, was Sie antworten, sie bekommen das Geld sowieso, aber eventuell wird irgendwo eine Statistik geführt und der Kassier macht jedes Mal ein Hakerl, wenn er um etwas gebeten oder eben ausgeraubt wird.
Bankräuberei wird generell ein Job, der sich in Zukunft viel leichter ausführen und erlernen lässt, eine echte berufliche Alternative für Jung und Alt, für den zweiten Bildungsweg, für Aussteiger, vielleicht bietet man das bald als Wifi-Kurs an oder als Nachschulung beim AMS. Eltern werden begeistert sein, wenn sich ihr Nachwuchs für diese Laufbahn entscheidet. „Was, Ärztin willst du werden, bist zu verrückt?“, werden sie sagen. „Das ist doch lebensgefährlich. Schau, dass du was Anständiges lernst, wie wäre es etwa mit Bankräuberei? Der Lionel, der Sohn von der Nachbarin, hat sich auch dafür entschieden und jetzt hat er schon seine erste kleine Bank gemacht.“
Früher musste man einen Bankraub mühsam planen. Wo parke ich das Fluchtauto? Wie stelle ich es an, dass ich mit meiner Maske kein Aufsehen errege? Wohin kann ich am besten flüchten? Und jetzt? Man kann sich ganz spontan entscheiden, gehe ich zum Spar oder zum Hofer oder räume ich das Geldhaus Immerkredit aus? Die Maske hat man stets dabei, Waffe braucht man keine, „Geld her oder ich huste dich an“ reicht. Das Auto parkt man direkt vor der Tür, Abstellfläche ohne Ende. Alle tragen Masken, keiner fällt auf, wenn er verhüllt in eine Bank geht. Auf der Flucht mischt man sich einfach unter die Leute, schauen sich ohnehin alle ähnlich.
Guter Schnitt, Karl!

Mit leichter Verspätung zogen der Coronator und seine Coronatoren gestern gegen Mittag zur Pressekonferenz ein. Wie üblich kamen Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner als Erste und sie hatten wie üblich Gesundheitsminister Rudi Anschober und Innenminister Karl Nehammer im Schlepptau dabei. Dessen Ehefrau dürfte beim Scherenschnitt am Sonntag nichts Gröberes angerichtet haben. Der George Clooney von der Herrengasse sah aus wie immer, die grauen Haare standen in loser Ordnung am Kopf herum, so als würden sie auf eine Entscheidung warten, was mit ihnen passieren sollte. Aber sie wirkten nicht beleidigt, weil sie nicht von einer Herrenschnittfachfrau gestutzt worden waren, in der Krise muss jeder seine Opfer bringen.
Der Coronator und seine Coronatoren nahmen Aufstellung, mit jedem Mal wirken die Auftritte besser durchchoreographiert. Immer dieselbe Anordnung, alle haben mehr oder weniger immer dasselbe an, dieselben Krawatten, nur Kogler findet nie eine, vielleicht kann man aus einer paar Mundschutz-Stoffresten etwas zusammennähen für ihn. Wie immer redet zunächst Kurz, dann Kogler, dann Anschober, dann Nehammer, es gibt keine Überschneidungen, die Texte wirken aufeinander abgestimmt, so als wären die vier vor dem Auftritt hinter der Bühne zusammengehockt wie Buben vor der Schultheater-Aufführung und hätten sich gegenseitig vorgelesen, was sie sagen wollten. Was auffiel: Keiner der Politiker hatte eine Schutzmaske auf, obwohl es doch die Maskenpflicht für alle zu verkünden galt. Da wurde eine Chance vertan. Oder besser sie wurde nicht auf den Weg gebracht.
Der Coronator hatte keine guten Nachrichten für die „lieben Österreicherinnen und Österreicher“, er sagte es lägen „schwere Zeiten vor uns“, aber er wirkte bei der Überbringung der schlechten Nachrichten zumindest nach außen hin recht gelöst. Er erzählte von einem Freund, der ihn gerade angerufen habe, weil er damit rechnete, dass Kurz das Ende der Ausgangsbeschränkungen ansagen würde. Ob es den Freund gibt (am Abend, im ORF-Interview, waren es dann schon Freunde), weiß ich nicht, aber wenn, dann scheint er nicht die hellste Kerze auf der Torte zu sein, vielleicht verdingte er sich früher als Chauffeur von Geilomobilen. Wer nur einigermaßen verfolgt, was in der Welt derzeit passiert, muss merken, dass uns zum Aufatmen einfach die Luft fehlt. „Bald wird jeder jemanden kennen, der an Corona gestorben ist“, sagte Kurz im ORF-Interview zur besten Sendezeit. Es gibt Sätze, die schneiden Tage in Stücke.
Spital Central Park

Nun also müssen alle Hotels zusperren, über generelle Ausgangsverbote von Senioren wird nachgedacht, bald wird es eine Maskenpflicht für den gesamten öffentlichen Raum geben. Alle werden sich verhüllen, sobald sie das Haus verlassen. Es wird überlegt, die Masken per Post ins Haus zu schicken, sobald genügend im Land sind, vorerst werden sie von den Supermärkten verteilt, gratis, zunächst war von 50 Cent pro Stück die Rede, am Kassabon sollte das automatisch aufscheinen. Drei Millionen Menschen gehen in Österreich pro Tag in einen Supermarkt einkaufen. Da sind Masken schnell unter die Leute gebracht. Sie halten allerdings nur vier Stunden, dann sind sie zu feucht. Es sind Wegwerfprodukte, man kann sie nicht waschen, bügeln und zur Damastbettwäsche in den Schrank legen. Also man kann schon, es bringt nur nichts.
Ob sie zu etwas taugen, wer weiß? Wer drei Experten fragt, erhält vier Meinungen, die Weltgesundheitsorganisation WHO ist skeptisch, andere halten die Einführung für eine gute Idee. Österreich ist unter den ersten Ländern in Europa, die eine Maskenpflicht starten, es werden wohl andere folgen. Man wird hin- und hergeworfen in diesen Tagen bei der Eischätzung der Lage, so als stünde man auf dem Oberdeck eines Schiffes in schwerer See. Studien langen ein, die sagen, es werde alles furchtbar, wenig später folgen andere Untersuchungen, die das genaue Gegenteil verheißen, wer weiß schon, was zutrifft, was nicht? Tagelang schauten wir nun gebannt auf Kurven, die anzeigen sollten, wie sich die Krankheit entwickelt, unter 10 Prozent sollte der Zuwachs der Infizierten liegen, das wären dann gute Nachrichten. Gestern war davon keine Rede mehr, statt den guten Nachrichten kamen schlechte und plötzlich gilt der „Replikationsfaktor“ als die entscheidende Größe. Er sagt aus, wie viele Menschen ein Covid-19-Positiver ansteckt. Unter 1 sollte der Wert liegen, okay kümmern wir uns halt ab jetzt um diesen Kerl. Replikator, das klingt wie eine Figur aus "Jurassic Park".
Keiner will schuld daran sein, zu lasch gehandelt zu haben, aber was genau passiert in diesen Tagen mit uns wird man wohl erst wissen, wenn man durch ist durch das Unwetter, hoffentlich dauert es nicht zu lange. Für Eltern ist das eine schwere Prüfung im Moment. Der Coronator versetzte ihnen gestern einen schweren Schlag in die Magengrube. Er kündigte an, dass Geschäfte am schnellsten, Schulen eher später aufgesperrt würden, denn sie seien „volkswirtschaftlich nicht relevant“.
Die volkswirtschaftlich Irrelevanten sitzen momentan daheim vor volkswirtschaftlich irrelevanten Hausaufgaben, die ihnen volkswirtschaftlich irrelevante Lehrer übermittelt haben und werden dabei betüddelt von ihren volkswirtschaftlich irrelevanten Müttern. Ja, es sind in der Regel Mütter, die zum Handkuss kommen, das sollte man klar benennen. In der Krise ist das Biedermeier blitzartig zurück, so schnell kann man gar nicht schauen. Und die gemeinsame Aussicht all der volkswirtschaftlich Irrelevanten, diese Familienaufstellung nun bis zum 1. September durchhalten zu müssen, ist keine, die in die Kategorie prickelnd fällt. Man kann es auch direkter sagen: Das Burgtheater hat zu, die Tragödien spielen sich jetzt in den österreichischen Familien ab. Es sind vielfach keine von Zwiebeln induzierten Tränen, die zu Boden fallen.
Jó éjszakát, Demokratie!

Es wird noch viele Tränen geben in dieser Krise, nicht nur bei uns. In New York wird gerade im Central Park ein Zeltspital mit Intensivbetten hochgezogen, Donald Trump spricht nun von 100.000 Toten, die zu befürchten sind. Der Präsident taucht nun fast täglich im Fernsehen auf, er rühmt sich, dass seine Pressekonferenzen 8,5 Millionen Zuschauer haben, so viel wie sonst Footballspiele und das Finale des „Bachelor“. Über sein anfängliches Leugnen der Krise spricht er nicht. „Fake News“, nennt er das.
In unserem Nachbarland Ungarn stehen auf das Verbreiten von „Fake News“ oder bloßen Gerüchten jetzt bis zu fünf Jahre Haft. Was „Fake News“ oder Gerüchte sind, bestimmt mehr oder weniger das Umfeld von Premier Viktor Orbán, der nun allein regiert, ohne Parlament, per Dekret und das so lange wie er das für richtig hält. Gestern billigte das Parlament seine eigene Entmachtung, 137 der 180 Abgeordneten stimmten mit Ja. Der Notstand gilt ohne Limit, es darf in dieser Zeit keine Wahlen geben, keine Volksabstimmung, Orbán kann jedes Gesetz aussetzen. Die EU schweigt dazu. Corona killt nicht nur Menschen, das Virus ist dabei, auch Demokratien zu töten, es hat längst auch die Europäische Union befallen. "Jó éjszakát!" Gute Nacht, Demokratie!
Kein schöner Land in dieser Zeit. Nicht entmutigen lassen, es werden bessere Tage kommen. Verbringen sie mit dieser Aussicht einen wunderbaren Dienstag!
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