Ein Ball, viele Bälle

Der Tag, an dem wir alle zu Dominikanern wurden. Und an dem wir uns fragten: Kann Kogler Opernball?

Kurz nach ihrer „Kremser Erklärung“, die allen Milch und Honig versprach, musste die neue Regierung einen herben Rückschlag einstecken. Sie bekam brutal vor Augen geführt, dass die „Umsetzung“ von Vorhaben, die jetzt aber so was von zügig angegangen werden sollen, mitunter recht lange dauern kann, im Einzelfall sogar Millionen Jahre. In der Steiermark wurden zwei Dinosaurier festgenommen und das noch dazu von einer Cobra. Es überrascht, dass die „Umsetzung“ der Festnahme sich so in die Länge zog, da man ja spätestens seit „Jurassic Park“ weiß, dass Dinosaurier dubiose Gestalten sind, die oft nicht nur grimmig dreinschauen, sondern auch einen grimmigen Charakter haben und viele obendrein Mundgeruch.

Bevor mir jetzt jemand wieder vorwirft, ich würde allerlei erfinden, räume ich ein, dass natürlich nicht zwei echte Dinosaurier abgeführt wurden, sondern Menschen, die als Saurier verkleidet waren. In Graz fand vor dem Magna-Werk eine Demo der Gruppierung „System Chance, not Climate Change“ statt, die Organisation war mir, ich gebe es zu, bisher unbekannt. Offenbar aber kannte sie auch die Polizei nicht, denn die Blockade der Eingänge war heimtückischerweise nicht angemeldet worden, oder das Telefonat eines Polizeihofrats, in dem er ankündigte, jemandem „die Wadln vire richten“ zu wollen (den Sauriern vielleicht), fand wieder einmal nicht ausreichend genug Gehör.

Saure Saurier

Jedenfalls fanden sich Freitag um die 100 Aktivisten ein, ein paar ketteten sich auch an oder saßen auf den Zufahrtswegen. Demonstriert wurde gegen Autos, die „erst gar nicht aus der Fabrik rollen“ dürften und „raus aus der Stadt“ müssten, so die Veranstalter, wie beides miteinander vonstatten gehen soll, wurde nicht näher erläutert. Der Protest, so betonten sie, richte sich aber nicht gegen die Beschäftigten des Werkes, was wiederum die Beschäftigten des Werkes verwirrte, denn wenn Autos „erst gar nicht aus der Fabrik rollen“ dürfen, was sollten sie dann noch in der Fabrik tun? Auf der Webseite der Organisation war zu lesen, dass „Beschäftigte und Bevölkerung“ entscheiden sollten, „was und wie von solchen Riesenkonzernen produziert wird“. Ob die ArbeiterInnen beruhigt, dass es bald eine Volksabstimmung darüber geben dürfte, was sie in Zukunft herstellen sollen, weiß ich nicht.

Zwei Aktivisten, einer in Violett, einer in Orange, hatten sich jedenfalls als Tyrannosaurus rex verkleidet, was nicht ganz stimmig war, denn Saurier haben, was den Klimaschutz betrifft, keine weiße Weste. Nicht alle waren nämlich Veganer oder zumindest Vegetarier, einige aßen sogar ziemlich viel Fleisch. Ob sie also Menschen, wären sie ihnen früher über den Weg gelaufen, aufgefressen, oder nur grimmig angeschaut, oder sie mit ihrem Mundgeruch belästigt hätten, wäre also Geschmackssache gewesen. Sie erscheinen da etwa so wankelmütig wie die SPÖ beim Thema Sicherungshaft.

Auch Werner Kogler ist dieser Tage sehr unentschlossen. Ich möchte einmal wissen, wie viele Stunden am Tag er sich überlegt, ob er jetzt auf den Opernball gehen soll oder nicht. Kanzler Sebastian Kurz kann sich bekanntlich heuer schrauben, weil er am 20. Februar zu einem EU-Gipfel eilen muss, auf dem das Budget für die nächsten sieben Jahren verhandelt werden soll. Lächerlich, als ob das nicht Gernot Blümel machen könnte. 

Kurz kommt nicht, Vonn auch nicht, Kogler zögert. Nehammer darf nicht (als Innenminister steht man bei den Polizisten vor der Tür), es bleibt wieder einmal alles am Bundespräsidenten hängen. Van der Bellen muss natürlich hingehen, obwohl er, so ist zumindest meine Beobachtung, auf Bällen häufig etwas verloren aussieht. Vielleicht weil er „Juli“ nicht mitnehmen darf, die vermutlich am Opernballtag daheim auf der Wohnzimmercouch lümmelt und sich ein paar Staffeln „Daktari“ reinzieht.

Nett hier, oder?

Weil Kogler hin- und hergerissen ist, ob er im Frack super oder nur so lala aussieht, verpasste er gestern auch den richtigen Moment. Um 13.46 Uhr MEZ knallte Dominic Thiem im Finale der Australien Open eine Vorhand ins Out und machte damit Novak Djokovic zum Sieger. Der neue Sportminister brauchte eine Viertelstunde, um das sporthistorisch einigermaßen einzuordnen. Oder er hatte sich beim Zappen verirrt, schaute ORF 1 und wunderte sich, dass den Tennisspielern als Erschwernis jetzt auch Riesentorlaufstangen hingestellt werden. Da war sein türkiser Kumpel von der Regierungsbank schneller. Schon um 13.56 Uhr twitterte Sebastian Kurz, den selbst nur die Kanzlerschaft an einer exorbitanten Sportkarriere gehindert hatte: „Ganz großes Tennis“. Und damit ein für alle Mal klargestellt war, in welcher Gefühlswelt seine Untertanen daheim zu sein haben: „Österreich ist stolz auf dich“. Er ist wirklich mit der halben Welt per Du.

Das bewegte auch Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, die um 13.58 Uhr nachlegte. „Schaaaaaade!“, schrieb sie unter Beiziehung von sechs „a“ und einem Rufzeichen. SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner blieb bei einem einzigen „a“ und verwendete für ihren Tweet, was schon da war, bei der Parteiarbeit geht es ihr ja ähnlich. „Schade“, trauerte sie. 

Da geht noch mehr, dachte sich der Bundespräsident und zog um 14.11 Uhr mit „so schade!!!“ und unter Verwendung von drei Rufzeichen nach. Dazwischen hatte offenbar auch Werner Kogler das Durchblättern des Katalogs mit Frackmustern unterbrochen, er twitterte nämlich um 14.01 Uhr: „Was für ein unglaublicher Fight“ und meinte vermutlich damit das Tagewerk von Thiem, nicht die Besprechungen bei der Regierungsklausur.

Und die Blauen? Nichts von Herbert Kickl, nur Norbert Hofer erweiterte das Sportereignis um eine Mediendebatte. „Dass der ORF das historische Finale nicht überträgt, ist ein weiteres Argument gegen die Zwangsgebühren“, schrieb er, „rund 20.000 Euro bezahlt man im Lauf eines Lebens an den ORF“. Um das Geld kaufen sich andere Zäune. Heinz-Christian Strache verhielt sich ruhig. So wird es schwer im Kampf um Wien.

Was bleibt von diesen Australien Open? Mit Sicherheit viele Wortkreationen mit Thiem drin in den nächsten Tagen, Thiemgeist ginge, oder Thiemspirit, oder thiemfähig, oder Thiembuilding, natürlich Thiemwork oder Dreamthiem. Der Jahrgang für die Schuleinschreibung 2026/27 wird mehrheitlich Dominic heißen, wer abseits vom Mainstream unterwegs sein will, schreibt Dominic mit „k“. Und, ja, vielleicht sehen wir Werner Kogler doch noch mit Strähnchen am Opernball.

Glückssträhnchen

Auch zur Corona-Epidemie schrieb Strache nichts, dabei gäbe das Virus an Verschwörungstheorien einiges her. Es werden Flüge eingestellt und Bahnverbindungen stillgelegt, Schulen und Unis und Kaffeehäuser und Restaurants und Büros und Sportanlagen geschlossen, Tausende Kilometer Grenze zugemacht, Menschen ausgeflogen oder in Quarantäne gesteckt, viele tragen Schutzmasken oder hüpfen zur Seite, wenn man in ihrer Gegend hüstelt, auch in Wien. Asiatische Lokale sind leer und wenn Chinesen oder Menschen, die wie Chinesen aussehen, die Straße entlangkommen, dann wechseln manche die Straßenseite. Auf Twitter schrieb eine Buchhändlerin, dass die erste Kundin bei ihr gefragt habe, ob es ein bestimmtes Werk auch in Plastikfolie eingeschweißt gäbe. Die Ansteckungsgefahr, sie verstehen. 

Es wird also so getan, als bestehe Gefahr, dass wir alle in den nächsten Wochen aussterben, gleichzeitig winken Politiker ab und sagen, „keine Panik, alles unter Kontrolle, chillt ein bisschen“. Lügen die, oder verstehen wir etwas nicht richtig? Ich warte jedenfalls auf die erste Polizeimeldungen über einen Raubüberfall aus der Lugner City: „AirPods her, sonst mache ich dich Corona!"

Mögen Ihre Strähnen solche des Glücks sein.
Haben Sie wunderbaren Montag.

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