Ein Land im Fieber

Erst Anschober verschollen, dann Strache verletzt. Die Politik ist ein riskantes Geschäft.

Das Leben war früher einfacher, das muss man schlicht so festhalten. Da gab es Flugzeuge, Hubschrauber und Dienstautos für Politiker, man nahm, was da war und schnell. Es war die Zeit, als das Klima noch in der Lage war, auf sich selber aufzupassen, dann verlor es die Kontrolle über sein Leben und wer muss es wieder einmal ausbaden? Die Regierung natürlich. Fährt sie mit dem Bus, lachen alle, fährt sie nicht mit dem Bus, führt das zu einer parlamentarischen Anfrage. „Es ist alles sehr kompliziert“, sagte Kanzler Fred Sinowatz dem Sinn nach 1983. Im selben Jahr versuchten die „Alternative Liste Österreichs“ und die „Vereinigten Grünen Österreichs“, erstmals ins Parlament zu kommen und scheiterten bei der Wahl.

Jetzt, rund 37 Jahre später, sitzen die Grünen in der Regierung und die Flugzeuge und die Hubschrauber und die Dienstautos lungern immer noch herum, aber jetzt hat das Klima bösen Schnupfen und wenn wir nicht aufpassen bald Corona. Deshalb steht es Politikern gut zu Gesicht, wenn sie zu Fuß gehen, Fahrrad fahren oder Öffis nutzen, für die Grünen ist sowieso jedes Radl ein Geilomobil.

Bitte weitergehen,…

… hier gibt es nichts zu sehen

Im 22. Stock des Towers am Wiener Flughafen ist es auch irgendwie geil, zumindest die Aussicht. Von da aus hätte man gestern einen Flieger der „Air China“ sehen können, der für 6.05 Uhr avisiert war, aber nicht kam und da war er nicht der einzige. Um 8.40 Uhr standen der Innenminister, eine niederösterreichische Landesrätin, der Flughafen-Vorstand, das Rote Kreuz, die niederösterreichische Landessanitätsdirektorin und der ORF, der einen ZiB-Live-Einstieg machen wollte, bereit und warteten. Und warteten. Und warteten – auf Gesundheitsminister Rudolf Anschober. Es wurde 8.45 Uhr. Kein Minister. Es wurde 8.50 Uhr. Kein Minister. Seine Pressesprecherin war da, er nicht. 

Also wurden zwei Polizisten losgeschickt, um nach Anschober zu suchen. Er ist ja doch aus Oberösterreich, da sind die Städte kleiner und putziger, man hat immer irgendetwas, um sich zu orientieren, eine Pestsäule, eine Raika-Filiale, ein Plakat, das auf eine Viehmesse hinweist. Der Flughafen aber ist groß, hat viele unterirdische Gänge und keine Pestsäule. Es gibt natürlich eine Raika, aber die liegt ziemlich entlegen und das hilft nicht weiter. Man wusste, Anschober sollte mit dem CAT kommen, dem Shuttle von Wien-Landstraße zum Airport, auch so eine Art grünes Geilomobil. Hatte er den Zug verpasst? Nach kurzer Suche, man ist ja vom Fach und weiß wo sich Menschen vom Land gern verstecken, entdeckten die beiden Polizisten Anschober. „Herr Minister“, riefen sie ihm lauthals zu. Anschober schreckte sich. Er habe gedacht, „um Gottes willen, was habe ich gemacht?“, erzählte er später lächelnd. Um 9.02 Uhr konnte die Pressekonferenz beginnen. Mit Anschober. Geil!

Beim Medientermin geht es um etwas, das es eigentlich nicht gibt, aber irgendwie doch, so etwas wie die SPÖ halt. Wir haben ja keinen Corona-Virus im Land und seit Wochen sagen uns Politiker, dass wir uns nicht fürchten müssen, aber, um ehrlich zu sein, am meisten fürchte ich mich vor Politikern, die sagen, dass ich mich nicht fürchten muss. Es sollen jetzt bei allen Passagieren, die aus China kommen, Temperaturmessungen vorgenommen werden, damit wir uns nicht mehr fürchten müssen und deswegen fangen wir nicht einfach damit an, sondern fünf Verantwortliche laden halb Österreich zu einer Pressekonferenz, um zu sagen, dass man jetzt anfängt, damit sich niemand mehr im Land fürchten muss.

Maskenbildner

Nur der Flieger fehlt. „Air China“ verspätet sich an diesem Tag um fünf Stunden, ein Schneesturm. Man hat aber bei den 140 Passagieren und 15 Crew-Mitgliedern vor dem Start Temperatur gemessen, während des Fluges laufend kontrolliert, es wurden „Passenger-Locator-Cards“ ausgefüllt und wer den Virus in sich trug, musste das spätestens jetzt gestehen. Nach der Landung um Mittag herum in Wien, wurde erneut die Temperatur gemessen, wieder war keiner krank. Das Corona-Virus wird es sich jetzt gut überlegen, ob es tatsächlich einmal zu uns fliegt, die dauernden Kontrollen sind ja auch für Erkrankungen ziemlich anstrengend und ungesund.

Andererseits, wenn ich noch einmal auf die Welt kommen sollte, dann werde ich vielleicht trotzdem ein Virus und mache mich auf den Weg nach Österreich. Wo sonst konnte man bisher so gefahrlos einreisen? Vor 37 Tagen erfuhr die Welt, dass in China mutmaßlich eine Epidemie am ausbrechen ist. Es kamen mehr und mehr Bilder und Berichte über Erkrankte und Tote, die USA und danach andere Länder schränkten ihren Luftraum ein, die Lufthansa und später die AUA stoppten ihre China-Flüge, VW stellte die Produktion in China ein, Ikea machte die Möbelhäuser zu, immer mehr europäische Unternehmen flogen ihre Mitarbeiter aus, Österreich holte sieben Landleute zurück. Währenddessen landeten pro Woche 400 Passagiere allein an Bord von „Air-China“-Direktflügen in Wien, wo man von Panik abriet, was, wie gesagt, bisher immer sehr erfolgreich war. Diese 400 Passagiere reisten unbehelligt in Österreich ein. Aber ab Tag 37 wird jetzt kontrolliert, aber wie.

"Ehrliche Freunde"

Also entweder das Virus war und ist nicht so gefährlich wie alle tun, dann kann man das mit den Kontrollen lassen. Oder es ist gefährlich, dann muss man kontrollieren und das sofort. Sofort heißt gleich, nicht nach 24 Stunden, zwei Wochen oder nach 37 Tagen. Ich will dem Virus ja keine Tipps geben, aber jetzt, wo alle mit dem Fiebermesser in Schwechat stehen, würde ich nach München fliegen, oder nach Prag und dann mit dem Auto, oder dem Zug nach Österreich fahren. Da wäre jetzt zwar gemein vom Virus, aber ich habe gehört, dass sollen ziemliche Ungustln sein.

Ich muss in diesen Tagen an Wolfgang Graninger denken. Er war der Arzt von Thomas Klestil, als der damalige Bundespräsident 1996 daheim ohnmächtig wurde und mit einer schweren Lungenentzündung ins AKH kam. Dort versetzte ihn Graninger in den künstlichen Tiefschlaf, vergaß aber die Bundesregierung davon zu verständigen. Das Staatsoberhaupt lag im Koma im Krankenhaus, keiner erfuhr es. In der „Zeit im Bild 2“ rechtfertigte sich der Spitzenarzt so: „Wenn jemand gesagt hätte, der Bundespräsident muss jetzt entscheiden, ob Österreich an die Ukraine angeschlossen wird, hätte ich ihn schon aufgeweckt und gesagt, Herr Bundespräsident, entscheiden sie sich. Ansonsten ist in Österreich am Freitag, Samstag, Sonntag ja ohnehin Stille“. 24 Jahre später hat man in Österreich zuweilen weiterhin den Eindruck, in einem Land zu leben, an dem ständig „Freitag, Samstag, Sonntag“ ist und damit „ohnehin Stille“.

Wenn da nicht Heinz-Christian Strache wäre. Der frühere Chef der FPÖ und nunmehrige DAÖ-Aspirant urlaubt derzeit samt Ehefrau im Defereggental in Osttirol und es wundert mich, dass noch kein TV-Sender auf die Idee gekommen ist, eine Telenovela daraus zu machen. „HC im Schnee“, oder „Fräulein Philippas Gespür für Schnee“, oder „Die Eiskönigin“ oder „Soko St. Jakob“ oder „Gold Rush“, es gäbe eine Vielzahl von Serientiteln, die in Frage kämen. Allein der Tag gestern bot Stoff für eine komplette Staffel. Die John-Otti-Band könnte die Titelmelodie spielen, Odin Wiesinger sich um das Filmplakat kümmern, Ursula Stenzel müsste in jedem Fall eine Rolle bekommen.

"Bruchlandung"

Was bisher geschah: Strache fuhr, wie die vergangenen 17 Jahre immer, in den Semesterferien nach Osttirol. Da wollte ihn sein bisheriger Quartiergeber jetzt plötzlich nicht mehr haben, oder Strache ihn nicht, das müsste man in der Serie offenlassen. Jedenfalls bezog der Vielleicht-bald-wieder-Politiker mit seiner Angetrauten nicht in St. Jakob, sondern im neun Kilometer entfernten St. Veit Quartier, Philippa bekam das gar nicht so richtig mit. Auf Facebook schrieb Strache gestern, dass er es diesmal vorgezogen habe, sich „bei lieben und ehrlichen Freunden in einem gemütlichen Hotel…einzuquartieren“. Warum er quälende 16 Jahre bei unlieben und unehrlichen Feinden verbracht hat, verrät er nicht.

Skifahren muss die letzten Tage für ihn die reine Wonne gewesen sein, denn er schreibt von „freundlichen und herzlichen Aufenthalten in den unterschiedlichen Gastronomiebetrieben, auf den Skipisten und von Seiten der überaus liebenswürdigen, freundlichen und ehrlichen Bevölkerung“. Ich habe Zweifel, dass er jemals wieder nach Wien zurückkehrt, wo es zwar auch „unterschiedliche Gastronomiebetriebe“ gibt, aber man nie weiß, ob die Bevölkerung „liebenswürdig, freundlich und ehrlich“ ist. Er könnte in Osttirol eventuell ganz gut von den Goldreserven aus der „Pension Enzian“ leben, vielleicht hat er auch noch ein paar Barren im Wald vergraben.

Bei aller Liebenswürdigkeit, Freundlichkeit und Ehrlichkeit warf ihn die Skipiste in Osttirol dann gestern recht unliebenswürdig, und unfreundlich, aber doch ehrlich ab. Zunächst postete Strache auf Instagram ein Foto, das ihn beim Sprung von einer ansehnlichen Schanze zeigt. „St. Jakob im Defereggental ist einfach ein Traum,“ schrieb er dazu, das war vor der Landung. Wie schnell Träume platzen können, weiß er aus seiner jüngsten, politischen Vergangenheit. Zwei Stunden nach Sprung und Landung ergänzte er sein Posting um zwei Sätze: „Man sollte als 50-Jähriger nicht mehr alles nachmachen“. Und: „War eine volle Bruchlandung“. Wer glaubte, Strache habe in diesem Augenblick mit Ibiza seinen Frieden gemacht, wurde durch zwei Fotos enttäuscht, die wenig später auftauchten und den Ex-Vizekanzler in einem Rollstuhl zeigen. „Ich habe mir leider eine Verletzung am Knie zugezogen“. Ich fand sofort, das wäre ein gutes Ende der aktuellen Serienfolge und so war es dann auch.

Sehen Sie das nächste Mal: „Die Straches beim Bergdoktor. Eine unheilvolle Diagnose und wie Philippa darauf reagiert“.

Haben Sie ein wunderbares, sturzfreies Wochenende.

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