Eine Frage der Ehre
Strache in Osttirol, ein Sektionschef in
Erklärungsnot, ich im „Falter“ – Sachen gibt's…

Höflichkeit ist ja sooo wichtig. Als einer meiner Buben noch klein war und in die Volksschule ging, bekam seine Klasse eines Tages Besuch von einem Inspektor der örtlichen Polizei. Er sollte sie über Gefahren im Straßenverkehr informieren. Weil es warm war, zog er sich die Uniformjacke aus, hängte sie über den Sessel, den Gürtel mit dem Pfefferspray und das Holster mit der Glock drin, legte er auf den Lehrertisch. Leider vergaß er alles dort, als er in die nächste Klasse wechselte. Mein Sohn, den meine Frau und ich von klein auf immer zur Höflichkeit ermuntert hatten, schnappte sich kurzentschlossen den Gurt mit dem Pfefferspray und der Pistole und trug ihn dem Inspektor erhobenen Hauptes in die Nachbarklasse nach. Als ich davon erfuhr, war ich verblüfft, um es höflich auszudrücken.
An den Vorfall musste ich denken, als ich jetzt die Berichte über Christian Pilnacek las. Der Sektionschef im Justizministerium empfing in seinem Büro im Ministerium die Casinos-Aufsichtsräte Walter Rothensteiner und Josef Pröll, obwohl die beiden als Beschuldigte im Casinos-Verfahren geführt werden. Es sei ihm um die „Gefühlslage“ der beiden gegangen, verteidigte sich Pilnacek, und fügte an, er sei der Bitte um den Termin „aus Höflichkeitsgründen“ nachgekommen. Es freut mich zu hören, dass die Justiz, die allenthalben Klage über Personalnöte führt, den Terminkalender flott freischaufelt, wenn es darum geht, sich die Sorgen und Nöte von Managern anzuhören.
Das eröffnet ungeahnte Möglichkeiten. Die Grünen könnten im Parlament der Sicherungshaft „aus Höflichkeitsgründen“ zustimmen, die Türkisen im Gegenzug der guten Manieren wegen die Wiederaufnahme der Seenotrettung im Mittelmeer durchwinken. Hofer nimmt Strache wieder in der FPÖ auf, die „Süddeutsche“ löscht das Ibiza-Video, Van der Bellen macht Norbert Hofer in der Hofburg Platz und lässt ihm sogar „Juli“ da, der „Plan A“ von Christian Kern wird das neue SPÖ-Parteiprogramm, Kardinal Schönborn hängt die Kreuze im Stephansdom ab, Sebastian Kurz kocht im „Motto am Fluss“ Kaiserschmarrn. Wenn wer fragt, warum? „Höflichkeitsgründe“.
Der Chic des Oberschulrates

Ob auch der Leibwächter von David Cameron „Höflichkeitsgründe“ als Ausrede benutzte, weiß ich nicht. Jedenfalls vergaß er, als er mit dem britischen Ex-Premier unterwegs von New York nach London war, seine Waffe auf der Bordtoilette der „British Airways“. Ein Passagier fand die Glock 17, es wurde eine Untersuchung eingeleitet, die Briten sind da deutlich unhöflicher als unsere Landpolizei.
Aber ich schweife ab, denn der gestrige Tag begann eigentlich mit einem Schuss in den Ofen. Nach Lindsey Vonn, Sebastian Kurz und den Teletubbies, sagten auch Heinz-Christian Strache und seine Philippa für den Wiener Opernball ab. Dafür kommt heuer erstmals Fadi Merza. Vielleicht ist es vernünftiger, man entscheidet sich diesmal für ein Fest im kleineren Rahmen und trifft sich eventuell beim „Scharfen René", der Imbiss am Schwarzenbergplatz soll ja Wiens beste Würste feilbieten.
Ich gehe auch nicht auf den Opernball, aber das hat mich der „Falter“ seltsamerweise nicht gefragt. Die Zeitschrift widmet mir in seiner neuen Ausgabe zwei Seiten. Das ist sehr freundlich, aber reichlich übertrieben. Ich lese Geschichten über mich eigentlich nicht, was einerseits daran liegt, dass es bisher keine gab, andererseits auch daran, dass ich das meiste, worüber geschrieben wird, kenne und das aus nächster Nähe. Aber ich dachte mir, ich muss vielleicht ein bisschen an meiner street credibility arbeiten, der „Falter“ hat da schon recht, wenn er schreibt, dass ich „so bescheiden und unprominent“ sei, dass ich bisher „ohne Wikipedia-Eintrag“ ausgekommen bin. Schwere Lasten ruhen auf meinen Schultern.
Glock, Glock

Der „Falter“ schickte Lukas Matzinger zu mir, einen flotten, jungen Mann, zumindest zweisprachig, denn hin und wieder rutschen ihm steirische Dialektworte in den Sprachfluss. Ich dachte, wir setzen uns kurz auf einen Kaffee zusammen, er kratzelt ein paar Notizen hin und macht daraus dann eine Kleinigkeit darüber in seiner Zeitung, gut versteckt zwischen Porridge-Rezept und dem Bild von Lois Hechenblaikner, der seit 20 Jahren, so schreibt der „Falter“, „die Auswüchse kommerzialisierter Volksmusik“ fotografiert.
Aber nein, Matzinger gefiel es bei uns, vielleicht ist sein Büro noch schiacher, unseren Newsroom nannte er eine „Nachrichten-Legebatterie“ und weil er so klein ist, der Newsroom meine ich, rief Matzinger, gleich als er reinkam fragend quer durch den Raum, „das ist alles?“. Klar, mit einem Ringstraßenpalais wie der „Falter“, können wir nicht dienen. Matzinger blieb trotzdem zwei Stunden in der „Nachrichten-Legebatterie“ und hörte überhaupt nicht mehr auf mit den Fragen, bis 2012 zurück hatte er das Archiv durchstöbert. Im Besprechungszimmer wurde es dunkler und dunkler. Ich bot ihm an, eine Frage der Höflichkeit, das Licht einzuschalten, aber beim „Falter“ sind sie offenbar zur Sparsamkeit erzogen. Irgendwann wurde es dann aber so finster, dass ich nur mehr die Fragen hörte und nicht mehr den Reporter sah, da gab er auf.
Ich werde ungern fotografiert, also genauer gesagt, das Fotografieren ist mir wurscht, aber leider entstehen dabei Bilder und auf den meisten sehe ich aus, als wäre ich beim Figlmüller bei der letzten Tranche Schnitzel zwischen Fleischklopfer und Arbeitsbrett gerutscht. Man hätte für die Geschichte auch gar kein Foto benötigt, denn Matzinger schreibt über mein Äußeres: „Er trägt Glatze und Schnurrer – der Chic der Oberschulräte“. Wenn ich einmal krank bin, kann der Typ meine Kolumne übernehmen.
Aber er hat das sehr gut gemacht, danke, man erfährt so ausreichend wenig über mich Oberschulrat, wie ich es gerade noch gern habe. Dass in Klagenfurt, wo ich her bin, das Flutlichtlicht des Wörthersee-Stadions ins Kinderzimmer leuchtete, ertrage ich gerade noch als Eingriff in meine Privatsphäre, zumal es das Wohnzimmer war, der Redakteur hat da etwas durcheinander gebracht, oder ich, oder wir beide, ich bin in solchen Angelegenheiten keine Leuchte.
"Absoluter Blödsinn"

Wenn man von Klagenfurt aus, eventuell gut ausgeleuchtet vom Flutlicht des Wörthersee-Stadions, nach Westen hinausfährt, Villach links liegen lässt, was ich jetzt nicht werten möchte, nach Spittal links abbiegt, dann landet man irgendwann in Osttirol. Es ist sehr schön da, das weiß auch Heinz-Christian Strache, in der „Pension Enzian“ bunkerte er den Goldschatz der FPÖ, dank Ibiza weiß man ja nun einiges mehr über die Geschäftsgebarungen der Blauen.
Strache muss aber nicht mehr unter Mühen nach Ibiza reisen, neuerdings genügt es vollauf, wenn er sich mit seiner Gattin Philippa ins Deferregental verfügt, um Stoff für einen ganzen Abend Villacher Fasching zu liefern, was nicht zwingend heißt, dass es lustig wird. Als HC noch als FPÖ-Chef gülden glänzte, war er in St. Jakob wohlgelitten, immer in den Semesterferien fuhr er in den Skiort, meist quartierte er sich in der Appartmentpension von FP-Nationalrat Gerald Hauser ein. Ob er das Zimmer mit Goldbarren bezahlte, ist nicht überliefert.
Gute Zeiten, schlechte Zeiten, Straches Herz hängt nun am DAÖ, sein Buddy Hauser will nichts mehr von ihm wissen und die „Kleine Zeitung“ schrieb gar, dass die Straches mit Schimpf und Schande aus St. Jakob vertrieben worden seien. Man habe heuer in St. Veit, rund neun Kilometer entfernt, Quartier beziehen müssen. „Das ist ein absoluter Blödsinn“, sagt Philippa Strache zu „Heute“, allerdings nimmt sie es mit der Geographie nicht so genau. „St. Jakob ist sehr klein und St. Veit liegt genau davor“, erklärt sie, „ohne die Kleine Zeitung hätte ich gar nicht gewusst, dass das Hotel nicht in St. Jakob liegt“.
Und Osttirol schweigt natürlich über die Affäre. In der „Pension Enzian“ will man sich „absolut und überhaupt gar nicht“ äußern. Der Bürgermeister von St. Jakob möchte „überhaupt nichts“ zu der Sache sagen, „gar nichts“ auch der Tourismusverband Defereggental. Von ebendort sollte es, laut Philippa Strache, gestern noch eine offizielle „Stellungnahme“ zum Hotelgate geben, was den Tourismusverband überraschte, denn dort wusste man nichts davon. Jedenfalls aber möge man „wirklich alle Menschen, ehrlich“. Im Urlaub ist halt immer noch alles Gold, was glänzt.
Rein aus Höflichkeit: Haben Sie einen wunderbaren Donnerstag.
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Fotos: picturedesk, Screenshot "Falter"