Erst Messe, dann Baumarkt
Heute mit Rindenmulch, Filterkaffee und Altstoffsammelzentren.

Ehe ich beginne, muss ich Sie warnen: Das nachfolgende Stück ist nicht autorisiert, von niemandem, nicht dem Kanzler, von keinem Ministerium, auch nicht von einer nachrangigen Behörde. Besser Sie lesen nicht weiter, es führt Sie nur ins Verderben. Schließen Sie die Webseite unauffällig, schauen Sie unschuldig in der Gegend herum, pfeifen dazu vielleicht ein bisschen, dann stehen Sie auf und gehen in den nächsten Baumarkt. Da sind Sie sicher, da kann Ihnen nichts passieren. Nichts kann ehrlicher und wahrhafter sein als beispielsweise ein Spreizdübel, ein LED Einbaustrahler oder Rindenmulch, vor allem Rindenmulch.
Das Gesundheitsministerium von Rudolf Anschober veröffentlichte gestern auf Facebook ein „Corona ABC“. Unter dem Buchstaben „J wie Journalismus“ war zu lesen: „Aktuell kursieren viele Fake News in Bezug auf das Coronavirus im Internet. Vertrauen Sie Medien, welche offizielle Informationen der Bundesregierung veröffentlichen“. Wir ahnten es vielleicht, aber wir wussten es nicht, worauf das alles hinauslaufen soll, aber jetzt scheint das irgendwie klar. Auf den freien Journalismus können wir nach diesem Corona-Dingsbums husten. Die Leute sollen nur mehr Medien vertrauen, die „offizielle Informationen der Bundesregierung veröffentlichen“, schlägt ebendiese Bundesregierung vor. Dann lieber Rindenmulch.
Vielleicht wird, wenn die Krise einmal vorbei ist, die Regierung ein bisschen umgebildet (nicht ungebildet, Sie haben schon richtig gelesen), man wird an ein paar kleinen Schrauben drehen, jetzt gibt es die ja wieder, im Lagerhaus zum Beispiel. George Orwell erwähnte in „1984“ vier Ministerien, neben dem „Friedensministerium“ und dem „Ministerium für Liebe“ und dem „Ministerium für Überfluss“ auch das „Wahrheitsministerium“, genannt „Miniwahr“. Es befasst sich mit dem Nachrichtenwesen, der Freizeitgestaltung, dem Erziehungswesen, der Wissenschaft, der Propaganda und den schönen Künsten. In „Miniwahr“ hätte man mit dem „Corona ABC“ aus dem Gesundheitsministerium seine helle Freude. Vielleicht ist das aber alles nur ein Missverständnis. Es war einfach nur so dahingemulcht.
Einsame Klasse

In Ostern war auch schon einmal mehr Ostern drin oder? Ostern, das war bisher Weihnachten auf Gras, also nicht das Rauschmittel, sondern das Grüne im Garten. Selbst wer nicht gläubig war, wertschätzte das Fest, die Bräuche, das Essen, das Zusammensein mit der Familie. Es war das Beste aus beiden Welten, was da zusammenkam, das Beste aus der religiösen Welt und der anderen Welt da draußen, die wir salopp Alltag nennen könnten. Wir klaubten uns von hier und dort zusammen, was uns gefiel und wir nahmen reichlich. Vielleicht hat ja Sebastian Kurz den Spruch mit den beiden Welten fürs Regierungsprogramm gar nicht erfunden, vielleicht war er immer schon da. Oder aber der Kanzler hat ihn tatsächlich erfunden, ihn verkauft oder hergeborgt und sich nur die Rechte an der Zweitverwertung gesichert, was weiß man heutzutage schon sicher?
Jedenfalls erlebte ich diese Ostern Bilder, wie ich sie zuvor noch nie gesehen hatte und ich bin ja nicht erst gestern auf die Erde geplumpst. Viele dieser Bilder hatten mit Einsamkeit zu tun. Der Papst mutterseelenallein im Petersdom, Andrea Bocelli mutterseelenallein vor und im Mailänder Dom wie er das „Ave Maria“ singt, Kardinal Christoph Schönborn so gut wie mutterseelenallein im Stephansdom. Ich muss gestehen und das klingt vielleicht jetzt etwas dramatisierend: Ich fand das schöner, wuchtiger, fokussierter als sonst. Dieses riesige Haus, das ohnehin jeden kleinmacht, darin der alte Mann, ganz vorne, winzig, am Altar, etwas gebückt schon, aber stark und entschlossen in seinem Auftreten und in seinem Willen. Die Fotos der Gläubigen auf den Kirchenbänken, keiner in echt da, der hustete, falsch sang, sich mit teurer Kleidung aufplustern wollte. Das Wenige machte mehr Eindruck.
Schönborn hielt eine imposante Rede, er sah in die TV-Kamera, nicht zu den Gläubigen, die ohnehin fehlten, er wirkte wie eine Fernsehprediger, was er im Grunde genommen auch war, und er malte den Bildschirm mit starken Bildern aus. Der Kardinal erinnerte an das Feuer vor 75 Jahren, als das Dach des Stephansdomes in sich zusammenstürzte und die Riesenorgel brannte. „Der Dom weinte, und die Menschen weinten,“ sagte er. „Und dann sei Kardinal Innitzer gekommen und habe die Menschen getröstet und nüchtern gesagt: „Na, wir werden ihn halt wieder aufbauen müssen‘“. Es war eine geschickt gewählte Erzählung. Auch Österreich werden wir jetzt wieder ein Stück weit aufbauen müssen. Und vorher werden wir natürlich viel mulchen müssen, schon in den nächsten Tagen, jetzt wo die Bauhäuser wieder ihre Tore und ihre Herzen öffnen.
In ist, wer drin ist

Nur die Harten
kommen in die
Gartenbauabteilung

Auch das habe ich mich gefragt, man hat ja recht viel Zeit zu den Feiertagen, wenn man eingesperrt ist: Wie wäre Ostern eigentlich abgelaufen, wenn es jetzt passiert wäre, nicht vor Hunderten von Jahren der Legende nach, sondern mitten in der Coronazeit? Vorm Letzten Abendmahl hätten die Jünger vermutlich Germ und Nudeln und Reis und natürlich Klopapier gehamstert. Judas hätte Jesus dann wegen der Nichteinhaltung von Social Distancing bei Pontius Kurz verpfiffen. Den Gag mit den Nägeln, dem Kreuz und den noch nicht geöffneten Lagerhäusern basteln Sie sich bitte selbst zusammen, aber ich vermute, dass Jesus nach der Auferstehung, die jetzt nach Diktion des Kanzler seltsamerweise „Wiederauferstehung“ heißt, von der Polizei einen Strafzettel über mindestens 25 Euro bekommen hätte, wenn er ohne Anlegen einer MNS-Maske öffentlich in den Himmel hochgefahren wäre. Ich glaube ich habe das schon einmal geschrieben, aber es sind seltsame Zeiten, zu Ostern wurde das nicht besser, auch mit mir nicht.
Natürlich artete wie erwartet der Streit zwischen den Wienern und den anderen Österreichern aus, vor allem aus dem Ausseerland erreichten uns schreckliche Bilder, etwa dass jemand eine Schutzmaske über die Kennzeichentafel eines Wiener Autos gebunden hatte. Profil“-Herausgeber Christian Rainer wurde übel in Empfang genommen. „Mir ham´s in Ebensee innerhalb von zwei Minuten den Vogel gezeigt,“ schrieb er auf Twitter. Wenig später verteidigte er sich gegen Anwürfe, er sei ein eher flatterhafter und unsteter Zweitwohnbesitzer so: „Könnte mein Aufenthalt hier eventuell damit zu tun haben, dass ich hier geboren wurde, aufgewachsen und in die Schule gegangen bin und mein Elternhaus bewohne, also ein Ebenseer und kein Wiener bin?“ Das ist so richtig wie naiv. Wiener ist, wer auf dem Kennzeichen ein „W“ stehen hat, da kann man beim Erdaushub des ersten Hauses im Ort dabei gewesen sein. Zählt nicht.
Das Problem des Wieners ist auch, dass er rausgeht. Wenn die Wiener überall drinnen blieben, wo sie gerade sind, dann gäbe es keine Schwierigkeiten, nirgendwo. Aber die gehen halt raus. Inzwischen hatte sich auch der TV-Journalist Hanno Settele in die, nennen wir es der Einfachheit halber, Unterhaltung über Zweitwohnbesitzer auf Osterherbergssuche eingemengt. Auch ihm gelang es nicht, in die regionale Seele vorzudringen oder er stieß zu tief vor, jedenfalls beschied ihm ein Einheimischer folgendes: „Was bitte ist an bleib daheim nicht zu verstehn? Wennst a zweitwohnung hast dann fahr in deine zweitwohnung und bleib dort drin. Egal wo du drin bleibst. Aber genau da eckts. Ihr bleibt ja dann net drin, sondern „bereichert“ die Umgebung mit eurer Anwesenheit. Im Altstoffsammelzentrum, im kleinen Lebensmittelmarkt. In der Apotheke“. Und nehmt dafuer grosskopfert Platz ein den ein Erstwohnsitzer brauchen koennte“.
Masken ab heute öffiziell

Was bei dem Wutausbruch offen bleibt: Haben „Abfallstoffsammelzentren“ überhaupt schon wieder geöffnet? Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass von den Schulen heute nur die Baumschulen aussperren dürfen. Nadel- und Laubwälder werden in Zukunft also einen Bildungsvorsprung gegenüber den anderen Schülerinnen und Schülern haben, es ist fraglich, ob das noch aufholbar ist. Es fehlt nur noch, dass Heinz Faßmann den Baumschulen auch noch Gratislaptops und Gratistablets zur Verfügung stellt. Man weiß eigentlich wenig über Baumschulen, fällt mir ein. Haben Baumschulen eigentlich Frontalunterricht? Heißen Bildungslücken in Baumschulen Waldlichtungen? Schälen sich Bäume ihre Schulbücher selber ab? Was schreiben Bäume eigentlich im Elternbogen in der Rubrik „Stammbaum“ hin? Lachen sie sich einen Ast ab, wenn der Lehrer einen Witz erzählt und steht Stefan Zweig am Lehrplan? Aber ich glaube, ich bin etwas vom Waldweg abgekommen.
Jedenfalls mögen die Menschen in den Bundesländern die Wiener möglicherweise auch deswegen nicht, weil die Wiener eben sind wie die Wiener eben sind. Ich war am Wochenende unterwegs in einer Umlandgemeinde, ich lasse den Namen weg, sonst erzählen sie mir demnächst im Abfallstoffsammelzentrum wieder Müll. Ich musste im Supermarkt eine Kleinigkeit einkaufen, ein Ehepaar, Typ Woodstock, da wären wir gerne dabei gewesen, aber immerhin haben wir heute einen Bausparvertrag, betrat das Geschäft vor mir. Der Bausparvertrag war offenbar noch nicht zur Auszahlung gelangt, denn die beiden weigerten sich wütend Schutzmasken zu kaufen. Frau Woodstock löste das Dilemma so, dass sie ihr Schmucktäschchen vor den Mund hielt und so die Einkäufe erledigte, nicht ohne hinter dem Schmucktäschchen heilige Flüche gegen den Supermarkt auszustoßen.
Drei Euro für drei Masken, was für eine Frechheit. Wenn sie auch nur den halben Blödsinn rausgeworfen hätten, den sie im Einkaufswagen zur Kassa schoben, Schminktäschchen immer noch vor dem Mund, sie hätten mit dem ersparten Geld und verborgen hinter Gucci-Masken zum Meinl am Graben gehen können und für den Augustinverkäufer vorm Eingang hätte es auch noch für ein Zehnjahresabo – oder zumindest einen Bausparvertrag – gereicht.
Was in Supermärkten auch noch auffällt: Die Schutzmasken machen die Leute unverwundbar. Man steht vor dem Regal mit Linsen, nein Linsen ist kein gutes Beispiel, sie sind oft aus, also man steht vor dem Regal mit Sauerrahm, zack schießt eine Hand nach vorn und greift sich den Becher daneben. Ein-Meter-Abstand? Brauch ma nicht mehr, jetzt hamma Maske. Das wird im Baumarkt heute lustig beim Rindenmulch.
Corona, what else?

Was sonst noch war am Wochenende? Es gibt den ersten Hund, der Corona heißt, ich befürchte bei den Vornamen von Kindern das Schlimmste. Die Frauenzeitschrift „Brigitte“ widmete sich einem der großen Problemfelder der Coronakrise. „Hängebusen durch Home-Office: Das sagen Experten“. Um die Spannung nicht auf die Spitze zu treiben, verrate ich es gleich: Nein, wir bekommen keine Hängebrüste, angeblich nicht einmal wir Männer. Die Reporterin, die den Videobericht verfasste, versprüht derart viel Fröhlichkeit, dass ich vermute ihr Teebeutel hatte morgens eine Hängebrust gehabt. Testimonial ist eine junge Frau im Bademantel, genannt Josefine (ausgesproche Schosefin), unterm Bademantel trägt sie keinen BH. Grob fahrlässig, da doch nie näher genannte englische Experten bewiesen hätten, dies würde die "Cooperbänder" schädigen. Die "Brigitte"-Expertin, wofür bleibt im Körbchen, gibt Entwarnung: "Der BH macht nichts, wenn man ihn nicht trägt". Sehr zuvorkommend vom BH.
Ach ja, und Josef Hader hat „News“ ein herrliches Interview gegeben, es geht auch um Corona, genau genommen nur um Corona. „Eine europäische Seuche ist nicht das Erste, wo wir gedacht haben, das ist überwunden" sagt Hader. "Auch bei Enthauptungen hätt´ ma ja geglaubt, dass so was im 21. Jahrhundert nicht mehr passieren kann und es ist passiert. Oder Filterkaffee. Da hätte ich persönlich darauf gewettet, das ist als historische Fehlentwicklung hinreichend bewiesen. Und jetzt ist er auf einmal wieder in. Ich bin Espressotrinker. Filterkaffee ist für mich etwas Perverses, knapp an der Grenze zur Eigenurintherapie“.
Ehe wir grauslich werden, warten wir einmal die Eröffnung der Baumärkte und der Bundesgärten heute ab, in den Öffis setzen wir brav Masken auf und dann schauen wir weiter. In ein oder zwei Wochen wissen wir, ob wir mit der "Wiederauferstehung" zu früh dran waren oder nicht. Weil heute auch die Buchläden wieder aufsperren, darf ich vielleicht Appetit auf „Der Wal und das Ende der Welt“ machen. Ich habe den Roman vor einem Jahr entdeckt, in der Buchsendung „Erlesen“ von Heinz Sichrovky auf ORF III bin ich mit einer Empfehlung auf wohlwollendes Unverständnis gestoßen. Es geht um einen Börsenmakler, den es in die britische Provinz verschlägt, dann bricht eine Pandemie aus. Schön geschrieben, aber thematisch fand ich das ziemlich weit hergeholt.
Möge der Rindenmulch heute mit Ihnen sein. Es wird ein wunderbarer Dienstag, ein Hammer sozusagen. Bis morgen, wenn sie sich nicht schraufen.
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