Fascht hrzlich

Ein Aschermittwoch, über den wir reden müssen.

Ich glaube es wird so enden: Irgendwann am Wochenende wird Sebastian Kurz zum Telefonhörer greifen und Günther Platter anrufen. „Günther“, wird er sagen, „mein lieber Günther, ich habe jetzt erst erfahren, dass Euch der Rudi Anschober eingesperrt hat. Um Gottes willen, das muss ja furchtbar sein. Die engen Täler und die Schluchten und die Nordkette, die immer näher heranrückt. Und dann macht Euch auch der Söder noch die Fluchtroute nach Bayern zu, ich bin schockiert. Ich werde umgehend veranlassen, dass die Tiroler befreit werden.“ Platter wird sich „hrzlich“ bedanken bei „Krz“ und den Kanzler ins Kleinen Deutschen Eck einladen, den Anschober müsse er nicht zwingend mitbringen.

Die Gegend um Schneizlreuth wäre perfekt für ein „hrzliches“ Treffen der beiden und ihrer Delegationen. Man könnte etwas Tiroler Folklore darbieten, das sehen die Rülpser aus Wien immer gern. Außerdem hat der lokale Wirtschaftskammer-Präsident ohnehin vorgeschlagen, die Wiener mögen die Tiroler einmal so richtig kennenlernen, jetzt wäre eine gute Gelegenheit dazu. Ein bisschen Bandltanz, ein paar Weisen auf der Knopfharmonika, zwei Kinder, die auf einem Samtpolster eine Schnapsflasche herantragen und etwas in einem einheimischen Dialekt murmeln, das die Gäste in Tränen ausbrechen lässt. Bei einem Selbstgebrannten begraben Kurz und Platter, was ohnehin nie wirklich gelebt hatte, Zwist und Hader zwischen Freunden nämlich. Karl Nehammer könnte dann symbolisch einen Grenzbalken niederflexen. Man wäre wieder gut miteinander, hrzlich fascht.

Vielleicht schaut sogar der bayerische Ministerpräsident Markus Söder vorbei, er hat zu Sebastian Kurz ja jedes Monat eine andere Meinung, zeitlich ginge es sich aus, dass er ihn jetzt wieder mag. Mit Elisabeth Köstinger könnte er etwa in Schneizlreuth in einen Kuhstall gehen, die Viecher würden ihm über den Unterarm schlecken, das haben Politiker gern bei Huftieren und dazu zählen sie auch alle, die Schuhwerk tragen. Söder könnte verträumt Richtung der Heuraufen blicken und sagen: „Schade eigentlich, dass Kühe nicht wählen dürfen.“ „Ah, dürfen die das momentan leicht nicht?“, würde Köstinger dann eventuell fragen und diskret ermitteln lassen, ob im Rahmen des aktuellen Regierungsprogrammes eine entsprechende Änderung der Wahlordnung erzielbar wäre.

„36.225, 36.226, 36.227, fertig.“ Die Tür zum Kühlhaus von Herba-Chemosan in Wien-Simmering springt auf und der Gesundheitsminister tritt ins Freie, an seinem Anzug kleben Eiszapfen. „Endlich weiß ich, wie viele Impfdosen wir wirklich noch auf Lager haben“, sagt Anschober in die Mikros der herbeigeeilten TV-Sender. Das Sprechen fällt ihm noch etwas schwer, eine Mitarbeiterin legt ihm eine Decke über die Schultern und reicht ihm einen Tee, er umklammert den Pappbecher mit beiden Händen. Nach zwei Tagen bei minus 70 Grad tut etwas Warmes gut.

„Was sagen sie dazu, dass Sebastian Kurz die Tiroler befreit hat, die sie vorher eingesperrt hatten“, fragt ein Reporter den Gesundheitsminister. Er schaut verdutzt, das muss passiert sein als er im Tiefkühler war, der Kanzler hatte ihm dringend zu der Inventur geraten. „Ich möchte mich jedenfalls bei den Tirolerinnen und den Tirolern, allen, die in Tirol wohnen, dort einen Zweitwohnsitz haben, auf Skilehrer-Fortbildung sind, sich bei Airbnb einquartiert haben, oder in einem Schummel-Gesundheitshotel nächtigen, entschuldigen“, sagt Anschober, dann schlurft er weiter. „Waren es jetzt 36.226 oder 36.227 Dosen?“

Ehe Söder sich mit Elisabeth Köstinger treffen konnte, hatte er noch den Politischen Aschermittwoch zu feiern. Die Jahreszeit bringt mit sich, dass wir im Februar immer mehr leiden müssen als wir sonst schon leiden, dafür braucht gar nicht Corona sein. Wer glaubt, mit dem Villacher Fasching, der am Dienstag im Schnitt wieder 951.000 TV-Zuschauern Freude bereitete, den Zenit überschritten zu haben, wird schon in normalen Jahren einen Tag später eines Besseren belehrt. Politiker halten am Aschermittwoch ihre berüchtigten Brandreden oder Büttenreden, man muss dem Virus zugute halten, zumindest probiert zu haben, das zu verhindern. Es wurde anders gestern, aber nicht besser.

Zunächst meldete sich Markus Söder via Video aus der Passauer Dreiländerhalle. Ein Wohnzimmer war dort für ihn aufgebaut worden, am Tisch stand ein Korb mit Laugenbrezn, daneben ein Maß Bier, auf dem „Aschermittwoch dahoam“ als Aufdruck zu erkennen war. Der Ministerpräsident las von Zetteln ab, die auf einem Glaspult lagen, es gab schon Redner, die ihr Publikum mehr mitrissen, aber es war auch keines da, um mitgerissen zu werden. Vor dem grünen Kachelofen stand allein eine etwa 20 Zentimeter hohe Ausgabe von R2D2, fragen sie mich bitte nicht warum. Bei Amazon gibt es jedenfalls eine Version des Mini-Roboters als „Keksdose mit Sound“ für 99,90 Euro zu kaufen, vielleicht war es ja das.

Der Rudi wars

Als Einpeitscher für die Aschmittwochrede hat man sich diesmal einen Oberösterreicher geholt, eine etwaige Anfrage an Tirol wäre wohl mit einem Rülpser oder einem speziellen Kennenlernangebot in Seminarform beantwortet worden. Also sprang Landeshauptmann Thomas Stelzer ein, er wurde den Zuschauern von Dorothee Gisela Renate Maria Bär, genannt „Doro“, nähergebracht. Der Moderator stellte sie als „Digitalkönigin“ vor, sie ist Ministerin im Merkel-Kabinett und fungiert als "Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung", wenn man so will also ist Dorothee Gisela Renate Maria Bär, genannt „Doro“, die deutsche Margarete Schramböck, genannt Margarete Schramböck.

Die „Digitalkönigin“ erschien am Monitor und in ein Dirndl gesteckt, das sie vermutlich im Kaufhaus Österreich erworben hatte. „Doro“ war von einer derart guten Laune, dass Stelzer, sonst ein sonniges Gemüt im Halbschatten, mit ihr kaum mithalten konnte. Nachdem Dorothee Gisela Renate Maria Bär, genannt „Doro“, den oberösterreichischen Landeshauptmann mit ihrer, sagen wir einmal, prägnanten Stimme den Weg freigeflext hatte, legte Stelzer auch gleich los. Er stand zwischen einer EU-Fahne und einer Oberösterreich-Fahne und betonte vor allem das Gemeinsame in diesen schwierigen Zeiten unter Einbeziehung der Nöte der Pendler.

Dann kommt Söder, Blasmusik wird über Zoom eingespielt, der Ministerpräsident geht an Pappfiguren vorbei, verbeugt sich sogar vor einer Dame in Blond und selbstredend ebenfalls im Dirndl, ich erfinde das nicht, das war so. Die Bühne ist in Blau getaucht, auf einer riesigen Videowall werden Fans eingespielt, die sonst im Saal gesessen wären, nun sieht man sie im Büro sitzen oder daheim, man erkennt viele Herrgottswinkel. Vorab waren Fanartikel verschickt worden, Fahnen, Bierdeckel, Schals und Tröten, davon wird in der Folge ausgiebig Gebrauch gemacht.

Söder redet eine Stunde. Er reklamiert den Politischen Aschermittwoch für sich, die bayerische CSU habe diese Art der Veranstaltung erfunden, andere seien Kopien, so wie Tofuwurst und Veggie-Burger, den er Wäggi-Börger ausspricht, „theoretisch möglich, aber am Ende sinn- und geschmacklos.“ Er sei für mehr Grün in Deutschland, aber nicht für mehr Grüne. Auch den Österreichern hat er was auszurichten, es sei nämlich ein Irrglaube „Skipisten seien weniger gefährlich als Gottesdienste – schöne Grüße aus Tirol übrigens“, sagt er. Den Kanzler nennt er „Freund Sebastian Kurz“, für das Verhalten der Tiroler Landesregierung hat er nur Spott übrig. Das kenne man ja: „Die nehmen das nicht so ernst und teilen gegen alle aus – gegen uns und gegenüber Wien“. Er bandelt schon an mit Elli Köstinger für den Besuch im Kuhstall.

Pappfiguren

R2D2

Wien treibt derzeit weiter ganz was anderes um, die Frage nämlich, ob die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu grob mit Gernot Blümel umgeht. Die ÖVP wechselte gestern in den Recherchemodus und schickte eine Depesche aus vier A4-Seiten in das Justizministerium, genau genommen an Werner Kogler. Der Vizekanzler ist ja derzeit Vertreter von Alma Zadić und bekam in dieser Funktion 27 Fragen vor den Latz geknallt. War die Hausdurchsuchung bei Blümel überschießend? Warum wusste ein Journalist früher, dass der Finanzminister als Beschuldiger gilt als der Beschuldigte selber? Was die Staatsanwaltschaft nun zu tun gedenke, da Blümel doch die Vorwürfe innerhalb von 48 Stunden ausgeräumt habe? Ich stelle mir ja eine einfachere Frage: Warum hat Kurz die vier Zettel gestern beim Ministerrat nicht gleich selber an Werner Kogler übergeben, er saß ja direkt neben ihm?

Auch die FPÖ hatte gestern ihren Politischen Aschermittwoch und er war ebenfalls anders als sonst. Statt vor Hunderten, grölenden Fans, saßen Parteichef Norbert Hofer und der oberösterreichische Landesvize Manfred Haimbuchner mutterlandseelenallein in der Rieder Jahnturnhalle, die in ein diffuses, blaues Licht getaucht war. Beide hatte ein Krügerl Bier neben sich am Beistelltisch stehen, eine Moderatorin im Trachtenjanker und mit streng zurückgekämmten Haaren führte durch den Abend, an dem man sich vor allem an Rudolf Anschober abarbeitete. „In jedem anderen Land der Welt hätte man so einen Gesundheitsminister mit dem nassen Fetzen hinausgetrieben.“ Und: „Die Bundesregierung hat das Land nicht durch die Krise, sondern die Krise durch das Land geführt.“

Blaumacher

Am späteren Abend sorgte ebenjene FPÖ dann für neue Rätsel. Eine Webseite ging online, darauf ist ein Foto von Ballhausplatz und Präsidentschaftskanzlei zu sehen, über das der Schriftzug „Tu es für mich!“ gelegt wurde. Mit diesen Worten hatte Blümel 2017 den damaligen Spitzenbeamten im Finanzministerium, Thomas Schmid, per SMS gebeten, er möge doch so nett sein und Novomatic-Chef Harald Neumann anzurufen. Die FPÖ startete einen Countdown, er endet Montag 11 Uhr. Aufregend, ich ging trotzdem mit einer gewissen Grundgelassenheit schlafen.

Ich wünsche einen wunderbaren Donnerstag. Der Frühling zieht langsam ins Land, es gibt heute etwas Nebel, aber viel mehr Sonne, dazu wieder gut 10 Grad. Wenn jetzt die Schanigärten aufsperren würden, könnte man mit guter Bekleidung dort sitzen und so tun als wäre alles normal im Land. Nicht dass ich jetzt zur Leichtsinnigkeit aufrufen möchte, aber träumen wird man ja noch dürfen. Lei, lei – noch a bissale wortn.

Fotos:
Tirol: Picturedesk, JFL, EXPA
Sebastian Kurz, Günther Platter: Picturedesk, EXPA
Markus Söder: Picturedesk, DPA, Peter Kneffel
FP-Aschermittwoch: YouTube Manfred Haimbuchner

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