Ganz große Oper
Blümel und die SPÖ: Über leichte und schwere Geburten.

Neujahrskonzert, Kitz-Abfahrt, so alle ein, zwei Jahre eine frische Regierung – es gibt ein paar Fixsterne im Jahreslauf, die einfach zu Österreich gehören. Wir haben aber auch eine gehörige Portion Humor, vor allem in der Politik. 2007 wurde etwa beschlossen, dass wir nur alle fünf, statt alle vier Jahre, einen neuen Nationalrat wählen sollen. Das haben wir einmal ausprobiert, gleich bei der Premiere Werner Faymann von 2008 bis 2013, es hat uns aber nicht besonders gut gefallen. Seither hatten wir fünf Regierungen, keine schaffte mehr als zweieinhalb Jahre und das ist auch gut so. Man sieht sich ja doch recht schnell satt.
Eine liebgewordene Tradition ist auch die Wahlwiederholung, die uns nun erneut droht, wenn auch an unerwarteter Stelle. Die Mitgliederbefragung der SPÖ lief gestern an, aber es traten gleich zu Beginn Unregelmäßigkeiten auf. Der frühere ZiB-Moderator Josef Broukal, der sich später für die SPÖ im Nationalrat verdingte, versuchte elektronisch teilzunehmen und scheiterte. „Kaum hatte ich die letzte Frage der SP-Mitgliederbefragung mit NEIN beantwortet“, schreibt er auf Twitter, „poppte dieser Schirm auf. Böse Absicht, Programmfehler, blöder Zufall? Jedenfalls bin ich um mein Stimmrecht gebracht worden. Hat jemand ähnliche Erfahrungen?“
Offenbar hatte keiner bis dahin „ähnliche Erfahrungen“ gemacht, was daran liegen könnte, dass noch keiner probiert hatte, an der Mitgliederbefragung teilzunehmen. Zwischen „Du bestimmst unseren Weg“ und #gemeinsammiteuch „poppte“ am Schirm von Broukal jedenfalls folgender Satz auf: „Es tut uns leid, aber Deine Sitzung ist abgelaufen“. Broukal wusste vermutlich gar nicht, dass er sich in einer „Sitzung“ befand, da er mutmaßlich allein gustierte, ob er nun für das „Recht auf 4-Tage-Woche für alle ArbeitnehmerInnen“ ist oder doch „2.500 PolizistInnen mehr auf Österreichs Straßen“ schicken will. Er war bei der vorletzten Frage angelangt, der einzigen, die man mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten darf, denn sie lautet: „Soll Pamela Rendi-Wagner Bundesparteivorsitzende bleiben, um für diese wichtigen Themen gemeinsam mit allen in der Partei zu kämpfen?“ Broukal klickt auf „NEIN“ und das Unheil nahm seinen Lauf.
Sprechen Sie Deutsch?

Ich weiß ja nicht, wie die SPÖ-Abstimmung technisch vor sich geht, aber vielleicht sitzt Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch in einem „War Room“ in der Löwelstraße inmitten Dutzender, blinkender Monitore und auf allen wird der Ablauf der Mitgliederbefragung abgebildet. Wie viele Tausende Stimmen pro Tag abgegeben werden, wie das Stimmverhalten ist, ob es erste Aufstände gibt, die es niederzuschlagen gilt? In der Mitte des „War Rooms“ hat Deutsch einen riesigen, roten Buzzer installieren lassen und wenn einer dafür stimmt, dass Rendi-Wagner sich besser heute als morgen vom Acker machen soll, dann geht eine Alarmsirene los, Deutsch rennt hin und haut mit der flachen Hand auf diesen Buzzer, ein Konfettiregen geht nieder und der Teilnehmer fliegt aus der Abstimmung raus. Wie Broukal.
Zugeben wird das die SPÖ natürlich nie. Nein, nein, sie meldete sich beim 73-Jährigen auf Twitter recht schnell mit einer potentiellen Erklärung, über den Buzzer sagte sie nichts, sondern sie machte den Keszler und reichte die Schuld an Broukal zurück: „Du hast offenbar das sehr großzügige Zeitlimit überschritten“. Die SPÖ hätte natürlich auch schreiben können: „Hurch, Opi, wennst des Ausfüllen im Internetz ned dapockst, schick uns des Glumpert holt mit da Post. Host wenigstens schon mittaggessn?“
Aber natürlich sind die Roten im Herz nicht so roh, obwohl die Mitarbeiter, die zuletzt entlassen werden mussten, das vielleicht anders sehen, und deshalb erklärten sie Broukal, was er alles falsch gemacht hatte, langsam und mit einfach Worten, wie man mit alten Leuten halt so redet. „Pro Seite hat man 24 Minuten Zeit und insgesamt hast du für alle Fragen 2 Stunden und 24 Minuten Zeit“. In der Zeitspanne montiert Sebastian Kurz zwei Regierungen ab und hat mit der KPÖ schon fertigsondiert, aber okay, das Ausfüllen eines Fragebogens mag komplexer sein. Die SPÖ kam den alten Leuten gestern lieber entgegen. „Wir haben das jetzt noch mehr aufgestockt: auf 2 Stunden pro Seite“. Bis zum Zukunftsparteitag am 25. April, auf dem man feststellen will, ob man noch eine Zukunft hat, wird sich das schon ausgehen.
Alles im Blick

Auch Gernot Blümel hat derzeit wenig Zeit. Während die halbe Welt darüber spekulierte, ob er tatsächlich einen Knackarsch hat oder nur eine ortsübliche Kehrseite, wurde der Finanzminister Montagfrüh Vater, es ist sein erstes Kind, das Wiener Wahlprogramm zählt nicht. Partnerin Clivia Treidl brachte ein gesundes Mädchen zur Welt, es heißt Josefine. Mehr will das Paar nicht verraten, kein Geburtsgewicht, keine Größe, auch nicht, ob Sebastian Kurz bei der Geburt dabei war oder sie der Einfachheit halber gleich selber durchführte, seit dem Auftauchen des Corona-Virus ist er ja ein Kanzler für alle Lebenswelten.
Den Finanzminister hielt es nicht lange am Wochenbett, gestern bereits war er in eine Telefonkonferenz mit den 27 EU-Finanzministern, der Spitze der Europäischen Zentralbank und der EU-Kommission verstrickt. Es ging um die Frage, ob wegen der wirtschaftlichen Folgen der Virus-Epidemie der Stabilitätspakt gelockert werden soll. Blümel sprach sich dagegen aus, weil sich auch die meisten anderen dagegen aussprachen, blieb die Diskussion eher einseitig. Man kam trotzdem überein, am 16. März weiterzureden, vielleicht bildet sich in der Zeit bis dahin jemand eine andere Meinung. Es sei wichtig, dass wir „unsere Hausaufgaben machen“, sagte Blümel, „und weiterhin auf einen stabilen und nachhaltigen Budgetkurs setzen“. Ich finde es reichlich übertrieben, dass er mit Josefine schon „Hausaufgaben“ machen will. Mein Gott, die Kleine ist erst drei Tage alt.
Sie wird ihren Papa auch in der nächsten Zeit nicht ständig um sich haben, was ein Glück sein kann, aber nicht muss. Schon in Sichtweite der Niederkunft hatte Blümel angekündigt, das Angebot eines Papamonats bedauerlicherweise ausschlagen zu müssen. „Ich fürchte, das geht sich in dieser Situation mit dieser beruflichen Herausforderung nicht aus“, sagte er. Frauen hören so etwas gerne, bei ihnen wird in der Regel weniger Bedacht auf „berufliche Herausforderungen“ genommen, aber am Frauentag am kommenden Sonntag werden wir uns ihre Sorgen und Nöte anhören, für so etwas muss einmal im Jahr Zeit sein.
Seit 1. September 2019 hat man in Österreich einen Rechtsanspruch darauf, ein Monat bei seinem Kind bleiben zu dürfen, eine Art unbezahlte Auszeit, vom Staat gibt es 700 Euro dafür. Blümel hätte es wenigstens so lösen können wie Heinz-Christian Strache, der seinen Papamonat im Jänner 2019 als „ein Geschenk“ bezeichnete, allerdings in dieser Zeit mehr Termine absolvierte als im Rest des Jahres, Ibiza vielleicht ausgenommen.
Paarlauf

Auch die Bundesregierung steht derzeit vor großen „beruflichen Herausforderungen“, ohne die Chance auf einen Papamonat. Die Tagesbetreuung der Coronakrise schenkte allerdings gestern einer Institution neues Leben, die von türkiser Seite in den letzten Jahren eher wie ein ungeliebtes Kind behandelt worden war – der Sozialpartnerschaft. Gemeinsam mit ÖGB-Chef Wolfgang Katzian und Wirtschaftskammer-General Harald Mahrer berieten sich Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler über die wirtschaftlichen Folgen der Epidemie, ich bin überzeugt, die Mineralwasservorräte im Sitzungszimmer waren vorher aufgefüllt worden.
Die Sozialpartner schnürten gemeinsam ein kleines Maßnahmenpaket, fixierten Kreditgarantien über 10 Millionen Euro, lockerten die Arbeitszeitregelungen ein bisschen und machten den Weg für Kurzarbeit frei. Man sei auf „alle Szenarien, die uns drohen könnten, gut vorbereitet“, sagte Kanzler Kurz, ohne weiter darauf einzugehen, welche Szenarien das sein können, die uns drohen. Da wir aber ohnehin auf alle vorbereitet sind, spielt das keine Rolle, dem Virus müsste man das halt noch sagen. Auch Werner Kogler war um Beruhigung bemüht, er hat seinen Anschober gelernt. „Mittel und langfristig sehen wir die Impacts auf Österreich noch nicht sehr dramatisch“, sagt er, was daran liegen kann, dass sie tatsächlich nicht dramatisch sind, oder daran, dass wir sie nicht sehen.
Kogler sollte sich vielleicht vor etwas anderem mehr vorsehen als dem Virus, denn in seiner Partei fiebert Brisantes hoch. Die Flüchtlingskrise in Griechenland und der angemesse Umgang damit, wird für die Grünen langsam aber sicher zur Zerreißprobe. Frauen und Kinder aufnehmen oder nicht? Kogler fühlt sich an das Regierungsprogramm gebunden und das sagt nein. Immer mehr Vertreter seiner Gesinnungsgemeinschaft sind gegenteiliger Meinung, vor allem seit sich auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen im „Report“ für eine Aufnahme stark machte. Mit der ÖVP wird das nicht zu machen sein. Folgen?
Schnitzelgesicht

Der Wiener Szenegastronom Friso Schopper fühlte sich durch die jüngsten politischen Entwicklungen in Österreich inspiriert. Flugs erweiterte er die Speisekarte in seiner City-Bar „Dosage“ um zwei Gerichte. Ab sofort gibt es „Knackarsch in Essig und Öl“ und „Schnitzelgesicht mit Erdäpfelsalat“, beides zum wohlfeilen Preis von je 8,90 K, das „K“ steht für Gery Keszler. Das Foto der Werbetafel ist auf Facebook ein Festschmaus. Schopper würde sich freuen, wenn Knackarsch und Schnitzelgesicht bei ihm auftauchen würden. „Sie sind herzlich eingeladen“.
Möge auch für Sie ein wunderbarer Donnerstag angerichtet sein.
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