Geht man ins
Rathaus, kommt man
mit einem Rat raus

Wieder so ein bunter Tag,
der mit Tarzan endete. „Eijieijieiji“!

Der liebste Wohnsitz der Österreicher ist das Luftschloss. Wir mögen einfach jene Ereignisse am meisten, die sich einfach nicht ereignen. 50 Mal Feuerwehrfest im Ort, immer ist es großartig, aber das 51. Mal, das dann ins Wasser fällt, von dem reden wir noch Generationen. „Könnt ihr euch noch erinnern, damals, als das Feuerwehrfest nicht stattgefunden hat?“ erinnern wir uns in der Folge bei jedem Zusammentreffen wehmütig zurück. Ich glaube, bei der möglicherweise beinahe fast autofreien Wiener Innenstadt wird das auch so sein. Wir werden davon schwärmen, weil es sie in dieser Form nie geben wird.

Ich muss jetzt vielleicht einmal ein bisschen ins Politische ausholen. In Wien regiert seit Menschengedenken die SPÖ. Ich glaube, die Partei wurde vor der Stadt gegründet, dann ist man draufgekommen, dass es vernünftiger ist, ein politisches Betätigungsfeld zu haben, wenn man sich politisch betätigen will und so entstand Wien. Bei Wahlen ist die SPÖ seither entweder immer weit vorne oder sehr weit vorne, wenn sie nur weit vorne liegt, sagt sie, dass es diesmal knapp werden könnte und dann liegt sie wieder sehr weit vorne. Die anderen Parteien spenden Teile ihrer Wählerschaft, einmal die einen mehr, dann die anderen, es ist sowieso sinnlos, etwas dagegen zu unternehmen. Naturgesetz!

Die letzte Wahl am 11. Oktober 2015 gewann die FPÖ, allerdings nur für eine Stunde. Ich war im Wiener Rathaus geladen, in Zweiergruppen sollten Journalisten im ORF den ganzen Abend lang den jeweiligen Stand der Auszählung diskutieren, ich kam unmittelbar nach der ersten „Trendrechnung“ dran. Das Unglück nahm seinen Lauf, als man sich entschied, nicht auf die erste Hochrechnung zu warten, sondern zwar tatsächlich eine Hochrechnung zu machen, aber ohne Teilergebnisse als Grundlage dafür. Man fragte ausgewählte Menschen nach der Stimmabgabe, wo sie ihr Kreuzerl gemacht hatten und wie sie sich bei davorliegenden Wahlen entschieden hatten und darauf errechnete man irgendwas, das man „Trendrechnung“ taufte. Sie lag unmittelbar nach Wahlschluss vor und hatte einen Haken – sie war grob falsch.

Das mündete in meinem bisher vielleicht peinlichsten Moment meiner damals wie heute nicht existenten TV-Karriere, ich fand mich danach damit ab, bestenfalls noch einmal ins Dschungelcamp eingeladen zu werden oder am Tisch von Barbara Stöckl meine Sorgen niederlegen zu dürfen. Die „Trendanalyse“ ergab, dass die SPÖ zwischen 34,5 Prozent und 37,5 Prozent erreichen wird, die FPÖ zwischen 33 Prozent und 36 Prozent. In einem kleinen Büro nahe dem Wiener Rathaus klatschen sich die Blauen ab, denn ihnen wurde signalisiert, dass sie vorne liegen werden. Mir auch.

Die „Trendrechnung“ wurde um 17 Uhr veröffentlicht, ich wartete im Wiener Rathaus in einem offenen Studio, dass der ORF aufgebaut hatte. Im riesigen Saal stand ein TV-Sender neben dem anderen, aufgefädelt wie auf einer Messe für Küchenmaschinen. Die Moderatorinnen und Moderatoren redeten aufgeregt in Mikros, man verstand kein Wort, es hätte auch um Rührschüssel-Kapazitäten, Menge der verfügbaren Knethaken und um die Geschirrspül-Eignung gehen können, am Ende hätte man Kostproben reichen können, aber das passierte dann doch nicht. Sogar die Bundesländerzeitungen hatten sich Kojen gemietet und alle machten sich jetzt daran, das blaue Wunder zu kommentieren, das sich schließlich weder als blau noch als Wunder entpuppen sollte, aber alles der Reihe nach.

Ich stand neben dem Moderator, auf der anderen Seite hatte „Profil“-Herausgeber Christian Rainer Aufstellung genommen. Ich unternahm zaghafte Versuche einer Interpretation, Rainer wütete. Er trat der FPÖ gegen das Schienbein, er war ziemlich grob. Die Blauen hatten seine Stadt übernommen, er hatte keine zweite Meinung dazu, äußerte seine einzig gültige in aller Deutlichkeit, aber seine Datenbasis war volatil, wenn man das so sagen darf, das hielt ihn allerdings nicht auf, im Gegenteil. Auch ich habe die erste Hochrechnung für bare Münze genommen, aber ich war zumindest zurückhaltend, das grelle Licht, die vielen Leute, die bekannten Gesichter, ich war eingeschüchtert, ich bin doch eher ein zartes Reh.

Nach einer Stunde war alles anders, die Welt wieder im Lot. Im Laufe des Abends kletterte die SPÖ, damals noch unter Michael Häupl, auf 39,6 Prozent, die FPÖ pendelte sich bei 30,8 Prozent ein. Sieger sehen anders aus, am Ende wurde es nicht einmal knapp. Heinz-Christian Strache war 60 Minuten lang Wiener Bürgermeister, man muss wissen, er trat für die Blauen in den letzten Jahrzehnten bei weitgehend allen Wahlen als Spitzenkandidat an, führte die Partei in ansehnliche Höhen, aber nie bis ganz an die Spitze. Seinen ersten richtigen Job bekam er erst 2017, als er Vizekanzler wurde. Das ging bekanntlich nicht gut aus.

Im Vorhof der Macht

Ich weiß also wie sich die Wiener Innenstadt jetzt fühlt, fast angekommen, aber eben nur fast. Heute vor einer Woche einigten sich die grüne Wiener Vizebürgermeisterin Birgit Hebein und der türkise Bezirksvorsteher Markus Figl auf eine „autofreie“ City. Ich habe die Innenstadt noch nie so glücklich gesehen wie in diesem Moment. 30 Prozent weniger Autos, die man durchtragen muss, 30 Prozent weniger Motorräder, deren Gestank sich in die Bitumenporen zieht, die ganzen Autoporno-Poser weg, die abends und am Wochenende ihre Auspuffe knallen lassen, dass den Randsteinen die Ohren klinseln. Die Wangen des Asphalts glühten vor Freude, die Straßenschilder verneigten sich in Ehrfurcht, die Pflastersteine warfen sich Kusshändchen zu, die Häuserfassaden putzten sich den Ruß ab. Aber wie immer in Österreich wurde nichts daraus, zumindest nicht gleich.  

Seit gestern ist die Innenstadt wieder frei von autofrei und ich weiß jetzt, warum das Rathaus Rathaus heißt, ich versuche das mit einem Reim zu erklären: Geht man ins Rathaus, kommt man mit einem Rat raus. Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig lud zum Gipfel mit Hebein und Figl, es war vorher auch von einem Rapport die Rede, man darf nicht vergessen, dass Wien am 11. Oktober wählt, ich komme noch darauf zurück. Alle drei Beteiligten sagten danach, das Gespräch sei „sehr konstruktiv“ verlaufen, zumindest das ist beruhigend, denn es bedeutet, dass es offenbar zu keinem gröberen Raufhandel gekommen sein dürfte.

Mit dem Starttermin August wird es wohl nichts, Ludwig sagte, er sei „nicht für eine Schnell-Schnell-Lösung, die einen Rattenschwanz an Problemen nach sich zieht“, ich kann mich allerdings nicht erinnern, dass es in Wien jemals für irgendetwas eine "Schnell-Schnell-Lösung" gegeben hätte, die Probleme konnten also gar keinen Rattenschwanz nach sich ziehen. Er wolle auch keine „Insellösung“ für den ersten Bezirk, man wisse nicht, wer die Überwachung übernehmen solle, die Polizei habe jedenfalls keinen „Personalüberfluss“, was ein sehr schönes Wort ist. Kurz und gut: Jetzt wird einmal bis Mitte Juli evaluiert, dann gibt es ein Verfahren, dann sind die Wahlen und dann schaut die kleine, große Welt in Wien vielleicht wieder ganz anders aus oder auch nicht.

Ich sehe das so: Ludwig wird in Wien unangefochten Erster und irgendwo zwischen 35 Prozent und 40 Prozent landen. Die SPÖ hat sich als Hauptgegner die ÖVP ausgesucht, oder die ÖVP umgekehrt die SPÖ, jedenfalls profitieren beide davon, Reibung elektrisiert, Türkis wird von 9,2 Prozent auf über 20 Prozent hochschießen, ansehnlich, aber nobel zurückhaltend. Die Türkisen haben Gernot Blümel zu ihrem Spitzenkandidaten auserkoren, strategisch ein Fehler, Innenminister Karl Nehammer hätte mehr geholt. Man darf nicht vergessen: Die FPÖ hat zwar 2015 nicht den Bürgermeister gewonnen, aber über 30 Prozent erreicht, nach dem Betriebsausflug auf Ibiza sind nun 20 Prozent der Wähler zu haben. Nehammer hätte es wesentlich leichter gehabt, im rechten Teich zu fischen und nur dort macht es für die Türkisen Sinn, die Angel auszuwerfen. Nebenbei bemerkt: Es ist grob fahrlässig, dem Finanzminister in der selbst ausgerufenen größten Wirtschaftskrise der Zweiten Republik noch einen Nebenjob aufzubürden, nämlich einen Wahlkampf führen zu müssen, zumal Blümel ja vor Kurzem auch sein Vatersein hochfuhr.

Die Grünen kamen in dieser Rechnung bisher nicht vor. Sie geben in der Bundesregierung momentan den Part des interessierten Zuschauers, Werner Kogler konnte in der Opposition fast mehr bewegen als nun als Vizekanzler. In Wien trabten die Grünen neben Michael Ludwig her, ballten zuweilen die Fäuste in der Hosentasche, aber holten sie nie heraus. Dann kam die „autofreie“ Innenstadt, grünes Kernthema, Zustimmung in der eigenen Wählerschaft 120 Prozent, ein Riesenprojekt, nichts kann mehr Aufmerksamkeit erzeugen. Wieder ist sie da, diese Reibung. Mit dem Koalitionspartner, mit den anderen Parteien. Die Grünen setzen ein Thema, ob sie sich durchsetzen, ist zweitrangig. Es wird den Wahlkampf mitdominieren. 

Und dann? Strache und die FPÖ werden sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen im einstelligen Bereich liefern, Dominik Nepp könnte als nur zweiter Sieger enden. Die anderen Parteien werden die Blauen möglichst ignorieren, die Neos kämpfen müssen, den Einzug zu schaffen. Und die Stadtregierung: Ist Türkis-Grün-Neos wirklich so ausgeschlossen wie alle tun? Lässt die ÖVP tatsächlich die Chance fahren, sich das rote Wien zu holen, wenn es rechnerisch eine solche Chance gibt?

"Tango Korrupti"

Tut mir leid, das war jetzt etwas spröde, aber der Tag wurde gegen Ende hin doch noch besser, denn Tarzan trat auf, aber das dauerte noch eine kleine Weile. Zunächst waren Werner Kogler und Beate Meinl-Reisinger hintereinander zu Gast in den „Sommergesprächen“ von Puls4. Der Vizekanzler sagte wie gewohnt mehr oder weniger einen Satz, der aber zog sich dann über gut eine Stunde, die Nebenschachtelsätze schon mitgerechnet. Kogler hatte ein Taferl mitgebracht, behauptete die Welt sei unter Grün „besser geworden“ und Österreich stehe im internationalen Vergleich dank Kurzarbeit „super“ da. Die Neos-Chefin wiederum behauptete, Österreich stehe weder im nationalen noch im internationale Vergleich gut da, prangerte den „Postenschacher“ der alten Regierung an und sprach von „Tango Korrupti“, der aktuellen Koalition unterstellte sie wirtschaftliche Planlosigkeit und Chaos bei der Vorbereitung auf das kommende Schuljahr. Zeit für Tarzan.

Der Übergang geriet etwas abrupt. Eben noch sah man Beate Meinl-Reisinger im Studio, kaum war die aktuelle Neos-Chefin verschwunden, tauchte ihr Vorgänger auf. Er stand mitten in den Weinbergen von Mauer bei Wien, formte seine Hände zu einem Trichter, führte sie an den Mund und ahmte einen Urwaldschrei nach. Er kann froh sein, dass Karl Nehammer derzeit mit Corona gut zu tun hat, sonst hätte er vielleicht ein paar Beamte vorbeigeschickt, die Argumentationslinie von Strolz gegenüber einem allenfalls beigezogenen Amtsarzt hätte mich interessiert. So aber konnte der Ex-Politiker folgendes sagen: „Tarzan, das war ein echter Mann, darüber waren wir uns einig als Burschen“. Die letzten Lücken meiner Bildung schließen sich.

Strolz, noch immer mit beiden Beinen in den Weinbergen stehend, leitete das Thema seiner Sendung ein: „Wann ist ein Mann ein Mann? Eine brennende Frage am Beginn des dritten Jahrtausends“. Mir war gar nicht bewusst, dass in diesem Bereich gezündelt wurde, dabei loderte die Männerfrage schon als Flächenbrand, Rauchschwaden zogen über den „Beginn des dritten Jahrtausends.“ Aber für solche Einwände hatte Strolz keine Zeit, er war auf dem Weg in ein Männercamp, erörterte, warum es in der Politik so viele Schwule gibt, tauschte sich über Erektionsprobleme aus und wanderte dann mit „Krone“-TV-Moderatorin Katia Wagner ein Weizenfeld entlang. Er hüpfte auf und ab, wollte ein paar Verrücktheiten aus Wagner herauskitzeln, aber die bekannte, ganz normale Männer am liebsten zu mögen, das traf Strolz sichtbar und der neue TV-Tarzan wandte sich enttäuscht von Jane ab.

Tarzan Strolz

Ich hoffe, dieser wunderbare Dienstag zeigt Ihnen seine Muskeln. Seit gestern kann man für das Klimavolksbegehren unterschreiben, aber wiederum auch nicht. In einigen Gemeindeämtern wurden Menschen weggeschickt, weil die Technik nicht ging, auch das Internet von A1 schwächelte, also konnte man das Klima auch via Handysignatur nicht so ohne weiteres retten. Vielleicht kann Tarzan heute helfen. „Eijieijieiji“!

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