"So wahr mir Gott helfe"
Das Beste aus beiden Welten wurde gestern angelobt. Und dann war ich noch auf einen Nitsch im Kanzleramt.

Gegen Ende hin schaut Werner Kogler zur Decke, hinauf zu den Kristalllustern, dem Stuck, den Goldverzierungen und verzieht das Gesicht. Er fremdelt noch im neuen Job, das merkt man ihm an diesem Tag deutlich an, so als würde ihm alles noch ein bisschen unwirklich vorkommen. Ringsum strahlen und funkeln türkise Pumps und grellrote Lippenstifte einander an, es wird gelacht und gescherzt. Eine Stimmung wie nach der Matura, die alle mit Auszeichnung bestanden haben, die Buben wie die Mädchen.
Kogler aber steht mittendrin wie ein Mittelschulprofessor, der weiß, dass ein neues Leben beginnt, wenn die Party vorbei ist, aber der sich nicht traut, genau das seinen bisherigen Zöglingen zu sagen. Und dann hat der Schussel auch noch die Krawatte vergessen, dabei wollte er sich doch besser anziehen im neuen Amt.
So aber ist er nun der Einzige unter acht Männern, der oben ohne ist. Auch irgendwie historisch. Der erste Vizekanzler, der bei einer Angelobung keine Krawatte trägt. So adrett hatte er sich zurechtgemacht, den besten, einzigen Anzug herausgelegt, die grau melierten Haare mit Spray gebändigt und akkurat zu einer Art Mittelscheitel zurechtgekämmt. Hansi Hinterseer trägt eine ähnliche Frisur, vielleicht etwas wilder und viel blonder natürlich.
"Ich leg dich jetzt auf die Seite"

Es ist Dienstag vormittag, so um halb elf herum, draußen vor der Tür hat es schneidige um die null Grad. Elisabeth Köstinger schält sich aus der Dienstlimo. „So sieht man sich wieder“, schüttelt ihr ein Polizist die Hand und lächelt. Von allen Seiten strömen jetzt die Angehörigen der künftigen Ministerinnen und Minister Richtung Hofburg. Hinein, beim Portier vorbei, die Stiegen hinauf, den elendslangen Gang entlang. Wolfgang Schallenberg, der Vater des alten, neuen Außenministers, sitzt schon da. Er ist 90.
Wer jetzt im Büro ist und sich die Angelobung im ORF-Livestream anschaut, erlebt Wunderliches. Die Untertitel passen nicht zum Bild, aber irgendwie schon, nur lustig halt. Wir sehen Tobias Pötzelsberger im Studio. „Ich leg dich jetzt auf die Seite. Ja?“, ist da zu lesen. Nanu! Weniger später: „Ruhig weiteratmen. Er wird gleich besser." Fritz Dittelbacher taucht auf, live aus der Hofburg. „Ich hatte einen Schmuckladen. Der hat nicht überlebt“, steht im Insert. Danach: „Atme. Du musst atmen, hörst du?“
"Ich taufe dich auf den Namen..."

Am Ende, im Raum vor der legendären Tapetentür, warten da bereits um die 100 Journalisten, Kameraleute, Fotografen und wissen von nichts. Reinhard Pickl-Herk, Sprecher von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, erklärt Ablauf und Spielregeln, bittet darum, nach der Angelobung Kameras und Ton auszuschalten. „Sonst sieht man noch jemanden beim Nasenbohren“. Wie da wohl die Untertitel dazu ausgesehen hätten?
Dann fließt die neue Regierung herein, Sebastian Kurz und Werner Kogler verschwinden kurz für ein Schwätzchen mit dem Präsidenten hinter der Tapetentür. Es geht los. Van der Bellen hält die zweite Neujahrsansprache innerhalb von sieben Tagen. „Heute schließt sich der Kreis“, sagt er zu den künftigen Regierungsmitgliedern, die vor ihm allerdings in einer Art Halbkreis stehen. „Okay, ich taufe dich auf den Namen...“, ist vom ORF-Bild abzulesen. Später klärt sich auf: Die Untertitel wären für die ursprünglich geplante Sendung gedacht gewesen. Den Schmäh hätte Strache beim Ibiza-Video eigentlich auch gut bringen können.
Die Sache nimmt jedenfalls dramatische Züge an. Die Kameras schwenken hin und her, man sieht Präsident, den künftigen Kanzler und seinen Vize, die restliche Regierung und liest dazu verstörende Untertitel zum Gebotenen.
„Es ist schön hier“, sagt Kurz
„Gestern wäre hier fast meine Schwester ertrunken“, antwortet Van der Bellen. „Verdammte Sch***, was soll ich Alisa sagen?“
"Du kannst hier als Kellner anfangen"

Alisa ist keine im Raum, deshalb kann van der Bellen gefahrlos fortfahren. Er wünsche sich eine „rot-weiß-rote Regierung“ sagt er (in echt), die „zügig, ruhig und gewissenhaft“ arbeitet und „im Gespräch bleibt mit Österreich." Kogler ruht weiter in sich, Sebastian Kurz neben ihm wirkt wie der Geschäftsführer eines Möbelmarktes, der ein neues Geschäft eröffnet und sich freut, bald vieles mit 50 Prozent Rabatt raushauen zu können. Es ist seine fünfte Angelobung und er ist noch nicht einmal 34. Wenn er so weitermacht, hat er bis 60 sein eigenes Panini-Album voll.
Davon bekommen Streaming-Seher wenig mit. Denen wünscht Fritz Dittelbacher „Bon Appetito“. Das hört vielleicht Van der Bellen, denn der Präsident bekommt richtig Gusto auf die eigentliche Angelobung. „Erlauben sie mir, dass ich die akademischen Titel weglasse“, sagt er tatsächlich. Ob Kurz innerlich erleichtert aufseufzt, lässt sich nicht erkennen.
Nacheinander nehmen nun alle hinter dem Tisch, auf dem schon der Staatsvertrag unterschrieben wurde, Platz und unterfertigen ihre Antrittsurkunden. Als Kurz zum Füller greift, liest man am Bildschirm, „hoffentlich hält die Strumpfhose.“ Van der Bellen, der daneben sitzt, räumt ein: „Du kannst hier anfangen. Als Kellner“.
Kurz ist dadurch möglicherweise abgelenkt, er liest gar nicht durch, was da steht. Was, wenn ihm VdB einen Bausparvertrag unterjubelt, eine Grußbotschaft an Reinhold Mitterlehner, einen windigen Handydeal? War nicht Margarete Schramböck früher bei A1? Wenig später wird klar: Kurz hat vorgesorgt. Als ihm Van der Bellen die Hand schüttelt, sagt er artig, „ich gelobe“, fügt dann aber „so wahr mir Gott helfe“ an. Auch Elisabeth Köstinger und Claudia Tanner bemühen den Himmel. Der dankt es sofort. „Buon giorno. Zwei Espressi, bitte“, lesen wir am TV-Insert.
"Und ich bin wieder schuld"

Dann ist auch schon alles vorbei. „Ich bin nur etwas fertig. Ein anstrengender Tag“, lesen wir Fritz Dittelbacher zwar nicht vom Mund, aber aus den Untertiteln ab. „Hilfe. Halten Sie durch“, fleht Tobias Pötzelsberger aus dem Studio. „Deine Mutter flippt aus und ich bin wieder schuld“, analysiert Peter Filzmaier.
Da ist Sebastian Kurz (Untertitel: „Ich bin hier aufgewachsen“) längst im Kanzleramt. Er hat wieder das Kreiskyzimmer bezogen, nur das Gemälde an der Wand ausgetauscht. Statt Olaf Ostens „Pendel 064“ mit der auf den Kopf gestellten, politischen Landkarte Europas, hängt nun ein Schüttbild von Hermann Nitsch da. Schwamm darüber. Vielleicht schreibe ich morgen ein paar Zeilen dazu. Vielleicht auch nicht.
Haben Sie einen wunderbaren Tag.
Fotos: Helmut Graf, Andy Wenzel, iStock