Handschlag-Qualität

Der Bildungsminister hält den Babyelefanten weiter ein, seine Hand nicht. Die Geschichte einer Entfremdung.

Ich musste unwillkürlich an Gerald Ford denken. Der Nachfolger von Richard Nixon, der über die „Watergate-Affäre gestolpert war, galt als besonders linkisch. Ford wirkte nur zweieinhalb Jahre als US-Präsident, keiner seiner Vorgänger oder Nachfolger war kürzer im Amt (außer natürlich der Tod ereilte sie). Nach 895 Tagen war 1977 Schluss, Ford hatte die Wahl gegen Jimmy Carter verloren, was gar nicht so leicht war. Er wurde 93 Jahre alt, starb 2017, in Erinnerung bleibt vor allem seine Tollpatschigkeit. Ford war mit 1,83 Meter nicht übermäßig groß, aber er schaffte es, sich den Kopf an beinahe jedem Türstock zu stoßen. Es gibt im Internet eine Reihe von Videos, die zeigen, wie sich der Präsident beim Aussteigen aus der Air Force One die Birne anschlägt oder wie er in Menschen hineinläuft als wäre er ein Tesla auf Autopilot.

Auch Österreich trug zu dieser Legendenbildung bei. Ford reiste am 1. Juni 1975 nach Salzburg, um sich mit dem ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat zu treffen. Der damalige Bundeskanzler Bruno Kreisky hatte den Termin eingefädelt. Alles begann wie geplant, die Tür der Air Force One öffnete sich, Ford stieg aus, lächelte, bekam einen Schirm in die Hand gedrückt und schritt mit First Lady Betty die Gangway hinunter. Er schaffte es bis fast ans Ende, aber eben nur fast, dann rutschte er auf den glitschigen Stufen aus, purzelte den Rest hinunter und kam schließlich auf dem Roten Teppich und vor den Füßen von Kreisky zu liegen. Der erschrockene Kanzler half dem US-Präsidenten auf die Beine, noch im Aufstehen streckte er Kreisky die Hand hin, der Kanzler war so irritiert, dass er das nicht gleich sah, aber alles ging gut aus. So gut, dass Ford das Experiment wenig später in der Erzbischöflichen Residenz wiederholte, diesmal fing ihn Sadat auf.

Zwei Wochen nach seiner Rückkehr, nahm der US-Präsident zu seinem Ausrutscher Stellung. Er hielt auf dem Militärstützpunkt Fort Benning in Georgia eine Rede und zitierte einen hohen Militär, der seinen Sturz so kommentiert hatte: „Das war das erste Mal, dass wir jemanden auf solche Weise aus einem Flugzeug aussteigen sahen, der keinen Fallschirm benützte“. Nur damit wir das auch gleich geklärt haben: Ford hatte nichts mit dem gleichnamigen Autokonzern zu tun, er wurde als Leslie Lynch King Jr. geboren, später aber von seinem Stiefvater, einem Farbenvertreter, adoptiert. Seinen leiblichen Vater sah er nur einmal in seinem Leben.

Heinz Faßmann ist mit 2,03 Meter erheblich größer als der frühere US-Präsident, er sieht ihm nur sehr, sehr entfernt ähnlich, so als hätte man ihn im U-Ausschuss unter Zuhilfenahme einer Streckbank befragt. Beide aber zeigten in ihrem Leben immer wieder Anflüge professoraler Zerstreutheit. Als der Bildungsminister zu Beginn seiner ersten Amtszeit einem ORF-Team seine neuen Räumlichkeiten zeigen wollte, tippte er vor den Augen der Kamera den Türcode ein. Ganz Österreich wusste von diesem Zeitpunkt an wie man die Sicherheitsschranken zum Ministerbüro überwindet, so viel Service wird Einbrechern selten geboten. Ich glaube, ich habe schon einmal darüber geschrieben, aber auch mir ist diese Zerstreutheit nicht fremd, sie passiert halt ohne diesen professoralen Aspekt.

Gestern war Faßmann auf Besuch in der „Schumpeter HAK – Handelsakademie und Handelsschule“ in der Maygasse in Wien-Hietzing. Der Kanzler war mit und die Wirtschaftsministerin. Die HAK gilt als Musterschule, 500 Schülerinnen und Schüler, 21 Klassen, alle multimedial ausgerüstet, fünf werden als Notebookklassen geführt. Faßmann kam als Erster, Direktorin Prof. MMag. Monika Wierimak eilte ihm freudig strahlend vor dem Haus entgegen, streckte ihm die Hand hin oder er ihr, so klar war das nicht auszumachen. Jedenfalls griff er zu und sie griff zu und das Hoppala war passiert. Ein Händedruck in Coronazeiten. „Keine Absicht“, war dem Minister der Vorfall nachher peinlich, „es war ein Versehen aus Höflichkeit“.

Nein, nur damit mich keiner falsch versteht. Es müssen jetzt keine Runden Tische einberufen werden, der Krisenstab muss nicht tagen und der ORF kein „Im Zentrum Spezial“ veranstalten, der Bildungsminister sollte auch nicht zum Rücktritt aufgefordert werden, man weiß ja nicht, gach stolpert er. Er hat einen Fehler gemacht, aber es ist eine lässliche Sünde. Sie zeigt aber, dass wir mittendrin sind im Corona-Ausstieg. Wir beginnen nun vieles, das uns in den letzten Wochen selbstverständlich wurde, wieder zu verlernen, das ist einerseits schlecht, aber auch wieder gut, denn wenn die neue Normalität der alten Normalität die Hand reicht, dann sollten wir einschlagen, wenn auch vielleicht eine Zeitlang noch besser virtuell. Ach ja, weil wir gerade dabei sind: Nun können wir auch wieder mit dem albernen Händewaschen nach jedem Klogang aufhören oder?

Sebastian Kurz, Margarete Schramböck und „Shaking“ Faßmann waren aber nicht in der Schule eingeritten, um Hände zu schütteln, es ist ja noch kein Wahlkampf, zumindest weiß ich nichts davon. Die Regierung spielte einen weiteren Tag Christkind, diesmal wurde in der „Schumpeter HAK – Handelsakademie und Handelsschule“ die Mehr-oder-weniger-Gratisverteilung von Notebooks angekündigt. Alle Mittelschüler und Unterstufenschüler sollen mit Laptops oder Tablets ausgerüstet werden, das sieht ein „8-Punkte-Plan für den digitalen Unterricht“ vor. Im Schuljahr 2021/22 soll es losgehen, da werden die fünfte und sechste Schulstufe mit Elektronik versorgt, dann erfolgt der Ausbau Schritt für Schritt. Nach vier Jahren sind alle Schülerinnen und Schüler im Besitz von elektronischem Gerätewerk.

Erinnerungen an den Start der Gratisbuchaktion werden wach. Auch hier gab es lange Jahre Selbstbehalte, bis zu 20 Euro pro SchülerIn, nun ebenfalls, dafür dürfen die Apparate auch privat benutzt werden und gehen ins Eigentum der Jugendlichen über. Höchstens 25 Prozent des Kaufpreises sollen die Eltern bezahlen, der Tarif wird aber sozial gestaffelt, wie das gehen soll, ist mir ebenso noch ein Rätsel wie einiges andere an dieser Förder-Maßnahme, etwa wer bezahlt die Software, wer haftet rechtlich, wer zahlt das Internet daheim, wenn sich die Eltern keinen Anschluss leisten können? Ja, auch das gibt es, Corona hat in aller Brutalität gezeigt, wie unterschiedlich verteilt Wohlstand und Armut in unserem Land sind. Nur jede(r) Zweite hat Wlan daheim.

Und, sind die
Laps top?

Vielleicht geht es nur mir so, aber ich habe ein mulmiges Gefühl. Mir kommt es so vor, als wäre in diesen Tagen, wie man früher salopp sagte, das Geld abgeschafft. Die Regierung lässt Millionen regnen, alle Schleusen sind offen, das Wasser fließt, aber haben wir es noch unter Kontrolle? Ich bin sehr für eine digitale Offensive, ich gönne jedem und jeder ein Notebook, Bildung sollte unser höchstes Gut sein und die Scheinwerferkegel sollten nicht nur auf die Klassenzimmer gerichtet sein, wenn der Kanzler, Hände lässig in der Hosentasche, den Raum betritt und mit Schülerinnen und Schülern smalltalkt. Wir sollten bei der Zukunft unserer Kinder „All in“ spielen, alles Geld, das wir frei haben und zusammenkratzen können, auf Bildung und Ausbildung setzen, aber im Moment spielen wir überall „All in“ und ich beginne zu rätseln, wer das alles bezahlen soll.

„Und wenn mich einer fragt, wie denn das mit den Schulden ist, dann sage ich ihm das, was ich immer sage: dass mir ein paar Milliarden Schilling Schulden weniger schlaflose Nächte bereiten, als mir ein paar hunderttausend Arbeitslose mehr bereiten würden“. Jahrzehntelang rieb die ÖVP der SPÖ dieses Zitat von Bruno Kreisky aus einer Rede im Nationalrat 1979 unter die Nase. Den Roten die Finanzgebarung des Landes zu überlassen, wäre so, als würde man einen Hund auf seine Wurst aufpassen lassen, spotteten die Schwarzen. Und nun? Füllhorn. Im Büro des aktuellen Kanzlers hängt ein Porträt von Kreisky, „Schuldenkanzler“ nannte ihn die ÖVP. Wird man das eines Tages auch über Sebastian Kurz sagen? Gestern stand der Kanzler in der HAK. „Wir haben sehr stark davon profitiert, dass unter Bruno Kreisky die Schulbuchaktion eingeführt wurde“, sagt er. Es wäre Kurz lieber, die Menschheit würde ihn als Gründervater der digitalen Schulbuchaktion sehen, er wird alles dafür tun, dass sich dieses Bild in unseren Köpfen einbrennt.

Natürlich, es ist nötig antizyklisch zu agieren, Impulse zu setzen, Anreize, damit die Wirtschaft wieder anspringt, Corona überwindet, Wachstum entsteht und damit aus den 1,1 Millionen Kurzarbeitenden keine Arbeitslosen auf Dauer werden. Alles, was diesem Zweck dient, ist unterstützenswert, aber erkenne ich in all dem, was gerade ausgerollt wird, eine Strategie? Nein, das tue ich nicht. Das kann natürlich an mir liegen, vielleicht sehe ich das große Ganze nicht, aber was, wenn es dieses große Ganze gar nicht gibt? Wenn das Geld beim Fenster hinausgeworfen wird wie vor Wahlen, wenn im Parlament jede Partei schnell noch ihre Klientel befriedigen will? Es wird der Tag kommen, an dem sich jemand hinstellt, in die Hände klatscht und sagt: „So, genug ausgegeben, jetzt müssen wir wieder ein bisschen Geld eintreiben“. Das wird blutig.

"Mutter, der Mann
mit dem Koks ist da"

Das Leben spielt uns schon seltsame Streiche. Dienstag tauchten Fotos auf, die den ehemaligen Wiener Klubobmann Johann Gudenus beim Kokainkonsum zeigen sollen. Dessen damaliger Chef, Heinz-Christian Strache, zeigte sich gestern darüber empört, er will davon nichts mitbekommen haben. Die Salzburger FPÖ-Vorsitzende Marlene Svazek regte an, doch alle ChefredakteurInnen zum Drogentest zu schicken. Und mittenhinein passiert was? „Heute“ fällt ein YouTube-Clip in die Hand, ein Falco-Video aus dem Jahr 1996. In einer kurzen Sequenz tauchten zwei Kinder auf. Deren Namen: Philippa und Christopher Beck, Zwillingsgeschwister. Der Falco-Song nennt sich „Mutter, der Mann mit dem Koks ist da“, es gibt dutzendfache Anspielungen auf Kokain, das kleine Mädchen allerdings bekommt schließlich Koks, also Kohle, zum Heizen geliefert. Ihr heutiger Name: Philippa Strache. Irgendwann fange ich an, einen Blog über die österreichische Politik zu schreiben. Ich denke, ich nenne ihn „Kopfnüsse“, vielleicht fällt mir aber noch etwas Besseres ein.

Auch die Russen haben es jetzt lustig mit uns. Präsident Putin versucht derzeit, eine Verfassungsreform durchzudrücken, die ihm eine weitere Amtszeit ermöglicht. Auf Instagram läuft derzeit deshalb ein rund 45 Sekunden langer Spot, er zeigt die Familie von Jewgeni Pljuschtschenko, Putin-Freund und mehrfacher Olympiasieger und Weltmeister im Eiskunstlauf. Der Werbefilm beginnt damit, dass Sohn Aleksandr (7) auf einem Globus Russland entdeckt. „Schau, wie groß unsere Heimat im Vergleich zum kleinen Österreich ist“, sagt Mama Jana zu dem Knirps. „In unserem großen Land leben wir, gehen zur Schule, erziehen Kinder und haben alle Rechte“. 

Ob sie damit meint, dass wir die Schule schwänzen, unsere Kinder hauen und rechtlos sind, bleibt offen, Mama Jana gerät nämlich in der Folge eher in Verzückung über die neue Verfassung im Putin-Style. Der Spot heimste in Russland auch Häme ein. Kreml-Kritiker Michail Choorkowski spöttelt: „Unsere Heimat ist 200 Mal größer als Österreich, das Mindestgehalt bei uns ist aber zehn Mal geringer als dort“. Der Blick von außen ist halt oft gnädiger als der Blick von innen.

Ein Schiff wird
(durch)kommen


Möge Ihr Blick heute auf einen wunderbaren Donnerstag fallen. Falls Sie sich über das Foto des Schiffes hier oben wundern, dann muss ich sie enttäuschen, die Abbilding dient keinem höheren Zweck, das Bild ist einfach geil. Das 41 Meter lange und 160 Tonnen schwere Passagierschinakl „Smetana“ zuckelte Dienstag von Deutschland kommend durchs Mühlviertel Richtung Tschechien. Vor allem die engen Ortsdurchfahrten wurden zu einem lokalen Ereignis. Da man im Moment ja keine anderen Veranstaltungen geboten bekommt, gingen viele „Boot schauen“. Mehr Kreuzfahrt geht im Moment nicht. 

Morgen melde ich mich wieder, wenn sie mögen, dann ist schon wieder Wochenende, der Sommer naht in Riesenschritten, es wird Zeit für eine Pause.

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