Hexenjagd am Klo

Rumänische Toiletten, italienische Kaffeemaschinen. Österreichs Politik zeigte sich am Wochenende wieder betont sexy.

Manche Recherchen beginnen am Klo, andere enden dort. Ich erinnere mich an eine Geschichte, die mir ein damaliger Minister (dessen Namen ich hier für mich behalten möchte) dereinst erzählte. Er habe kurz nach der Bestellung ins Amt auf der Toilette einen seiner mächtigsten und machtbewusstesten Sektionschefs getroffen.

Wie es halt so ist, wenn man am Urinal stehend Geschäfte erledigt, auch wenn es nur kleine sind, man kommt ins Plaudern über dies und das und der Minister ließ seine Pläne zu Wasser. Er wolle, sagte er, eine tiefgreifende Reform im Beamtenapparat einleiten, man muss dazu sagen, er war damals noch sehr jung. Jedenfalls erbat er sich vom Sektionschef eine Einschätzung, ob er das für vernünftig halte. Der hohe Beamte ließ kurzzeitig von der optischen Kontrolle der Zielgenauigkeit seines Strahls ab, blickte zum Minister neben sich und sagte trocken: „Das hängt davon ab, wie lange sie im Amt bleiben wollen.“ Um es kurz zu machen: Die Reform kam nie.

"Es gab sogar eine Dusche"

Am Wochenende unternahm Österreichs Politik erneut einen Abstecher aufs Klo. Der neue Beamten- und Sportminister Werner Kogler beantwortete zwei parlamentarische Anfragen, die seinen Vorvorgänger im Amt, Heinz-Christian Strache, betrafen. Man erfährt darin allerlei, etwa dass die Studie „100 Basisübungen für Jung und Alt (Initiative ,Mach den ersten Schritt´)“ 24.000 Euro kostete, was günstig erscheint, angesichts der Tatsache, dass die Studie „Die ökonomische Bedeutung des Mountainbikens in Österreich“ 40.000 Euro verschlang. Die Arbeit an „Tag des Sports 2019: Relaunch Logo und Design, grafische Leistungen“ schlug mit 59.880 Euro zu Buche.

Weil aber nicht jeder Minister und schon gar kein Vizekanzler mit dem Mountainbike ins Büro fährt und die Studie zu „Mach den ersten Schritt“ vielleicht noch nicht fertig war, stellte sich schnell die Frage: Worauf sitzen im Strache-Büro? Die Antwort darauf ist in der zweiten Anfragebeantwortung nachzulesen, nämlich dass für „Möbel (wie z.B. Büromobiliar, Kücheneinrichtung, etc.), Büroausstattung sowie Umgestaltung des Büros (wie z.B. Teppiche, Vorhänge, Bepflanzungen)“ 123.271,06 Euro ausgegeben wurden, für die „Sanierung der Sanitäranlagen“ 96.570,02 Euro. Wenn also ein Minister einen Sektionschef in Hinkunft am Klo fragt, ob eine Reform des Beamtenapparates für ihn politisch lebensverlängernd sei oder das genaue Gegenteil bewirken könnte, dann tut er dies zumindest in ansprechender Umgebung.

Der Griff ins Klo spülte bei Strache Emotionen frei, nicht gleich, sondern erst nach ein paar Stunden, vermutlich wollte er nichts übers Knie brechen, wo doch schon das eigene nicht mehr ganz heil ist. Auf Facebook fasste er die beiden Anfragebeantwortungen am Freitag gegen Abend hin, als die Sonne in St. Jakob langsam vom Himmel fiel, so zusammen: „Und die Hetze geht weiter“. Dass die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage nun schon den Tatbestand der „Hetze“ erfüllt, legt die diesbezügliche Latte sehr hoch oder sehr tief, je nach Ansichtssache.

Sein neues Ministerium, schrieb Strache, habe „völlig neue behindertengerechte Sanitäranlagen“ benötigt, diese wären „völlig heruntergekommen“ gewesen. Wenig später steigerte sich sein Zorn und aus der „Hetze“ wurde „eine politische Hexenjagd“. Wenn ich mich recht erinnere, gab es eine Hexenjagd am Klo zuletzt, als sich die Maulende Myrte in „Harry Potter und die Kammer des Schreckens“, auf die Mädchentoilette flüchtete. Es erweist sich erneut als Nachteil, dass Sebastian Kurz noch nicht die Zeit fand, sich in die Werke von Joanne K. Rowling zu vertiefen, er hätte Strache vielleicht schneller durchschaut, ganz ohne die Maulende Myrte fragen zu müssen.

Sparen im Abfluss-System

"Rhapsody in Blue"

Ganz grundsätzlich muss man aber sagen: Dem Österreicher ist nicht vieles heilig, aber seine Häusln sind es ihm schon. In anderen Ländern hätte man spätestens zu diesem Zeitpunkt den Klodeckel zugeklappt, bei uns nicht, da ist frühestens Schluss, wenn die Kacke so richtig am Dampfen ist, wenn mir dieser derbe Ausdruck gestattet sei. Wir sparen vielleicht irgendwann einmal im System, aber niemals im Abflusssystem.

Das Palais Dietrichstein-Ulfeld befindet sich am Minoritenplatz 3, ums Eck vom Kanzleramt, mit dem es durch einen Tunnel verbunden ist. Vor Strache (FPÖ) logierte hier im zweiten Stock des Gebäudes Thomas Drozda und der ehemalige SPÖ-Kulturminister erinnerte sich am Wochenende der alten Toiletten, die er während seiner Amtszeit offenbar liebgewonnen hatte, und wollte nichts auf sich (oder auf sie) sitzen lassen. „Ich darf festhalten, dass die Häuseln in meinem früheren Büro in Ordnung waren, es gab sogar eine Dusche (hatte ich davor und danach nicht)“, schrieb er auf Twitter. Ich war mir von Anfang an nicht sicher, ob das nicht zu viel der Information ist.

Martin Glier, früher Pressesprecher von Strache, dachte vielleicht ähnlich, aber weil auch er das Ansehen der Toiletten nicht beschmutzt und besudelt wissen wollte, antwortete er flugs. „Nein, Herr Drozda“, schrieb er ebenfalls auf Twitter, „die Häuseln waren ganz und gar nicht in Ordnung. Von der Optik her, rumänische Autobahnraststätte der späten 70er und zudem nicht barrierefrei“. Weil Küche und Klo allein schon auf der Ebene der Peristaltik miteinander zu tun haben, dürfte ihm in diesem Augenblick eine Frage eingeschossen sein: „Wo ist eigentlich die sündteure italienische Designkaffeemaschine geblieben, die Sie sich gegönnt haben?“

Die nachfolgende Debatte entwickelte sich, wie soll ich sagen, sehr österreichisch. Die Kurzfassung geht so: Glier vermutet, dass Drozda sie hat. Drozda vermutet, dass Blümel sie hat. Blümel vermutet, dass Lunacek sie hat. Beweise fehlen, man könnte jetzt von allen Beteiligten Stuhlproben einfordern, um an den Beginn der Affäre anzuknüpfen. Oder Kurz beruft einen runden Tisch ein, mit der Justiz herumzudebattieren ist ja ganz nett, aber in diesem Fall geht es um eine „sündteure italienische Designkaffeemaschine“, also um alles.

Wenn man nämlich nicht bald was unternimmt, wird die „sündteure italienische Designkaffeemaschine“ recht schnell gekränkt sein, dass so über ihren Kopf hinweg über sie geredet wird. Man müsse mit den Menschen sprechen und nicht über sie, diesen Satz trägt doch jeder Politiker in jedem Wahlkampf vor sich her wie ein Häferl Kaffeebohnen und das müsste doch auch für „sündteure italienische Designkaffeemaschinen“ gelten.

"Sie rufen außerhalb …"

Im Palais Dietrichstein, ums Eck vom Kanzleramt, residiert jetzt Susanne Raab, die in der neuen Regierung für Frauen und Integration zuständig ist. Sie hat meinen Informationen zufolge „keine sündteure italienische Designkaffeemaschine“ im Büro stehen, dafür sehr sauber renovierte, sieben bis acht Toilettenanlagen im Haus, von denen sie jetzt weiß, dass deren Instandsetzung an die 100.000 Euro gekostet hat. Manche lernen Österreichs Politik halt auf die harte Tour kennen.

Wir einfachen Österreicher, ohne „sündteure italienische Designkaffeemaschinen“ und neu renovierte Toiletten daheim, wissen dagegen schon lange, wie Österreichs Politik funktioniert. Das Corona-Virus allerdings nicht und das könnte sich als Vorteil oder als Nachteil erweisen, je nachdem wie man das sieht. Weil das Informationsbedürfnis in der Bevölkerung unermesslich groß ist, hat das Gesundheitsministerium von Rudolf Anschober dankenswerterweise eine „Coronavirus-Hotline“ eingerichtet. Dort beantworten „Expertinnen und Experten der AGES Fragen“, leider nicht immer.

Denn die „Coronavirus-Hotline“ hat nur zu Bürozeiten offen, also von Montag bis Freitag von 9 Uhr bis 17 Uhr. Wer außerhalb dieser Zeit anruft, hat nicht wirklich Pech, aber Glück auch keines. Er oder sie wird nämlich nach Deutschland umgeleitet. Dort meldet sich tatsächlich auch am Wochenende eine Expertin – vielleicht wird sie durch die Erzeugnisse einer „sündteuren italienischen Designkaffeemaschine“ wachgehalten – sie weiß aber über Österreich nur bedingt Bescheid. Als wir gestern aus Testzwecken die Frage stellten, wie viele Verdachtsfälle es bei uns gäbe und ob eventuell vielleicht schon ein bestätigter Fall vorliege, erhielten wir den Rat, „bitte am Montag bei der österreichischen Hotline anrufen“.

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Tag musste ich an Wolfgang Graninger denken, jenen Klestil-Arzt, der 1996 in der „Zeit im Bild 2“ zu Ingrid Thurnher gesagt hatte, in Österreich sei „am Freitag, Samstag, Sonntag ja ohnehin Stille“. Man stelle sich vor, du bist so eine Corona-Virus, du hast dich von China nach Österreich durchgekämpft, dauernd wurde gemessen, ob du Fieber auslöst, zuletzt am Wiener Flughafen. Dann hast du alles geschafft, stehst in der Wiener Innenstadt, du bist erstmals da, kennst keinen einzigen Virus in dieser Stadt und es ist Freitag, 18 Uhr, und die Hotline ist im Wochenende. Bitter!

"Sorgsam sein"

Seit vier Wochen hat Österreichs Bundesheer erstmals eine Chefin und ehe sie daran geht, den Generälen „die Wadln vire zu richten“ und sich von Airbus schnell ein paar Millionen Euro zurückzuholt, dass es nur so schmiert, schickte sie zunächst ihren Pressesprecher ins weite Feld der Kommunikation aus. Er sollte dem Führungskader beibringen, wie man mit Journalisten umzugehen hat, außer natürlich am besten gar nicht, denn Fallen würde überall lauern. „Medien oder dem Bundesheer nicht freundlich gesinnte Organisationen nutzen das dann meist aus. Es kann auch passieren, dass Angehörige des Bundesheeres gegenseitig ausgespielt werden," steht in einer Art Medienerlass, über den der „Standard“ schrieb. "Wir müssen bei der Auswahl der Reporter sehr sorgsam sein“. Sagt die Ministerin, nicht der „Standard“.

Warum ist schnell klar und hat überhaupt nichts mit „message control“ zu tun, sondern: „Wenn wir als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen werden und wenn junge Menschen sagen: ,Ja, das Bundesheer ist sexy', das ist toll, dann werden sie nach dem Grundwehrdienst bei uns bleiben. Dann werden sie sich verpflichten."

Dabei wäre das viel einfacher zu erreichen, Männer. Renoviert die Toiletten und stellt eine „sündteure italienische Designkaffeemaschine“ hin, dann rennen euch die Leute die Bude ein! Das wäre sexy.

Haben Sie einen wundervollen Start in die Woche!

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