Im Bett mit Kurz

Bilder, die im Kopf bleiben, und weitere Virus-Beobachtungen.

Betthupferl des Tages: In Österreich wird die Flugzeit zwischen Himmel und Hölle zuweilen recht kurz bemessen. Als Sebastian Kurz noch nicht der Krisen-Kanzler war, hatten einige Journalisten eine Krise mit ihm. Und jetzt? Im aktuellen „Trend“ schrieb Josef Votzi ein lesenswertes Porträt über die Corona-Omnipräsenz von Kurz. Es gipfelt in dem Satz: „Die Österreicher gehen dieser Tage mit dem Kanzler schlafen und wachen mit ihm auf“. Bei aller Liebe, aber das glaube ich nicht.

Canossagang des Tages: Als Tirol langsam zu erkranken begann, fand in St. Christoph am Arlberg gerade ein Sportärztekongress mit 130 Teilnehmern statt. Am zweiten Tag, es war der 8. März, brach der Veranstalter ab. Ein Großteil der Mediziner fuhr nicht heim, sondern dachte sich, die Tiroler werden sich was dabei gedacht haben, als sie Berge hinstellten, und gingen Ski fahren, war ja alles bezahlt. Es muss ein hartes Los gewesen sein, sich bei prachtvollstem Wetter von Skilehrern die schönsten Hänge der Gegend zeigen zu lassen. Der Leiter der „Ski Austria Academy“, Herbert Mandl, sagte jedenfalls zum ORF: „Die Ärzte sind auf freiwilliger Basis zum Skifahren geblieben“. „Auf freiwilliger Basis“, das finde ich unfreiwillig kokett.

Hottentotte des Tages: Franz Hörl ist ein umtriebiger Mann. Der gelernte Koch betreibt ein Hotel, ist Landwirt, ÖVP-Nationalratsabgeordneter, Landesobmann des Tiroler Wirtschaftsbundes, Obmann des Fachverbandes der Seilbahnwirtschaft, Geschäftsführer der Skilift-Zentrum Gerlos GmbH, usw.. Der „Standard“ bezeichnete ihn einmal als den „Pitbull der Tiroler Volkspartei“. 2011 beantwortete er im Budget-Unterausschuss des Nationalrates die Frage, wie viele Frauen denn im Landwirtschaftsministerium arbeiten würden, so: „Irgendeine Putzfrau wird es schon geben“. Der Tiroler Blogger Markus Wilhelm machte nun den SMS-Verkehr zwischen Hörl und dem Wirt des „Kitzloch“ in Ischgl, einem der Corona-Brutherde, öffentlich. Hörl fordert die Schließung des Lokals sonst „sehen wir Tiroler da wie ein Hottentotten Staat und stehen ganz schnell auf der Deutschen Liste“. Was die „Deutsche Liste“ sein soll, wird nicht näher erklärt, die Folgen aber schon. „Der Image Schaden für Tirol und Ischgl ist unermesslich... nach einer Woche 10 Tage ist viel Grad (gemeint ist wohl Gras) über die Sache gewachsen“. Corona nach 10 Tagen vorbei, alles wieder bereit zum Aufsperren und Gras über die Sache gewachsen? Ein Mann mit Visionen, der gehört in die Politik. Ah, Moment...

Prognose des Tages: In einem Jahr, vielleicht auch erst in zwei, wird das „Kitzloch“ neu aufsperren und vielleicht dann „Fritzloch“ oder „Kitzlücke“ heißen. Jedenfalls wird es einen Corona-Flip auf der Getränkekarte geben und sicher wird Aperol drin sein. Der Landeshauptmann wird zur Wiedereröffnung kommen und sich beim Wirt bedanken, dass während der Krise alle zusammengehalten haben. Der Wirt wird sich beim Landeshauptmann dafür bedanken, dass nach der Krise alle zusammengehalten haben. Und der Steuerzahler wird sich erst recht bei allen beiden bedanken, denn irgendwer muss ja dafür bezahlen, dass alle während und nach der Krise so gut zusammengehalten haben.

"Kein Reisebüro"

Hoppala des Tages: So etwas kann schon einmal passieren. In Tschechien wurde nun ein Transporter aus China abgefangen, der 680.000 Schutzmasken und ein paar Tausend Beatmungsgeräte geladen hatte, in Polen ein Lastwagen gestoppt, der 23.000 Masken mitführte. Die Fuhre war für Italien bestimmt und wurde dort dringend erwartet, schreibt „La Repubblica“. Die Tschechen hatten andere Pläne und verteilten flugs einen Teil der in die Hände gefallenen Ladung an Spitäler des Landes. Ein bedauerlicher Fehler sei das gewesen, bekundete die politische Führung des Landes treuherzig, nach einem Aufschrei werde man die Masken aber unverzüglich in den nächsten Tagen an Italien liefern. Man merkt in diesen Tagen, dass es sich beim europäischen Gedanken tatsächlich nur um einen Gedanken handelt.

EUxit des Tages: Was macht eigentlich die EU beruflich so? Sie macht in Bürokratie. Statt überall auf der Welt rasch und koordiniert Schutzkleidung und medizinisches Gerätewerk einzukaufen, tut das inzwischen jedes EU-Land auf eigene Faust. Heute etwa landete eine AUA-Maschine mit Masken und Beatmungsgeräten aus China in Wien. Aber Heureka, nun hat die EU-Kommission ein „beschleunigtes gemeinsames Beschaffungsverfahren eingeleitet“. Schon „Anfang April“ könnte der Ankauf von Schutzkleidung starten, selbstverständlich die „Genehmigung der Mitgliedstaaten vorausgesetzt“. In zwei Wochen geht es dann aber richtig los. „Darüber hinaus legt die Kommission eine Kommissionsempfehlung zu den Konformitätsbewertungs- und Marktüberwachungsempfehlungen im Zusammenhang mit Covid-19 vor“. Was das heißen soll? Einweg-Gesichtsmasken dürfen auch angekauft werden, wenn sie nicht die „CE-Kennzeichnung“ aufgedruckt haben. Irgendwo im Eck liegt das Virus und hält sich den Bauch vor Lachen.

Gardemusik des Tages: Der Hadern „I am from Austria“ treibt seit jeher vielen Menschen Tränen in die Augen, bei den einen sind es Tränen der Rührung, bei den anderen Tränen der Pein. Rainhard Fendrich hat das Lied eigentlich unter dem Eindruck der Waldheimjahre geschrieben, es gilt als Österreichs heimliche Nationalhymne, aber schon die tatsächliche kann nicht jeder gut leiden. Die Wiener Polizei fährt jetzt jeden Abend um 18 Uhr durch die Straßen und beschallt Quarantäne-Geplagte mit Austro-Pop. In den sozialen Medien wurde das am Wochenende heftiger debattiert als Klopapier und das mag was heißen. Am Samstag fuhr ein Polizeiauto vor den Hochhaustürmen in Alt Erlaa vor und spielte „I am from Austria“, Hunderte sagen mit, johlten, jaulten, pfiffen vor Begeisterung, klatschten. Wie soll ich jetzt sagen, aber beim Video dazu schmilzt das Eis von meiner Seel` wie von an Gletscher im April.

Neue Seidenstraße

Hamsterei des Tages: Hefe ist übrigens das neue Klopapier, warum weiß auch diesmal keiner. Wer im Supermarkt an der Kasse steht, sieht wie Menschen nun Germ hamstern. Bäckt jetzt jeder sein eigenes Brot? Traut sich keiner mehr beim Italiener bestellen und macht seine eigene Pizza? Nach dieser Krise werden Soziologen einiges zu tun haben. Bis dahin wird auf "Will haben" bis zu 12 Euro für eine Germpackung verlangt. Die sind alle nicht bei Toast.

Virulanten des Tages: Auch an diesem Wochenende gab es im ganzen Land Corona-Partys, natürlich in Wien, in Niederösterreich warnte die Polizei offiziell vor solchen Veranstaltungen, in der Steiermark feierte sogar ein FPÖ-Landtagsabgeordneter mit. Die Regierung holt Urlauber aus der halben Welt heim in Sicherheit, aber die zu Rettenden wollen sich nicht retten lassen, sondern lieber wandern oder an den Strand gehen. „Wir sind kein Reisebüro“, wetterte Außenminister Alexander Schallenberg gestern. „Ach nicht“, fragen sich vielleicht ein paar der Virulanten. Das alles ist kein österreichisches Phänomen. Den besten Satz dazu sagte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder: „Denjenigen, die sich schwertun, den Charaktertest zu bestehen, denen geben wir jetzt Regeln“.

Bewegung des Tages: Lustig übrigens, wie jetzt plötzlich alle sportbegeistert sind. Kaum ist joggen und radeln nur ein bisschen verboten, drängt es alle nur so raus in die Natur. Das wird man sich merken müssen. 

Flirt des Tages: Natürlich bekommen jetzt viele Länder über Nacht das Antlitz einer Diktatur. Man sieht Politiker mit glänzenden Augen über China reden. In Ungarn will Orban mindestens bis Ende des Jahres mittels eines Dekrets regieren, ohne Parlament, ganz allein. Auch in Österreich werden nun Gesetze beschlossen, die das Regieren in Krisenzeiten geschmeidiger machen. Soll sein, aber man wird darauf Acht geben müssen, dass uns die Bürgerrechte danach wieder rasch und feierlich zurückgegeben werden und wir nicht darum betteln müssen. Auch gegen so etwas kann man Antikörper entwickeln.

Empfehlung des Tages: Ein paar diesbezügliche Anwandlungen gibt es natürlich schon. Die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch erregte sich am Freitag über die Nachlässigkeiten, die in Tirol passiert waren, gleichzeitig forderte sie die Regierung „zur Lenkung der Medienberichterstattung“ auf. Die Koalition solle „mit den Medien reden“, damit nicht jeden Tag Horrorszenarien verbreitet würden, so der „Standard“. Der Fremdenverkehr soll wohl keinen Schaden nehmen. Ein Job für die neuen Fake-News-Ghostbusters, die nun im Kanzleramt wirken? Zehn Polizeischüler sollen dort Falschmeldungen aus dem Internet aufspüren, Medien wurden zur Mitarbeit eingeladen. Ich habe nachgefragt, was wir diesbezüglich Gutes tun könnten, eine Antwort traf noch nicht ein. Vielleicht ist sie noch in Fake-News-Prüfung.

Irgendwann erwischt
es jede(n)

Trunkenheit des Tages: Es ist nicht so, dass in Medien kein Blödsinn steht, auch hier. Am Freitag schrieb ich über ein paar Elefanten, die in China zu viel Maiswein konsumiert hatten und dann am Feld ihren Rausch ausschliefen. „National Geographic“ deckte nun auf – alles Humbug. Also es gibt schon Elefanten in Yunnan und die marschieren auch durch die Gegend, aber die Fotos sind nicht von dort und besoffen waren die Viecher auch nicht. Das Wasser in Venedig ist übrigens auch nicht wie durch ein Wunder über Nacht supersauber geworden, es wird momentan nur kein Schlamm aufgewühlt. Und die Delphine sind auch nicht zurück, die Bilder stammen aus Sardinien, die Schwäne waren schon immer da. Aber schön ist das alles trotzdem.

Vermummung des Tages: Seltsam, oder? In den letzten beiden Jahren hat sich halb Europa um Gesetze bemüht, die eine Vermummung im öffentlichen Raum verbieten sollten. Jetzt ist die Vermummung vielerorts vorgeschrieben. Am Wochenende wurde die neue slowakische Regierung angelobt. Staatspräsidentin Zuzana Čaputová (nein, ich mache jetzt keinen Namenswitz) empfing mit rotem Mundschutz, passend zum roten Kleid. Die gesamte Ministerriege inklusive Ministerpräsident Igor Matovic erschien ebenfalls mit Mundschutz, ist Gesetz. Angela Merkel hielt ihre TV-Rede gestern noch ohne Mundschutz, unmittelbar danach musste die deutsche Kanzlerin in Hausquarantäne. Ein Arzt, der ihr eine Pneumokokken-Impfung verpasst hatte, war positiv auf Covid-19 getestet worden. Es ist nicht ihr Jahr.

Haarspalterei des Tages: In Österreich haben viele Telekom-Shops offen und die Friseure zu. In Deutschland haben die Telekom-Shops zu, aber die Friseure offen. Wenn ich Twitter so mitverfolge, wäre es vielen hierzulande umgekehrt lieber. Ist aber haarig.

Polizeimusik

Neue Woche,
neues Motto

Aktionismus des Tages: Es ist ja nicht so, dass wir nicht ein paar Injektionen Zuversicht nötig hätten, bis es eine Impfung gegen das Virus gibt. Es liegen noch einige Wochen Ausgangsbeschränkungen vor uns, wir müssen Duchhaltevermögen beweisen. In "Heute" wollen Politiker und Prominente jetzt Mut machen. Wir haben die Aktion "wir packen das" gestartet. Jeder kann mitmachen, uns ein Foto schicken. Den Anfang macht die Bundesregierung, wir würden uns über eine unpackbar große Teilnahme freuen.

Gelassenheit des Tages: Kardinal Christoph Schönborn hatte am gestrigen Sonntag zwei große Auftritte. Er war in der „Pressestunde“ zu Gast oder besser gesagt die „Pressestunde“ war bei ihm im Erzbischöflichen Palais zu Gast. Und er gab Conny Bischofberger ein großes Sonntagsinterview. Darin ging es am Ende auch um seinen Rücktritt, den der Papst vorerst einmal abgelehnt hatte. „Ich bin“, sagte Schönborn“, wie man in Fußball sagt, in der Verlängerung“. Durch Corona könnte diese Verlängerung „jetzt aber ein bisschen länger dauern, oder?“, stieß Bischofberger nach. „Länger oder kürzer, das liegt in Gottes Hand“, antwortete der Kardinal und das war ziemlich weise, aber, wenn man genau hinhört, auch wunderbar witzig.

Möge Ihr Wochenstart trotz all der widrigen Umstände auch wunderbar witzig ausfallen.

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