Im Namen der Maske

Ab heute hat Corona ein Gesicht. Die Folgen und (k)ein Aprilscherz.

Dieser Teufel Corona, heute setzt uns das Virus seine Maske auf. Plötzlich bekommt diese Krankheit eine Symbolik, ein Logo, wenn man so will. Ihr Auftreten wird sichtbar. Natürlich, hinschauen konnte man schon bisher, es gab leergefegte Straßen und Büros, Videotelefonate statt Händeschütteln, aufmunternde Witzclips via WhatsApp statt Küsschen da, Küsschen dort. Da waren auch die schrecklichen Bilder aus Italien, später dann auch aus Spanien, die zynische Unvernunft in den Gesichtern vieler Politiker aus allen möglichen Ecken der Welt und die unzähligen ZiBs mit den unzähligen schlechten Nachrichten. Wir sind und waren nicht im Krieg, auch in Zeiten der Krise sollte man sich einen letzten Rest an sensiblem Umgang mit Sprache, Sprachbildern und Assoziationen bewahren, aber wir wurden beschossen mit Neuigkeiten, das schon, eine übler als die andere.

Nun aber sehen wir die Krise direkt vor unseren Augen. Sie hat ein Gesicht bekommen, eine Maske. Ein seltsames Bild, etwas, das uns verhüllt, öffnet uns die Augen. Der Supermarkt war in den letzten Wochen zu unserem Kaffeehaus, unserem Fitnessstudio, unserem Tennisklub geworden. Ein sozialer Ort, an dem sich Menschen begegnen konnten und die Regierung hatte nichts dagegen, ein seltsamer Satz ich weiß, aber was ist nicht seltsam in diesen Tagen. Der Besuch im Supermarkt, das Hamstern von Reis und Klopapier (in Deutschland gibt es jetzt übrigens tatsächlich den ersten Drive-in dafür), das war ein letzter Rest Konstanz im Leben, auch wenn man im Geschäft keinen kannte, den man da traf oder sah.

Ab heute tragen alle Masken, ab dem kommenden Montag sind sie Pflicht, wir anonymisieren uns. Wir werden Einkaufsroboter, die Waren in Wagen legen, zahlen, heimgehen. Das Virus hat uns nicht nur den Alltag genommen, sondern auch viel Würde.

"Ist alles Chimäre,
aber mich unterhalt's"

Aber leider ist das erst der Anfang, ich würde gern mehr Fröhlichkeit verbreiten, aber sie wäre gespielt. Der Montag, als der Kanzler mehr oder weniger dauerhaft im Fernsehen auftrat, war eine Zäsur, er hat die Menschen tief ins Herz getroffen. Viele waren tapfer in den letzten beiden Wochen, ihnen wurde gedankt, aber es wurden ihnen auch neue Lasten auf die Schultern geladen. Viele Schultern waren nicht mehr bereit dafür. Es flossen Tränen, auch bei Menschen, die sich als stark einschätzen oder so gesehen werden.

Es wird nicht bei den Masken bleiben. Sehr schnell werden jetzt die Intensivstationen voll sein. Natürlich kann man Reserven verfügbar machen, aber irgendwann kommt alles im Leben an sein Ende. In der Osterwoche, spätestens ein paar Tage danach, wird dieses Limit erreicht sein. Es werden sich auch die Notlager, selbst jenes in der Messe Wien, zu füllen beginnen, es werden mehr und mehr Menschen sterben. Plötzlich werden wir auch schreckliche Bilder sehen, die nicht aus Bergamo oder aus der Lombardei stammen, sondern aus Orten und Bezirken, deren Namen uns vertrauter klingen. Das Virus wird nah an uns heranrücken, uns ins Gesicht blicken und böse lachen. Wir mochten es bisher schon nicht, ab da werden wir es hassen.

Es werden viele Debatten verstummen, die wir vielleicht jetzt noch da und dort intensiv wahrnehmen. Ob die Maßnahmen überschießend sind, die getroffen wurden? Ob man die Versäumnisträger in Tirol, aber auch an anderen Orten nicht schneller vor Gericht bringen sollte? Ob Parks und Spielplätze geöffnet oder geschlossen sein sollten? Ja vielleicht auch wann die Schulen wieder aufmachen müssen? Wir stellen uns momentan zu häufig die Frage wie es im nächsten Tal aussieht und vergessen, dass wir davor noch über den Berg drüber müssen. So erwarte ich das, ich hätte mich noch niemals im Leben lieber geirrt.

Her damit

Rauf damit

Das ist die bittere Seite der Krise, aber sie hat auch eine süße, sie zeigt sich seit gestern und sie macht dem Teufel Virus Sorgen. Wir entwickeln neue Kräfte, wir tun, wir kämpfen, wir stemmen uns dagegen, wir strengen uns noch mehr an, wir widersetzen und wehren uns, wir machen uns groß und stark, wir geben auch in unserem Humor nicht klein bei. Es gibt nicht genug Masken? Wir nähen welche. Wir haben zu wenig Material dafür? Wir basteln Schutz aus Tüchern und Kaffeefiltern. Wir müssen jetzt Masken tragen? Dann tun wir das einfach. Wir verwenden bunte Stoffe und malen die Masken lustig an. Wir lassen uns nicht so leicht unterkriegen von diesem Virus. Wir werden diesen Teufel noch zum Teufel jagen.

Schon gestern trugen erstaunlich viele Menschen Masken in Wien, nicht nur in den Supermärkten, auch auf offener Straße. Im Internet, in den sozialen Medien, auf WhatsApp schossen die Fotos und Videos von lustigen Exemplaren nur so hin und her. Erstaunlich schnell haben wir die Debatte, ob uns ein Fetzen Papier oder Stoff gesund oder am Leben erhält, zu einem Ende gebracht. Wir wissen nicht, ob das Tragen nützt oder nur nicht schadet, aber viel wichtiger wird es sein, dass uns dieser Fetzen Papier oder Stoff achtsamer macht. Achtsamer auf uns und auf andere. Wir werden diesen Teufel wirklich noch zum Teufel jagen.

Es gibt sie, die mutlosen und die mutigen Stunden, die depressiven und die heiteren, das wird wohl noch eine Zeitlang so bleiben. Aber erstaunlich schnell schaffen es erstaunlich viele Menschen in diesem Land immer wieder das Beste aus dem Schlechtestmöglichen zu machen. Wenn wir wirklich ein „Land der Hämmer“ sind wie es in unserer Hymne steht, in der echten, nicht in der von Fendrich, dann holen wir den Hammer jetzt einfach raus und hauen diesen Virus in Stücke.

Bis das gelungen ist, sollten wir so leben als ob es ein Leben gäbe. Für die meisten bedeutet Alltag, also der bisherige Alltag, auch, regelmäßig zum Friseur zu gehen, manche tun das jede Woche, die Zeit der Krise ist nicht nur reich an Leere, sondern auch lehrreich für mich. Frauen hadern im Stillen damit, dass die Friseure ihre Geschäfte jetzt geschlossen halten müssen, Männer tragen ihr Leiden, falls vorhanden, recht offen zur Schau. Zu Wochenbeginn erfreute uns Karl Nehammer mit Einblicken in sein Privatleben. Der Innenminister postete ein Foto, das ihn beim Haareschneiden zeigte, seine Ehefrau Katharina führte das einschlägige Gerätewerk.

"Hard working hands"

Gestern nun veröffentlichte Thomas Drozda, ehemals Bundesgeschäftsführer der SPÖ und nunmehr für die Partei im Parlament tätig, auf Twitter intime Lichtbildnisse aus seinem Badezimmer. Er sitzt am Waschtisch, hat ein hellblaues Handtuch neckisch um die Schulter gelegt, darunter trägt er Herrenoberbekleidung in Schwarz, seltsamerweise hat er eine Brille auf, was beim Haareschneiden vor allem in der Ohrengegend für Probleme sorgen kann. In der Hand hält er ein iPhone, das ziemlich neuzeitig aussieht, damit fotografiert er sich im Badezimmerspiegel, ich weiß jetzt nicht, wie man diese Sorte Bild nennt, Badzi vielleicht? Haareschneiden ist bei Thomas Drozda jetzt keine so große Angelegenheit, ich weiß das, ich bin vom Fach. Seine Ehefrau Isabella sieht trotzdem sehr konzentriert aus, als das Badzi geschossen wurde war sie gerade mit dem Hinterkopf des Gatten beschäftigt, ihr Gesichtsausdruck verrät nicht, ob dessen Bearbeitung zur allseitigen Zufriedenheit gelang.

Aus Hintergrundrecherchen weiß ich, dass Drozda den Haareschneider, sicher der Porsche unter den einschlägigen Geräten, bisher nur zum Barttrimmen verwendete, wohl deshalb liegt die Gebrauchsanweisung quer über das Waschbecken. Was festgehalten werden kann: Der SPÖ-Nationalrat schätzt die Marke Aesop sehr, mehrere Produkte schmücken den Waschtischrand. „Die Rezepturen“, verspricht die Firma auf ihrer Webseite, „schenken dem Körper die verdiente Fürsorge. Dank der angenehmen Aromen wird dabei jedes Produkt zu einer sinnlichen Freude“. Sinnlichkeit hin oder her, ehe die Krise ausbrach, war Drozda offenkundig in einem Geschäft noch ein bisschen „verdiente Fürsorge“ hamstern.

So findet sich etwa eine Flasche „Resurrection Aromatique Hand Wash“ im Sichtbereich, naheliegend dass Drozda dieses Produkt wählte, denn laut Etikette handelt es sich um „a superior cleansing gel for hard working hands“. Für den Erfolg sorgen Öle aus Mandarinenschale, Rosmarinblättern und Atlaszeder, der Duft wird als „zitrusartig, holzig und krautig“ beschrieben. Mit Dosierpumpe für 31 Euro. So viel müssen einem die „hard working hands“ schon wert sein.

Bei der schon ziemlich ausgedrückten Tube neben dem Wasserhahn dürfte es sich um die Creme „Reverence Aromatique Hand Balm“ handeln, gemacht aus „Bergamotteschale, Vetivierwurzel und Petitgrain“. Fragen Sie mich bitte nicht, was das sein könnte, aber die Kombination daraus soll „holzig, erdig, rauchig“ riechen. Die Tube kostet 25 Euro, gut investiertes Geld, denn, wie Aesop hervorhebt, sind unsere Hände „anspruchsvolle Werkzeuge, denen wir die Annehmlichkeiten unseres Alltages verdanken“. Wohl deshalb müssen für uns jetzt ungefähr 300 Mal am Tag die Hände waschen, damit wir uns nicht mit unseren „anspruchsvollen Werkzeugen“ den depperten Virus ins Gesicht schmieren.

Drive-in für Klopapier–
gibt es wirklich

Ich sage es ja nur: Eigentlich hätte Isabella Drozda gestern den zum Haarschneider upgedateten Barttrimmer nehmen, ihn auf höchste Stufe stellen und ihrem Ehemann den Bart abrasieren müssen. Bärte, zuhören bitte Ihr Hipster da draußen, sind ziemlich Corona-gefährlich. Seit gestern beschäftigt das Internet diese Grundsatzfrage ziemlich intensiv, nachdem eine Grafik der US-Seuchenbehörde CDC viral ging – ich glaube, den Witz hat noch keiner gebracht. In dieser Grafik wird Bartträgern angeblich empfohlen, sich zu rasieren, weil Schutzmasken sonst nicht richtig sitzen. Der Rat stammt freilich schon aus 2017, da wusste Corona nicht einmal, das es drei Jahre später ausbrechen wird, ein Portal namens „Politifact“ ermittelte, dass sich der Tipp nur an medizinisches Personal richtet.

Der Chef der französischen Notärztevereinigung Patrick Pelloux allerdings empfahl nun allen Bartträgern die Rasur. Das Coronavirus könne nämlich mehrere Stunden in den Haaren überleben. Bisher schloss sich kein Mediziner dieser Meinung an. Es ist wie oft in diesen Tagen: Nichts Genaueres weiß man nicht.

Weil heute der 1.April ist und anlassbedingt die entsprechenden Späße mutmaßlich ausbleiben werden, darf ich vielleicht einspringen. Wie wäre es mit folgender Szene? Kurz und Anschober geben heute eine gemeinsame Pressekonferenz. Der Kanzler stellt sich hin, grinst von einem Ohr zum anderen, oder besser gesagt, er grinst mit beiden Ohren gleichzeitig, folgender Dialog entspinnt sich:
Kurz: „Morgen sperren alle Schulen wieder auf“.
Anschober: „?“
Kurz: „April, April“.
Anschober (setzt seinen Dackelblick auf und schaut zu Kurz hinüber): „Und übermorgen fängt dein Studium wieder an. April, April“.

Hauen Sie sich eine Maske rauf, grinsen sie dem Virus ins Gesicht und machen Sie sich einen wunderbaren 1. April. Mit 1 Meter Abstand der beste Rat, kein Scherz!

Alle bisherigen Blogs finden Sie gesammelt unter dieser Adresse

Bisher erschienen:
Die Maskenbildner
Verkehrte Welt
Klobuli
Bettman

Das virologische Quartett
Das Leben ist ein Hit
Im Bett mit Kurz
Park mas an!
Unser Retter?
Danke!

Neulich in Balkonien
30 Beobachtungen

Das Ende der Party

Im Teufelskreis

"Happy birthday"

Das Virus und wir

Sternderl schauen

Streicheleinheiten

Ganz große Oper

That's Life

Patsch Handi zam

Rabimmel, rabammel, rabum

Wir sind Virus

Na dann Prost!

Küssen verboten

Unterm Glassturz

Achtung, s´Vogerl!

Olles Woiza, heast oida!

Oblenepp und Stadlerix

Der tut nix

Im Krapfenwaldl
Wohin des Weges?

Es fliegt, es fliegt

Lieber Christian

Ein Leben am Limit

Kurzer Prozess

Hexenjagd am Klo
Ein Land im Fieber

Eine Frage der Ehre

Frühstücken mit Kurz

Von der Lust gepackt

Ein Ball, viele Bälle

Blabla und Wulli Wulli

"Warum steigt's nicht ein?
"
"Servas die Buam"

Die Teufelsaustreibung

Romeo und Julia

Strache, "ich war dabei"

Brot und Spiele

It´s my lei lei life!

Der Zug der Zeit

Der Hauch des Todes

... - .-. .- -.-. .... .
Inselbegabungen
 
Big Bang für einen Big Mac

Auf einen Apfelputz beim Minister

Von Brüssel ins Fitness-Studio

"Es ist alles so real
"
"No words needed"
 
"So wahr mir Gott helfe"

Jedem Anfang wohnt ein Zauberer inne

Fotos:
Frau mit Maske: Sabine Hertel, "Heute"
Netroy: Helmut Graf, "Heute"
Supermarkt: Sabine Hertel, "Heute"
Thomas Drozda: Twitter
Toilettenpapier: T-Online

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