Im Teufelskreis
Die Schulen schließen, das öffnet Raum für viele Fragen.

Der kleine Eisbär wird sich fragen, ob er irgendetwas angestellt hat. Zuerst strömen Tausende Leute zu ihm und glotzen durch die Glasscheiben und klopfen und winken und schneiden Grimassen, eine Ministerin taucht auf und der Wiener Bürgermeister wird sogar Taufpate, seltsamerweise sind immer Fotografen dabei. Und plötzlich ist keine Sau mehr da. Schönbrunn machte gestern dicht, das Schloss, aber auch der Tiergarten. Finja kann sich jetzt in den Dreck hauen, sich Karotten ins Maul stecken, auf einem Salatblatt ausrutschen, keinen juckt‘s. Auch ein Tiergarten ist nicht immer ein Ponyhof.
Nicht nur auf den Ponyhöfen, auch auf den Pausenhöfen wird jetzt Stille herrschen. Die Regierung schließt die Schulen, fast zwei Wochen früher als noch vor wenigen Tagen geplant. Für 410.000 Kinder der Oberstufe beginnen schon mit kommendem Montag die Osterferien, sie werden fast einen Monat lang dauern. „Wir Eltern können schon für die Sommerferien üben“, ätzte gestern jemand. Die Unterstufenklassen und die Volksschulen folgen am Mittwoch, 690.000 Kinder sind betroffen, sie können weiter in die Schule gehen, aber es gibt keinen Unterricht, nur Betreuung, wer weiß wie lange.
Keine Sau da

Es war ein harter Krisengipfel für die Regierung gestern, die Pressekonferenz danach musste verschoben werden, acht Personen traten danach vor die Medien, sieben davon Männer, es gab sogar zu wenige Stehpulte. Der Kanzler war da, diesmal auch Vizekanzler Werner Kogler, der Gesundheitsminister, die Sozialpartner, das Rote Kreuz. „Alle Kinder, die zu Hause betreut werden können, sollen auch zu Hause bleiben“, sagte der Kanzler und das ist kein Wunsch ans Christkind, sondern es steht eine Maßzahl da. „Sollten mehr als ein Viertel Kinder in die Schule kommen, müssen härtere Maßnahmen ergriffen werden“. Heißt: Alle Schulen zu. Es gibt dann gar keine Betreuung mehr.
Es ist ein Teufelskreis, der hier entsteht. 1 Million aus den Schulen, dazu 300.000 aus den Kindergärten, auch hier sollen möglichst viele Buben und Mädchen daheim behalten werden. Die Entscheidung ist richtig, gestern gab es wieder fast 200 Tote in Italien, aber wie soll das gehen? Wer passt auf die Kinder auf? Die Arbeitgeber müssen ihre Angestellten nämlich nicht freistellen. Am Papier gibt es ja kein Betreuungsproblem, die Schulen und die Kindergärten haben offen. Gleichzeitig will der Kanzler, dass möglichst viele Kinder zuhause bleiben. Schon, aber bei wem?
Die Lösung ist sonst einfach, es gibt ja Omi und Opi, nicht überall, aber häufig. Die springen ein, wenn die Eltern nicht können, arbeiten müssen, krank sind, sich eine Auszeit gönnen. Aber: Omi und Opi gehören zur Hochrisikogruppe von Covid-19, sie sollten überhaupt keinen Kontakt zu den Kleinen haben, die in der Regel zwar mit geringeren Symptomen erkranken, aber gute „Anstecker“ sind.
Ich fasse zusammen: In die Schule sollen die Kinder nicht, zu Omi und Opi dürfen sie nicht, zu den Eltern können sie nicht.
Alles eine Platzfrage

Mami oder Papi können sich natürlich Urlaub nehmen. Ein Monat lang. Ich sage einmal vorsichtig: Das wird Probleme ergeben. Vor allem wenn Mami und Papi Arzt oder Ärztin sind, oder SanitäterIn, oder ApothekerIn, oder RettungsfahrerIn, oder KrankenpflegerIn, oder PolizistIn. Auf einige Berufsgruppen kommen in den nächsten Wochen zusätzliche Belastungen zu den jetzt schon zusätzlichen Belastungen dazu und wenn dann ein Teil dieser Helden des Alltags sagt, sorry Leute, ich muss jetzt heim mein Kind betreuen, dann wird das, ich sage es noch einmal vorsichtig, Probleme ergeben.
Das zeichnete sich gestern Abend bereits ab. Sobald die Regierung die Schulschließungen verkündet hatte, kannte das Internet, aber auch das echte Leben kaum ein anderes Thema mehr. Niemand kennt sich aus, vieles ist offen oder vage. Plattformen, die Babysitter vermitteln, die Kinderbetreuung anbieten, werden überrannt. Ich verstehe, dass die Regierung zu drastischen Maßnahmen greifen muss, um dem Virus verzweifelt etwas entgegenzusetzen, aber es reicht nicht sich hinzustellen und Maßnahmen zu verkünden. Es müssen Lösungen präsentiert werden und das schnell. Lösungen meint hier echte Lösungen, nicht man könnte, man sollte, man müsste.
Eine Sozial-Hotline könnte nützlich sein. Es gibt die Notfallnummer 1450 für alle Menschen, die sich krank fühlen. Die Telefonnummer ist weitgehend bekannt, rund um die Uhr besetzt, natürlich gibt es Wartezeiten, aber hier wird einem in der Regel wirklich geholfen. Nun muss eine zweite Nummer her, die Menschen soziale Hilfestellung leistet. Es werden Tausende sein, die Fragen haben und die man nicht im Regen stehen lassen darf. Viele werden nicht wissen, wohin mit den Kindern, wenn sie einen Job haben. Oder wohin mit dem Job, wenn sie Kinder haben.
Gähnende Leere

Leeres Gähnen

Home-Office ist eine pfiffige Idee, aber wohl erdacht von Menschen, die einen Gutteil ihres Lebens an Schreibtischen verbracht haben. Soll die Müllfahrerin Home-Office machen? Der Supermarktverkäufer? Die Buslenkerin? Der Mechaniker? Die Bauerarbeiterin? Der Friseur?
Kinderbetreuung ist nur eines der akuten Probleme, die sich nun stellen. Das Einfrieren des öffentlichen Lebens bringt auch mit sich, dass Tausende Menschen in ihrer Existenz gefährdet werden. Die verlieren nicht nur ein bisschen Geschäft, sondern alles. Die haben keine internationale Mutter, die sie auffängt. Keine Reserven, nicht einmal stille, die sie jetzt aufbrauchen können, sondern die haben, einmal besser, einmal schlechter, von der Hand in den Mund gelebt, jetzt aber liegt in der Hand nichts mehr drin, was zum Mund geführt werden könnte.
Es gibt in Österreich 337.000 Klein-und Mittelbetriebe. Es existieren unzählige Einzelunternehmer, Familienbetriebe, denen nun das komplette Geschäft wegbricht. Sie alle werden rasch einen Ansprechpartner brauchen. Und Hilfe. Es sind nicht immer nur die armen Bauern und die Not leidenden Hoteliers, denen unter die Arme gegriffen werden muss. Es haben jetzt Tatkräftige tatkräftige Probleme und keine tatkräftige Lobby hinter sich, die gleich aufquietscht, wenn die Kraft zur Tat fehlt.
Auch die Menschen, die in der Großstadt leben und wenige Sozialkontakte haben, sagen wir es direkt, die allein sind, werden uns nötig haben. Wenn wir bald eine Million Kranke haben, vielleicht werden es sogar vier Millionen, dann entstehen ganz neue Bedürfnisse. Wie komme ich an Lebensmittel? Medikamente? Dinge des persönlichen Bedarfes? Wer bringt den Hund raus? Wer gibt mir die Antworten, auf die Fragen, die ich habe. Wir sollten uns nichts vormachen, das sind meist alte Menschen, die goggeln sich ihr Leben nicht zusammen, die schauen nicht bei Influencern auf Instagram nach, wie die sich jetzt so den Alltag checken und, nein, die swipen auch nicht durch TikTok. Die brauchen Ansprechpartner. Kümmerer. Eine Telefonnummer.
Beten, nicht schauen

Die U-Bahnen sind leer, die Flugzeuge ebenso, in den Stephansdom dürfen keine Touristen mehr, sondern nur mehr Gläubige zum Beten, die Zentralmatura wird verschoben, eventuell in den Sommer hinein. Aber es ist noch nicht alles verloren, Gottseidank haben wir ja Dr. Strache, früher FPÖ-Chef, jetzt Allgemeinplatzmediziner.
Auf Twitter gab Dr. Strache Corona-Ratschläge und ich frage mich jetzt, warum wir glauben, dass die Virusbekämpfung so eine Raketenwissenschaft sein soll, es ist doch alles ganz einfach. Dr. Strache verrät uns zum Beispiel wie wir feststellen können, ob wir erkrankt sind. „Experten aus Taiwan bieten eine einfache Selbstkontrolle an, die wir jeden Morgen durchführen können“, schreibt Dr. Strache und führt dann weiter aus: „Atmen Sie tief ein und halten Sie den Atem für mehr als zehn Sekunden an. Wenn Sie die Untersuchung ohne Husten, ohne Beschwerden, ohne Prallheit oder Engegefühl usw. erfolgreich durchführen, beweist dies, dass keine Fibrose in den Lungen vorliegt, was im Grunde genommen auf keine Infektion hinweist“. Ich finde, er ist bei der DAÖ gut aufgehoben.
Dr. Strache holt sich aber nicht nur Rat bei der Kollegenschaft in Taiwan, sondern auch bei Ärzten in Japan, die zu folgender Therapie von Covid-19 raten: „Nehmen Sie mindestens alle 15 Minuten ein paar Schlucke Wasser“. Schön und gut, werden Sie sich vielleicht jetzt fragen, aber was bringt mir das ganze Geschlabbere? Ganz einfach: „Selbst wenn das Virus in Ihren Mund gelangt ... das Trinken von Wasser oder anderen Flüssigkeiten spült es durch die Speiseröhre in den Magen. Dort angekommen, tötet die Magensäure das Virus ab. Wenn Sie nicht regelmäßig genug Wasser trinken ... kann das Virus in Ihre Luftröhre und in die Lunge gelangen. Das ist gefährlich“.
„Ein paar Schlucke Wasser“ also und das Virus kann sich brausen gehen. Verständlich, dass uns Dr. Strache bittet, diese bahnbrechende Information an „Familie, Freunde und alle Menschen, die Sie kennen“, weiterzusenden. Leider hat er den Schamfu inzwischen gelöscht. Sonst hätte sich Sebastian Kurz heute hingestellt und gesagt: „Wisst´s was? Ich drah die Schulen gar nicht zu. Im Gegenteil, ich sperr noch ein paar Hundert auf und stell überall Wasserkrüge hin. Jeder nimmt ein paar Schlucke Wasser und fertig“.
Ich finde, das ist eine wunderbare Idee.
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