"Karl, Du kommst gleich dran"

Gut, dass die Schule aufsperrt. Weniger gut wie.

Die interessantesten Szenen wird die neue Normalität bei den Friseuren erzeugen. Ab kommendem Montag können die Salons ja wieder öffnen, man darf aber nur mit einem negativen Covid-Test rein, der nicht älter als 48 Stunden ist. Die Polizei soll das überprüfen und genau dieser Umstand könnte dem „Heiteren Bezirksgericht“ in nächster Zeit einen gewissen Zulauf bescheren, das Verb ist übrigens mit größter Sorgfalt gewählt. Es beginnt damit, dass die Streifzüge der Polizisten durch ihren Rayon ganz neue Bezeichnungen bekommen könnten, "Lockerldienst" etwa, oder „wir gehen jetzt auf einen Bubikopf“, wenn man länger unterwegs ist, erscheint auch Dauerwelle möglich.

Da es sich bei Frisiersalons um sensible Bereiche des öffentlichen Lebens handelt, wäre es vielleicht besser, eine Spezialeinheit ins Leben zu rufen, die Vertreter der Gruppe könnten Decknamen bekommen, etwa Long Bob oder Pixie Cut, auch Ómbre oder Messy Bun gingen. Als Rangabzeichen könnte man auf die Uniformen Efilierscheren aufnähen, wahlweise in Bronze, Silber oder Gold. Karriere macht, wer die meisten Testlosen fängt, in den Polizeiberichten von Long Bob oder Pixie Cut könnte dann stehen: „Wurde bei einem Pferdeschwanz ertappt.“ Oder: „Wurde dabei betreten, wie ihm gerade ein neuer Pilzkopf angemessen wurde“.

Es sind sicher Razzien geplant, Haare werden die neuen Teigtascherln. Die WEGA wird sich von Hausdächern abseilen und mit den Füßen voraus durch die geschlossenen Fensterscheiben in die Geschäfte eindringen. Den Betroffenen wird vor lauter Schreck die „Gala“ und die „Bunte“ aus der Hand fallen, sie werden nie mehr erfahren, ob der Zwist zwischen Meghan Markle und der bösen Queen-Schwiegermutter zu einem guten Ende findet und ob die Krankenschwester den Arzt schließlich doch bekommt.

Frauen, die sich unstatthaft Frisuren erschlichen haben, bekommen die Gelegenheit, sich ortstypisch aus der Atmosphäre zu ziehen. Sie könnten etwa Polizisten Haarspray ins Gesicht sprühen, um dann in der enstandenen Nebelwolke zu verduften. ORF-Reporter Fritz Dittelbacher (der, nebenbei bemerkt, auch einen Haarschnitt bitter nötig hätte) wird sich nicht mehr vors Kanzleramt stellen, um live zu berichten, was in der Ausheckerzentrale gerade besprochen wird, sein neues Einsatzgebiet sind Schuppen, die originelle Namen tragen wie „Haarklein“, „Haarakiri“ oder „Wellkamm“. Der „Spiegel“ hat einmal errechnet, wie viele Salons in Deutschland mehr oder weniger originelle Wortspiele im Firmennamen tragen, acht Prozent nämlich, keine Branche hat mehr. Man muss dazusagen, dass auch dem „Spiegel“ vor Corona manchmal langweilig war.

Einer alten Idee aus der Zeit der FPÖ in der Regierung, wer erinnert sich noch, wird endlich zum Durchbruch verholfen – Kickls Pferdepolizei. Statt eines Oldenburgers oder eines bayrischen Warmbluts, muss die Exekutive nun eben mit einem Pony Vorlieb nehmen.

Die Friseure sind grundsätzlich froh, dass sie wieder verzopft sein dürfen, die Bürokratie hätten sie sich halt weniger haarsträubend vorgestellt. Wer sich einen Platz bei einem Lockenentwickler gesichert hat, der muss nämlich neben dem Coronatest auch einen Personalausweis vorlegen, der von den jeweiligen Salonlöwen überprüft werden muss. Nicht auszudenken, wenn ein Toupierter den Friseur düpiert. Schnelltests, die man daheim über den Kamm geschoren hat, sind fortan nicht föhn genug. Prompt detektierte die FPÖ gestern eine gefährliche Entwicklungen. „Durch das Eintritts-Testen wird eine Zweiklassen-Gesellschaft geschaffen“, warnte Generalsekretär Michael Schnedlitz in einer Aussendung. Ich finde das etwas an den Haaren herbeigezogen.

Maske aufflexen

Der gestrige Tag begann mit einer knappen Dreiviertelstunde Distance Learning. Heinz Faßmann verriet jene Details zum Schulstart, die ihm selber schon bekannt waren. Er hatte Karl Nehammer mitgebracht, der Innenminister ist zwar selbst von stattlicher Größe, neben dem Bildungsminister aber sah er aus als wäre er mit dem großen Bruder zum Firmunterricht mitgegangen. Gegen Ende der Pressekonferenz hin durften Journalisten wie immer Fragen stellen. Die überwiegende Zahl richtete sich wie erwartet an den Bildungsminister, was die Polizei tut, ist den meisten Menschen ohnehin klar. Also redete vor allem Faßmann, dem das selber mit der Zeit ein bisschen unangenehm wurde, also schaute er kurz zu Nehammer hin und sagte dann: „Karl, Du kommst gleich dran.“ Die Schulen feierten gestern also schon so eine Art Pre-Opening.

Ich finde es grundsätzlich gut, dass die Schulen wieder öffnen. Mein Jüngster, der in die sechste Klasse Gymnasium geht, ist seit 24. Oktober daheim, außer für ein paar Schularbeiten war er inklusive  kommendem Sonntag 107 Tage ohne Unterbrechung daheim. Seine Schulkollegen haben vielleicht alle schon einen Bart, sind älter als ihre Lehrer, sprechen aber neuerdings schwer verständliche Dialekte. Im Vergleich zu dem, was Österreichs Schülerinnen und Schüler in den letzten Monaten durchlebten, hatte Robinson Crusoe relativ viele gesellschaftliche Verpflichtungen.

Leicht wird es auch jetzt nicht. Ein Schichtdienst kommt, mein Sohn ist in Team B, seine neue Schulzeit mit Präsenzunterricht beginnt also mit zwei Tagen Distance Learning. Man könnte natürlich den Unterricht, der für Team A in der Schule gehalten wird, via Notebook in die Jugendzimmer daheim übertragen, dann hätten alle was davon. Leider ist erst seit gestern Pandemie und die technische Ausstattung dafür konnte in der kurzen Zeit nicht beschafft werden. Also kommen zu den 107 Tagen daheim gleich einmal zwei weitere Tage dazu.

Dann aber geht es wirklich los. Alle Kinder werden getestet, ehe sie in die Klasse dürfen, wer sich weigert, wird heimgeschickt. LehrerInnen allerdings nicht. Für sie gibt es keine Testpflicht, wer sich trotzdem testen lässt, bekommt ein Upgrade und muss im Schulhaus nur eine Stoffmaske tragen. Wer keine Lust aufs Testen hat, darf (oder muss) nicht heimgehen, sondern muss (oder darf) während des Unterrichts halt eine FFP2-Maske aufsetzen. Ich bin gespannt, ob Schnedlitz heute wieder von einer Zweiklassen-Gesellschaft spricht.

Klar ist, dass einiges unklar ist

In der Volksschule und in der Unterstufe reicht auch bei Kindern eine Stoffmaske, die Kleineren dürfen sie im Sitzen abnehmen, die Größeren nicht. In der Oberstufe allerdings müssen die Teenager durchgehend FFP2 tragen, beim Reingehen, in der Pause, aber auch während des Unterrichts. Wie man so sechs Stunden lang den Ausführungen der Lehrerschaft (die wie gesagt meist „nur“ mit Stoffmasken unterwegs ist) konzentriert folgen soll, ist mir schleierhaft. Das deutsche Robert Koch-Institut empfiehlt, FFP2-Masken nicht länger als 75 Minuten in einem fort zu tragen, danach ist eine mindestens 30 Minuten lange Pause nötig. Ich bin gespannt, wo die Kinder diese verbringen werden.

Werden die FFP2-Masken nass, etwa weil man schwitzt, bieten sie keinen Schutz mehr, sie müssen gewechselt werden. Bis vor kurzem galt die Empfehlung, die Masken 30 Minuten lang bei 65 bis 70 Grad trockener Hitze zu desinfizieren. Man hätte den Kindern also ganz einfach einen Backofen in die Schule mitgeben können. Den hätten sie sich in der Früh statt der Schultasche auf den Rücken geschnallt und das Problem wäre gelöst. In der Maskenpause hätten sie sich die benutzten FFP2-Prometten aufbacken können und eventuell dazu gleich auch einen Zwetschkenkuchen ins Rohr geschoben. Nun aber spricht sich etwa das deutsche „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ gegen die Backerei aus, ich finde das schade, es hätte etwas Gemeinschaftliches gehabt.

Im Turnunterricht, den es nun wieder gibt, können die Masken abgenommen werden, Kontaktsport ist nicht erlaubt, es geht also nur Kegeln, Orientierungslauf und Bogenschießen. Tennis theoretisch ebenso, die Tennishallen aber müssen weiter geschlossen halten. Auch Musikunterricht ist wieder möglich, Singen allerdings verboten, einige Komponisten werden am Wiener Zentralfriedhof wieder ruhiger schlafen.

Ausritt

Bäääh!

Es wurde schon auch einiges gemacht für die Schulen, ich will nicht nur lästern. 20 Millionen „Nasenbohrer-Tests“ sind bestellt, berichtete Bildungsminister Heinz Faßmann gestern, kein Land in Europa biete in den Schulen mehr Schutz. Ich hätte da trotzdem ein paar Vorschläge, mit denen man das Leben aller etwas leichter machen hätte können. Plexiglas am Lehrertisch etwa, einige Pädagogen haben ja eine etwas feuchte Aussprache und Aerosole sind die wirklichen Treiber der Pandemie. Warum ist etwas im Parlament möglich, in keiner Schule aber vorgesehen? Ich hätte die Schulstunden für mehr Pausen gekürzt, den Unterrichtsstoff gestrafft, die Schularbeiten ausgesetzt, um mehr Milde für Noten nicht gebeten, sondern sie verordnet, vor allem jetzt, wo es positiv ist, wenn man negativ ist. Für schlechte Schüler hätte ich so viel Förderstunden angesetzt wie ich nur kriegen könnte, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit.

Ich hätte Räume zugemietet, den Unterrichtsbeginn gestaffelt und das Ende auch, mit den Öffi-Betreibern hätte ich mich dazu abgesprochen. So aber werden am Montag wieder Tausende Kinder zur selben Zeit am selben Ort sein. Ich hätte vielleicht sogar etwas Ketzerisches gewagt, den Schulen nämlich jene Autonomie zugestanden, die sie sonst nur am Papier haben, an den jeweiligen Standorten weiß man in der Regel nämlich sehr gut, was am besten ist. Jedenfalls hätte ich ein Notstands-Bildungsprogramm aus dem Boden gestampft, Lücken ermittelt und gestopft, was geht. Ich bin aber nicht Unterrichtsminister und das ist ein Segen für mich, mehr noch allerdings für das Land.

Ich wünsche einen wunderbaren Mittwoch. Anna Netrebko war gestern in der Spanischen Hofreitschule, ich finde es ist immer schön, wenn man eine Geschichte in einem Satz erzählen kann. Auch eine Affäre wurde gestern beendet. 2019 hatte die damalige SPÖ-Stadträtin Elisabeth Germann dem Bürgermeister von Retz, Helmut Koch (ÖVP), vorgeworfen, er habe ihr bei einem Termin seine Unterhose gezeigt. Ein Prozess später ging zugunsten von Koch aus. Nun erfolgte die Klarstellung über die Austria Presse Agentur. „Hiermit widerrufe ich, Elisabeth Germann, meine Behauptung, Bürgermeister Helmut Koch habe bei einer Besprechung am 18. Juni 2019, in der Volksschule Retz, „seine Hose geöffnet, bis seine Unterhose sichtbar war und gesagt, ach schau, heute ist sie gestreift“. Hätten wir das auch geklärt.

Fotos:
Heinz Faßmann: Picturedesk, Georges Schneider
Karl Nehammer: Picturedesk, Georges Schneider
Faßmann, Nehammer: Picturedesk, Helmut Fohringer, Tobias Steinmaurer
Anna Netrebko: "Heute", Helmut Graf

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