Klobuli

Auf den Spuren einer Sucht und andere Merkwürdigkeiten.

Unser Leben ist derzeit scheiße. Das muss einfach einmal so gesagt werden. Zugegeben, das klingt derb und ich möchte mich umgehend für die vulgäre Ausdrucksweise entschuldigen, aber scheiße kommt in dieser Kolumne heute ein paarmal vor. Leider! Ich mache das aber nicht aus Jux und Tollerei, sondern die ganze Scheiße ist wissenschaftlich fundiert. Auf der Online-Plattform bonvalot.net hat sich die Wiener Psychoanalytikerin Oleksandra Kurbala nämlich endlich eines der größten Rätsel unserer Zeit angenommen – der neuen Sucht nach Toilettenpapier. Die Geschichte heißt „Der Klopapier-Wahnsinn aus der Sicht der Psychoanalyse“. Und, ja, der Titel ist scheiße direkt.

Die Fachfrau nähert sich der Problematik zunächst von der Kehrseite her, von arschlings wie man früher am Land gesagt hat. „In Zeiten der Krise,“ schreibt sie, „gibt es die berühmte Phrase, den ,eigenen Arsch retten´“. Wir würden zu Panikkäufen neigen, etwa von Nudeln, Dosennahrung und Mehl, alles billig und lange haltbar, das würde uns „schuldfrei ein hohes Ausmaß an subjektiver Sicherheit“ erreichen lassen. Die Sprache spiele dabei eine Schlüsselrolle. „Die Angst an sich wird in mehreren Sprachen damit umschrieben, sich anzuscheißen. Dieses Missgeschick (scheinbar) ungeschehen zu machen, benötigt Klopapier“. Ich denke, ich habe Ihnen nicht zu viel versprochen.

Es folgt ein bisschen Freud, kindliche Analphase und so, in Epochen der Krise würden wir jedenfalls zurückkehren in unsere Zeit als Putzerln, in jene Phase in der man „mit seinem eigenen Kot interagiert“. Dieses „Interagieren“ schaut so aus: Viele Menschen haben in diesen Tagen Angst – Angst macht uns magenkrank und die Konsequenz ist oft ein Kontrollverlust über die Körperausscheidungen“. Und in so eine Familie will Corona wirklich einheiraten?

Jetzt kommt jedenfalls das Häuslpapier ins Spiel, streng wissenschaftlich natürlich. „Üblicherweise brauchen wir Klopapier, um uns selbst zu säubern“, schreibt Oleksandra Kurbala. „Der Säuberung des Arsch eine besondere Bedeutung zuzumessen, kann in Zeiten des vermeintlichen Chaos ein Versuch sein, unerwünschte Gedanken und Teile der Psyche auf die nun aus dem Körper entfernte Scheiße zu projizieren und sich so nachgespielt vor ihr zu schützen“. Wenn ich mich morgen also beim Hofer oder beim Billa um die letzte Packung Cosy raufe, werde ich mein Gegenüber fragen, ob ihm daheim das Klopapier ausgegangen ist, oder ob er unerwünschte Gedanken auf seine entfernte Scheiße projiziert hat und sich vor ihr schützen will. Ich denke, das erhöht meine Chancen.

Gottlob nimmt die Sache ein gutes Ende. „Wer sich um Klopapier Sorgen machen kann, hat genug zu essen. Wer Klopapier zu Hause verwenden kann, hat ein Zuhause, hat fließendes Wasser und eine Kanalisation. Und in der Abgeschiedenheit der Toilette kann jed/r so tun, als wäre alles in Ordnung“. Klingt klogisch.

Klopapier kann man essen

Dem „Standard“ verdanke ich die Information, dass auch Christoph Fasching in der Virenabwehr tätig ist und das nicht erst seit Kurzem, sondern seit zumindest fünf Jahren. Sollte es jemals zu einem U-Ausschuss über Corona kommen, dann wird man Kanzler Sebastian Kurz mit der Frage festnageln müssen, warum er eine derartige Fachkraft nicht umgehend ins Krisenteam kooptiert hat. Fasching hat Expertise, wir erinnern uns, er ist jener Mann, der für 95.000 Euro einen Energiering um das Wiener Krankenhaus Nord gezogen hat. Hätte man ihn damals schon damit beauftragt, Österreichs Grenzen energetisch abzusichern, das Virus hätte sich jetzt brausen gehen können. Oder es hätte sich zumindest damit begnügen müssen, „unerwünschte Gedanken auf seine entfernte Scheiße zu projizieren“.

Fasching verschickt einen Newsletter, den der „Standard“ offenbar abonniert hat, was jetzt keinen Anlass zu Sorge geben muss. In dem aktuellen Schreiben verquickt der „Bewusstseinsforscher“ die Flüchtlingskrise direkt mit der Coronakrise, wenn Herbert Kickl das liest, wird er bleich werden über so viel Unverfrorenheit, aber diese Energetiker haben es einfach drauf. Fasching aber will keine Unruhe erzeugen, mitnichten. „Wie immer“, schreibt er, „schauen wir die Hintergründe und Zusammenhänge nicht dazu an, um Angst und Panik zu verbreiten, sondern im Gegenteil“. Das ist auch nicht nötig denn: „Wir haben eine spezielle Lösung für den Körper entwickelt. Wir tragen dazu bei, dass sich das Bewusstsein und die Energiedichte des Körpersystems so verändert, dass der Virus keine Voraussetzungen findet, um anzudocken und sich ausbreiten zu können“. Vielleicht reicht es tatsächlich, dem Virus einfach den falschen Artikel zu geben und er dockt nicht an.

Sturm der Liebe

Die Erkenntnisse werden in Workshops namens „Wahre Schöpfung“ vermittelt, dabei ist es von „allergrößter Bedeutung, sich bewusst für den Weg der Liebe zu entscheiden“. Bei aller Liebe ist es momentan vielleicht keine gute Idee, Workshops zu veranstalten, außer man fühlt sich dem Virus eng verbunden, und findet seine Verbreitung habe "allergrößte Bedeutung". Dann natürlich ist der Körper bald dabei, „unerwünschte Gedanken auf seine entfernte Scheiße zu projizieren“. Der erste Workshop für 990 Euro aber fiel aus.

Man muss sich also die Wahrheit über „das Bewusstsein und die Energiedichte des Körpersystems“ selber beibringen, da wir jetzt alle ohnehin Homeoffice machen, kann das ja kein Problem sein. Es gibt schließlich auch eine Anleitung vom „Forschungszentrum für Bewusstsein“, für das Fasching wirkt, zwar fünf Jahre alt, aber noch taufrisch. Titel: „Virus-Erkrankungen und ihre Quelle.“ Wenn ich also Covid-19 los werden will, brauche ich demnach nur folgendes zu tun:
„Ich verbinde mich mit sämtlichen Blutkörperchen in meinem Körper!“
„Ich bitte Euch um Eure volle Aufmerksamkeit!“
„Überbringt die nun folgende Botschaft: ,Du bist alleine, Du hast hier nichts mehr verloren´“.
„Du musst gehen!“
Vielen Dank für Eure Mithilfe!“ 
Eventuell ist ja tatsächlich Höflichkeit der Schlüssel zur Lösung der Krise.

Unter Tatverdacht

Ich stelle mir den Tagesbeginn in Moskau heute so vor: Wie üblich wird Wladimir Putin eher spät aufstehen, frühstücken (Hüttenkäse, Smoothie, Kaffee), dann zwei Stunden schwimmen gehen. „Newsweek“ hat den Tagesablauf des russischen Präsidenten vor ein paar Jahren einmal ausrecherchiert, ich weiß nicht, ob das so stimmt, zwei Stunden Schwimmen kommt mir etwas viel vor, aber vielleicht muss er den Hüttenkäse abtrainieren. Wenn Putin heute am Weg in den Kreml an einer „Heute“-Box vorbeikommt, wird er seinen Fahrer anweisen, stehen zu bleiben. Bei der Weiterfahrt wird er in der Zeitung schmökern, vielleicht das Kreuzworträtsel lösen, jedenfalls Garfield lesen. Das wird seine Laune nicht wesentlich bessern, denn im Büro wird er „Heute“ auf seinen schweren Holzschreibtisch knallen, mit den Finger auf das Cover zeigen und zu seinen Beratern sagen: „Da!“

Dann wird er zum Telefon greifen, Chinas Staatspräsident Xi anrufen und ihn fragen: „Hast du das gesehen, diese Schlagzeile auf der ,Heute‘ heute?“
Xi wird selbstredend im Bilde sein, auch er hat sich am Weg zur Arbeit eine „Heute“ aus der Box geholt. 
„Natürlich habe ich das gesehen, Wladimir“, wird er zu Putin sagen. „Ich verstehe nur nicht, wie Kurz das schafft. Was ist sein Erfolgsgeheimnis?“
„Er sperrt die Leute ein.“
„Er sperrt die Leute ein?“
„Ja, er hat Ausgangssperren erlassen, wegen Corona.“
„Und das macht ihn so erfolgreich?“
„Da“.
„Genial, sollten wir nicht auch...?“
„Haben wir schon“.
„?“
„!“
„Schönen Tag noch“.
„Dir auch“.  

Gestern gab die Regierung gleich vier Pressekonferenzen. Die Auftritte von Kanzler und Vizekanzler mit wechselnder Begleitung haben sich mittlerweile als Daily Soap in unserem Alltag so etabliert sowie "Sturm der Liebe" oder "Gute Zeiten, schlechte Zeiten". Weil es im Fernsehen keinen Sport mehr gibt und keine Shows mit Publikum, warten wir täglich darauf, dass uns die Politik unterhält und man muss sagen, Türkis-Grün macht das meist gut, in jedem Fall häufig. Und wohl nicht zufällig. Das aktuelle Politikerranking, das „Unique Research“ für „Heute“ erstellte, zeigt: In Sachen Popularitätswerte kommt Sebastian Kurz einem Messias tatsächlich schon verblüffend nahe. 77 Prozent (!) der ÖsterreicherInnen ist Kurz in den letzten 14 Tagen positiv aufgefallen, nur 10 Prozent negativ. „Einen Saldo von plus 67 Prozent hatte noch kein Kanzler, seit wir das Barometer durchführen“, sagt Meinungsforscher Peter Hajek.

Im Windschatten von Kurz setzt die gesamte Regierung zu einem Höhenflug an. Gesundheitsminister Rudolf Anschober fiel 59 Prozent positiv und nur 7 Prozent (!) negativ auf. Er ist der derzeit beliebteste Grüne, knapp vor Parteichef Werner Kogler, auch er mit sensationellen Werten, ebenso Innenminister Karl Nehammer. Die Regierung besetzt die ersten neun Plätzen, erst danach kommt mit Pamela Rendi-Wagner die erste Oppositionspolitikerin.

Die Regierung dominiert das politische Tagesgeschehen wie lange keine mehr vor ihr. Die Opposition spielt keinerlei Rolle, tritt medial kaum bis gar nicht in Erscheinung, was auch ein Versäumnis von uns Medien ist, nebenbei bemerkt. Für die kommenden Monate birgt das viele Gefahren: Wenn jemand in solchen Popularitätshöhen fliegt wie der Kanzler eben, dann fallen einem schnell Flausen ein, man wird übermütig, findet ein bisschen was von dem diktatorischen Ambiente, in dem wir derzeit leben, chic. Da wird man aufpassen müssen.

Na, neidig ZiB-Team?

Leider reserviert

Jetzt schicken wir einmal das Ö3-Team in die Isolation. Der ORF hat eine neue Leidenschaft für Holzbetten, übrigens um Hausecken schöner als jene des isolierten ZiB-Teams, Schlafsäle mit Trennwänden und Gemeinschaftsduschen entwickelt. An dieses neue Biedermeier muss ich mich erst gewöhnen. Auch daran, dass jetzt plötzlich dieses süße Schuppentier schuld am Corona-Ausbruch sein soll. Die vom Aussterben bedrohten Tiere gelten als Delikatesse in China und wurden am Markt von Wuhan verkauft.

Am Ende darf ich noch ein bisschen Reklame machen, Sie verzeihen. Die neue Mediaanalyse die gestern erschienen ist, weist der Printausgabe von „Heute“ nun eine Reichweite von 12,2 Prozent aus, das ist 0,6 Prozent mehr als vor einem Jahr. Wir haben damit 913.000 LeserInnen, sind weiter mit riesigem Abstand Nummer 1 unter den Gratiszeitungen in Österreich und die leserstärkste Zeitung in Wien. Ich sage das mit Dank und dem gebotenen Respekt und verschone Sie mit weiteren Zahlen, auch über den Mitbewerb. Ich wünsche allen das Beste, die Branche wird in den nächsten Monaten viel Kraft brauchen, damit alle an Bord bleiben können. Mir würde jedes Medium abgehen, egal was ich über es denke, der Verlust einer einzigen Zeitung, eines einzigen Magazins, ist ein Verlust für alle. Daran sollten wir vielleicht öfter denken.

Peace, Love und Vollgas. Verbringen Sie ein wunderbares Wochenende!

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