Ätsch Bätsch
Bildverbot, Seenot und was sonst noch alles droht.

Armin Wolf trägt Bart. Es wäre charmant und nebenbei bemerkt auch weniger Arbeit für mich, die Kolumne hier an dieser Stelle zu beenden (eventuell müsste ich mich vorher noch von den Lesern auf 3sat verabschieden) denn mehr passierte gestern nicht. Das kann man Corona jetzt nicht vorwerfen, das Virus hat (sich) die letzten Wochen übermenschlich viel geleistet, vielleicht hat es einfach einen Tag Pause gebraucht. In diese Lücke stieß Wolf vor, der sich wieder in Isolation am Küniglberg befindet, es muss sehr schön da sein. Ich will jetzt gar keine ästhetische Diskussion darüber abführen, ob ihm der Bart passt oder nicht, er wird ohnehin nicht dauerhaft bleiben. Aber ich darf an Angela Merkel erinnern, die gestern im deutschen Bundestag eine gute Rede hielt und dabei die Pandemie und ihre Folgen als „demokratische Zumutung“ bezeichnete. Und jetzt zum Wetter.
Nein, eigentlich hatte ich gestern versprochen, ein heiteres Erlebnis über Schutzmasken beizusteuern. Die Geschichte hat auch mit unserer Bürokratie zu tun, die nicht umzubringen ist, da kann Corona noch so wüten. Im Gegenteil, die Bürokratie ist pumperlgesund, die lacht lauthals und haut sich auf den Oberschenkel, so eine Gaudi hat sie mit uns momentan. Wenn in Krisensituationen alles ein bisschen aus den Fugen gerät, dann schlägt die Stunde der Formulare, der Amtswege, der Eingaben, die zwar jetzt größtenteils digital erledigt werden können, aber wenn etwas digital erledigt werden kann, dann heißt es ja nicht, dass es nicht mehr da ist, es ist nur nicht mehr zu sehen. Die Bürokratie jedenfalls ist derzeit gut im Geschäft. Fragen Sie einmal Leute, die Hilfe vom Staat wollen, einen Zuschuss vielleicht, eine Kredithaftung oder einfach Geld, um über die Runden zu kommen oder um zu überleben. Da erfahren Sie viel über dieses Land und sie müssen vorher nicht einmal ein Formular dafür ausfüllen.
Lokale Spezialität

Das „Shiki“ in der Krugerstraße ist einer der feinsten japanischen Restaurants in Wien. Die Sushistücke werden nicht in Sojasauce ertränkt, Wasabi wird auf einer grünen Haifischhaut, die erstaunlich rau ist, frisch am Tisch gerieben. Wenn man durch die Brasserie durchgeht, dann findet man auf der linken Seite den „Dirigententisch“ mit einer Glaswand zur Küche. Er heißt deshalb so, weil er in der Regel für Joji Hattori reserviert ist, den Besitzer des „Shiki“. Hattori ist vom Brotberuf Dirigent, das Restaurant sein Hobby. Er lebt seit Jahren in Wien, hat aber einen japanischen Pass und der lief ab. Normalerweise kein Problem, aber wir haben ja Corona. Und die österreichische Bürokratie. Das eine ist hoffentlich eine Zeiterscheinung und die Krankheit wird auch irgendwann verschwinden.
Hattori rief also bei der japanischen Botschaft an, machte sich einen Termin aus und wurde darauf hingewiesen, dass er ein aktuelles Passfoto mitbringen müsse. Weil die kleinen Geschäfte wieder kleine Geschäfte machen dürfen, ging er daraufhin in die Filiale einer auf die Herstellung von Lichtbildnissen spezialisierten Kette in Wien-Grinzing, erklärte, was er benötigte und wollte sich dann die Maske vom Gesicht nehmen, damit das Foto geschossen werden konnte. Durfte es aber nicht. Der verdutzte Dirigent erfuhr vom Verkäufer, dass die Maskenpflicht im Geschäft uneingeschränkt gelte, er könne also nur ein Foto von seinem Gesicht mit Maske vor Nase und Mund haben. „Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos“, sagte Loriot einmal. Ein Passfoto vom Gesicht ohne Gesicht ist auch möglich, aber ebenso ohne Wert. Das Leben ist in Österreich manchmal eine Operette, das erfahren nicht nur Dirigenten, aber die auch.
Weil hinter den Masken alle mehr oder weniger gleich aussehen, hätte Hattori auch das Foto von Ronaldo, dem Papst oder einem Stück Sashimi in seinen Pass kleben können, aber er ließ es besser bleiben. Die Vorschrift, erfuhr er, sei freilich keine Erfindung oder Idee des Geschäfts gewesen, wie der Verkäufer versicherte. Man habe diesbezüglich extra noch beim Gesundheitsministerium angerufen, um Richtlinien gebeten und die Auskunft lautete eben: Kein Foto ohne Maske. Österreich wird optisch demokratisiert, wenigstens etwas.
Der Maskenmann
der Kirche

Dabei ist Corona ja eigentlich vorbei, seien wir ehrlich. Ich weiß, es ist gefährlich das zu sagen, aber in der Empfindung vieler Menschen ist es eben so. Natürlich tragen wir immer noch hier und dort Schutzmasken (Armin Wolf lässt sich sogar eine wachsen), erst nach und nach sperrt alles auf, oder sagen wir es wie der Kanzler, es wird hochgefahren. Der Tiergarten Schönbrunn etwa öffnet am 15. Mai, ich weiß jetzt nicht, ob die Tiere auch Schutzmasken tragen müssen, die meisten sind ja, so viel Ehrlichkeit sei erlaubt, zu einfältig um nicht zu sagen zu blöd, um Social Distancing richtig betreiben zu können. Andererseits sind diese Masken für einzelne Zoobewohner nicht so einfach zu benutzen. Bei Eisbären-Baby Finja ginge es ja noch, aber Alligatoren etwa könnten Schwierigkeiten bekommen, für Flamingos müsste es Spezialanfertigungen geben und bei Giraffen stellt sich eher die Frage der Montage.
Aber das Leben beginnt sich zu normalisieren, es war fast ein sentimentales Erweckungserlebnis als ich gestern erstmals wieder einen Stau sah. Dieselben Leute zur selben Zeit am selben Platz, keiner hat gehupt oder den Stinkefinger gezeigt, jeder war glücklich so wie es war. Die Gotteshäuser sperren erst in drei Wochen auf, die Autofahrer halten jetzt schon wieder ihre regelmäßigen Messen ab.
Zu den Regelmäßigkeiten des Lebens gehört auch, dass unsere Kinder in die Schule gehen, kaum ein Thema hat das Land in den letzten Wochen mehr emotionalisiert als die Frage, wann die Bildungsgotteshäuser wieder aufsperren sollten. Also mit Ausnahme von Klopapier. Und Germ. Und Baumärkten. Und McDonald`s. Aber sonst stand die Schulfrage auf der Prioritätenliste ganz weit oben.
Heute erfahren wir, wie unsere Kinder ab Mitte Mai wieder in die Schule einsickern werden. Schon gestern Abend sickerte ein bisschen was von den Plänen durch. Vielleicht ist ja heute alles anders, aber wenn stimmt, was man so hört, dann hat die Bürokratie wieder einen kleinen Triumph über uns gefeiert, denn wo es vielleicht einfache Wege gibt, findet die Bürokratie stets das Dickicht. Der 15. Mai jedenfalls soll der erste Schultag sein, es ist ein Freitag. Das passt schlecht, also ist der erste Schultag nicht der erste Schultag, sondern es findet eine Lehrerkonferenz statt. Die könnte man natürlich auch schon am Donnerstag machen, aber da ist ja noch Home-Schooling.
Am Montag den 18. Mai soll es dann richtig los gehen, aber wiederum auch nicht so richtig. Der Unterrichtsbeginn soll gestaffelt werden, also sagen wir einmal die A- und B-Klassen starten um 7.45 Uhr, die C- und D-Klassen um 8.15 Uhr, die Schulen können das individuell entscheiden. Erstmals werden die Buben und Mädchen am Schultor also nicht mehr nur angehalten, weil sie zu spät kommen, sondern weil sie zu früh dran sind. Vielleicht müssen sie auch in der Nähe der Schule warten, bis sie den richtigen Slot erwischen. Abschlagzeiten wie beim Golf, durfte man auch die längste Zeit nicht spielen, geht aber ebenfalls bald wieder.
Hauskonzert

Der gestaffelte Unterrichtsbeginn soll aber nicht das einzige sein, das gestaffelt wird. Stand gestern überlegte das Ministerium laut „Presse“ auch die Klassen zu teilen. Teil A soll von Montag bis Mittwoch in die Schule gehen, Teil B von Donnerstag bis Freitag. Wenn Sie jetzt einwenden, dass es Teil B besser erwischt, weil Donnerstag und Freitag zwei Tage sind und nicht drei, was sich selbst nach sechs Wochen Home-Schooling noch einigermaßen gut errechnen lässt, dann muss ich entgegnen, dass das Ministerium natürlich daran gedacht hat. Die Woche darauf wird das umgedreht, da geht Teil B von Montag bis Mittwoch in die Schule, Teil A Donnerstag und Freitag.
Aber: Ich würde mich, wäre ich Schüler und die Aufteilung frei wählbar, für Team B entscheiden. Warum? Der erste Schultag am 15. Mai, wie gesagt ein Freitag, findet nicht statt – Lehrerkonferenz. Von Montag bis Mittwoch haben die Schulkollegen Unterricht. Am Donnerstag dem 21. Mai ist Christi Himmelfahrt, also ein Feiertag, der Freitag danach in vielen Schulen ein schulautonomer Tag. Die ersten zehn Tage Wiederauferstehung bringt es die Gruppe B also auf genau 0 Unterrichtstage vor Ort. Man kann es schlimmer treffen.
Viel in der Schule werden unsere Gschroppen vorm Sommer aber ohnehin nicht mehr sein. Schon am 1. Juni ist Pfingsten, den 2. Juni bekommt man als Bonus dazu, am 11. Juni folgt Fronleichnam, ebenfalls ein Donnerstag und eine gute Gelegenheit, sich über einen schulautonomen Tag ein verlängertes Wochenende zu sichern. Man könnte dann einfach freimachen oder doch Home-Schooling. Ich höre von vielen Eltern, dass sie nichts mehr vermissen werden als die gemeinsame Unterrichtszeit mit ihren Kindern, diese Quality Time, diese neue Nähe als neue Normalität, einfach schön. Ich nehme sie auf den Arm.
Vielleicht kann man Mitte Juni dann auch schon in die Wiener Freibäder, nicht um zu schwimmen, sondern um am Beckenrand zu sitzen und ins Nichts zu blicken. Denn vielleicht nur die Liegewiesen werden benutzbar sein, der Schwimmbereich nicht. Also der Schwimmbereich wird schon benutzbar sein, aber ohne Wasser halt. Man kann dann auf und ab gehen und Gurgelgeräusche machen, es geht auch, dass man die Luft anhält und untertaucht, aber Obacht, ins Becken pinkeln fällt mehr auf als in den anderen Jahren.
"Zumutung"

In Klagenfurt ist man da schon weiter. Es wurde beschlossen, den Wörthersee nicht auszulassen, schließlich braucht man ein Lockmittel für die deutschen Touristen, die Zimmervermietungsministerin Elisabeth Köstinger ins Land lassen will. Schon am 1. Mai darf man in den Wörthersee hüpfen, ich rate zur Vorsicht, denn bei Männern verkürzt die Wassertemperatur zu dieser Jahreszeit den Penis auf eine nicht nennenswerte Länge, auch bei jenen, bei denen ebendieser schon zuvor keine nennenswerte Länge aufzuweisen hatte. Das Lorettobad öffnet, allerdings ist das eher eine Rein-Raus-Geschichte, denn das Liegen auf der Wiese oder im Sand ist verboten.
Erst am 18. Mai darf man dann baden und liegen und das in gleich drei Bädern, allerdings wird pro zehn Quadratmetern nur ein Badegast eingelassen, die Rutschen sind gesperrt, durch den Sand darf man nur gehen, nicht dort verweilen, Liegestühle und Badetücher müssen eineinhalb Meter voneinander entfernt sein, auf den Brücken sind Abstandsmarkierungen angebracht. Ich weiß nicht, ob ich das schon einmal geschrieben habe, aber ich finde diese neue Normalität ist nicht normal.
Aber man kann was Schönes daraus machen. Der neue Staatsoperndirektor Bogdan Roščić wollte sein erstes Programm auf der Bühne für alle frei zugänglich präsentieren. Er will das Haus öffnen, die Kartenpreise senken, Oper für viele erlebbar und für mehr leistbar machen. Corona legte ihm Fesseln an, machte aus dem Großereignis eine Kleinveranstaltung, aber genau die geriet kolossal und fesselnd. Anna Netrebko sang, nur am Klavier begleitet von Jendrik Springer, die Puccini-Arie "In quelle trine morbide". Alleine auf der großen Bühne der Staatsoper – hinter ihr die 2.300 leeren Sitz-, und Stehplätze – am Sonntag ist der Auftritt um 21.30 Uhr in ORF III zu sehen. Das sollte man sich vielleicht anschauen.
Vielleicht haben Sie weitere 28 Minuten Zeit und sehen sich die Regierungserklärung von Angela Merkel im deutschen Bundestag zur Pandemie an. Es ist keine historische Rede, aber eine von sehr hoher Qualität, in der jedes Wort sitzt, in der Emotion steckt („es ist grausam, wen außer den Pflegekräften niemand da sein kann, wenn ein Leben zu Ende geht“), in der sie ihre schwindende, aber immer noch üppige Macht ausspielt vor allem gegenüber den Bundesländern und in der auch niemand vergessen wird, auch nicht die Kinder. Wir reden ja zurecht sehr oft über die Eltern, die an der Doppelbelastung Home-Schooling und Beruf zerschellen. Aber hat sich schon einmal jemand darüber Gedanken gemacht wie brutal es für Kinder ist uns sechs Wochen lang dauerhaft auszuhalten?
Ich wünsche Ihnen ein wunderbares Wochenende. Es ist das letzte vor der Öffnung der Friseure. Ein paar Tage noch können alle aussehen wie Armin Wolf, dann ist Sense.
Alle bisherigen Blogs finden Sie gesammelt unter dieser Adresse
Bisher erschienen:
Die Herbeischaffung
Tischlein deck dich
Frittösterreich
Rambo VI.
Corona wegflexen
Aussicht auf Sport
Anno Baumarkti
Erst Messe, dann Baumarkt
Ein Bild von einem Kanzler
Meer oder weniger
Bildschön, oder?
Koste es, was es wolle
Neuer Kurzbefehl
In Frühlingshaft
Situation Room
Im Namen der Maske
Die Maskenbildner
Verkehrte Welt
Klobuli
Bettman
Das virologische Quartett
Das Leben ist ein Hit
Im Bett mit Kurz
Park mas an!
Unser Retter?
Danke!
Neulich in Balkonien
30 Beobachtungen
Das Ende der Party
Im Teufelskreis
"Happy birthday"
Das Virus und wir
Sternderl schauen
Streicheleinheiten
Ganz große Oper
That's Life
Patsch Handi zam
Rabimmel, rabammel, rabum
Wir sind Virus
Na dann Prost!
Küssen verboten
Unterm Glassturz
Achtung, s´Vogerl!
Olles Woiza, heast oida!
Oblenepp und Stadlerix
Der tut nix
Im Krapfenwaldl
Wohin des Weges?
Es fliegt, es fliegt
Lieber Christian
Ein Leben am Limit
Kurzer Prozess
Hexenjagd am Klo
Ein Land im Fieber
Eine Frage der Ehre
Frühstücken mit Kurz
Von der Lust gepackt
Ein Ball, viele Bälle
Blabla und Wulli Wulli
"Warum steigt's nicht ein?"
"Servas die Buam"
Die Teufelsaustreibung
Romeo und Julia
Strache, "ich war dabei"
Brot und Spiele
It´s my lei lei life!
Der Zug der Zeit
Der Hauch des Todes
... - .-. .- -.-. .... .
Inselbegabungen
Big Bang für einen Big Mac
Auf einen Apfelputz beim Minister
Von Brüssel ins Fitness-Studio
"Es ist alles so real"
"No words needed"
"So wahr mir Gott helfe"
Jedem Anfang wohnt ein Zauberer inne
Fotos:
Eisbär: APA, Daniel Zupanc
Kardinal: APA; Georg Hochmuth
Staatsoper: Michael Poehl
Hattori: privat
Merkel: DPA, Michael Kappeler