Patsch Handi zam

Der Tag, an dem die Politik echt für den A**** war.

Ich stelle mir das jetzt einmal so vor: Du bist irgendwo auf der Welt Journalist und es wird eine Korrespondentenstelle frei – in Österreich. Du schaust einmal genau, wo das ist, liest ein paar Sachen, denkst dir, das klingt recht übersichtlich, es schaut aus als wäre es dort sicher, die Menschen haben ein paar seltsame Bräuche, reden seltsame Dialekte und ein Video, von dem die meisten nur den Trailer gesehen haben, ist ein großes Thema. Aber es ist nichts da, was dich grob abschrecken würde, also sagst du zu.

Du fährst in dieses Land, das du kaum kennst und beginnst, dich mit den Gegebenheiten vertraut zu machen. Du schaust, welche Politiker es gibt und was die in den sozialen Medien so treiben, wie sie sich auf Instagram zeigen, was sie auf Facebook posten, wie ihr Personal so ausschaut. Du bist vielleicht ein paar Tage, oder meinetwegen auch Wochen, im Land und liest auf Facebook dann das: „Nein, ich bin nicht der ÖVP beigetreten, aber ich steh dazu, daß ich neugierig bin, wie türkis/grün performen wird und hoffe, daß was Gutes daraus entsteht. Bin auch schuldig dafür, daß ich Blümel bei seinem Knackarsch lieber hab, als Ludwig bei seinen verschlagenen Schnitzelgesicht“.

Okay, denkst du dir, das ist auf mehreren Ebenen interessant. Ehe du hergekommen bist, hast du dich vielleicht vor der komplizierten Sprache gefürchtet, jetzt stellst du fest: Die Menschen, die in diesem Land leben, sind offenbar selber nicht so sattelfest drin, verwenden die Fälle recht situationselastisch, mögen das „daß“ lieber in der historischen Form und formulieren ziemlich (f)orsch, das ist halt so. Dann aber googelst du, wer die genannten Personen sind und erkennst: Es handelt sich um den Veranstalter des bisher spektakulärsten Events des Landes, um den amtierenden Finanzminister und um den regierenden Wiener Bürgermeister, also um Gery Keszler, Gernot Blümel und Michael Ludwig, vulgo Knackarsch und Schnitzelgesicht, und du denkst dir vielleicht, geopolitisch könnte es anderswo interessanter sein, aber vom Unterhaltungswert her sind die Österreicher eine Weltmacht.

"Cool bleiben Mädels"

Am vergangenen Samstag präsentierte die Wiener ÖVP auf einem Parteitag ihren Anzug für die Wahl im Herbst, das hat mir gestern etwas Stoff für die Kolumne geliefert. Von den vorgestellten Themen ist drei Tage später keine Rede mehr, ich unterlasse jetzt die Abwägung, ob zurecht oder nicht, aber von dem Mann, der in der ersten Reihe saß, sehr wohl: Gery Keszler, Veranstalter des Life Ball, früher hofiert und ausstaffiert und abgebusselt von der SPÖ, nunmehr an Bord der MS Blümel, Kurs Wiener Rathaus, unklar, ob man am Weg dorthin nicht doch auf Sand läuft. 

Weil ihn wegen des Kurswechsels viele kritisierten, die ihn früher anders gesehen hatten, obwohl er vielleicht jetzt eher so ist wie er wirklich ist, schrieb sich Gery Keszler noch Sonntagabend auf Facebook den Blümel von der Seele. Der ruppige Text wird unser Land nicht aufs offene Meer hinaustreiben, wo wir von einem Ungeheuer verschlungen werden, aber ein Sittengemälde entsteht doch am Weg ins Abendrot.

Früher, als der Begriff noch nicht so inflationär verwendet wurde, hätte man Keszler vielleicht als Wut-Bürger, als Wut-Türkisen, als Wut-irgendwas bezeichnen können, dabei beginnt sein Anwurf recht geschmeidig: „Cool bleiben Mädels“. Dann aber nimmt er recht schnell Fahrt auf. „Wenn man aus dem Leben schreien will, muß man erst eines haben,“ schreibt Keszler. Ich weiß zwar nicht genau, was das heißen soll, aber ich ahne es, er unterstellt seinen früheren Freunden, ein eher ödes Dasein zu fristen, so als hätte ihnen jemand den Schlüssel vom Geilomobil weggenommen.

Corpus delicti

Mit Ludwig kann Keszler wirklich nicht und das überrascht, da es doch Fotos vom letzten Life Ball gibt, auf denen die beiden zu sehen sind wie sie sich in die Arme fallen, fast halt, etwa so wie Kim Jong Un und Donald Trump neulich. „Er (Ludwig, nicht Trump, Anm.) und ein Teil seiner Helden haben am Life Ball alles verraten, wofür die SPÖ steht,“ wettert Keszler weiter und dieser Satz muss die Roten tatsächlich verblüffen. "Wofür die SPÖ steht?" Wenn die SPÖ wüsste, wofür sie steht, wozu müsste sie ab heute dann eine Mitgliederbefragung machen? Gery Keszler wird dort zwar nicht abgefragt, aber wenn die Mitglieder Rendi-Wagner die Gefolgschaft verweigern, könnte sich der Life Ball Macher um ihre Nachfolge bewerben. Ich glaube nicht, dass Blümel ihm Steine in den Weg legt, wo Keszler doch seinen Hintern so gelobt hat. Er müsste halt am 1. Mai am Wiener Rathausplatz mit dem Rücken zum Publikum reden.

Gegen Ende hin beschäftigt sich Keszler dann noch mit den Motiven, die ihm üblerweise unterstellt werden, nämlich dass er gerne die Nachfolge von Maria Großbauer als Opernball-Organisator antreten würde. „Dass ich mir durch die ÖVP den Opernball erschleichen will, könnt ihr auch getrost vergessen. Dieser Job wird vom roten Bogdan Roszic ehrenamtlich vergeben, das könnt ich mir gar nicht leisten“. Jetzt einmal davon abgesehen, dass in Österreich manches Ehrenamt ganz ordentlich honoriert wird, vor allem über Spesenbelege, überrascht die Nachricht, dass Bogdan Roszic ein roter Parteigänger sein soll, vor allem wohl einen besonders: Bogdan Roščić.

"Könnt ich mir nicht leisten"

In Wien soll erst in einem halben Jahr gewählt werden, aber wir wissen jetzt, dass die Zeit bis dahin recht heiter werden könnte. Eigentlich hat ja Beate Meinl-Reisinger damit angefangen. Sie war (wie ich) vergangenen Donnerstag im Straßenfeger „Bussi Fussi“ auf Puls 24 zu Gast und die Neos-Chefin erzählte den 5.000 gefesselten Zusehern dabei folgende Begebenheit: „Mir haben ein paar Leute auf der Straße gesagt, ich tät euch ja wählen, aber, darf ich das jetzt sagen, mir hat einer, wörtliches Zitat, nicht von mir, ich unterschreibe das in keiner Weise, oba wissens, mir ist der korrupte Häupl beim Oasch lieber als der Strache beim Gsicht, deswegen wähle ich die SPÖ.“ Ich weiß jetzt nicht, ob Beate Meinl-Reisinger Gery Keszler auf der Straße getroffen hat, oder ob es zwei solche Rabiatperlen gibt, aber der Wiener Wahlkampf war wohl schon vergiftet, ehe es blümelte. 

Das eröffnet überraschende Perspektiven, vor allem für den Wahlabend. Studio Wien, 17 Uhr, Signation, die Kamera fährt ganz nah an den Moderator heran, der rotwangig dasteht, die Krawatte schürt ihm fast den Hals ab. „In wenigen Augenblicken“ bringt er gerade noch heraus, „haben wir die erste Hochrechnung, meine Damen und Herren“. Im Hintergrund sieht man die Leute von Sora auf PC-Monitore deuten und sich Zettel zuschieben, alle Mienen sind angespannt.

Der Moderator will Zeit schinden, erzählt Belangloses, wie es früher so war mit der Wahlbeteiligung und wie wichtig dieser Urnengang für alle Parteien doch sei, aber dann, mitten in einen Satz hinein, bekommt er die Nachricht, dass es nun angerichtet sei. Er sagt „die erste Hochrechung liegt vor“, die Kamera schwenkt vom Rotwangigen weg, den die Krawatte immer noch am Krawattl hält, hin auf einen Monitor, man sieht Balken in die Höhe fahren und hört die Stimme des Moderators, der nun das vorläufige Ergebnis bekannt gibt: „Bei der Landtagswahl 2020 in Wien siegte heute Schnitzelgesicht vor Knackarsch“.

Vielleicht wird das ein paar Menschen im ersten Augenblick verstören, aber es wird sie auch der Politik näherbringen. Vorbei die ermüdenden Diskussionen über links oder rechts oder Mitte, vorbei die Konfrontation mit verwirrenden Angaben wie Stichprobengrößen oder Schwankungsbreiten oder Untersuchungszeiträume oder Stichprobengrundlagen, Schnitzelgesicht vor Knackarsch, das verstehen die Leute. Verkünden Politiker nicht ohnehin bei jeder sich bietenden Gelegenheit, dass sie fortan den Menschen besser zuhören wollen? Nun denn, die reden am Stammtisch nicht wie die Burgschauspieler in der „Hermannschlacht“. Die unterteilen die Menschen eben in Schnitzelgesichter und Knackärsche, ist halt so.

Mahlzeit

Der Knackarsch von Blümel ist übrigens gar nicht so leicht zu finden. Ich habe ein paar Hundert Fotos angeschaut, Journalismus ist zuweilen eine seltsame Profession, vor allem bin ich mir in diesem Fall gar nicht sicher, ob diese Tätigkeit noch in das eigentliche Berufsfeld fällt. Jedenfalls wurde ich fündig, sie werden es nicht glauben wo – bei der SPÖ.

Die Roten twitterten nämlich am 15. Mai 2019 ein Foto aus dem Parlament, es zeigt Blümel von hinten. Weniger sein vermeintlicher Knackarsch war damals das Thema, sondern seine türkisen Socken waren es, er trat nämlich keckerweise ohne Schuhwerk ans Rednerpult heran, was unter anderem die SPÖ der Würde des Haus gegenüber als unangemessen fand, oder Scheiße, wenn man dem sich abzeichnenden Stil des Wiener Wahlkampfes in der Wortwahl treu bleiben möchte.

Möge Ihr Dienstag wunderbar und nicht, Entschuldigung, für den Arsch sein.

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Keszler, Blümel: APA, Georges Schneider
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Keszler Badewanne: APA, Andreas Lepsi
Wiener Schnitzel: iStock

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