Was du noch nicht über Philippa Strache wusstest

Sie steht seit Wochen in den Schlagzeilen – und doch hatte sie bis vor Kurzem nicht einmal einen eigenen Wikipedia-Eintrag. Wer ist Philippa Strache? Das große Heute-Porträt.

Ihr Smartphone trägt eine Schutzhülle aus Swarovski-Kristallen um wohlfeile 85 Euro. An der Pinnwand im Büro hängt ein Porträt von Ehemann Heinz-Christian, die Couch für wartende Gäste im Vorraum ist vom Jagdhund der Assistentin belegt. Mit ihren tiefblauen Augen, die sie oft mit noch tiefblaueren Haftschalen verstärkt, blickt sie ihr Gegenüber interessiert an.

Fast alle Kollegen im Klub der Freiheitlichen Partei duzen Pia Philippa Strache (31), wie es bei den Blauen halt so üblich ist. Die Mitarbeiter im engeren Umkreis sagen Pipa zu ihr. Und im innersten Zirkel heißt die Jean d’Arc in liebevoller Überhöhung schlicht Phibi.

Doch wer ist die Frau, über deren Zukunft Medien und Politik seit Tagen spekulieren? Über die selbst auf Wikipedia kaum Informationen zu finden sind, obwohl sie inzwischen zu den bekanntesten Frauen Österreichs zählt?

Eine Spurensuche.

Alles begann mit der SPÖ

Philippa Straches Karriere begann nicht etwa in der FPÖ – sondern am anderen Ende des politischen Spektrums. Bereits mit 19 Jahren heuerte sie als Mitarbeiterin im SPÖ-Parlamentsklub an, wo der damals noch mächtige Klubchef Josef Cap das Sagen hatte. 

Es war kein Match: Kolportiert wird, dass Philippas Auftauchen auf dem politischen Nichts so manchem Genossen nicht grün war. Und auch die junge Frau Beck, wie sie damals noch hieß, merkte schnell, dass ihre Zukunft außerhalb der Sozialdemokratie liegt.

Umso mehr Monate beim SP-Klub ins Jahr zogen, umso ungeduldiger wurde Philippa in ihren Job hinter den politischen Kulissen. Oder, wie es der damalige Klubchef Cap ausdrückt: „Die Position als bessere Sekretärin war ihr eindeutig zu wenig. Sie wollte näher an die politische Macht kommen!“

Das Model und der Fußballspieler

Also kündigte Philippa Beck den Job bei der SPÖ, verbrachte einige Monate in den USA, um an einer Modelkarriere zu basteln – die allerdings nicht so recht gedeihen wollte. Zurück in Wien, studierte Philippa Wirtschaft und suchte nach neuen politischen Karrieremöglichkeiten.

Es war zu dieser Zeit, als plötzlich ein Fußballspieler aus dem Burgenland auftauchte. Auf dem Weg zu ihrer Tante blieb Philippas Wagen in der Nähe von Neusiedl am See mit einer Panne liegen. Er sah Philippa am Werken mit der geöffneten Motorhaube, blieb stehen und bot ihr eine Mitfahrgelegenheit an.

Er brachte sie an ihr Ziel und verliebte sich in sie. Dann schien alles klar zu sein. Vorläufig. Philippa zog mit Sack und Pack zum Freund nach Neusiedl am See, ihr Hund Odi, ein schwarzer Labrador kam mit, das familiäre Glück schien perfekt.

Und dann kam Stronach

Jeff Mangione / picturedesk.com

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2012 tauchte der kanadische Multimilliardär Frank Stronach am politischen Himmel Österreichs auf und suchte Mitarbeiter für seine neue Partei. Für Philippa Beck war klar: Diese Chance musste sie nehmen, das konnte was ganz Großes werden. Mit ihr im Mittelpunkt…    

Im noblen Golfclub Fontana im niederösterreichischen Ebreichsdorf hielt Frank Stronach, Gründungsvater und späterer Totengräber der Partei, seinen Hof. Vorstellungsinterviews pflegte der milliardenschwere Autoteile-Tycoon Stronach im clubeigenen Luxusrestaurant mit Blick auf den künstlich angelegten Schmuckteich zu führen. Die junge Frau Beck überzeugte ihn.

Philippa liebte wie Stronach den Luxus. Er, der Tycoon, führte seine Gäste und Mitarbeiter gern im Oldtimer-Mercedes durch seinen Golfclub, präsentierte seine Zuchtrennpferde um mehrere 100.000 Euro.

Sie, die hochintelligente junge Frau, pflegte mit dem Porsche ihres Freundes – des Fußballers aus dem Burgenland – vor dem Parlament zu parken. Ein bewusst gesetztes Statussymbol, wie die obligaten Luxustaschen. So nach dem Motto: „Hoppla, jetzt komm‘ ich!“

Einzig auf die Champagnerbegleitung verzichtete Pipa stets, denn sie lebte schon damals konsequent abstinent. Lagen die Kollegen bei diversen Feierlichkeiten im Vollrausch, ging Philippa im Kopf bereits die Politstrategie am nächsten Tag durch. Sie wolle nicht die Kontrolle über sich selbst verlieren, das galt als Stehsatz damals wie heute.

Der Neid

Philippa avancierte umgehend zur parlamentarischen Mitarbeiterin (Pami, Anm:) des Klubchefs der Stronach Truppe, Robert Lugar. In den Goldgräberzeiten der Partei war sie der weibliche Superstar. Hoch gebildet nach einem Wirtschaftsstudium, perfekt gestylt, immer beherrscht, nie aus der Rolle fallend.

Wenn Philippa Strache auftaucht, dann kommt sie nicht einfach daher, sondern sie erscheint. Betrat sie den Klub, wurde der Mittelgang des Großraumbüros zum politischen Laufsteg. Ein Hauch von Anna Wintour zog hinter ihr durch die Räumlichkeiten, Mitarbeiter hielten ehrfürchtig den Atem an.

Schlagartig hatte die „Neue“ aber ein ebenso neues Problem: Manch andere Frauen, die Frank Stronach in sein politisches Nest geholt hatte, erlitten einen Eifersuchts-Reflex. Die Klubdirektorin ermahnte Philippa im Hinblick auf ihren Dresscode: Dekolletés, die tief blicken lassen, wären unerwünscht und der Würde des Parlaments und seinen Mitarbeitern nicht angebracht, monierte sie. Pipa blieb davon ungerührt.

Mitarbeiterinnen mit Avancen auf höhere politische Weihen kamen mit perfekt ausgestatteten Toilettentaschen morgens in den Klub, um am Nachmittag mit Stronach und seiner Luxus-Falcon auf einen „Ausflug“ nach Salzburg, München oder Mailand abzuheben. Philippa Beck blieb in dieser Situation am Boden. Sie hatte längst ein Alleinstellungsmerkmal im Klub, Kritik an ihr hätte gleichzeitig als politische Majestätsbeleidigung an Stronach selbst gegolten. 

„Das wird nix mehr. Der Frank ist beratungsresistent.“

Nach dem katastrophal schlechten Abschneiden des Team Stronach bei der Nationalratswahl im September 2013 mit mageren 5,73 Prozent musste auch der Klub finanziell abspecken. Philippa sah das nahe Ende damals schon dräuen. Zitat: „Das wird nix mehr. Der Frank ist beratungsresistent.“

Straches Ende im Team Stronach hatte aber wohl andere Gründe, siehe oben. Fakt ist: Die Klubdirektorin kündigte Philippa wenige Wochen nach der Wahl. Sie betrat das Zimmer der Pressemitarbeiter, hielt Philippa das Kündigungsschreiben unter die Nase und sagte knapp: „Unterschreiben!“

Nach einer Schrecksekunde zog sich die geschasste Frau Beck mit ausgewählten engen Mitarbeitern zu einem Gespräch ins Restaurant des Hotels „25 Hours“ beim Wiener Museumsquartier zurück. Angesprochen auf die Kündigung, sagte sie mit brutaler Verve: „Die Frau kommt sicher noch irgendwann in meine Gasse…“ Heute arbeitet die übel Apostrophierte in ihrem ursprünglichen Zivilberuf als Beamtin im Gesundheitsministerium.

Die geheime Hochzeit

Philippa jedoch blieb weiter beinhart am Pfad ihrer Karriere. Sie wechselt als Moderatorin zum Garagenfernsehen von oe24 und leuchtete dort die billige Studiolandschaft spektakulär aus. Zunächst als Society-Reporterin in Print und Online, später als Wetterfrosch, zuletzt als Moderatorin des Schenkelklopferformats „Schlag den Toni!“.

Es war eine Geburtstagsfeier ihres neuen Chefs, Wolfgang Fellner, die ihrem Leben eine spektakuläre Wende geben sollte. Zu seinem 60. Wiegenfest veranstaltete der Medienmacher eine prunkvolle Party im Hyatt-Hotel. Mittendrin: Philippa – und ihr zukünftiger Mann Heinz-Christian. Es war in diesem Rahmen, dass es zwischen den beiden funkte.

„In schwachen Momenten liebe ich ihn am meisten“, erklärte sie später, nach der streng geheimen Hochzeit im Oktober 2016, dem Boulevardblatt und früheren Arbeitgeber „Österreich“.

Von starken und schwachen Momenten

Innerhalb kürzester Zeit bekam sie den blauen Machtmenschen Heinz-Christian Strache fest in die Hände. Zumindest privat und abseits der Medien. Das Ehepaar übersiedelte in eine Villenetage eines Bekannten des FPÖ-Chefs in Klosterneuburg Kierling. Etwas mehr als 100 Quadratmeter, stilvoll von Philippa eingerichtet, draußen eine Terrasse, ein kleiner Pool, zweimal Umfallen und man ist im Wienerwald.

Zuhause führt Philippa Strache ein strenges Regiment, bestimmt, wie ihr „Heinz“ angezogen sein soll und beklagt, wenn er ein Interview unterbricht, um auf der Terrasse des Hauses eine Zigarette zu rauchen und mit der ersten die zweite anzündet.

Inzwischen hat das Paar einen kleinen Sohn, Hendrik, geboren am 1. Jänner 2019. H. C. Strache, damals noch Vizekanzler, unternahm kurz nach der Geburt noch die Anstrengungen eines Papa-Monats, nicht ahnend, dass er naheliegend noch genug Zeit für väterliche Privatissimen haben würde.

Alles schien politisch auf Schiene, bevor eine spanische Mittelmeerinsel in das Leben des Paares trat …  

Philippa, die Spitzenpolitikerin

Doch gehen wir nochmals einen Schritt zurück. Denn auch Philippa Strache ließ politisch nichts anbrennen.

Im Jahr 2015, noch vor der Hochzeit, zog es sie an die prall gefüllte Futterkrippe der FPÖ. Der Weg zur Regierungsbeteiligung war klar vorgezeichnet, die Chancen dafür standen auf nahezu 100 Prozent. Philippa, damals noch Beck, wurde Beauftragte für die Social-Media-Agenden der Blauen, später auch Tierschutzbeauftragte – und stand selber mehr und mehr im Rampenlicht.

„Blond bin ich, jung bin ich und manche wundern sich, dass ich sogar drei zusammenhängende Sätze sprechen kann“

Als sie nach dem Fall ihres Mannes im Zuge der Ibiza-Affäre ankündigte, selber für den Nationalrat kandidieren zu wollen, dürften dennoch viele überrascht worden sein. „Blond bin ich, jung bin ich und manche wundern sich, dass ich sogar drei zusammenhängende Sätze sprechen kann“, kommentierte sie ihren Wandel zur Spitzenpolitikerin augenzwinkernd im Nachrichtenmagazin „News“.

Ihre Chancen auf ein Nationalratsmandat schienen blendend. Wären da nicht plötzlich Vorwürfe in Bezug auf die Spesenrechnungen des Ehepaars Strache aufgetaucht. Von einem Tag auf den anderen sprach man nicht mehr von der Tierschützerin Philippa, sondern über ihre Handtasche, ihr Gehalt, den Mietzuschuss.

"Blut geleckt"

Nach den Wahlen blickte alles auf die Ergebnisse der Wiener FPÖ. Medien verschickten Medien Push-Nachrichten: Philippa Straches Mandat wackelt! Sie schafft es! Oder etwa doch nicht? Ob es für einen Sitz im Nationalrat reichen wird, ist auch über eine Woche nach der Wahl noch unklar. Am ersten Montag im Oktober verkündete die Wiener FPÖ : Philippa Strache wird kein Nationalratsmandat erhalten. Die Partei sprach vieldeutig von „Vorwürfen, die von anonymer Seite erhoben wurden“, die nun zu klären seien. Dann die erneute Kehrtwende: Aus rechtlichen Gründen kann die FPÖ ihr das Mandat möglicherweise gar nicht verweigern.

Mit wem man auch spricht: Kaum jemand bezweifelt, dass die noch 31-Jährige – 32. Geburtstag ist am 1. Dezember 2019 – ihren politischen Weg weiter gehen will und wird.

Was sagte sie einst über ihre ersten Erfahrungen im Hohen Haus am Ring?

„Irgendwie hatte ich Blut geleckt und wenn Du einmal Blut geleckt hast, lässt Dich das Parlament nicht mehr los …“