Rambo VI.
Mit Corona weitergfrettn und was wir ohne Toiletten täten.

Wieder so ein Wochenende mit einer erstaunlich großen Zahl an Corona-Experten, die alles aufsperren oder alles zusperren wollen, möglichst beides zur gleichen Zeit. Das Virus wird uns manchmal als Monster, dann wieder als Babyelefant vor Augen geführt. Eine Impfung gibt es in einem halben Jahr, einem Jahr, erst 2022, oder 2023, bis dahin wird unser Leben die Hölle, vielleicht aber schon in drei Wochen wieder ganz toll.
Wir schauen Grafiken über die Krankheitsverläufe in verschiedenen Ländern mittlerweile an wie früher Fußballtabellen. Aha, die USA haben jetzt weltweit die Führung bei den Todesfällen übernommen, Italien kriegt langsam die Kurve, Schweden ist sehr schwer einzuschätzen, ein gefährlicher Außenseiter. Wir werden noch auf die Zahl der Erkrankten Wetten abschließen können, Sie werden sehen. Unser neues Cordoba wird sein, wenn wir die Deutschen im Replikationsfaktor schlagen. Alle werden die Fenster öffnen und „I wer narrisch“ auf die Straße rausbrüllen, die Polizisten mit ihrem „I am from Austria“ werden sich vorkommen wie von vorgestern.
Wir sind ein gelehriges Volk. 8,8 Millionen Teamchefs, alle in der spielfreien Zeit blitzschnell umgeschult per WIFI-Kurs zu Epidemiologen. Weil es keine Europameisterschaft im Fußball gibt, könnte man heuer doch ein Panini-Album mit Virologen auf den Markt bringen. „Ich habe Drosten doppelt, willst Du vielleicht einen Streek eintauschen, der fehlt mir noch?“ Die Deutschen, entnehme ich dem Online-Portal Watson, suchten in den letzten vier Wochen auf Google häufiger nach Christian Drosten, neben Hendrik Streek der bekannteste Corona-Experte im Land, als nach Helene Fischer oder Heidi Klum. Vielleicht gibt es bald eine TV-Show „Germany’s next Virologe“, mit „Atemlos“ läge die passende Titelmusik ja schon vor.
Corona-Demo USA

Berliner Variante

In den USA und in Deutschland formieren sich jetzt die ersten Demos gegen die Ausgangssperren, Verschwörungstheorien bekommen plötzlich Arme und Beine. Drei US-Bundesstaaten hatten letzte Woche den „Lockdown“ verhängt, alle drei werden von Demokraten regiert. Als dieser Tage ein paar Tausend Leute auf die Straße gingen, hakte sich Donald Trump per Twitter bei ihnen unter. „Befreit Minnesota“, schrieb er, wenig später „Befreit Michigan“, schließlich „Befreit Virginia“, man darf nicht vergessen, es handelt sich um den Präsidenten eines Landes, in dem Bundesstaaten seiner Ansicht nach „befreit“ werden müssten.
In Berlin waren am Samstag 260 Polizisten nötig, um eine Versammlung von Gegnern des geltenden Kontaktverbotes in den Griff zu bekommen. „Querfrontdemonstration“ nannte sich das, wieder ein neues Wort gelernt, weil die AktivistInnen aus dem linken und dem rechten Lager kamen, einige waren glühende Trump-Fans, auf einem Schild wiederum stand „Impfterrorismus". Noch sind das nicht viele Menschen, aber es gibt keine Garantie dafür, dass es in ein paar Wochen nicht anders ist. In Lissabon verlieh eine Frau den Problemen mit Lagerkoller charmanter Ausdruck. Sie hängte ein Plakat ans Balkongeländer: „My husband is for sale“. Leider war kein Bild daneben.
In Österreich gibt es keine Demos, unser Resonanzraum ist das Klo, das mit der Hamsterei von Toilettenpapier kann kein Zufall gewesen sein. Am Freitag gab Ulrike Lunacek eine Pressekonferenz. Die Kulturstaatssekretärin, die bisher eher im Verborgenen gewirkt hatte, erschien mit Schutzmaske in grüner Tarnoptik, zusammen mit der hellbraunen Lederjacke, die sie trug, erinnerte sie entfernt an Sylvester Stallone, dem halt das Stirnband unter die Augen gerutscht war, es wird ja keiner jünger. Teil VI. von Rambo könnte sich mit der Bekämpfung von Corona beschäftigen, ich habe das Drehbuch ungefähr im Kopf. Am Ende wird das Virus verbrannt, bis dahin hat Rambo 17 tödliche Verletzungen erlitten, die sich bei ihm aber nur auf die Laune geschlagen haben.
Als die Pressekonferenz schon etwas fortgeschritten war, legte Lunacek die Problemfelder offen, die sich durch Corona etwa bei Theateraufführungen ergeben würden und landete, Sie erraten es, am Klo. „Wie schaut‘s aus bei den Toiletten?“, fragte sie mehr sich selber als die wenigen Anwesenden. „Muss Abstand gehalten werden ein Meter?“ Leider folgte keine nähere Erläuterung, was hier von wem einen Meter Abstand halten müsste. Es kann nämlich zu ziemlich unschönen Szenen kommen, wenn in Toiletten der Abstand zwischen dem Toilettenbesucher und dem, sagen wir einmal, Urinal einen Babyelefanten beträgt. Nicht jeder trifft auf die Entfernung, nicht jeder schafft sie überhaupt. Von Klomuscheln und den damit verbundenen üblen Geschäften will ich jetzt einmal gar nicht reden. Etwas später resümierte Werner Kogler: „Man muss am Schluss nur aufpassen, sage ich dazu, dass man selber nicht skurril wird“. Tja!
Das gilt freilich auch für Rudolf Anschober. Der Gesundheitsminister trug bei seiner letzten Pressekonferenz die Schutzmaske nämlich verkehrt herum, also nicht innen war außen, sondern oben war unten. Vielleicht war das aber Absicht, Monty Python hat gerne solche Scherze gemacht.
Andersrum,
Herr Minister

Kogler jedenfalls, der neben Rambo Lunacek stand, könnte in der Verfilmung Colonel Samuel Trautman geben, eine Uniform würde ihm nicht schlecht stehen, besser als das blitzblaue Hemd jedenfalls, das er erneut trug, vermutlich aus jugendlichem Trotz heraus. Er hatte auch wieder ein weißes Unterleiberl an, das zuweilen hochüpfte als würde es „ich bin auch noch hier“ schreien. Wenn Rambo das passende Zeichen gegeben hätte, wäre der Vizekanzler recht schnell nur mehr in Feinripp dagestanden, ein Messer zwischen den Zähnen. Für die Kultur lohnt sich jeder Kampf.
Die beiden, Rambo Lunacek und Colonel Trautman, informierten die Öffentlichkeit darüber, wie man die Kultur durch die Viruszeit bringen will. Angekündigt waren „Lockerungen“, seltsamerweise bedeutet bei uns neuerdings „Lockerung“ nicht, dass man etwas lockert, sondern nur, dass man etwas nicht fester zuzieht. Kinos, Theater, Opernbühnen, Sommerevents, Werkstätten, Ateliers, Tonstudios, Probebühnen bleiben vorerst einmal geschlossen, Konzerte gibt es vorderhand keine, wurscht wo. Die „Lockerung“ bezog sich vielleicht darauf, dass man sich locker machen sollte für die Zeit der „Wiederauferstehung“, wann das sein wird, blieb unklar. Ich glaube, ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage: Jesus war schneller aus dem Grab.
An der Seite von Colonel Kogler kam Rambo Lunacek zur vollen Entfaltung. Weil Theateraufführungen momentan verboten sind (die Regierung würde vielleicht sagen sie sind „gelockert“), interpretierte die Kulturstaatssekretärin selber Goethe und sprach ein paar große Worte gelassen aus. Sie versuchte zu begründen, warum das mit der Schauspielkunst momentan so ein Problem sei, nämlich: „Bei Theatern geht es heftig zu. Vielleicht einmal eine Schlägerei oder vielleicht eine Liebesszene. Das wird nicht gehen, wahrscheinlich“. Kurz später sagte sie: „Auch Blasinstrumente wird eher schwierig“. Und: „Mit Mundschutz Liebeszenen wird schwer gehen“. Von der Klarheit der Sprache ist sie nahe an Werner Kogler gebaut. Sie sagte also nicht: „Leute, bis Ende August keine Schmuserei und der Dreizack bleibt im Spind. Nein, es sei alles „eher schwierig“ und würde „schwer gehen“. „Wahrscheinlich“.
Hausputz

Der Kanzler selbst wirkte am Wochenende per Aussendung und via CNN. Gemeinsam mit Werner Kogler schickte Sebastian Kurz am Sonntag über die Austria Presse Agentur eine Depesche ans Volk, in der er mit Lob nicht geizte, auch nicht sich selbst gegenüber. Die Zahl der Neuerkrankungen sei unter 100 gefallen, das sei ein „erfreuliches Zeichen“. „Die gesetzten Maßnahmen sowie die ungemein hohe Disziplin der Bevölkerung lassen die Ansteckungszahlen kontinuierlich zurückgehen. Diese gute Entwicklung ist ein gemeinsamer Erfolg der gesamten Bevölkerung, für den wir uns bei allen sehr herzlich bedanken“. Ich glaube, wenn wir brav sind, lassen die uns im Sommer glatt noch auf Urlaub fahren und zwar weiter als in die Bucklige Welt.
Am Abend dann tauchte der Kanzler auf CNN auf. Der Nachrichtensender kündigte sein Interview mit „exclusive“ an, vermutlich weiß er nicht, dass in Österreich sogar der Kassier vom Pappelstadion in Mattersburg die Handynummer von Kurz hat. Auch „lessons from Europe: How to reopen an economy“ als Unterzeile wirkte etwas dick aufgetragen, denn noch ist unklar, ob wir jemandem eine „lesson“ erteilen können, noch dazu haben wir international gesehen keine nennenswerte „economy“, aber vielleicht war es nett gemeint, der Amerikaner neigt ja zu Schmeicheleien.
Moderator Fareed Zakaria wirkte nicht, als hätte er sich um den Termin mit dem Österreicher geprügelt, sondern eher als wäre er ihm zugefallen, weil er bei der „Reise nach Rom“ unter Studiokumpels verloren hatte. Er stellte artig Fragen, Kurz antwortete artig, auf Nachbohren wurde großzügig verzichtet, der Kanzler kennt diese „lesson“ vom chinesischen Staatsfernsehen. Aber wenigstens wissen die Amerikaner jetzt, dass es den Begriff „neue Normalität“ gibt, vermutlich können sie damit genauso wenig anzufangen wie wir, da werden wohl noch ein paar „lessons“ nötig sein.
Zur „neuen Normalität“ gehört auch, dass die ÖVP Richtung absoluter Mehrheit marschiert. Laut einer „profil“-Umfrage erreichen die Türkisen derzeit 48 Prozent, dahinter liegen die Grünen und die Roten gleichauf mit 16 Prozent, die Blauen kommen auf nur mehr 13 Prozent, die Pinken auf sechs Prozent. 55 Prozent würden Sebastian Kurz direkt zum Kanzler wählen, nur acht Prozent Pamela Rendi-Wagner oder Werner Kogler, die beiden könnten es also mit dem Antreten gleich bleiben lassen. Eine Momentaufnahme, natürlich, aber sie weckt auch Begehrlichkeiten. Nicht nach Neuwahlen, das ist Unfug. Aber, nur um den Unterschied zu illustrieren: Vor knapp einem Jahr wurde der Kanzler wegen geschredderter Akten mit Hohn übergossen. Jetzt befiehlt derselbe Kanzler allen im Land umgehend Masken aufzusetzen und am nächsten Tag geistern alle mit Papierfetzen im Gesicht im Supermarkt herum, keiner sagt einen Mucks. Das macht etwas mit Politikern. Vielleicht schreibe ich einmal mehr dazu.
Zum Steinerweichen

Was sonst noch so war am Wochenende?
Rudi Fussi hat wegen Corona zwar keine Talkshow mehr, aber nun einen Hund, namens „Hugo“. Sehr süß, der Dackel. Fussi dreht am Tag etwa zehn Videos mit ihm. Nicht einmal beim Scheißen, pardon für den Ausdruck, aber er nennt das selber so, lässt er ihn in Ruhe. Hätten wir nicht so viel mit dem Vernadern von Corona-Sündern zu tun, wir hätten längst den Tierschutz verständigt.
Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hatte den Neusiedler See für Wiener gesperrt, deswegen fuhren am Wochenende extra viele Wiener dorthin wie Fotos belegen. Sehr schön finde ich den Begriff, den Martin Glier für das Burgenland erfand: „Doskana“.
Dompfarrer Toni Faber beklagte sich in der „Kleinen Zeitung“ darüber, dass Baumärkte schon offen haben dürfen, Kirchen aber nicht. Twitter-User „Gregor“ richtete Faber aus: „Brudi k1 Stress, Jesus war Zimmermann. Geh in Obi beten“.
Die ganze Welt machte in der Nacht auf Sonntag Party im Wohnzimmer. 120 Musiker, von den Stones bis zu Billie Eilish, traten acht Stunden lang bei „One World – Together At Home“ auf. War nicht ganz Woodstock oder Band Aid, aber die Villa zählt fürs Werk.
Rheinland-Pfalz hat die Sache mit den Babyelefanten übrigens stimmiger gelöst. In Deutschland gelten ja eineinhalb Meter als gewünschter Mindestabstand. „Also mindestens 18 Flaschen Wein“, schrieb die Landesregierung als Gedankenstütze an die Bevölkerung, fügte aber an: „Die Anzahl der Flaschen hängt natürlich vom Umfang ab“. Das hätte uns einfallen müssen, uns Flaschen.
Haben sie einen wunderbaren Start in die Woche. Ob mit Babyelefanten oder Dopplern sei Ihnen überlassen. Ich darf daran erinnern: Wenn Sie 18 Flaschen Wein trinken, sehen Sie jedenfalls Babyelefanten, egal welcher Wochentag ist.
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