Sternderl schauen
Hokus Pokus Fidibus und alles wird gut. Überall!

Wir leben im Zeitalter zweier großer Strömungen, der Globalisierung und der Globulisierung. Die Globalisierung macht die Welt zum Dorf, alles erscheint miteinander verknüpft, im Guten wie im Bösen. Der Medienwissenschafter Berhard Pörksen beschreibt das in seinem neuen, lesenswerten Buch „Die Kunst des Miteinanderredens“ anhand eines Beispiels. Das klassische Telefon benötigte nach seiner Erfindung 75 Jahre, um von 100 Millionen Menschen genutzt zu werden, Instagram brauchte dafür nur zweieinhalb Jahre. Covid-19 hat das Buch offenbar gelesen, dachte sich zurecht, die Gelegenheit ist günstig und verbreitet sich derzeit rasant über den Erdball.
Lässt sich die Globalisierung von Corona durch die Globulisierung aufhalten? Wohl kaum, aber gute Geschäfte kann man damit machen. Zwei Apotheken, eine in Wien, eine in der Steiermark, verkauften noch letzte Woche "Corona-Globuli", homoöpathische Mittelchen gegen das Virus. 100 Gramm der Zuckerkügelchen kosteten 128 Euro. Die Apothekerkammer schritt schließlich ein. Das Ende für den Hokuspokus bedeutet das nicht und wir sollten dankbar dafür sein. „Geht es der Wirtschaft gut, geht es uns allen gut“, heißt es doch.
Globulisierung meint hier aber nicht allein die nutzlosen Zuckerltabletten, Globuli ist ein Sammelbegriff für all das, was uns das Gehirn derzeit verklebt. Weil wir immer weniger genau wissen und auf immer weniger vertrauen (können), müssen wir glauben und das wird von den Globulisierern in der Politik, in der Wirtschaft, in der Gesellschaft, überall ausgenutzt. In jüngster Zeit häufen sich die Indizien, dass der Zinnober in vielerlei Ausprägungen endgültig in der Mitte in der Gesellschaft angekommen ist und dort so freudig begrüßt wurde wie es sich manche Partei für sich selber wünschen würde.
Brett vorm Kopf

Beim Bau des Wiener Krankenhauses KH-Nord war 2017 auch die Hilfe eines "Energiereinigers" in Anspruch genommen worden. Für wohlfeile 95.000 Euro zog der Wunderwuzzi flugs einen Energiering um das Spital, was ziemlich visionär war, denn jetzt, mitten in der Corona-Krise, steht das Spital nicht nackig da. Der Energiering entfaltete offenkundig seine Wirkung, denn bisher ist niemand in dem Gebäude an Corona erkrankt soweit ich weiß, das sei allen Zweiflern einmal gesagt. Trotzdem ging die Staatsmacht in aller Brutalität gegen den Energieringzieher vor. Es gab einen Untersuchungsausschuss, in dem er sein Wirken darstellen musste. „Ich möchte nicht wissen, wie viele Millionen man sich durch unsere Arbeit gespart hat“, sagte er. Wir hätten das schon gerne gewusst, aber so weit kam es nicht.
Denn dann schlug die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSta) zu und ermittelte gegen sechs Beschuldigte, irgendwer musste ja schließlich den Unfug beauftragt haben. Bezahlt wurde er jedenfalls nicht aus privater Tasche, sondern aus Steuergeld, weil dieses, im Unterschied zu privatem Geld, die wunderbare Eigenschaft besitzt, beliebig vermehrbar zu sein. Am Wochenende wurde bekannt, dass die Ermittlungen eingestellt wurden. Der Tatverdacht der Untreue und des Betrugs habe sich nicht bestätigt. Der Tatverdacht der Dummheit war in diesem Land noch nie strafbar, der Energie von Dummheit wurde aber auch noch nie richtig auf den Grund gegangen, nicht einmal durch einen „Bewusstseinsforscher“.
Der nämliche „Bewusstseinsforscher“ erspart offensichtlich immer noch Menschen und Institutionen „viele Millionen“, seine private Webseite wird zwar momentan „überarbeitet“, oder besser gesagt sie befindet sich vermutlich in Transzendenz, aber das „Forschungszentrum für Bewusstsein“ entfaltet nach wie vor sein segensreiches Wirken und erklärt das so: „Unsere Welt ist dabei, sich grundlegend zu verändern. Der Hintergrund ist nicht nur die völlig neue Energie, die uns in diesem Jahr zur Verfügung steht, sondern eine grundlegende Erkenntnis, die wir im Rahmen unserer Forschungen am Bewusstsein erlangen durften“. Warum auch nicht?
Ware Schöpfung

Es hat zwar offenbar ein bisschen gedauert, um die „grundlegende Erkenntnis“ über diese „völlig neue Energie“ zu erlangen, aber dann dürfte es den Energieringziehern eingeschossen sein, und wie. „Wir haben nun verstanden, in welchem Zusammenhang der Verlust unserer Macht über die Materie mit dem Verlust der Liebe in unserem Bewusstsein steht. Wenn es uns gelingen soll, die Materie zu beherrschen, dann muss es uns gelingen, die Liebe in unserem System vollständig zu verankern und dafür zu sorgen, dass Handlungen außerhalb der Liebe unmöglich werden“. Langsam wird klar, warum der Stadt Wien die Verankerung der Liebe 95.000 Euro wert war. Es ging ihr darum, „die Materie zu beherrschen“, das ist bedeutsam, schließlich sind bald Wahlen.
Gottlob wollen die Energieringzieher ihr Wissen nicht für sich behalten, sondern teilen es mit uns. Es gibt also einen „Workshop Wahre Schöpfung“ zur „Grundbereinigung des Bewusstseins“. Vielleicht liegt ein Schreibfehler vor und man wollte statt „Wahre Schöpfung“ tatsächlich „Ware Schöpfung“ titeln, die „Grundbereinigung des Bewusstseins“ bringt es nämlich mit sich, dass sich vor allem unser Konto etwas säubert, sie kostet nämlich 990 Euro.
Das ist andererseits wiederum nicht viel Geld, denn die „Grundbereinigung des Bewusstseins“ ist in einem Tag erledigt, genau genommen in der Zeit von 9.30 Uhr bis 17.30 Uhr, Mittagessen und Obst sind im Preis enthalten. Der Kurs beinhaltet sogar das Beste aus drei Welten, da wird Sebastian Kurz blass werden. „Wir haben Zugang zu den tiefsten Arealen des menschlichen Bewusstseins erhalten“, outen sich die Energieringzieher. „Dadurch ist es möglich geworden, zahlreiche Prozesse, die bisher einzeln erarbeitet werden mussten, in der Tiefe zusammenzufassen und dadurch für Dich einen noch viel höheren Grad der Befreiung zu erreichen als bisher“.
In aller „Tiefe“ zusammengefasst: Die bisherigen Workshops „Absolute Freiheit“, „Absolute Reife“ und „Absolute Schöpfermacht“ wurden zusammengelegt in einer Art Regierungsprogramm oder vielleicht auch Regenerierungsprogramm, Sie merken, die Globulisierung schreitet wirklich zügig voran. Alle, die bisher drei getrennte „Workshops“ dafür gebraucht (und bezahlt) haben, um „Zugang zu den tiefsten Arealen“ zu erhalten, werden vielleicht etwas zornig sein, dass jetzt alles in einem Aufwaschen geht, oder anders ausgedrückt, bei ihrer „Grundbereinigung des Bewusstseins“ wird die „Liebe noch nicht vollständig im System verankert“ sein, die Liebe zum eigenen Geld vielleicht schon.
Der Energieringzieher, der das KH-Nord von Dämonen befreit hat, ist auch beim „Forschungszentrum für Bewusstsein“ weiter an Bord, er hält sich allerdings im Hintergrund, seine Lebensgefährtin schupft den Laden. Als „Medium“ sieht er seine „Aufgabe“ nun darin, „neue Methoden und Techniken“ zu entwickeln, „um diese Welt auf einen neuen, deutlich höheren Weg zu bringen“. Dafür stehe er „tagtäglich mit unseren geistigen Helfern aus unterschiedlichen Ebenen in Verbindung, um Strategien und Wege zu entwickeln, wie wir diese Welt so verändern können, damit sie sich auf einen Entwicklungsweg begibt, der sie letztlich an höhere Erfahrungsebenen heranführt“.
Das Heranführen an "höhere Erfahungsebenen" kostet wohl viel Zeit. Deshalb habe er „keine Funktion im operativen Bereich“ angenommen, um „voll und ganz auf die Forschung und die Arbeit am kollektiven Bewusstsein fokussiert bleiben zu können“. Wir werden die einschlägige Fachliteratur im Auge behalten, damit uns die „geistigen Helfer“ auch auf einen „deutlich höheren Weg“ bringen, hin Richtung „höhere Erfahrungsebenen“.
"Baby, Du machst
mich nicht glücklich"

Auch die Wirtschaftskammer Wien sorgt dafür, dass wir in den Genuss von „höheren Erfahrungsebenen“ kommen. Einem ganzseitigen Inserat im „Kurier“ verdanke ich die Erkenntnis, dass es in der Kammer eine „Berufsgruppe Astrologie“ gibt, die am 23. März den „Tag der Astrologie“ abhält, wenn nicht Corona andere Pläne hat, vielleicht lässt sich das aber vorab an der Sternenkonstellation ablesen. In der Prognose haben ja die Mitglieder der „Berufsgruppe Astrologie“ ziemlich versagt, jedenfalls habe ich in keinem Jahreshoroskop gelesen, dass die Welt gleich in den ersten paar Monaten von einer Epidemie erfasst wird. Jetzt könnte das Sterndlschauen aber im Kampf gegen das Virus eine entscheidende Rolle spielen. Im Inserat schreibt die „Berufsgruppensprecherin Astrologie nämlich: „Bekanntlich gibt es für jedes Leiden eine Medizin, nur kennen muss man sie. Und hier ist sie: die Astrologie“. Ich finde, es gehören auch manche Gedankenansätze in Quarantäne.
Die heilvollste Wirkung entfaltet die Astrologie natürlich in der Liebe. Anders als die Energieringzieher soll die Liebe allerdings nicht „im System verankert“ werden, sondern wird einer ausführlichen Analyse unterzogen, lese ich. „Sie haben Ihren Mr. oder Ihre Mrs. Right gefunden. ,Da brauche ich doch kein Horoskop!‘, denken Sie. Wie kurzsichtig. Denn bald stellt sich heraus, der Partner ist ja ganz anders als die rosarote Brille zeigte. ,Baby, Du machst mich nicht glücklich, und tschüss´ heißt es dann“. Hoffentlich hat Werner Kogler das nicht gelesen, lässt sich astrologisch beraten, nimmt die rosarote (oder doch grüne?) Brille ab und sagt dann zum Kanzler auch „Baby, Du machst mich nicht glücklich und tschüss“. Oder „haua dere“, wie es manche Steirer ausdrücken würden.
Es gibt ja unter Partnern so viele Fragen zu klären. „Hat sie einen ordentlichen Jungfrau-Aszendenten?“ „In welchem Aspekt stehen ihre Merkure zueinander?“ Manchmal hilft „ein Blick auf den Jupiter von beiden. Und Saturn ,unterstützt´ beim gegenseitigen Frustrieren“. Sprachlich rätselhafter: „Sie hat einen ordentlichen Jungfrau-Aszendenten und jetzt sucht sie die Ergänzung, das was im Tierreich gegenüber liegt, einen verträumten Fisch, der nie die Küche aufräumt“. Manche Frauen werden jetzt vielleicht sagen, mir ist wurscht, ob mein Fisch verträumt ist, Hauptsache er hilft im Haushalt mit, aber vielleicht stehen da nur ihre Merkure schlecht zueinander.
Es gibt aber, laut Inserat, nicht nur Liebeshoroskope, sondern Astrologie kann auch in der Wirtschaftswelt helfen. Etwa „ein Recruitungprozess lässt sich astrologisch nur sinnvoll begleiten, wenn man die Bewerber mit dem Gruppenhoroskop des künftigen Arbeitsumfeldes abgleicht“. Dann kommt der Erfolg quasi von allein, oder eben nicht. „Nur wenn man das Gruppenhoroskop einbezieht, kann Astrologie auch in der wirtschaftlich komplex-vernetzten Welt des 21. Jahrhunderts weiterhin Orientierung geben“. Falls Sie demnächst aus ihrer Firma fliegen, fragen Sie nicht warum. Vielleicht haben Sie Saturn zu viel (oder zu wenig?) beim gegenseitigen Frustrieren unterstützt.
Einsteigen, bitte,
Zug fährt ab!

Gestern war Frauentag, in Österreich nach dem Muttertag die zweite Chance im Jahr, in Geschlechterfragen kommunikativ zu entgleisen. Die acht Ministerinnen und die Staatssekretärin der Regierung posteten ein gemeinsames Bild, jede durfte mit den Händen einen Buchstaben des Wortes „Frauentag“ darstellen, das war, nun ja, sehr bemüht. Frauenministerin Susanne Raab gab Interviews in Serie. In der „Krone“ forderte sie „wir müssen uns von Schubladen lösen“ und ich rätsle jetzt, was wir in Schubladen stecken, wenn wir uns von ihnen gelöst haben.
„Österreich“ verkaufte sein Raab-Interview unter dem Titel „Feminismus trennt Frauen mehr als er verbindet“, worüber sich viele erregten. Tatsächlich behauptete Raab, dass „Feminismus ein ideologischer Begriff ist, der uns Frauen mehr trennt als verbindet“. Das kann man jetzt auch stumpfsinnig finden, aber halt anders stumpfsinnig als im Titel fahrlässig verknappt.
Sagen wir einmal so: Wir haben jetzt 364 Tage Zeit bis zum nächsten Frauentag. Das schaffen wir dann besser, oder? Möglicherweise hätten ja Frauen lieber weniger Interviews und Marketingfotos, mit denen man sich an sie ranschmeißt, aber dafür mehr Geld, jedenfalls so viel wie Männer für dieselben Jobs, aber ich bin da nicht vom Fach.
Möge der Montag für Sie alle gleichberechtigt wunderbar werden. Bleiben Sie gesund, die nächsten Tage werden nicht einfach ist so mein Gefühl, vielleicht ist es nicht nur ein Gefühl.
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Fotos:
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Astrologie: iStock
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