Streicheleinheiten
Wieder so ein Tag, in dem es in Österreich einiges zum Wiehern gab.

Man soll halt nix wegschmeißen. 2006 fürchtete sich Österreich vor der Vogelgrippe, die, das darf auch einmal gesagt sein, einen viel cooleren Namen als dieser Covid-19 hatte. Die Gesundheitsministerin hieß damals Maria Rauch-Kallat, sie war von der ÖVP, das musste an Qualifikation genügen, heute ist das ja Gottseidank anders, da sitzen nur Profis an den Schaltstellen. Weil Maria Rauch-Kallat das Wohlergehen der Bevölkerung mindestens so am Herzen lag wie es das Sebastian Kurz heute tut, kaufte sie Schutzmasken ein und das nicht zu knapp. Genauer gesagt, versprach sie dem Handel, alle Masken, die nicht in den Geschäften anzubringen wären, von Staats wegen zurückzunehmen. Damals hatte man halt noch Ehre im Leib.
Die Vogelgrippe war dann, im Vergleich zu den Prognosen, eher eine lahme Ente, der Handel blieb auf der Ware sitzen und am Ende hockte Rauch-Kallat mit 7,7 Millionen Schutzmasken da, denen keine akute Bedrohung gegenüberstand, von der Ministerin einmal abgesehen. 4,2 Millionen Euro kostete der Spaß, der keiner war, kurzfristig interessierte sich auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft für den Vorgang, weil die Vergabe des Auftrags zu schlampig gewesen sein soll, die Masken zu teuer und Rauch-Kallats damaliger Ehemann-Graf eine Rolle gespielt haben könnte. Das Verfahren endete österreichisch. Erst dauerte es einige Zeit, dann wurde eingestellt. Die Aufarbeitung neuer, windiger Geschäfte drängte nach.
Gleich geht's um Pferde

Die Schutzmasken wanderten in Bundesheerlager und warteten und warteten und warteten. Als Schutzmaske hat man im Leben ja recht wenig zu tun, Schutzmasken haben auch kaum andere Interessen als ihren Beruf. Man sieht sie also selten ins Kino oder ins Theater gehen, ein Buch lesen oder geistreiche Gespräche führen, die meiste Zeit liegen sie einfach so rum. 2016 war ihre Zeit dann abgelaufen, eigentlich hätte man sie wegwerfen müssen, aber dieses „eigentlich“ hat in Österreich immer schon eine eigene Bedeutung gehabt, es verkehrt Sätze nämlich in ihr genaues Gegenteil um. Wenn jemand also sagt, „mir geht es eigentlich ganz gut“, dann ist es höchste Zeit, den Rettungswagen zu rufen. Die Schutzmasken wurden eigentlich weggeschmissen, also nicht.
Dann kam Corona. Vor zwei Jahren hatte das Land viele Arten der Vermummung verboten, jetzt kauften plötzlich alle wie verrückt Masken ein, um ihr Gesicht zu verhüllen, was zwar recht nutzlos ist, aber irgendwas muss man ja tun. Bald gab es Engpässe und man erinnerte sich an das Glumpert im Bundesheerlager. Die paar Millionen verbliebenen Masken (460.000 hatte man der Ukraine geschenkt) wurden getestet, fragen Sie mich nicht wie man das macht, 1,6 Millionen Stück schließlich als brauchbar eingestuft. Sie gehen nun an Gesundheitsministerium, die Landessanitätsbehörden und an das Außenministerium. An Abwürfe aus Luftfahrzeugen ist nicht gedacht, vielleicht ist kein Flieger einsatzbereit.
Die Masken sind zwar kein Heuler, aber besser als nichts. Sie gehören der Güteklasse FFP1 an, selber schützt man sich damit nicht, aber immerhin steckt man keine anderen Menschen an. Masken vom Typ FFP2 und FFP3 wären wirkungsvoller, wir Maler und Anstreicher wissen das, aber die stehen nicht zur Verfügung. Vielleicht sollte Rudolf Anschober ein paar Millionen Stück kaufen und in einem Lager deponieren, die gute Nachrede wäre ihm so in zehn oder zwanzig Jahren sicher.
Achtung, jetzt

Ob Herbert Kickl in zehn oder zwanzig Jahren eine gute Nachrede haben wird, ist unklar, sehr wahrscheinlich ist es nicht. Der FPÖ-Innenminister wurde von Ibiza aus dem Amt gespült, obwohl er noch nie dort war, in Ibiza meine ich, nicht im Amt. In Erinnerung wird er als der Mann bleiben, der keine Reiterstaffel in den Einsatz brachte, als Mann der Untat also. Diese keine Reiterstaffel kostete 2,3 Millionen Euro, für dieses Geld hätte man so über den Daumen 3,5 Millionen Schutzmasken kaufen können, an Pferden hätten die vielleicht aber ohnehin etwas albern ausgesehen.
Der Reiterstaffel, die nie in Dienst ging, wird heute eine besondere Ehre zuteil, sie wird vom Innenministerium ausgezeichnet, wie der „Kurier“ berichtete. Ich weiß jetzt nicht, wie man Pferden einen Orden anheftet und ob das überhaupt mit dem Tierschutz vereinbar ist, aber auch so sorgt der Vorgang für ziemlich viel Gewieher. „Die Bediensteten haben sich im Rahmen ihrer Aufgaben über das normale Maß hinaus engagiert und eingesetzt“, begründet das Innenministerium die Ehrung. Die Polizeigewerkschaft, mehr oder weniger politisch so christlichsozial wie der Ressortleiter, wandte ein, dass es 32.700 weitere „Kollegen“ gäbe, die „während der gleichen Zeit eine tadellose Arbeit geleistet haben und kein Dekret bekommen“. Mag sein, aber Kickl wurde beim Abgang ja auch nicht Professor.
Die Leider-Nein-Polizeipferde werden übrigens jetzt einmal in den Stallungen der Hofreitschule in Heldenberg (NÖ) untergebracht, für Freunde von Detailwissen, nicht „Captain Morgan“, „A-Rock“ oder „Santo” machten den Anfang, sondern „Joker“ und „Quanti“. In ein paar Monaten sollen die Tiere dann verkauft werden, mindestens zum Einkaufspreis, wie das Innenministerium sagt, ich hoffe, die meinen damit nicht als Schnitzel oder Keule. Die zwei geschenkten Gäule, denen man zu spät ins Maul schaute, gehen nach Ungarn zurück, eines, gesundheitlich angeschlagen, wird an die deutsche Eigentümerin retourniert, der Rest vermutlich an Dänemark verscherbelt. Sprachlich gibt es da ja kaum Barrieren.
Sorry, dei Zeit is um

In gut einem halben Jahr wählt Wien und, soviel ist sicher, es wird sehr speziell. Sechs Parteien, die eine Chance auf den Einzug in den Landtag haben, treten an, alle (!) haben neue SpitzenkandidatInnen. Michael Ludwig (SPÖ) löste Michael Häupl an, Birgit Hebein (Grüne) folgte auf Maria Vassilakou, Gernot Blümel (ÖVP) kam statt wem auch immer, Christoph Wiederkehr (Neos) kandidiert statt Beate Meinl-Reisinger, Dominik Nepp (FPÖ) trat in die Badeschlapfen von Heinz-Christian Strache, der sich mit der DAÖ selbstständig machte. Ich belästige Sie jetzt nicht weiter mit den Details der Umfrage, nur soviel: Die Roten verlieren, bleiben aber weit vorne, Grüne und Türkis gewinnen stark dazu, die FPÖ zerbröselt.
Was oder wer wirklich verblüfft, ist Heinz-Christian Strache. Seine „DAÖ“ kommt auf fünf Prozent und schafft es damit auf Anhieb in den Landtag. Es sei der guten Ordnung halber angemerkt, dass es sich bei der Umfrage um eine Momentaufnahme handelt, aber: 12 Prozent gaben an, sie würden bei einer Direktwahl (die es nicht gibt), Strache zum Bürgermeister wählen, genauso viele wie Birgit Hebein. Nicht ganz ein Jahr nach Ibiza, nach den Goldfunden, der Sporttasche mit Geld im Kofferraum, der Spesenaffäre, dem Mietzuschuss für die Villa, den möglichen Zuwendungen an die Gemahlin und den Casino-Enthüllungen sind die Wienerinnen und Wien in hohem Maße bereit, den gefallenen Sohn wieder in ihre Mitte aufzunehmen. Das Wienerherz, es ist wirklich golden.
Seit einigen Monaten machen „Deepfake-Videos“ im Internet die Runde. Dabei werden die Köpfe mehr oder weniger berühmter Menschen in Filmsequenzen hineinmanipuliert und mit fremden Texten unterlegt, das alles sieht täuschend ähnlich aus und lässt sich mittlerweile auf einem herkömmlichen Home-PC herstellen. Im Vorjahr machte ein knapp eine Minute langes Video die Runde, in dem Barack Obama seinen Nachfolger Donald Trump als „totalen Idioten“ bezeichnete. Das würde er natürlich niemals sagen, okay denken vielleicht schon, aber sagen nie. Der Clip wurde Teilnehmern einer Studie vorgespielt, 60 Prozent hielten ihn für echt. Umgekehrt dachten 20 Prozent, das Original wäre ein Fake. Man kann es keinem recht machen.
Vor wenigen Tagen wurde Sebastian Kurz Opfer. Sein Kopf wurde in das Lied des Song Contest-Teilnehmers von 1989, Thomas Forstner, kopiert. Der Kanzler sang „Nur ein Lied“, Kurz-Gegner könnten jetzt einwenden, dass es der Kanzler leider nicht dabei bewenden ließ. Der YouTube Kurt Fleischer jedenfalls hatte den Film produziert, er hat es bei „Deepfake-Videos“ zu einer Meisterschaft gebracht. Nun folgte Heinz-Christian Strache, den Fleischer im legendären Film „Der große Diktator“ von Charlie Chaplin auftreten ließ. „Toleranz und Güte“, sagt der falsche Strache in dem Clip, seien das wichtigste im Leben, „ohne die Nächstenliebe ist das Leben nicht lebenswert“.
Charlie Strache

Mein Gott, hätte Strache von diesen technischen Möglichkeiten schon vor einem Jahr gewusst. „Super Leistung, dieses Ibiza-Video“, hätte er sagen können. „Gratulation, geil gemacht, was heute schon alles möglich ist, auch der Gudenus schaut super aus, fast besser als das Original. Aber, sorry, ich habe ein Alibi, ich habe zu dieser Zeit in Osttirol ein paar Goldbarren im Wald vergraben. Die Beweise dafür liegen in einer Sporttasche im Kofferraum meines Autos, man muss nur die Geldbündel wegräumen, dann findet man sie“.
Die Leute hätten gemeint, der Strache, der ist halt noch eine ehrliche Haut, der sagt gerade heraus, was Sache ist, der ist halt noch für uns, weil sie gegen ihn sind. Wenn eine Umfrage gemacht worden wäre, wen die Menschen in Wien gern als Bürgermeister hätten, dann hätten garantiert so um die 12 Prozent für ihn gestimmt. Moment, 12 Prozent, war da nicht was?
Mit dieser Denkaufgabe erlaube ich mir, Sie in ein wunderbares Wochenende zu entlassen.
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Fotos:
Polizeipferde: APA, Hans Klaus Techt
Kickl: APA, Barbara Gindl
Ludwig: APA, Hans Klaus Techt
Strache: Deepfake