That`s Life

Keszler, Kogler, Strache – ein Tag voller Privatmeinungen.

24 Stunden Knackarsch, dann wieder tote Hose. Man merkt es vielleicht oft nicht, aber die Politik in Österreich ist zuweilen ziemlich schnelllebig. Montag zur Primetime, so um 20 Uhr rum, überkam es Gery Keszler offenbar und er entzog den beiden Minister-Hinterbacken von Gernot Blümel kurzerhand wieder das AMA-Gütesiegel für ihre tatsächliche oder vermeintliche Knackfrische. „Endlich am Land alleine und Zeit zum Kopf-Auslüften,“ schrieb er auf Facebook, dann folgte eine lange Entschuldigung, der Einfachheit halber ersuchte Keszler zu Beginn gleich sich selber um Vergebung. Er musste nicht lange bitten.

„Spätestens seit Donald Trump wissen wir“, teilte der Life Ball Macher dankenswerterweise seine Erkenntnisse mit uns, „dass Twitter, die in der Nacht geschrieben wurden, bei Tageslicht ihre Gültigkeit verloren haben und sogar noch ins Gegenteil gerutscht sind“. „Twitter, die in der Nacht geschrieben wurden und ins Gegenteil gerutscht sind“ – ich beginne, mich in seine Sprache zu verlieben. Neu ist mir allerdings, dass Tweets „bei Tageslicht ihre Gültigkeit“ verlieren oder zu Staub verfallen, aber vielleicht bin ich da nicht am letzten Stand. 

Jedenfalls muss Keszler, als er „endlich am Land alleine“ war, draufgekommen sein, dass „Twitter, die in der Nacht geschrieben wurden“ gehörigen Flurschaden anrichten können oder, um es originalgetreuer zu sagen, sie gehen manchen nicht am Arsch vorbei, sondern sorgen dafür, dass man am Arsch ist. „Nun, mit Postings in facebook um 2 Uhr früh, kann das durchaus passieren“, schrieb er. So schlimm dürfte es aber nicht gewesen sein, befand Keszler mit gut durchlüftetem Kopf, denn „ich möchte mich keineswegs vom gesamten Text meines nächtlichen postings auf einem anderen facebook profil distanzieren“.

Vorsicht, bissig!

In der Einöde, ich nehme an auf seinem Bauernhof im Burgenland, nahm er den Ball dann aber gleich life auf. „Ich möchte mich für die unqualifizierten und beleidigenden Sätze bei Michael Ludwig und Gernot Blümel entschuldigen“, schrieb Keszler, sah den Grund für die Sühne aber dann schnell woanders als bei sich. Es sei eine „falsche Reaktion auf die sehr verletzenden Anwürfe der fundamentalistischen Hardliner aus der Homosexuellen Community“ gewesen, die ihn ins Verderben getrieben hätten, „diese Beschimpfung meiner Person hat bei mir eine unkontrollierte Wut ausgelöst“. Schnitzelgesicht und Knackarsch wird freuen, dass er diese „unkontrollierte Wut“ fürs Erste wieder unter Kontrolle gebracht zu haben scheint.

Für Gernot Blümel muss das alles sehr verwirrend sein. Er führt ja im Moment Beichstuhlgespräche mit sich selber. Tage- und nächtelang brütet er im Finanzministerium mit müden Augen über dem Budget für 2020 und wenn er sich nicht sputet, ist das gesamte Jahr vorbei und hat keinerlei Rücksicht darauf genommen, ob er jetzt fertig geworden ist mit seiner Einnahmen-, Ausgabenrechnung oder nicht. Und mittenhinein in diese ganze Tüftelei platzt dann auch noch die Entschuldigung von Keszler, ja wofür eigentlich? Knackarsch wird man ja wohl noch sagen dürfen, auch mit schlecht durchlüftetem Kopf.

In dem Schreiben enthüllt Keszler auch, dass nicht allein ein Anruf „von Gernot“ ihn in die türkise Neigungsgruppe geholt hatte, sondern er wollte „eine mir dargebotene ausgestreckte Hand ergreifen“. Dass er in die „dargebotene ausgestreckte Hand“, die ihn nun durchs Leben füttert, eventuell bald beißen könnte, deutet der Eventmanager zart an. Er habe nicht mitbekommen, „dass die ÖVP Wien am Freitag im Gemeinderat gegen eine Resolution gestimmt hat, dass die Bundesregierung endlich für vollen Schutz vor Diskriminierung sorgen soll“. Wenn Keszler das nämlich gewusst hätte, dann hätte es am Parteitag am Samstag Granada gespielt, dass Sebastian Kurz mit den Ohren nur so geschlackert hätte. Dann hätte Keszler nämlich, „sofern es stimmt“, so etwas lässt sich ja schwer überprüfen, wenn man auf einem Bauernhof im Burgenland gerade „Zeit zum Kopf-Auslüften“ verbringt, jedenfalls hätte er es „sehr wohl“ in seiner „Rede am Parteitag der ÖVP angesprochen“. Wui, das hätte gesessen, wenn Keszler das „angesprochen“ hätte. Die heftigsten Boxkämpfe werden in Österreich immer noch mit der geballten Faust in der Hosentasche ausgefochten.

Damenbesuch

Das mit den geballten Fäusten in der Hosentasche kennt auch Werner Kogler nur zu gut. Am Montag hatte er sich für „die Schaffung menschenwürdiger Bedingungen für die Migranten auf den griechischen Inseln“ ausgesprochen. „Wenn das nicht gelingt, sind wir dafür, Frauen und Kinder herauszuholen“. Man müsse überlegen, diese Gruppe zu evakuieren, „um sie überleben zu lassen“. Dann überschlief er die Situation noch einmal, eventuell mit dem Regierungsprogramm, das sowohl Türkise als auch Grüne mehr so als eine Art Bibel sehen, unter dem Kopfpolster.

Das entfaltete Wirkung. Gestern um 8 Uhr lud Kanzler Sebastian Kurz seinen Vizekanzler, dazu Innenminister Karl Nehammer, Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (schon wieder richtig geschrieben) und Außenminister Alexander Schallenberg zu einer „Arbeitssitzung“ zu sich ins Kreiskyzimmer. Die Fotos davon gerieten erneut sehr schön, sie erinnern entfernt an das Letzte Abendmahl, an der Sitzordnung wurde etwas geschraubt und man muss dazusagen, Jesus hatte nicht so einem guten Lichtdesigner, ich meine den Jesus von damals.

Die Runde beriet sich zur Lage in Griechenland, Syrien und der Türkei, bei der Pressekonferenz danach, die in grellerem Licht stattfand, hatte Kogler, sagen wir es würdevoll, keinen einfachen Stand. Ich vermute im Guten, er ist immer noch dafür, „Frauen und Kinder herauszuholen“, allerdings wurde dem Anliegen nun ein anderer Status zugewiesen, der Grünen-Chef erklärte den Wunsch zu seiner „Privatmeinung“. Es sei „richtig, dass diese Maßnahme nicht im Koalitionspakt steht. Es zeichnet sich aber noch kein Konsens ab“. Es falle ihm „kein Zacken aus der Krone“, wenn es dafür keine Mehrheit gebe. Ob dies nun seine „Privatmeinung“, seine Meinung als Vizekanzler, seine Meinung als Minister für Beamte und Sport oder seine Meinung als Parteichef der Grünen war, ließ er offen.

Man sah Kogler an, dass er sich nicht wohlfühlte in dieser Position und mit dieser Position. Er sprach leise, nannte die Situation der Flüchtlinge „tatsächlich katastrophal“, es seien „besonders viele Frauen und Kinder darunter“, die „frieren und hungern“ und die „in einer ganz schrecklichen Situation“ seien. Der Regierungspakt hat dieses „frieren und hungern“ nicht vorhergesehen, Kogler fügt sich der „politischen Normalität“: „That’s it", sagt er. „Das wird uns noch öfter passieren. Das wussten wir schon von Anfang an“. Wissen ist Macht, nichts wissen macht auch nichts.

Gottlob gibt es Recep Tayyip Erdogan, gegen den sind sowohl ÖVP als auch die Grünen und das vehement, das Regierungsprogramm hat auch nichts dagegen, also kann man dem Teufel vom Bosporus all die Schuld zuweisen, die man sich selbst nicht aufbürden will. Politik ist vom Mechanismus her manchmal gar nicht so kompliziert, aber das ist nur meine „Privatmeinung“.

Wieder auf Linie

Mit seiner „Privatmeinung“ hält auch Heinz-Christian Strache selten hinter dem Berg, vor allem wenn es um das Thema Flüchtlinge geht. Der Spitzenkandidat der Allianz auf Namenssuche bemerkte am 3. März mit Schrecken, dass er vergessen hatte, eine Neujahrsansprache zu halten, stellte eine rot-weiß-rote Fahne auf, setzte sich vor eine weiße Mauer, und richtete 5.13 Minuten lang eine „Botschaft an die Österreicherinnen und Österreicher bezüglich der sich erneut anbahnenden Migrationskrise“. 

Strache mag es neuerdings etwas melodramatisch, denn er begann damit, es „verständlich“ zu finden, „dass man sich gerne der Versuchung hingeben möchte, mit dem Kopf zu fühlen und dem Herzen zu denken“. Das könne nur „in einer Katastrophe enden“. Diese Erfahrung zog er möglicherweise aus einem traumatischen Erlebnis auf Ibiza, als weder sein Kopf noch sein Herz dachten, der daraus entstandene Film hat ebenfalls einen Hang zu Melodramatik.

Auch Strache mag Erdogan nicht, er ringt lediglich um die richtigen Worte, um den türkischen Präsidenten, mit dem man einen „schmutzigen Deal“ geschlossen hatte, angemessen beschreiben zu können. In der Abschrift der Rede nennt ihn die DAÖ-Hoffnung für Wien einen „Despoten“, im YouTube-Video einen „Mafioso“. Vielleicht würde ein genauerer Blick auf die Zehennägel von Erdogan Klarheit bringen, diesbezügliche Versäumnisse haben sich schon einmal gerächt.

In der Folge warnt Strache vor „IS Kämpfern unter den Flüchtlingen“, einen „Ansturm auf die Grenzen Europas“ durch „Wirtschaftsmigranten, welche in erster Linie die Sehnsucht nach einem besseren Leben in den europäischen Sozialstaaten antreibt“ und er bangt, dass die Flüchtlinge den Coronavirus einschleppen könnten, was eine „Gesundheitskrise“ und eine „Infektionskrise“ auslösen könnte. „Unangenehme Fakten“, nennt er das, es sei ihm aber bewusst, dass „es uns allen lieber wäre, wenn die Welt ein einziger heller Ort wäre“. Wahlkämpfe wären dann allerdings wiederum schwieriger zu gestalten, man kann es den Rechten eben nicht so leicht recht machen.

Ungefragt gefragt

Auch die SPÖ wird sich mit dem Thema Migration wieder intensiver beschäftigen müssen, sie weiß es nur noch nicht. Heute startet Parteichefin Pamela Rendi-Wagner ihre Befragung von 160.000 Mitgliedern, es ist der Aufbruch in eine Reise mit unbekanntem Ziel. Von 110.000 dieser 160.000 Mitglieder hat die SPÖ nur eine Postanschrift, was eventuell etwas über die Altersstruktur der Partei aussagt, mit dem beigestellen QR-Code zur Abstimmung werden viele also wenig anfangen können.

Unter Punkt 1.7. fragt die Parteichefin: „Integration vor Zuzug als Grundsatz: Menschen mit Recht auf Asyl integrieren, illegale Migration verhindern“. Die SPÖ-Mitglieder dürfen darüber abstimmen, ob sie das Thema „sehr wichtig“, „eher wichtig“, „weniger wichtig“ oder „nicht wichtig“ finden. Möglich, dass die Parteimitglieder, angesichts der Bilder aus Griechenland, dem Problem eine hohe Bedeutung beimessen und die SPÖ nach der Befragung ratloser dasteht als davor, aber mit einem neuen, alten Diskussionsthema, pardon Diskursthema, an der Backe. Mutmaßlich ist die Lösung dieses Konfliktes dann allerdings nicht mehr das Problem der aktuellen Vorsitzenden.

Möge Ihr Mittwoch ungefragt wunderbar werden!

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