Unser Comeback-Turbo

Warum der Kanzler jetzt überall gleichzeitig ist. Und die Folgen.

Zuletzt hatte sich der Kanzler etwas rar gemacht. Er trat so selten auf, dass sich viele schon Sorgen machten, wenn auch nicht alle aus denselben Motiven, manche davon waren mutmaßlich nicht einmal ehrbar. Einige vermuteten, Sebastian Kurz versuche Kraft zu sammeln, etwa indem er auf einsamen Waldspaziergängen Tschurtschen vom Weg kickt, im Kreiskyzimmer lässig ein paar Yogafiguren hinwirft, oder auf einer Bergtour mit Herbert Kickl etwaige gemeinsame Ziele bespricht. Wie oft ist die Wahrheit viel trivialer. Kurz war beim Merkur, falls Sie sich noch erinnern, was das ist, der heutige Billa Plus.

Der Rückzug von Rudolf Anschober muss auf den Kanzler irgendwie befreiend gewirkt haben, mehr noch als Sonnengruß, Krieger oder Schulterbrücke. Seit der Gesundheitsminister in seinem Amtshaus den Polit-Bachelor gegeben hatte und sich unter Hinterlassung von roten Rosen an sein Team nach Hause verfügte, ist Kurz wie auf Red Bull. Oft mehrfach am Tag erklärte er uns in der vergangenen Woche wie die nächste Zeit so sein wird, er sprühte vor Optimismus und Tatendrang ohne Tatenvollzug. Er war so als wäre Anschober bisher zwischen ihm und der Zukunft gestanden. Jetzt kuriert sich der Pandemiker in Oberösterreich aus und Kurz hat freie Sicht auf die Sonne und die Sonne auf ihn. Das wärmt offenbar beide.

Die Sonne hat freilich ihre Launen, nicht nur, aber auch in der Politik. Werner Kogler hatte schnell Ersatz parat, einen Arzt aus Wien mit legerem Auftreten und ebensolchem Schuhwerk, wenn ich die Reaktionen von Frauen richtig deute, dann hat die Regierung optisch passabel aufgerüstet, akademisch sowieso. Man kann sich Wolfgang Mückstein gut in einer Fernsehserie vorstellen, zwei Sprechstundenhilfen, immer unter Stress, aber unter dem guten Zeug, den Arztkittel offen. Selbst um drei Uhr früh, mitten aus dem Tiefschlaf geweckt, immer mit der richtigen Diagnose sofort hellwach, wenn auch zunächst nur als Vermutung. Unschuldig geschieden, gleichzeitig sehr tier- und kinderlieb.

Die „Presse“ schilderte am Sonntag die entscheidenden Minuten seiner Bestellung. Montagfrüh sei er mit dem Radl zur Arbeit gefahren, alles andere hätten die Grünen wohl auch mit einer sofortigen Exmatrikulation geahndet. In der Ordination kam Mückstein dann drauf, dass er sein Handy daheim vergessen hatte. Als er später einen Patienten behandelte, „meldete die Apple-Watch auf seinem Handgelenk plötzlich einen Anrufer,“ berichtet die „Presse“. Hollywood? Das Smartphone von daheim aus mit einer Sprachnachricht: „Oida, wonn kummst mi endlich hoin?“ Nein, irgendwie eine Mischung aus beiden, Werner Kogler war nämlich dran, der Billa Plus der Grünen. Mückstein lehnte sich nach vorne und redete leise in seine Uhr hinein: „Kann ich dich zurückrufen?“ Er meinte Kogler, nicht die Uhr, glaube ich zumindest.

Vor gar nicht allzulanger Zeit hätte ein solches Vorgehen für hektische Betriebsamkeit der beiden Sprechstundenhilfen gesorgt. Man muss sich das bildlich vorstellen: Ein erwachsener Mann im Arztkittel tritt in eine Konversation mit seinem Handgelenk ein und flüstert seiner Uhr etwas in die Zeiger. Früher wären zwei Männer zu Hilfe gerufen worden, die ebenfalls weiße Mäntel getragen hätten und sie hätten den Mann am Schreibtisch, der mit seiner Uhr redet, höflich ersucht, doch mitzukommen, man habe gerade eine Zelle frei, die mit Gummi tapeziert sei. Jetzt aber ist das normal, man kann auch in Autos hineinschauen und Menschen dabei beobachten wie sie lauthals brüllen, singen, oder beides. Nicht immer, aber oft, weil sie eine Freisprechanlage benutzen, oder ihr Autoradio. Hoffe ich.

Mückstein rief später tatsächlich bei Kogler zurück, der Billa Plus der Grünen machte ihn noch am selben Abend zum Anschober-Nachfolger, heute um 10 Uhr wird er angelobt. Der Bundespräsident, der in der Gemeinschaftspraxis des neuen Gesundheitsministers schon zugange war, lässt sich bei der Gelegenheit vielleicht gleich den Cholesterinspiegel messen. Passt er nicht, dann bekommt „Juli“ halt das Grammeschmalzbrot zu Mittag.

„Oida, wonn kummst mi endlich hoin?“

Kurz erlebte die Bestellung des neuen Anschober aus der Warte eines Passagiers aus, statt Flügel wuchsen ihm eher Hörner und das aus gutem Grund. Die Pandemie befindet sich in einer entscheidenden Phase, zwei Monate hätte der alte Anschober noch durchhalten müssen, dann hätten ihn wir ihn und den Rest der Bundesregierung vielleicht auf den Schultern über die Ringstraße getragen. „Corona, du Opfer“, hätten wir jubelnde Menge gerufen und rote Rosen gestreut, vielleicht wären ja ein paar Blumen im Gesundheitsministerium dafür übriggeblieben.

Jedenfalls muss der Kanzler jetzt auf der Hut sein, dass das Licht am Ende des Tunnels nicht auf den oder die Falschen fällt. Es wird jetzt mehr geimpft, die Stimmung hellt sich auf, der Grüne Pass stellt uns fröhliche Badexkursionen im Sommer an die Adria in Aussicht, es wäre blöd, wenn man sich ein Jahr lang mit Corona herumgeschlagen hätte und dann kommt ein dahergelaufener Arzt und verkündet die Rettung. „Mückstein macht Corona zur Mücke“. Solche Schlagzeilen wünscht man nicht einmal seinem ärgsten Feind, Kurz hat da eine große Auswahl mittlerweile.

Vielleicht ist das der Grund, warum der Kanzler seit der letzten Wochen Anflüge von Hyperaktivität zeigt. Es gilt der Bevölkerung mitzuteilen, wer den Teufel Corona besiegt hat, wer ihn weggetestet, weggeimpft, weggelockdownt hat. Ich lasse ihnen hier etwas Platz für eine persönliche Einschätzung .............. ........ , gebe Ihnen aber den Tipp mit auf den Weg, dass der Name mit K beginnt und mit urz endet.

2 Monate zu früh

Am Wochenende stellte sich der Kanzler deshalb gar nicht wenigen Interviews, national und international. Im Vergleich dazu wie sich manche Reporter aus dem Ausland Kurz näherten, sind wir österreichischen Kollegen ja geradezu Rabiatperlen. Gabor Steingart, früher beim „Spiegel“, dann Herausgeber vom „Handelsblatt“, war sogar mit einem eigenen Fernsehstudio samt Fauteuils angerückt, er hätte auch ein Stammbuch schicken können, damit sich Kurz darin mit einem lockeren Vers verewigt. Aber ich weiß jetzt, dass der Kanzler noch nie gekifft hat, auch nicht als er noch nicht Kanzler war, aber er habe in seiner Jugend trotzdem „durchaus andere lustige Abende verbracht,“ packte er aus. Ich glaube ja sowieso, dass diese Regierung nur mehr hält, weil Kurz den Grünen manchmal zu vorgerückter Stunde „Hulapalu“ auf der Knopfharmonika vorspielt.

In „Heute“ gab der Kanzler einen kleinen Ausblick auf sein weiteres Leben. In zehn Jahren werde er verheiratet sein und Kinder haben, sagte er. Allerdings hatte er vor zehn Jahren schon für sich festgelegt, nach zehn Jahren aus der Politik aussteigen zu wollen, was sich nicht ganz ausgehen wird, zumal der Kanzler an diesem Wochenende seinen Interviewreigen unter das Motto stellte „die ersten zehn Jahre Kurz“. Ohne ein Ende zu verkünden und vielleicht mit dem Kiffen zu beginnen.

In der „Kleinen Zeitung“ öffnete sich Kurz wiederum auf eine andere Seite hin. Er wurde gefragt, wie es ihm jetzt ginge „ohne direkte Begegnungen mit Menschen?" „Zu Ostern“, hob der Kanzler an, „war ich mit meiner Freundin seit Langem wieder beim Merkur einkaufen. Da kommen Menschen auf einen zu mit Sorgen, andere mit Fragen und viele werfen einem im Vorbeigehen nur Worte zu wie „Nicht unterkriegen lassen“ oder „Nix g´fallen lassen“. Das gibt dann wieder Kraft.“ Ich kann mir Kurz gut vorstellen, wie er im Supermarkt Rabattmarkerln auf Veltlinerflaschen pickt, sie auf das hintere Gestänge des Einkaufswagens stellt und an den Chipspackungen, den Bierkisten und den Einmachglaserln vorbeisurft und dann an der Kassa Jö-Punkte gegen Playmobilfiguren tauscht, um daheim die Schlacht gegen Anschober nachstellen zu können. Die österreichische Politik liefert schon immer die schönsten Bilder, muss ich neidlos anerkennen.

Nicht mehr alle Bord

Das wird heute nicht anders sein, wenn auch etwas reduzierter. Die Regierung geht in Klausur, diesmal aber nicht in Krems wie im Jänner 2020, sondern sie kehrt im Kanzleramt ein und das Programm riecht etwas nach Langeweile. Es geht um 14.30 Uhr los mit einer Pressekonferenz, das „virologische Quartett“ ist Geschichte, neben Kurz und Vizekanzler Werner Kogler treten Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck und Umweltministerin Leonore Gewessler an. Die beiden bekommen von der EU einen Batzen Geld auf den Tisch geknallt, 3,5 Milliarden Euro Hilfszahlungen, sie sollen in „Digitalisierung“ und „Ökologisierung“ fließen, zwei Begriffe, die wir in den nächsten beiden Tagen häufig hören werden, natürlich neben „Comeback“ und "Turbo" oder der Kombination aus beiden, der Mutter aller Schlachten, dem „Comeback-Turbo“. Der wird möglich, weil wir jetzt einen „Impf-Turbo“ kriegen, das Ketchup kommt nicht mehr stoßweise aus der Flasche, sondern als Dum-Dum-Geschoss.

Drei Plenarsitzungen gibt es auf der Klausur, sie dauern jeweils eine Stunde, viele Wortmeldungen werden sich nicht ausgehen. Ein paar Schulterklopfer für den Neuen in der Runde vielleicht, aber auch Wolfgang Mückstein hat wenig Zeit. Nach der Angelobung hurtelt er in sein Ministerium und stellt sich dem Team vor, das er gleich austauschen wird. Eine Mehlspeise zur Begrüßung wird es nicht geben, offenbar kennt man den neuen Gesundheitsminister noch nicht so gut. Man wisse nicht, ob er Süßes überhaupt mag, hieß es gestern gegenüber „Heute“ aus dem Ministerium. „Vielleicht ist er ja ein Pikanter“.

Ich wünsche einen wunderbaren Start in die neue Woche. Ein Ratschlag: Machen Sie es wie die Regierung und werfen Sie einfach ebenfalls den Comeback-Turbo an! Dann wissen Sie zwar auch nicht, wohin die Reise geht, aber jedenfalls sind Sie schneller da.

Fotos:
Sebastian Kurz: Dragan Tatic, Kanzleramt
Wolfgang Mückstein: Picturedesk, Tobias Steinmaurer
Rudolf Anschober: "Heute", Helmut Graf
Klausur Krems: "Heute", Sabine Hertel

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