Van der Bellen
verbellen
Ein Österreich-Duell zwischen
Koteletts und Koteletten.

Österreich mangelt es momentan an allerlei, nicht aber an originellen Ideen, die sprudeln nur so. Corona macht offenbar einschlägig kreativ, vielleicht sollten wir das Virus doch noch ein bisschen länger dabehalten im Land. Der Virologe Norbert Nowotny machte sich gestern auf Puls 24 für ein Produkt stark, das viele eigentlich schon in die Abteilung Comedy verräumt hatten, die Corona-Ampel nämlich, Rudolf Anschobers Lichtgestalt, die uns durch den Herbst geleiten sollte, sich dann aber selber im Nebel verirrte.
Wir erinnern uns: Im September 2020 sollte Österreichs Corona-Politik regionalisiert werden. Es gab zu diesem Zeitpunkt grob unterschiedliche Infektionszahlen, in Kärnten kannte man das Virus nur aus der „Zeit im Bild", in Wien und Innsbruck persönlich. Ob das alles in Einklang mit der Realität stand, bezweifle ich heute wie damals, aber ich muss ohnehin zur Kenntnis nehmen, dass mich meine Zweifel bisher nicht weit gebracht haben in dieser Pandemie. Weil in Österreich auch jedes Lichtzeichen bürokratischen Beistand nötig hat, erfand der Gesundheitsminister zu der Ampel die Corona-Kommission dazu. Alles hatte somit sein Ordnung, jeder seinen Platz.
Die Corona-Kommission, unabhängig bestellt nach bestem österreichischen Proporzmuster, traf sich jeden Donnerstag, um der Regierung bestimmte Ampelschaltungen vorzuschlagen. Der wiederum war das recht wurscht, sie entschied tags darauf meist etwas anderes, bald blinkte Österreich recht willkürlich orange oder rot. Das machte aber nichts, denn die jeweiligen Ampelfarben zogen keinerlei Konsequenzen im Alltagsleben nach sich. Jeder tat wie er mochte, Rot war das neue Gelb, Orange gleich viel wert wie Grün, die Schulen scherten überhaupt aus, es etablierte sich das klassische System der österreichischen Zurufpolitik neu. Wer am lautesten schrie, konnte die Ampelfarbe am freiesten wählen und zusätzlich gleich selber entscheiden, wofür sie in seinem Bereich stehen sollte. Oder eben genau nicht.
Auch momentan wütet das Virus lokal sehr unterschiedlich. Hermagor in Kärnten hat eine 7-Tages-Inzidenz von 637, Rust im Burgenland von 0, es gibt dort keinen einzigen Infektionsfall, schön oder? Vermutlich hat sich das Virus mit einem Veltliner blödgesoffen und schläft jetzt in einem Weinkeller seinen Rausch aus. Virologe Nowotny regte jedenfalls auf Puls 24 regionale Maßnahmen an, die bundesweiten wären nämlich „eigentlich schon alle ausgereizt“. Danke, wissen wir. Weitere Öffnungen würden kaum möglich sein, „oder aber wir machen einen Abtausch mit Dingen, die jetzt geöffnet haben, sozusagen. Gastronomie öffnen mit besonderen Vorsichtsmaßnahmen, aber dafür andere Bereiche wieder schließen.“
Wenn ich das richtig verstanden habe, dann sollten die Friseure also die Perücke drauf hauen, dafür könnten die Lokale einen guten Schnitt machen. Man könnte wöchentlich wechseln. Also eine Woche machen die Gastronomiebetriebe auf, dann eine Woche die Friseure und so weiter. Man muss halt aufpassen. Wenn sich Menschen in der Woche vertun, in einen Laden hineingehen und schöne Koteletts bestellen, dann haben sie vielleicht bald links und rechts getrimmte Haare, aber immer noch einen Hunger, weil ihnen die Koteletten gestutzt wurden. Ich sage das nur dazu, damit man bei der Verordnung entsprechend gut aufpasst. So wie immer halt.
Zum Haareraufen

Zu viel aufpassen ist aber auch nicht gut, denn das bringt nur schlechte Laune. Man muss momentan nicht nach Israel schauen, um von Neid zerfressen zu werden, Großbritannien reicht. Zum Erstaunen vieler liegt das Land nach dem Brexit nicht längst in Schutt und Asche, sondern hüpft der EU gerade vor, wie man eine Pandemiekrise erfolgreich managt. Auch die Briten haben viel falsch gemacht, es gab verheerende Infektionszahlen und viele Tote, aber was nun ausgerollt wurde, ringt Respekt ab. Am Sonntag gab Gesundheitsminister Matt Hancock bekannt, dass bereits jeder dritte Erwachsene zumindest eine Impfdosis erhalten habe. Bis Mitte April werden alle über 50, die möchten, geimpft sein, bis Ende Juli alle über 18. Die Briten sind damit um zwei Monate schneller als ihr eigener Impfplan. Auch in Österreich wird natürlich jeder über 18 spätestens Ende Juli ein Impfangebot bekommen haben, möglicherweise aber nicht 2021.
Gestern nun gab Premier Boris Johnson seinen 4-Stufen-Plan für die Öffnung des Landes bekannt. Er machte den Briten keine falschen Hoffnungen, nichts geht schnell, am Anfang bleiben viele Restriktionen bestehen. Am 8. März öffnen die Schulen, am 29. März alle Sportanlagen im Freien, am 12. April dürfen die Restaurant die Schanigärten aufsperren, am 17. Mai können die Kinos wieder Filme zeigen, 10.000 Menschen dürfen in die Fußballstadien, Hochzeiten bis 30 Personen werden erlaubt, auch Reisen sind wieder denkbar. Am 21. Juni schließlich sollen alle Beschränkungen fallen. Es ist noch eine lange Zeit bis dahin, aber das nenne ich einen klaren Plan, eine Orientierung, einen Weg, eine Hoffnung.
Ich erzähle das auch deshalb, weil sich in der „Heute“-Redaktion ein betagtes Paar meldete. Maria S. und ihr Mann Franz, er ist 95 Jahre alt, bei ihr ist es Freitag soweit. Beide sind rüstig, wohnen in Wien-Floridsdorf und sie hätten gern eine Impfung. Leider bekleidet keiner der beiden ein Bürgermeisteramt, ist Präsident von irgendwas und wohnt auch nicht in einem Seniorenheim, deshalb wissen Maria und Franz S. nicht, wann sie drankommen, sie wurden schlicht noch nicht kontaktiert. Vor der Pandemie saß das Paar noch auf Einladung der Stadt im Rathaus, bei einem Fest wurde ihre Kronjuwelenhochzeit gefeiert, 75 Jahre sind sie nun zusammen.
Es ist nicht so, dass nichts passierte. Die Tochter bemühte sich, rief bei der Hotline „Österreich impft“ an, landete aber nur bei einer schnoddrigen deutschen Auskunftsperson, die beschied, dass man sich nur per Mail anmelden könne. Seither Funkstille. Ich wundere mich. In Österreich ist schon viel passiert, aber gegen die Pensionisten hat noch nie jemand eine Wahl gewonnen. Diese Pandemie erzeugt viele Frustrierte, nicht wenige auch in gehobenem Alter, ich würde den politischen Kollateralschaden, der in der Generation Kukident gerade angerichtet wird, nicht unterschätzen.
Alles nur geklaut

Viele Dämme brechen momentan im Land. Es darf schon als ungewöhnlich angesehen werden, was gestern im Land politisch passierte. Die FPÖ ritt zu einer wilden Attacke auf den Bundespräsidenten aus. Sie unterstellte ihm Mitwisserschaft beim „Ibiza-Video“ und legte mehrere Kalendereinträge im Original vor, sie sollen allesamt aus der Präsidentschaftskanzlei stammen, zumindest wurde dieser Eindruck erweckt. Ich kann die Echtheit der Unterlagen nicht überprüfen, sollte aber nicht getrickst worden sein, dann muss man sich schon vor Augen halten, was das heißt: Der Bundespräsident wurde beklaut.
Nun war das Verhältnis zwischen Bundespräsidenten und Politikern, die im täglichen Wettstreit stehen, in Österreich selten friktionsfrei. Man erinnere sich an die Scharmützel, die sich der damalige Kanzler Franz Vranitzky und Bundespräsident Thomas Klestil, durchaus auch auch vor TV-Kameras, lieferten. Höhepunkt der Possenreiterei: Nach der Zustimmung der Österreicher sollte der EU-Beitrittsvertrag 1994 auf Korfu unterschrieben werden. Klestil hätte gerne, Vranitzky und seine rot-schwarze Regierung ließen ihn nicht. Nach wochenlangem Gezerre reisten beide nach Griechenland, Klestil, um lediglich eine Erklärung abzugeben.
Eine Art Erklärung gab auch die FPÖ gestern ab, aber sie fiel brachial und ruppig aus, ein Zeichen dafür wie verlottert und verludert der politische Stil in Österreich mittlerweile geworden ist. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker unterstellte dem Bundespräsidenten, ein „Mitdirigent“ der Ibiza-Affäre gewesen zu sein, eine Anzeige gegen „Unterdrückung von Beweismitteln“ werde eingebracht, „Amtsmissbrauch“ wurde in den Raum gestellt. Der ÖVP warf der Fraktionsführer im U-Ausschuss vor, sich mit dem Bundespräsidenten „auf ein Packerl geworfen“ und „von Beginn an gelogen“ zu haben.
Die Beweiskette für die Anschuldigungen blieb porös. Eben jene Kalendereinträge wurden vorgelegt, die andeuten, dass Alexander Van der Bellen vorzeitig, am 16. Mai 2019 nämlich, vom Ibiza-Video gewusst haben könnte. Tags darauf wurde der Skandal öffentlich gemacht. Schon am 15. Mai allerdings hatte die „Süddeutsche Zeitung“ FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache einen Fragenkatalog übermittelt. Spätestens da dürften hinter den Kulissen die Smartphones geglüht haben. Die Präsidentschaftskanzlei wollte gestern die „absurden Vorwürfe“ nicht kommentieren. Anders ausgedrückt: Van der Bellen lässt sich nur von „Juli“ anbellen.
Heer mit dem Orden

Ich wünsche einen wunderbaren Dienstag mit viel Sonne und fast schon frühlingshaften 17 Grad. Der zauberhafteste Termin fand gestern im Verteidigungsministerium statt. Ö3-Wecker Robert Kratky bekam von Klaudia Tanner für seinen „enthusiastischen Einsatz im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit für das Heer“ die „Militär-Anerkennungsmedaille“ verliehen. Leider arbeitet er beim Radio, es nützt also nichts, wenn er sich den Orden jetzt jeden Morgen an den Pyjama heftet.
Kratky hatte in bisher 33 Videos die Vorzüge der Landesverteidigung gepriesen, besonders beliebt seien, laut Ministerin, „Tagwache mit Kratky“ und „Heer g´schaut“ gewesen. Eine Beförderung gab es für den Gefreiten in Reserve nicht, dafür erforderliche Meriten muss er sich wohl erst etwa in der Verteidigung von Krems erwerben. Ein etwaiger Gegner wird noch gesucht.
Fotos:
Alexander Van der Bellen: Picturedesk, Starpix
Boris Johnson: Picturedesk, AFP, Leon Neal
Kalender: "Heute", Sabine Hertel
Robert Kratky: Bundesheer, Gunter Pusch
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